Von Karl Rahner
1. Eine apologetische Beweisführung der historischen Tatsache, daß Jesus Christus nach seinem wirklichen u. wahrhaften Tod, seiner Abnahme vom Kreuz u. seiner ordnungsgemäßen Bestattung in seiner ganzen u. darum leibhaftigen Wirklichkeit zur verklärten Vollendung u. Unsterblichkeit auferstanden ist, steht nicht im Vordergrund der Osterbotschaft des Neuen Testaments (darüber 2). Aber es ist wichtig, angesichts der heute möglichen Glaubensschwierigkeiten zuerst auf die gutbegründete Geschichtlichkeit dieser Tatsache hinzuweisen. Sie stützt sich auf zwei sich gegenseitig tragende u. erhellende Erfahrungen, die selbst bei kritischer Exegese u. rein historischer Forschung jeder ernsthaften Bestreitung standhalten. Die eine Erfahrung ist die Entdeckung des leeren Grabes (älteste Bezeugung Mk 16,1-8), die nach kritisch-exegetischem Befund gerade nicht in den Dienst einer apologetischen Beweisführung gestellt wurde (einerseits: Entdeckung durch die nach jüdischem Recht zeugnisunfähigen Frauen [„leeres Geschwätz“ Lk 24,11]; Abschluß des Berichts mit einem bloßen Furchtmotiv Mk 16,8; aber anderseits: Nachprüfbarkeit des Berichts in Jerusalem; Fehlen jeder Bestreitung der Tatsache des leeren Grabes von Seiten der antichristlichen Jerusalemer Polemik). Die andere Erfahrung ist die der mehrmaligen Selbstbezeugung Jesu (ältestes Zeugnis dafür 1 Kor 15,3b-5, ein ursprünglich aramäisch gefaßtes, in den ersten Jahren der Urgemeinde entstandenes Traditionsstück, das nach der jüdischen Anthropologie nur eine leibliche Auferstehung meinen u. jedenfalls nicht „reine Legitimationsformel“ sein kann) gegenüber auserwählten Zeugen, die ihren Glauben bekunden nicht in erster Linie aufgrund des leeren Grabes, sondern aufgrund einer durch eigene Wahrnehmung gewonnenen eigenen Überzeugung, die nachträglich auch in den Evangelien für andere glaubwürdig gemacht wird durch den Bericht über die in Jerusalem unbestrittene u. unbestreitbare Auffindung des leeren Grabes.
2. Wie schon 1 Kor 15,3-5, so bekunden auch die von der kritischen Exegese in ihrem Wert wiederentdeckten Petrusreden Apg 2,22-40; 3,12-16; 5,29-32; 10,34-43 u.ö. (übrigens Zeugnisse vom Streit zwischen Juden u. Christen über die Auferstehung) den Osterglauben der Urgemeinde an die Machttat Gottes in der Auferweckung u. Sichtbarmachung Jesu, wodurch die Erscheinungen des Auferstandenen als objektive Ereignisse bezeugt werden (Grundschema der Osterpredigt: Auferweckung – Schriftbeweis – Jüngerzeugnis; späteres Schema: leeres Grab – Christophanie – Himmelfahrt). Ein weiteres wesentliches Moment am Zeugnis über diese Erscheinungen ist der Nachweis, daß der Gekreuzigte mit dem Auferstandenen identisch ist (z.B. Lk 24; Jo 20), daß bei der Bezeugung den Aposteln u. vorab dem Petrus eine vom Herrn vorgesehene Funktion eigener Würde zukommt, die durch die Berichte von den Reden des Auferstandenen noch einmal eigens untermauert wird. Im Neuen Testament ist die Auferstehung Jesu immer unter der vom Zeugnis nicht ablösbaren Voraussetzung eines objektiven Ereignisses bezeugt, das nicht genügend (wenn auch nicht unrichtig) mit „Auferstehung ins Bewußtsein der Glaubenden“ wiedergegeben wird. Angesichts der Neuartigkeit des Auferstehungsleibes ist verständlich, wenn gesagt wird, die im Judentum erwartete Auferstehung des Fleisches diene als Interpretament der Ostererfahrung der Jünger; aber diese Erfahrung besteht nicht nur in einem inneren, interpretationsbedürftigen Reflexionsvorgang, sondern ist offenkundig fundiert in objektiven Ereignissen.
3. Der Inhalt des apostolischen Glaubens an die Auferstehung Jesu u. seiner katechetischen u. kultischen (besonders in der Taufe geschehenden) Bekundung ist darüber hinaus kurz: die Auferstehung Jesu ist die höchste Machttat des Vaters – das entscheidende Selbstzeugnis des Sohnes; die Eröffnung der Endzeit u. ihres Heiles – die Erfahrung des Heils in der Gegenwart; die volle Erkenntnis Jesu als des Messias, Ebed Jahwe, Menschensohnes, zweiten Adams u. „Anführers des Lebens“, Begründers u. Vorbilds der neuen Schöpfung, des kosmischen Endmenschen, des Kyrios, der seiner Gemeinde verklärt gegenwärtig ist; daraus die Mahnung zum Wandel im neuen Leben, zum Anziehen des neuen Menschen, die freilich nur in der Gnade des Auferstandenen erfüllt werden kann, da es letztlich der „Geist“ des Auferstandenen ist (vgl. Röm 7,6; 8,9; 14,17 u.ö.), der den Glaubenden neu macht zum Bild des „letzten u. himmlischen“ Adam (vgl. 1 Kor 15,47ff), ja befähigt, daß der Auferstandene in ihm Gestalt annehmen kann (vgl. Röm 8,10; Eph 3,17; Gal 2,20).
4. Die Auferstehung Jesu wird von sämtlichen Glaubensbekenntnissen von Anfang an bekannt. Sie muß auch für die heutige Theologie zentrales Thema sein, da sie die Vollendung des Heilshandelns Gottes an der Welt u. am Menschen ist, in der Gott sich in dem durch die Auferstehung endgültig ausgewiesenen Sohn der Welt unwiderruflich mitteilt u. darum die Welt in eschatologischer Endgültigkeit zum Heil annimmt, so daß alles noch Ausständige nur die Durchführung u. Enthüllung des in der Auferstehung Geschehenen ist. Dabei handelt es sich insofern um ein eigentliches Geheimnis des Glaubens, als die Auferstehung in ihrem konkreten vollen Wesen als der Vollendung gerade Jesu Christi nur von dem absoluten Geheimnis der Inkarnation her adäquat verstanden werden kann. Theologisch ist die Auferstehung Jesu also nicht primär ein Fall einer schon in sich verständlichen Auferstehung im allgemeinen, sondern das einmalige, aus Jesu Wesen u. Tod erfolgende Ereignis, das die Grundlage der Auferstehung der durch ihn Erlösten als solchen ist.
5. Der christologische Aspekt der Auferstehung besagt, daß Jesus in seiner ganzen u. darum leibhaftigen Wirklichkeit zur verklärten Vollendung u. Unsterblichkeit (im Unterschied zur Wiedererweckung eines Toten) auferstanden ist, die ihm gebührt kraft seines Leidens u. Sterbens, insofern diese mit einer inneren Wesensnotwendigkeit diese konkrete Vollendung zeitigen. Tod u. Auferstehung Jesu sind ein einziger, innerlich in seinen Phasen unlöslich zusammenhängender Vorgang (vgl. Lk 24,26.46; Röm 4,25; 6,4ff): jeder Mensch stirbt von innen her in seine Endgültigkeit hinein, so daß diese die gezeitigte Frucht seines zeitlich-freien Daseins u. nicht eine bloß in einem zeitlichen Hintereinander folgende Periode ist, in der etwas zum Vorausgehenden völlig Heterogenes gegeben sein könnte. Diese Vollendung ist dennoch zugleich von Gott geschenkt, da der Tod ja in jeder Hinsicht ein Sicheinlassen auf die Verfügung des Verfügenden ist. Bei Jesus muß darum die Auferstehung das vollendete u. vollendende Ende eben dieses seines Todes sein, u. beide Momente des einen Vorgangs müssen sich gegenseitig bedingen u. interpretieren. Darum ist es nicht eine mythische Aussage, sondern die der Sache selbst, wenn Schrift u. Tradition die Auferstehung als die reale Annahme des Todesopfers Jesu durch den Vater betrachten, die zum Wesen des Opfers selbst gehört.
6. Weil Jesu leibhaftige Menschheit ein bleibender Teil der einen Welt mit einer einheitlichen Dynamik ist, darum ist die Auferstehung Jesu soteriologisch objektiv der Anfang der Verklärung der Welt als eines ontologisch zusammenhängenden Geschehens; in diesem Anfang ist ja die Vollendung der Welt grundsätzlich entschieden u. schon begonnen. Die Auferstehung Jesu ist auch darin nicht nur sein exklusiv-privates Schicksal, so daß seine Auferstehung den „Himmel“ schafft u. nicht nur (samt der „Himmelfahrt“, die im Grunde ein Moment an der Auferstehung ist) ein Einzug in einen vorgegebenen Himmel ist, daß also auch hier die (Heils-)Geschichte letztlich Grund der Naturgeschichte ist u. sich nicht bloß im Rahmen einer von ihr unberührten fixen Natur abspielt. Anderseits muß daraus auch deutlich werden, daß der Auferstandene, weil der vereinzelnden irdischen Leiblichkeit enthoben, gerade erst als der Auferstandene, also durch sein „Gehen“, in Wahrheit der der Welt Nahe geworden ist u. darum seine Wiederkunft das Offenbarwerden dieses in der Auferstehung gewonnenen innigen u. offenen Weltverhältnisses Christi ist.
7. Die Erfahrung eines „Jenseitigen“, der sich „zeigen“ muß, der Raumzeitlichkeit der Menschen nicht mehr angehört, ist kein Ereignis, das aus menschlicher Erfahrung „verstehbar“ wäre. Ohne die Erfahrung des Geistes, d.h. in diesem Fall ohne die glaubend angenommene Erfahrung der Sinnhaftigkeit des Daseins, wird das vertrauende Sicheinlassen auf das Osterzeugnis der Jünger nicht geschehen. Nur der Hoffende kann die Erfüllung der Hoffnung sehen, u. an der gesehenen Erfüllung kommt die Hoffnung in die Ruhe ihrer eigenen Existenz. „Vorstellbar“ ist eine „leibhaftige“ Auferstehung nicht, weil sie ja nicht die Wiederherstellung eines früheren Zustandes ist, sondern jene Verwandlung radikaler Art bedeutet, durch die der freie irdische Daseinsvollzug des Menschen als ganzen hindurchgehen muß, soll der Mensch seine Vollendung in der Überwindung der Zeit u. Auszeitigung der Ewigkeit aus der Zeit finden.
Quelle: Karl Rahner/Herbert Vorgrimler, Kleines Theologisches Wörterbuch, Freiburg i.Br.: Herder, 101976, S. 42-45.