Fridolin Stier über Martin Buber: „Martin Bubers Deutung chassidischer Begriffe mag in einzelnem an­fechtbar sein. Tatsachentreue ist Sache des Historikers, die des Jüngers ist Treue zur Sache. Aneignend wirkt diese Treue, und darum in der Vollmacht neuen Formens.“

martin-buber
Martin Buber (1878-1965)

Von Fridolin Stier stammt folgendes Portät Martin Bubers aus dem Jahr 1966, das diesen ausführlich zu Wort kommen lässt:

Martin Buber

Von Fridolin Stier

Martin Mordechai Buber, geboren am 8. Februar 1878 in Wien. Vom dritten bis zum vier­zehnten Lebensjahr im Hause seines Großvaters, des gelehrten Midraschforschers Salomon Buber in Lemberg; erste Begegnung mit dem Chassidismus. Studien an den Universitäten Wien, Leipzig, Zürich, Berlin, wo die Philosophen G. Simmel und W. Dilthey stärkeren Einfluß auf ihn gewannen. Von 1898 bis 1904 Tätigkeit in der jungen zionistischen Bewe­gung. Es folgen den chassidischen Schriften gewidmete Jahre der Zurückgezogenheit; erste schriftstellerische Ver­suche (1907: „Die Legende des Baalschem“). Im folgenden Jahrzehnt reifen die philosophischen Erkenntnisse („Daniel“ und „Ich und Du“). Während seiner Lehr­tätigkeit in Frankfurt/M. Beginn der Bibelübersetzung zusammen mit Franz Rosenzweig bis zu dessen Tod (1929). 1938 Übersiedlung nach Jerusalem, Pro­fessur an der Hebräischen Universität. Gestorben am 13. Juni 1965 in Jerusalem.

Hauptschriften: Die jüdische Mystik (1906); Vom Leben der Chassidim (1908); Daniel (1913); Mein Weg zum Chassidismus (1917); Ich und Du (1923); König­tum Gottes (1932); Der Glaube der Propheten (1940); Das Problem des Menschen (1943); Gog und Magog (1943); Moses (1945); Der Weg des Menschen nach der chassidischen Lehre (1948); Die Erzählungen der Chassidim (1949); Pfade in Utopia (1950); Israel und Palästina (1950); Zwei Glaubensweisen (1950); Gottes­finsternis (1952); Die chassidische Botschaft (1952); Reden über das Judentum (1952); Reden über Erziehung (1953); Schriften über das dialogische Prin­zip (1954); Die Schrift (4 Bände 1954-62); Begegnung (1961); Nachlese (1965). Die wichtig­sten Arbeiten sind enthalten in: Werke (3 Bände 1962-64).

Martin Bubers Gedankenwerk gleicht dem Wachstum eines Halms: nach­einander, aber jeder den folgenden tragend und ein Stück weit umfaltend, treten seine Teile hervor. Drei Phasen zeichnen sich ab; Durchbrüche, „Be­kehrungen“ gliedern sie wie Knoten, trennend und verbin­dend zugleich. Um sein zwanzigstes Lebensjahr ergreift den dem Judentum Entfremdeten die zionistische Bewegung, deren Ziel er gegen Th. Herzl nicht national und kulturell, sondern als Erneuerung des Judentums aus den Kräften seines Ursprungs bestimmt wissen wollte. Die entscheidende Wende wider­fährt ihm in der Neubegegnung mit dem Chassidismus, in dessen Früh- und Hochform ihm das wesenhafte, aus seiner Urkraft lebende Judentum ver­wirklicht erschien. Hinkehr zum Werk an der Welt war die Lebens- und Lehrantwort des Chassidismus auf das Scheitern der sabbatianischen Be­wegung, die ein Ausbruch aus der Welt war, ein Dammbruch gestauter [164] messianischer Sehnsucht, in den der Pseudomessias Sabbatai Zwi ost­jüdi­sche Gemeinden hineingerissen hatte. In Baal-schem-tow (1700-1760) er­stand der Gegen­bewegung das führende Haupt. Ein Wort dieses Zaddik traf Martin Buber eines Tags mit bekehrender Gewalt. Den Über­lieferungen, die um ihn, seine Schüler und Schülersschüler wuchsen, wid­met er Jahre; in wachsendem Maße erfährt er seine „eingeborene innere Verbin­dung mit der chassidischen Wahrheit“: der Jünger wird zum Ver­künder, „später Sendling in fremdem Sprachbereich“. Es galt, im amor­phen Gewirr des Überlieferten das Wahre aus der Mengung mit Falschem, das Lebendige aus Totem, den Funken aus der Asche zu scheiden, um dem chassidischen Geist Sprache und Gestalt einer „Botschaft an den abend­ländischen Menschen“ zu bereiten. Martin Bubers Deutung chassidischer Begriffe mag in einzelnem an­fechtbar sein (G. Scholem). Tatsachentreue ist Sache des Historikers, die des Jüngers ist Treue zur Sache. Aneignend wirkt diese Treue, und darum in der Vollmacht neuen Formens. Ihre In­stanz ist das eigene Selbst. Er habe ein Sieb gebraucht, sagte man ihm; „ich bin ein Sieb“, antwortet er. Es ist vor allem die chassidische Haltung zur Welt, die sich ihm einwirk­te. Nach dem kabbalistisch-gnostischen Mythos wohnen, dem Urlicht entsprüht, göttliche Funken in allen Dingen und Wesen, selbst im „bösen Trieb“, verbannt, harrend des Men­schen, dem es gegeben ist, sie zu „erlösen“, sie durch die rechte „Richtung“ (qawwanah) des Sinnes, im liebenden Umgang mit allem Umwesenden zu „heben“, um das Göttliche in die Einheit seines Ursprungs zurückzuführen. Wird also das Göttliche aus der Welt, nicht die Welt selber erlöst, so muß sich das Weltkonkretum „entleeren“ (G. Scholem). Sei dem so, ziele das Werk des Chassid über die Welt hinaus, beim Welteinzelnen setzt es doch an; das Hineinwirken in die göttliche Sphäre realisiert sich im Wirken an der irdischen. So tritt die Beziehung zu Gott in engste Verbindung mit der Beziehung zur Welt. Das „Urübel aller Reli­gionen“, die Trennung von Sein zu Gott und weltlichem Werk sieht M. Buber im Chassidis­mus über­wunden. In Weltraum und -zeit, im Hier und Jetzt geschieht in der Kraft der „Rich­tung“ durch den Menschen messianisches Werk, kommt das Reich Gottes ins Reich der Welt.

Das Chassidische geht in Bubers philosophische Phase ein, sich klärend und wandelnd unter den „entscheidenden Erfahrungen“ der Jahre 1912 bis 1919. Der nahenden Katastrophe des Ersten Weltkriegs gegenüber wächst ihm, immer zwingender, die Gewißheit zu, „daß der menschliche Geist entweder existenzverbindlich oder … vor der entscheidenden In­stanz nichtig ist“. Der „denkerische Ausdruck“ dieser Gewißheit, des An­spruchs der Existenz, ist „die Erkenntnis des Menschenlebens als der Mög­lichkeit eines Dialogs mit dem Seienden“. Er sieht, „jetzt mit überwälti­gender Deutlichkeit“, daß die „Realisierung jenes Dialogs“ in der chassi-[165]dischen „Art von Leben … auf eine geheimnisvolle Weise involviert war“. Das Chassidische interpretiert sich philosophisch. Es verhält sich nicht so, wie es nach manchen Darstellungen scheinen möchte, daß der Philosoph in anderer und eigener Sache neben den Chassid getreten wäre; vielmehr: chassid genuit philosophum, nur daß Vater und Sohn, unbe­schadet des Eigenen, das dieser hinzubrachte, in einem Geist verschiedene Sprachen sprechen. Die Elemente des dialogischen Prinzips erscheinen erstmals in: „Daniel. Gespräche von der Verwirklichung“. Den Wanderstock an den Stamm einer Esche gestemmt, „… fühlte ich zwie­fach meine Berührung des Wesens: hier, wo ich den Stock hielt, und dort, wo der Stab die Rinde traf… Damals erschien mir das Gespräch. Denn wie jener Stab ist die Rede des Men­schen, wo immer sie echte Rede, und das heißt: wahrhaft zugewandte Anrede ist.“

In „Ich und Du“, dessen erste Niederschrift in das Jahr 1919 fällt, kommt „Daniel“ zur Reife. Die Zwiefalt der Urhaltungen des Menschen zur Welt erscheint nun in den pronominalen Grundwortpaaren Ich—Du, dem in „Daniel“ die „Realisierung“, und Ich—Es (Er, Sie), dem die „Orientie­rung“ entspricht. Zwiefältig ist die Welt dem Menschen gegeben nach der Zwie­falt seines Wesens. Es gibt kein Ich an sich, sondern nur das Ich der Grundwortpaare. Wenn Du gesprochen wird oder Es, ist je das Ich des entsprechenden Grundwortpaars mitgespro­chen. „Wer Du spricht, hat kein Etwas zum Gegenstand. Denn jedes Etwas grenzt an ein an­deres Etwas. Du grenzt nicht.“ Das Grundwortpaar Ich—Es schafft die Welt des Erfahrens und Gebrauchens, die Es-Welt. Das Grundwortpaar Ich—Du stiftet die Welt der Beziehung, die Du-Welt. Wer Du spricht, setzt Gegenseitigkeit, auch wenn die „Gegenseite“ nichts davon weiß; sie ant­wortet mit ihrem Da, ein Baum steht auf „der Vorschwelle der Mutua­lität“, ein Tier auf der „Schwelle der Mutualität“. Die Du-Welt ist dia­logisch, die Es-Welt ist undialo­gisch. Jedes einzelne Du aber muß nach Ablauf des Beziehungsvorgangs zu einem Es werden. Das einzelne Es kann durch Eintritt in den Beziehungsvorgang zu einem Du werden. Das „muß“, der Es-Welt-Zwang ist das Stärkere; denn es schafft die erkannte und bewältigte Welt des Gebrauchens. Und ohne diese, ohne Es kann der Mensch nicht leben. Aber wer mit ihm allein lebt, ist nicht der Mensch. Nun aber erfolgt „die Ausbildung der erfahrenden und ge­brauchenden Fähigkeit … zumeist durch Minderung der Beziehungskraft des Menschen — der Kraft, vermöge deren allein der Mensch im Geist leben kann“. Gewiß: „Das Grundwort Ich—Es ist nicht vom Übel — wie die Materie nicht vom Übel ist. Es ist vom Übel — wie die Materie, die sich anmaßt, das Seiende zu sein. Wenn der Mensch es walten läßt, überwuchert ihn die unablässig wachsende Es-Welt, entwirklicht sich ihm das eigene Ich, bis der Alp über ihm und das Gespenst in ihm einander das Geständnis [166] ihrer Unerlöstheit zuraunen.“ Die Namen der sich selbst überlassenen Es-Welt heißen „Versonderung“, „Verfremdung“, „Ab­fall“. Sich dessen zu besinnen, ist der Anfang der „Umkehr“. Unerlöstheit, Abfall, Umkehr; biblische Begriffe erscheinen im Zusammenhang einer nichttheologischen Anthro­pologie. Die Umkehr ist das Werk des Ich—Du; das Es harrt seiner: „Was… zum Es sich gewandelt hat, dem ist, dem zum Ding unter Dingen Erstarrten, der Sinn und die Bestimmung eingetan, daß es sich immer wieder entwandle. Immer wieder … soll das Gegenständliche zur Gegenwart entbrennen, einkehren zum Element, daraus es kam, von Menschen gegenwärtig geschaut und gelebt werden.“ Die chassidische Er­lösung der göttlichen Funken aus ihrer Verbannung im All der Wesen und Dinge erscheint hier philosophisch in frappanter Analogie. Der kabba­li­stisch-gnostische Mythos ist dahinten geblieben, sein Sinn nach vorn gerückt.

Die Es-Welt hat Zusammenhang in Raum und Zeit, die Du-Welt aber hat ihren Zusammen­hang in der Mitte, in der die verlängerten Linien der Beziehungen sich schneiden im ewigen Du. Durch jedes geeinzelte Du spricht das Grundwort das Ewige an. Nicht „hier Welt, dort Gott“, nicht „Gott in der Welt“ — das ist Es-Rede — sondern „all die Welt mit im Du begrei­fen, der Welt ihr Recht und ihre Wahrheit lassen, nichts neben Gott, aber auch alles in ihm fassen, das ist vollkommene Beziehung“. Durch sie verbinden sich die isolierten Momente der Beziehungen zu einem Welt­leben der Verbundenheit, in dem der Geist die Es-Welt durch­dringt und verwandelt, sie nicht der Verfremdung, das Ich nicht der Entwirklichung anheim­fallen läßt. Die vollkommene Beziehung, in der die chassidische qawwanah gewandelt wie­dererscheint, ist das Rettende. Buber „weiß nichts von einer Welt und einem Weltleben, die einen von Gott trennten; was so genannt wird, ist das Leben mit einer verfremdeten Es-Welt… Wer wahrhaft zur Welt ausgeht, geht zu Gott aus“. Wer Gott liebt, muß die Welt in Gott lieben, sie „hinlieben“ zu Gott. Frömmigkeit (chassidut) heißt für Buber „Wesensliebe“.

Aus dem Grundwort Ich—Du erschließt sich M. Buber auch der Begriff „Offenbarung“ in einer religionsphilosophisch und theologisch folgen­schweren Bedeutung: Das Begegnende ist überall da; in allem Welt­konkreten reicht sich die Urpräsenz dem Menschen zu aus Gnaden. Du! ruft sie den Menschen an. Des Gerufenen Tat, seine Wesenstat, aber ist es, zu dem Rufen­den das Grundwort zu sprechen. Erst so wird Begegnung, erst so Gegenseitigkeit, erst so Be­ziehung, erst so auch Offenbarung. Offenbarung impliziert also, als Vorgang der reinsten Be­ziehung, mensch­liche Mittat. Das Offenbarende ist da, aber ohne die Beziehung geschieht Offenbarung nicht. Der Mensch, der aus dem Beziehungsvorgang heraus­tritt, hat in seinem Wesen „ein Mehr“, das nicht ein „Inhalt“, sondern die [167] Gegenwart ist, und diese „als Kraft“, die ihm „unaussprechliche Bestäti­gung des Sinnes“ zuwirkt, der unserer Welt, nicht einer anderen, und unseres Lebens Sinn ist, nicht zu deuten, nur im Hier und Jetzt zu tun und zu bewähren ist, von jedem je mit der Einzigkeit seines Wesens und seines Lebens. Denn der „Sinn“ tut sich nicht als allgemein gültiges Wis­sen noch als allverbindliches Sollen kund. Dieser ewigen, allerorten und allezeit geschehenden Offenbarung sind die „gewaltigen Offen­barungen, auf die sich die Religionen berufen, wesensgleich“. „Ich glaube nicht an eine Selbstbenennung Gottes, nicht an eine Selbstbestimmung Gottes vor dem Menschen“ („Ich bin da“ ist ja eine Daseinszusage, keine Wesens­aussage). Wie alles geeinzelte Du, wird auch die in der Offenbarung emp­fangene Gegenwart und Kraft zu einem Es: zum ausgesagten Wissen und gesetzten Tun der Religionen. Denn die Beziehungskraft wechselt zwischen Aktualität und Latenz. Der Mensch aber will Dauer, will Gott haben in Stetigkeit, im Konti­nuum der Zeit. So wird der Glaube, ursprünglich die Beziehungsakte nur ergänzend, zum Ganzen. An die Stelle der Bewegung tritt das „Ruhen in einem geglaubten Es“. „Gott wird zum Glaubens­objekt.“ Und aus der „Einsamkeit“ des Ich vor Gott im Beziehungsakt drängt der Mensch zum Kontinuum des Raumes: der Gemeinschaft der Gläubigen. „So wird Gott zum Kultobjekt.“ Doch ist damit eine echte Bürgschaft der Kontinuität nicht gewonnen. Nur die Tag um Tag nach dem Maße der Kraft erneute Hebung der Wesen zum Du durchwirkt das Menschenleben mit Momenten der höchsten Begegnung, mit reiner Be­ziehung so, daß „sie in ihm eine strahlende, durchstrahlende Stetigkeit gewinnt“.

Der Primat der Du-Welt gegenüber der Es-Welt bestimmt M. Bubers kri­tische Haltung den historischen Religionen, insbesondere seinem ange­stammten Judentum gegenüber; denn ihre Es-Gebilde sind im Namen dieses Primats zur Umkehr gerufen: die Lehre von Gott als ge­staltlichem oder, was dem gleich ist, begrifflichem Gottding, das Gesetz als die er­starrte Es-Form je in die Situation eines Volksganzen, einer Gruppe oder Einzelner ergehender und in ihr zu tuender Weisung, die sakralen In­stitutionen um ihrer Tendenz willen, sich als Substi­tutionen zu etablieren und die aus dem Grundwort Ich—Du entspringende Quelle zu verschüt­ten. Zu den Setzungen der Es-Welt gehört auch die absolute Autorität der Heiligen Schriften. Sie beruht auf dem Glauben an die Abgeschlossenheit der Offenbarung ein für allemal. Alle Offenbarung ist Begegnung von Göttlichem und Menschlichem. Aber das Geschmelz aus göttlichem Feuer und menschlichem Erz ist „nicht von der Art des Feuers“. „Wir können daher nichts, was… aus der tatsächlichen Offenbarung hervorgeht, ob Wort oder Brauch oder Institution… als von Gott gesprochen oder von Gott eingesetzt verstehen … Nichts kann uns der Aufgabe entheben, uns [168] selber… der ewigen Offenbarung aufzuschließen, die alles, alle Dinge und Vorgänge, in der Geschichte und in unserem Leben zu ihrem Zeichen machen kann. Nur so gewinnen wir die Grundlage zu einem zugleich gläubigen und kritischen Verhal­ten.“ Was als Wort Gottes, Gebot oder Ver­bot, je mir verlaute, ist nicht ohne das Mithören des anderen Wortes Got­tes, das mich aus der Situation anspricht, zu entscheiden. Und es gibt Mißverstehen Gottes, auch in der Bibel. In der Sache Sauls mit Agag (1. Sam 15, 8 ff.) hat Samuel Gott mißverstanden. „Nichts kann mich an einen Gott glauben machen, der Saul be­straft, weil er seinen Feind nicht ermordet hat.“ M. Bubers offenbarungskritischer Umgang mit der Bibel steht unter dem Anspruch der Existenz. Aber dennoch, ja eben darum be­kennt er: „Immer, wenn ich einen biblischen Text zu übertragen oder zu interpretieren habe, tue ich es mit Furcht und Zittern, in einer unentrinn­baren Schwebe zwischen dem Worte Gottes und den Worten der Men­schen.“

In M. Bubers „Schriften zur Bibel“ begegnet man dem Dialogiker auf Schritt und Tritt. „Die Schrift“, seine Übersetzung der hebräischen Bibel, in Atem-, Sprech-, und Sinnzeilen gesetzt, weist auf die ursprüngliche Gesprochenheit hin; mit der kühnen Ersetzung des Gottesnamens Jahwe in der Anrede durch DU geht sie unmittelbar in den Dialog über; und wo ER für Jahwe steht, klingt es, von Buber selber gesprochen, wie DU; denn es gibt ein Es- und Er-Sagen, das Du meint. In „Zwei Glaubensweisen“ nimmt er den trauenden, personal-dialogischen Glauben (ämunah) für das Judentum und für den Juden Jesus in Anspruch; für den fürwahrhaltenden Glauben (pistis), die Es-Form, macht er (nicht ganz zu Recht) Paulus und Johannes verant­wortlich. In den Ursprüngen sieht er die Du-Welt walten — ein stilles Apriori, das seine histo­rischen Untersuchungen zur Glaubensgeschichte Israels durchgehend bestimmt und ihn in der unmittel­baren Theokratie der Anfänge Israels wie in der Stimme der Propheten Wirkungen der Du-Welt erkennen läßt. Um Israels Wesen, nicht um seine Gewesenheiten, geht es in allem historischen Forschen Bubers, um seine Sendung im All der Völker und Weltzeiten: „Die Verwirklichung der all­umfassenden Gottesherrschaft ist das Proton und Eschaton Isra­els.“ Vor M. Bubers Auge steht die Vision einer heilen Welt, in der Du-Welt chiff­riert, die von Menschen mit Gott und zu Gott hin gewirkt, das Reich des Menschen und eben als sol­ches das Reich Gottes ist. Das Wort aber, in dem all sein Denken zum Ruf in die gegenwär­tige Weltstunde sich sammelt, heißt: „Umkehr!“

Hier Stiers Text als pdf.

1 Kommentar

  1. Wenn Gott gewollt hätte, dass wir in einer heilen Welt leben, dann hätte er uns nicht aus dem Paradiese verbannt 🙂 Natürlich gibt es für alles eine Erklärung und das ist ja die Aufgabe, die sich die Kirchenmänner wie Buber gestellt haben: Alles so hindrehen, dass es passt. Doch der Mensch kann sich nur begrenzt selbst belügen und einen grausamen Gott kann sich keiner auf Dauer schönreden .. zumal wir Menschen ihn uns ja selbst erfunden haben gegen die Angst vor der Ungewissheit nach dem Tode .. Und wenn du in der Not nach Gott rufst, gibt er keine Antwort: Frag Millionen von Priestern vergewaltigte Kinder .. Einem solchen Gott dienen, hieße einem Verbrecher dienen .. Ein wahrer Gott würde etwa gar nicht wollen, dass wir uns vor ihm hinknien und klein machen und ihn anbeten. Wie pervers ist das denn ???

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