Erik Peterson, Theologie des Kleides: „Das Kleid, das der gefallene Mensch trägt, ist ein «Standeskleid». Es ist ein Kleid aus den Blättern jenes Feigenbaumes, zu dem der Sohn Gottes ging, als ihn hungerte.“

Albe aus Leinen

Auf solch ein Thema muss man erst kommen – Theologie des Kleides. Erik Peterson hatte 1934, also nach seiner Konversion zur römisch-katholischen Kirche, darüber einen Aufsatz für die Benediktinische Monatsschrift verfasst:

Theologie des Kleides

Von Universitätsprofessor Dr. Erik Peterson, Rom

Die Frage nach dem Verhältnis des Menschen zu dem Kleide wird außerhalb der Kirche gewöhnlich als eine indifferente Angelegenheit behandelt[1]. Es ist ein Adiaphoron, wie man sich kleidet und wie weit man sich entkleidet. Innerhalb der Kirche wird diese Frage dagegen nicht selten als ein rein moralisches Problem angesehen. Man tadelt die mangelnde Beklei­dung, insbesondere bei dem weiblichen Ge­schlecht. Die Frage nach dem Verhältnis des Menschen zu dem Kleide ist nun aber primär gar kein moralisches Problem — insofern be­wegt sich die moralische und die moralisch-indifferente Beurteilung dieser Frage auf dersel­ben Ebene — sondern ein Problem der Metaphysik und der Theologie. Die Frage nach dem Verhältnis des Menschen zu dem Kleide rührt an die zentralsten Wahrheiten des christli­chen Glaubens überhaupt und es ist darum hoffnungslos, wenn man eine im Grunde metaphy­sische und theologische Frage mit moralischem Raisonnement zu erledigen hofft. Man sieht das Problem, um das es sich handelt, solange nicht in seiner ganzen Schärfe, als man sich nur gegen die nicht sittsame Tracht wendet; in dem Augenblick aber, wo nicht mehr die Forde­rung einer sittsamen Tracht zur Verhandlung steht, sondern die Frage nach der Nacktheit überhaupt, brechen me­taphysische und religiöse Fragen auf. Es ist bezeichnend — jedoch im Sachverhalt als solchen gegeben — daß alle jene Kreise, die etwa die Nacktheit propagieren, dieses mit einer weltanschaulichen und religiösen Begründung tun, die der Verkündigung der Kirche sich bewußt entgegenstellt. Insofern sind die Vertreter dieser Ideen un­freiwillige Zeu­gen für die christliche These, daß das Verhältnis des Menschen zu dem Kleide nicht morali­scher, sondern metaphysischer Artung ist. Darum ist es aber auch keine willkürliche Spekula­tion, wenn jede Überlegung über das Verhältnis von Mensch und Kleid auf die Theologie zurückgreift.

Die theologische Überlegung über das Verhältnis von Mensch und Kleid wird ihren Aus­gangspunkt selbstverständlich immer in der biblischen Erzählung vom Sündenfall nehmen. Das Charakteristische an dieser Erzählung ist, daß es Nacktheit erst nach dem Sündenfall gibt. Vor dem Sündenfall gab es wohl Unbekleidetheit, aber diese Unbekleidetheit war noch keine Nacktheit. Die Nacktheit setzt wohl [348] Unbekleidetheit voraus, aber sie ist nicht mit ihr identisch. Das Wahr­nehmen der Nacktheit ist an diesen geistigen[2] Akt, den die Hl. Schrift das «Aufgetanwerden der Augen» nennt, gebunden. Die Nacktheit wird also «bemerkt», während das Unbekleidetsein unbemerkt ge­blieben war. Die Nacktheit nach dem Sündenfall konnte jedoch nur dann bemerkt werden, wenn eine Veränderung im Sein der ersten Menschen einge­treten war. Diese Veränderung im Sein des Menschen durch den Fall muß Adam und Eva in ihrer gesamten Natur betroffen haben. Es muß, mit anderen Worten, eine metaphysische, eine die Seinsweise des Menschen berührende Veränderung eingetreten sein, und nicht bloß eine moralische, denn nur unter dieser Voraussetzung wird begreiflich, daß die in der Seinsweise des Menschen einge­tretene Veränderung auch mit dem geistigen Auge wahrgenommen wird, daß sie da wahrgenommen wird, wo überhaupt etwas in der Person des Menschen Vorhande­nes mit dem Auge wahrge­nommen werden kann: am Leibe, am menschlichen Leibe. Das heißt nun aber: Adam und Eva haben den menschlichen Leib nach dem Sündenfall in einer anderen Weise «gehabt», als vor dem Sündenfall, denn inzwischen sind ihnen ja «die Augen aufgetan» worden. Jetzt erst wird der Leib in seiner ganzen Körperlichkeit — mit Einschluß seiner Geschlechtlichkeit[3] — jetzt erst in seiner ganzen «Nacktheit» sichtbar. Von einer Nacktheit des Körpers zu sprechen, die sichtbar geworden ist, weil einem «die Augen aufge­tan» worden sind, hat aber nur unter der Annahme einer vorausgegangenen Ent­kleidung einen Sinn. Erst die Entblößung des Leibes führt zu der Wahrnehmung des nackten Körpers und so mußte denn auch zuerst die «Entblößung» des Leibes der ersten Menschen eingetreten sein, ehe sie sich der «Nacktheit» ihres Körpers bewußt werden konnten. Diese «Aufdeckung» des Leibes, die die «nackte Körperlichkeit» sichtbar werden läßt, diese schonungslose Entblößung des Leibes mit allen Kennzeichen seiner Geschlechtlichkeit, die als Folge der ersten Sünde für die jetzt «aufgetanen Augen» sichtbar wird, läßt sich nur unter der Annahme begreifen, daß vor dem Sündenfall «be­deckt» war, was jetzt «aufgedeckt» wird, daß vorher verhüllt und bekleidet war, was jetzt enthüllt und entkleidet wird[4]. [349]

Der Leib war vor dem Sündenfall in einer anderen Weise für den Menschen da, weil der Mensch in einer anderen Weise für Gott da war. Die «Verrückung» der mensch­lichen Natur durch den Fall führt zur «Aufdeckung» des Leibes, zur Wahrnehmung der «Nacktheit» des Leibes. Vor dem Sündenfall war der Mensch so für Gott da, daß der Leib — wenn auch kein mensch­liches Gewand ihn kleidete — doch nicht «nackt» war. Dieses «nicht Nacktsein» des Leibes, bei äußerer Unbekleidetheit, erklärt sich daraus, daß die übernatürliche Gnade die menschliche Person wie mit einem Gewände umhüllte[5]. Der Mensch stand nicht nur im Licht der gött­lichen Glorie, nein, er war mit der Glorie Gottes bekleidet. Aber der Mensch verlor die göttliche Glorie durch die Sünde und nun wird in seiner Natur ein Leib ohne göttliche Glorie sichtbar: das Nackte des rein Körperlichen, die Entblößung des rein Funktionellen, ein Kör­per, dem der Adel fehlt, da die letzte Würde des Leibes in der verlorenen göttlichen Glorie beschlossen war.

Der Mensch im Paradiese trug keine geschaffenen Kleider, auch nicht die geschaffenen Klei­der seiner «Tugenden» — kann doch die Tugend zum «habitus» des Menschen werden — sondern die über­natürliche Gerechtigkeit war sein Gewand, Unschuld[6] und Unver­gänglichkeit sein Kleid. Daher ist das Offenbarwerden der körperlichen Nacktheit auch immer zugleich ein Offenbarwerden der fehlen­den Gerechtigkeit, Unschuld und Unvergänglichkeit.

Weil der Mensch durch den Fall in seinem Sein «entblößt» wird, darum wird die «Blöße» des Körpers durch das Kleid zugedeckt. Weil die «Aufdeckung» des Leibes «die Scham» sichtbar werden läßt, darum ist es ein Gebot des «Schamgefühls», den Körper zu be­decken[7]. Weil der Leib nicht mehr unschuldig und unvergänglich ist, darum wird er mit einem Gewände ver­hüllt. Die Verderbnis wird [350] versteckt gehalten und über die Verwesung breitet man ein Tuch[8].

Der locus communis «Kleider machen Leute» birgt einen tiefen theologischen Sinn. Nicht nur «Leute», sondern auch den Menschen «macht» das Kleid, und das darum, weil der Mensch nicht durch sich selber interpretierbar ist[9], weil das natürliche Sein des Menschen «seiner eigenen Bestimmung nach auf die Hinzufügung der Gnade und die Vollendung durch sie hingeordnet ist»[10]. Darum ist Adam also mit übernatürlicher Gerechtigkeit, Unschuld und Unvergäng­lichkeit «bekleidet», weil erst das Kleid seine «Würde» erkennen läßt, und sichtbar macht, wozu der Mensch durch das Geschenk der Gnade und Glorie von Gott bestimmt ist. Aber nicht nur dieses läßt das Paradieseskleid erkennen, sondern auch das andere, daß wie das Kleid zum Menschen erst hinzukommt, so auch Gerechtigkeit, Un­schuld und Unvergänglich­keit als übernatürliche Gnade zu Adam erst hinzukommen mußten, um ihn zu vollenden. Und endlich noch das Letzte: wie das Kleid den Leib verhüllt, so bedeckt auch die über­natürliche Gnade in Adam, was in einer von Gottes Glorie verlasse­nen, in einer sich selber überlassenen Natur an Möglichkeiten vor­handen ist. Die Entartung der menschlichen Natur zu dem, was die Heilige Schrift «Fleisch» nennt, das Offenbarwerden der «Nacktheit» des Menschen, seiner Verderbnis und seiner Verweslichkeit. Es hat demnach einen tiefen Sinn, wenn die katholi­sche Tradition[11] die über­natürliche Gnadenausstattung des Menschen im Paradiese ein Kleid nennt. Der Mensch wird erst durch das Glorienkleid interpretierbar, das freilich — unter einem gewissen Aspekt betrachtet — ihm «äußer­lich» anhaftet, wie das ein Kleid immer zu tun pflegt. Aber in dieser «Äußerlichkeit» eines bloßen «Kleides» kommt etwas sehr Wichti­ges zum Ausdruck, daß nämlich die Gnade die geschaffene Natur, ihre «Unbekleidetheit», wie auch ihre Möglichkeit «entblößt» zu werden, voraussetzt; daß der Mensch sich wohl mit Tugenden bekleiden, aber niemals in Gerechtigkeit, Unschuld und Unvergänglichkeit zu hül­len vermag, und daß der Verlust des Kleides der göttlichen Glorie nicht [351] mehr die «unbe­klei­dete», sondern nur noch die «entblößte» Natur des Menschen enthüllt, deren «Nacktheit» in der «Scham» sichtbar wird.

So «äußerlich» es daher auch für den ersten Blick erscheinen mag, daß Adam und Eva nach dem Fall ihre Nacktheit mit Blättern des Feigenbaumes zu bedecken suchten — wie «äußer­lich», wie inkon­gruent erscheint es doch, daß der Mensch nach der furchtbarsten Tat, deren er mächtig war, nach der Sünde gegen Gott, keine andere Antwort findet, als sich ein Kleid zu machen! — in der «Äußerlich­keit» dieser Reaktion kommt doch das Bewußtsein zum Aus­druck, daß der Mensch in seinem früheren Stande auch die Glorie, die er besessen hat, als ein Kleid getragen hat.

Wie also das Kleid den Leib voraussetzt, den es bedecken soll, so setzt die Gnade die Natur voraus, die sie mit der Glorie vollenden soll. Um dieser Voraussetzung willen ist die überna­türliche Gnade dem Menschen im Paradiese als ein Kleid verliehen worden. Gewiß, der Mensch ist unbekleidet von Gott geschaffen worden — d. h. er hat eine eigene, eine von Gott unterschiedene Natur[12]aber er ist in dieser Unbekleidetheit seiner Natur für die Beklei­dung mit dem übernatürlichen Gewand der Glorie geschaffen worden; doch durch die Sünde ist der Mensch «entblößt» worden, und nun hat er mit dem Verlust des Kleides der Glorie nicht nur die übernatürliche Bekleidung verloren, sondern auch die Unbekleidetheit seiner von Gott geschaffenen Natur an die «Nacktheit» seiner durch die Sünde «entblößten» Natur ein­gebüßt. Wenn es also inkongruent erscheint, daß die übernatürliche Gnade dem Menschen im Paradie­se nur als ein «Kleid» geschenkt worden ist, wenn es wie ein groteskes Mißverhältnis aus­sieht, daß der Mensch auf den Sündenfall nur in der Form eines Bedeckens seiner körperli­chen Scham reagiert; in der scheinbaren Inkongruenz der Sprache, in dem scheinbaren Miß­verhältnis der biblischen Er­zählung, die den im Zentrum der menschlichen Person vor sich ge­gangenen «Fall» mit der Aufdeckung der körperlichen Scham ver­knüpft, kommt doch in Wahrheit zum Ausdruck, daß wie die Gnade die Natur voraussetzt, so auch der Verlust der Gnade die Entblößung der Natur im gesamten menschlichen Sein enthüllt, sodaß der, der eben noch, wie ein Engel mit göttlicher Glorie bekleidet war, jetzt [352] die Nacktheit seines Kör­pers mit den Blättern des Feigenbaumes bedecken muß[13].

Das Kleid, das der gefallene Mensch trägt, ist ein «Standeskleid», denn es bringt den status (den Stand) seiner gefallenen Natur zum Ausdruck. Es ist ein Kleid aus den Blättern jenes Feigenbaumes, zu dem der Sohn Gottes ging, als ihn hungerte, und siehe, er fand den Feigen­baum unfruchtbar und seine Blätter verdorrt[14]. Es ist ein Buß­kleid aus den Fellen toter Tiere (Gen. 3,24)[15], um uns zu zeigen, daß wir, die wir in unserem Leibe zwischen Leben und Tod stehen, den Verlust des Paradieseskleides mit der Strafe des Todes bezahlen müssen[16]. Es ist ein Kleid ohne Glanz, das doch den Glanz des ver­lorenen Gewandes der Glorie in den ge­färbten[17] Gewändern der Eitelkeit zu erreichen sucht Ein Kleid, das wohl den Körper be­decken und verhüllen kann, das aber, weil es nicht metaphysisch Scham[18], Entblößung und Nacktheit der gefallenen Natur zudeckt, zugleich enthüllt, wo es bedeckt, zugleich entkleidet, wo es bekleidet, so daß das irdische Gewand zum Werkzeug der Begierlichkeit und der Ver­führung wird. Es ist ein «bürgerliches» Kleid, das wohl Ehr­barkeit, aber nicht Unschuld, Rechtschaffenheit, aber nicht Gerech­tigkeit auszudrücken vermag. Es ist ein Kleid, das wohl den Tod be­trauern[19] und das Vergängliche verhüllen kann, das am Ende aber als «Totenkleid» doch nur die Nacktheit und Verweslichkeit unserer ge­fallenen Natur enthüllt[20]. Kurz, das Kleid, das der gefallene Mensch trägt, ist Andenken an das verlorene Kleid, das der Mensch im Para­diese getragen hat[21]. Es ist so sehr lebendige Erinnerung daran, daß jede Veränderung und Erneuerung des Kleides in der Mode, die wir bereitwillig auf uns nehmen, weil sie uns einen neuen Ansatz zu [353] einem Verständnis unserer selbst verheißt, doch nur die Hoff­nung nach dem verlorenen Kleide weckt, das allein unser Wesen deuten, allein unsere «Wür­de» sichtbar machen kann.

Dieses Kleid, das wir besessen und verloren haben, und doch in allen irdischen Gewändern, die wir tragen, noch immer suchen, wird uns in der heiligen Taufe geschenkt. Es ist «die Stola der Unvergänglich­keit, welche mit dem Wasser der Taufe gewebt wird»[22]. Der Römische Katechismus sagt uns, was das weiße Kleid (resp. das weiße Tüchlein bei der Kindertaufe), womit der Getaufte beschenkt wird, bezeich­net. Der Priester legt dem Getauften ein weißes Kleid mit den Worten an: «Nimm hin das weiße Kleid, damit du es unbefleckt bringest vor den Richterstuhl unseres Herrn Jesu Christi, auf daß du das ewige Leben habest»[23]. «Durch dieses Sinnbild», heißt es im Katechismus, «wird nach der Lehre der heiligen Väter sowohl die Herrlichkeit der Auferstehung angedeutet, zu der wir durch die Taufe geboren werden, als auch der Glanz und die Schönheit, womit nach Austilgung der Sündenmakel die Seele in der Taufe geschmückt wird; dann auch die Unschuld und Unversehrtheit, welche der Getaufte während des ganzen Lebens bewahren soll.»[24] (Catechismus Romanus II, Teil 2, Hauptstück § 74). Das weiße Taufkleid nimmt auf die Glorie Bezug, die Adam vor dem Fall besessen hat[25]. Und wenn Christus sich mit der Kirche in der Taufe verlobt, dann geschieht das so, daß er sich einer «Entblößten und Entehrten» angelobt und «ihre Schmach mit dem Festkleid sei­ner Herrlichkeit bedeckt»[26]. Es ist das Gewand, das der verlorene Sohn empfängt, wenn er in das Vaterhaus zurückkehrt[27]. Es ist das «Hochzeitskleid» (Matth. 22,11) das uns «würdig» macht, am himmlischen Hochzeitmahle teilzunehmen[28]. [354]

Wer das Taufkleid anlegt, der legt das Kleid, das er nach dem Fall trug, ab: Das Kleid aus den Blättern des unfruchtbaren Feigen­baumes[29], die Gewänder aus den Fellen toter Tiere, die unsere Sterb­lichkeit versinnbildlichen, das gefärbte Kleid der Eitelkeit, das Gewand der Ver­führlichkeit und Begier, «der Hitze und der Feuchtigkeit»[30], das «modische» Kleid und das «bürgerliche» Gewand — alle diese «schmutzigen»[31] Hüllen streifen wir ab, wenn wir zur Taufe eilen. Entblößt und nackt[32], wie es der gefallenen Natur geziemt, die «nackt geboren wird und nackt stirbt»[33], schreiten wir zum Taufbrunnen, um nach dem «mystischen» Tode in der Taufe das weiße Taufkleid, das «strahlende» Gewand der Glorie, Unschuld und Unver­gänglichkeit zu empfangen[34].

Was die Taufe im «Zeichen» vorwegnimmt und im Heiligen Geiste wirkt, das wird in der «Eschatologie» vollendet[35]. Denn das «Myste­rium» in der Kirche ist «eschatologisches» Mysterium[36]. Erhalten wir doch das Taufkleid, um es «unbefleckt vor den Richterstuhl unse­res Herrn Jesu Christi zu bringen» (Römischer Katechismus), da es «die Herrlichkeit der Auf­erstehung andeutet» (Das.). Weil das Mysterium der Taufe «Todes-Mysterium» ist, Gleich­förmigkeit mit dem Tode Christi (Röm. 6,3 f.), darum vollendet es sich in unserem physischen Tode[37]. In der «Entkleidung» durch den Tod, in diesem Nacktwerden zum Ge­richt, in dieser Entblößung durch das Sterben vollendet sich [355] das Ablegen der Gewänder in der Taufe. Aber in der Bekleidung mit dem Leibe der Auferstehung, mit dem «Gewände, das nicht ver­wesen wird»[38], wird auch sichtbar vollendet, was das weiße Taufkleid uns schon jetzt ver­liehen hat[39]. Weil wir in der Taufe am Tode Christi teilnehmen, darum nehmen wir am Tode dessen teil, der das Gewand des gefallenen Menschen getragen hat[40], als er «Fleisch» wurde[41] und in seinem Stande (status) «wie ein Mensch erfunden» ward (Phil.2,7). Darum nehmen wir an der Entkleidung dessen teil, der «entblößt» wurde, um gegeißelt zu werden, der seiner Kleider beraubt wurde[42], um gekreuzigt zu werden, der nackt in den Hades, «in das Land der Feinde»[43] ging, um diesen Leib zu «bekleiden», dieses «Fleisch» im Leibe seiner Auferste­hung zu verklären. Darum haben wir Christus in der Taufe «angezogen» (Gal. 3,27)[44], darum nehmen wir in der Taufe an seinem Leiden, seinem Tode, seiner Hadesfahrt, seiner Auf­erste­hung, ja auch seiner Himmelfahrt teil, weil wir in alledem zu dem Kleide der Glorie gelangen, dessen der Mensch, der um seine «Nackt­heit», seinen Tod und in dem allem um seine kosmi­sche Bedrohtheit[45]weiß, bedarf. Wenn der Mensch durch den Fall unter die Engel er­niedrigt wurde und statt eines Gewandes der Glorie mit Blättern und Fellen sich kleiden mußte, so wird der erlöste und im Leibe mit Christus auferstandene Mensch über die Engel erhöht wer­den. Sein Gewand wird herrlicher sein als das der Engel und sein Kleid strah­lender als jenes, das Adam im Paradiese getragen hat, denn dieses [356] Gewand, das uns in der Taufe ge­schenkt wurde und das in der Auf­erstehung aus den Schatzhäusern des Him­mels[46] geholt wird, ist ein Gewand, das, wie der heilige Basilius sagt, «den Tod im Fleische ausgelöscht hat; und verschlungen wurde das Sterbliche in dem Ge­wände der Unsterblich­keit»[47]. Dieses Gewand wird niemals verloren, denn es ist nicht die Glorie, die die «unbeklei­dete» Natur des ersten Adam bedeckt[48], sondern die Glorie des zweiten Adam, der die «ent­blößte» menschli­che Natur in seine göttliche Person auf genommen hat und also «das Sterb­liche in dem Ge­wande der Unsterblichkeit verschlungen» hat.

Benediktinische Monatsschrift 16, 1934, 347-356.


[1] Über die Interpretation des Kleides durch Häretiker und im Heidentum soll bei anderer Gelegenheit gehandelt werden.

[2] Der geistige Charakter dieser Wahrnehmung wird von Johs. Chrysostomos Hom. in Genes. XVI, 5 (Migne, Patrol. Gr. 53 Sp. 132) nachdrücklich hervorgehoben.

[3] Das soll also nicht besagen, daß die Merkmale der Geschlechtlichkeit dem Leibe vor dem Falle gefehlt hätten.

[4] Der Sündenfall hat nicht nur den Leib im engeren Sinne affiziert, sondern auch das Antlitz. Eine Theologie des Angesichtes hoffe ich ein anderes Mal entwickeln zu können. — Die Kirchenväter haben nicht selten den Begriff der parrēsía (etwa = Sicherheit der Unschuld) mit der Unbekleidetheit im Paradiese zusammengebracht. Vergl. z. B. Johs.Chrysost. Hom. in Genes. XVI, 5 (Patrol. Gr. 53 Sp. 131) oder Gregor v. Nyssa, Über die Jungfräu­lichkeit c. 3 (p. 88 Oehler).

[5] Einige Texte aus Augustinus, Ambrosius usw. für die Vorstellung von dem Paradieseskleid finden sich bei Scheeben, Dogmatik II p. 445 (§ 1027).

[6] Ambrosius, De Isaac 5,43. sed nec Adam primo nudus erat, quando eum innocentia vestiebat; I p. 668, 12ff. Schenkt. Bei Irenaeus III 23,5 klagt Adam: sanctitatis stolam amisi.

[7] Das moralische Gebot des Schamgefühls gründet also in einem metaphysi­schen Tatbestand.

[8] Das Bedecken des Leichnams mit einem Tuch hat also eine metaphysische Voraussetzung.

[9] Der Mensch wird im Christentum durch das Paradieseskleid, im Heidentum durch Götterkleid (und Götter­maske) interpretiert. Darüber ein anderes Mal.

[10] Hedwig Conrad-Martius, im Anschluß an den heiligen Thomas in Catholica 1934 p. 68.

[11] Der Protestantismus, der die katholische Lehre vom Urstand bestreitet, po­lemisiert daher auch gegen das Paradieseskleid.

[12] Es soll also nicht gesagt sein, daß Adam ursprünglich ohne Gnade war, d. h. im reinen Naturzustand geschaf­fen wurde.

[13] Vergleiche zu diesem Gedanken z. B. Johannes Chrysost. Hom. in Genes XVI. Patrol. Gr. Bd. 53, Sp. 133.

[14] Siehe Johs. Damasc., Homilia in ficum arefact. Patrol. Gr. Bd. 96, Sp. 581 B/C.

[15] Darum ist Johannes der Täufer in das Bußkleid aus Fellen gekleidet und darum soll das Bußkleid des Mönches aus Wolle (und nicht aus Linnen) sein.

[16] Johs. Damasc. a. a. O. Sp. 581 B.

[17] Der Asket trägt darum keine gefärbten Kleider.

[18] Daß die Scham nur durch das Taufkleid bedeckt wird, läßt Gregor v. Naz. Or. 40,4. Patrol. Gr. 36, Sp. 364 A erkennen.

[19] Das «Trauerkleid», sowie das Zerreissen der Kleider zum Zeichen der Trauer, zeigt, daß auch die Unvergäng­lichkeit ein Kleid (ein unzerreißbares) gewesen ist.

[20] Auch das Totenkleid — nackt begraben zu werden gilt als Schande. S. Klein, Tod und Begräbnis in Palästina p. 25A. 4. S. Eitrem, Hermes u. d. Toten p. 45f. — läßt das metaphysische Bedürfnis nach dem Kleide erkennen.

[21] Vergl. Johs. Chrysost., Hom. in Genes. XVIII. Patrol. Or. 53, Sp. 150.

[22] Ed. Sachau, Syrische Rechtsbücher Bd. II, S. 9. Im Euchologion der Oriechen wird es «das Gewand aus Was­ser und Geist» genannt (Röm. Ausgabe S. 213). Ebenso Johannes jejun. De poenit. Patrol. Or. 88, Sp. 1921A.

[23] Vgl. das entsprechende griechische Gebet bei Dmitriewski, Beschreibung der liturgischen Handschriften in Kiew Bd. II, p.209.

[24] Daß das Taufkleid unbefleckt bewahrt werden soll, ist ein oft ausgesprochener Gedanke. Dieterich, Nestorian. Taufliturgie p. 51, Euchologion p. 153, 17f. Aponius, In Cantica canticorum p. 109.

[25] Moses bar Kepha, s. Expositor 1911 p. 340. Conybeare, The key of truth p. 75. Petrus Chrysolog. Sermo 5.

[26] Narsai, s. Allgeier in «Der Katholik» 1917 p. 153, Z. 12. Vgl. auch daselbst Z. 22. — Daher ist die Kirche mit dem Gewand der heiligen Taufe bekleidet. Aponius, In Cantica canticorum p. 6.

[27] Athanasius, Festbriefe hrsg. von Larsow p. 108. Aphrahat. Hom. XIV, 23 p. 244 (Bert). Augustin, Miscellanea Agostiniana I ed. Morin p. 259,26.

[28] Ps. Clem. Rec. V 35 u. ö. Hom. VIII 22.

[29] Der Gegensatz zum unfruchtbaren Feigenbaum ist Christus als der frucht¬bare Weinstock.

[30] W. Crum, Papyruskodex von Cheltenham p. 71 (57).

[31] Vgl. Justin Dial. 116. Acta Thomae 111. Ps. Clem. Hom. Vlll 23. Der Asket zeigt diesen «Schmutz» in der Unsauberkeit seines Bußgewandes.

[32] Wenn Elchesaiten und Mandäer nicht nackt, sondern mit allen Kleidern in das Wasser steigen, dann muß ihr Taufbad einen anderen Sinn haben, als die christliche Taufe.

[33] Beziehung des Hiob-Wortes auf die Nacktheit bei der Taufe bei Maximus Taurin. Hom. 85 Patrologia Lat. Bd. 57, Sp. 447 C. Daß der in der Taufe Entkleidete sich seiner Unbekleidetheit nicht schämt, bringt Cyrill von Jeru­salem Myst. Katech. II 2 mit der paradiesischen Unbekleidetheit zusammen, während der Akt der Entklei­dung mit der Entkleidung des Gekreuzigten in Parallele gesetzt wird, der «die Herrscher und Gewalthaber» entkleidet habe.

[34] Die Zeugnisse für diesen Sprachgebrauch sind so zahlreich, daß es sich nicht lohnt, Belege anzuführen.

[35] Sacramentar. Gelasian. p. 99 Wilson: quos fecisti baptismo regenerari, facias beata immortalitate vestiri.

[36] Über die «mystische» Entkleidung und Bekleidung soll hier nicht gehandelt werden.

[37] Vom Tode des Märtyrers und von seinem Kleide soll hier nicht gehandelt werden.

[38] Siehe K. Schmidt, Gespräche Jesu mit seinen Jüngern p. 72,8f. Vgl. bei Paulus 1. Cor. 15,53 und 2. Cor. 5,4. — Der auferstandene Herr bedurfte keiner Kleider (Severus von Antiochien Hom. 77. Patrol. Gr. XVI p. 820,4) und brachte darin zum Ausdruck, daß der Mensch in den Paradieseszustand zurückgeführt war. (Das. Z. 7 f.)

[39] Vgl. Kol. 3,3 f.

[40] Über die Annahme der Menschheit als eines Kleides s. Augustinus, De di¬versis quaestionibus 83, quaestio 73 (Patrol. L. XI) Sp. 84 f. Zu dem dogmatischen Problem vgl. Scheeben, Dogmatik II p. 773 (§ 203/4).

[41] Über den Ausdruck «Fleischwerdung» s. Scheeben, Dogmatik II p. 739. Vgl. aber auch p. 755f.

[42] Man erinnere sich der zehnten Station in der Kreuzwegandacht.

[43] Euseb. Dem. ev. p. 363, 14 Heickel.

[44] Vgl. Kol. 3,9f.; Ephes. 4,22ff.: Röm. 13,14.

[45] Die kosmische Bedrohtheit des Menschen bringt der Hellenismus durch die Bekleidung und Entkleidung der Seele bei ihrem Abstieg und Aufstieg durch die Planetensphären zum Ausdruck. Paulus spricht Kol. 2,14 davon, daß Christus die kosmischen Mächte «entkleidet», d. h. der Macht-Investitur beraubt hat, da¬mit ist jede kosmi­sche Bedrohung, speziell der dem Tode ausgelieferten «nackten» Seele (Himmelfahrt der Seele), unmöglich gemacht. Von da aus ist dann z. B. Vita Melaniae c. 70 Anal. Boll. 1903 p. 49,18 zu verstehen.

[46] Vgl. 2. Cor. 5,1.

[47] Basilius Ep. ad Palladium. Epistol. Coll. Class. III ep. 292, Patrol. Gr. 32 Sp. 1033 B. Basilius nimmt auf 1. Cor. 15,55 (2. Cor. 5,4) Bezug.

[48] Über den Unterschied zwischen Paradieseskleid und Vollendungskleid s. Scheeben, Dogmatik II p. 448 f. (§ 1035).

Hier der Aufsatz als pdf.

2 Kommentare

  1. danke für diesen Interessanten Artikel.
    Noch ein Hinweis: Das hebräische Wort für Kleid ist „beged“. Aus der gleichen Wortwurzel stammt das Wort „begida“ – Verrat/Betrug. Obwohl im Bericht von Adam und Eva das Wort „beged“ nicht verwendet wird, finde ich es doch bezeichnend, dass „beged“ und „begida“ einen Zusammenhang aufweisen, was ja auch im Artikel zum Ausdruck kommt.
    Liebe Grüsse Brig

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