Zum Tod des Pianisten Edwin Fischer
Von Hans Joachim Iwand
Nachdem der Pianist Edwin Fischer am 24. Januar 1960 gestorben war, schrieb Hans Joachim Iwand an Ilse Gräfin von Kanitz am 28. Januar:
Ich mußte seit vorgestern viel an Sie denken, als ich las, daß Edwin Fischer nun auch engültig von uns gegangen ist. Welch ein Verlust … Eine ganze Zeit nimmt Abschied. – Ich muß immerfort in diesen Wochen daran denken, eins nach dem anderen sinkt dahin. Es ist wie bei einer Sintflut, eben stand dort noch ein Baum, ein Haus, ein Hügel, auf einmal ist auch dort das ewig gleiche, schmutzige, alles nivellierende Wasser. Immer mehr bricht von unten her auf. Bei uns. im Osten, in Frankreich. Und solche seltenen Menschen wie Edwin Fischer waren doch immer noch zugleich eine Erinnerung … an jene Zeiten, die ihre Kraft gesammelt hatten zur Schöpfung der geistigen Welt bzw. zu deren Gegenwärtigung, die wie ein Wunderbau über dem Chaos stand. – Leider kann ich heute nicht mehr schreiben. Man kann sich die Ewigkeit schwer vorstellen, aber daß es mit dem Tode ganz aus sei, kann ich mir so schwer denken. Es widerspricht dem Denken an sich, dem Geiste an sich. Aber je mehr wir uns dem Tierischen nähern, desto mehr verbindet sich der moderne Mensch mit dem Gedanken, daß er nur zwischen Geburt und Tod vegetiere. Ich möchte gern eine Vorstellung dessen haben, was sein wird. Wahrscheinlich übersteigt es in seiner Größe und Herrlichkeit alles in unseren Verstand je Eingehbare. Darum kann man sich geistig auch auf die Zehenspitzen stellen, und man sieht doch nicht einmal durchs Schlüsselloch. Der Tod ist eine furchtbare Sache, ich habe oft versucht in Liebe und Leidenschaft durch die Ritzen zu gucken, die er zwischen hier und dort offen gelassen hätte, aber es sind keine und man sieht letzten Ende doch immer nur wie in einen Spiegel. Gott hat fest zugemacht, damit er uns einmal wirklich überraschen kann. »Dann wird unsere Zunge voll Lachens und unser Mund voll Rühmens sein« (Psalm 126,2). Vielleicht werden wir das dann vor uns haben, was die himmlische Musik des Toten und seiner Meister immer nur andeutete.
Quelle: Jürgen Seim, Hans Joachim Iwand. Eine Biographie, Gütersloh: Gütersloher Verlagshaus, 21999, S. 592f.