Martin Luthers Vorrede zu der Sammlung der Begräbnislieder: „Wir Christen sollen uns im Glauben üben, den Tod zu verachten und als einen tiefen, starken, süßen Schlaf anzusehen.“

Vorrede zu der Sammlung der Begräbnislieder (1542)

Dem christlichen Leser

D. Martin Luther

St. Paulus schreibt denen zu Thessalonich, daß sie über die Toten nicht betrübt sein sollen wie die andern, die keine Hoffnung haben, sondern sich trösten sollen durch Gottes Wort, als sol­che, die sichere Hoffnung haben auf das Leben und die Auferstehung der Toten (1.Thess.4,13).

Denn daß die betrübt sind, die keine Hoffnung haben, ist nicht verwunderlich, ist ihnen auch nicht zu verden­ken, da sie doch dem Glauben an Christus fernstehen und entweder allein dieses zeitliche Leben schätzen und liebhaben müssen und es ungern verlieren oder nach diesem Leben den ewigen Tod und den Zorn Gottes in der Hölle erwarten müssen und ungern darauf zugehen.

Wir Christen aber, die wir von dem allen durch das kostbare Blut des Sohnes Gottes erlöst sind, sollen uns im Glauben üben und gewöhnen, den Tod zu verachten und als einen tiefen, starken, süßen Schlaf anzusehen, den Sarg für nichts anderes als unseres Herrn Christi Schoß oder Paradies, das Grab für nichts anderes als einen weichen Pfuhl oder Ruhebett zu halten. So ist es ja vor Gott in Wahrheit, wie er spricht Joh.11,11: »Lazarus, unser Freund, schläft.« Und Matth.9,24: »Das Mädchen ist nicht tot, sondern es schläft.«

So hält es auch St. Paulus 1.Kor.15: Er rückt aus unse­ren Augen alle häßlichen Gestalten des Todes in unserem sterblichen Leibe und zeigt uns lauter holdselige und tröstliche Gestalten des Lebens, wenn er spricht: »Es wird gesät verweslich und wird auferstehen unverweslich. Es wird gesät in Unehre (das heißt: in häßlicher, schandbarer Gestalt) und wird auferstehen in Herrlichkeit. Es wird gesät in Schwachheit und wird auferstehen in Kraft. Es wird gesät ein natürlicher Leib und wird auferstehen ein geistlicher Leib.« (42-44)

Darum haben wir in unseren Kirchen die päpstlichen Greuel wie Vigilien, Seelenmessen, Jahrtage, Fegefeuer und alles andere Gaukelwerk, das für die Toten getrieben wird, abge­schafft und gänzlich ausgeräumt und wollen unsere Kirchen nicht mehr Klagehäuser und Leidstätten sein lassen, sondern, wie auch die alten Kirchenväter sie genannt hatten: Koemi­teria, das heißt: für Schlafhäuser und Ruhestätten halten.

Wir singen auch weder Trauerlieder noch Klage­gesänge bei unseren Toten, sondern tröstliche Lieder von Vergebung der Sünden, von Ruhe, Schlaf, Leben, Auf­erstehung der verstorbenen Christen, womit unser Glaube gestärkt und die Leute zu rechter Andacht er­muntert werden.

Denn es ist auch billig und recht, daß man das Begräb­nis würdig begehe und durchführe, zu Lob und Ehren dem tröstlichen Artikel unseres Glaubensbekenntnisses, nämlich von der Auf­erstehung der Toten, und zum Trotz dem schrecklichen Feinde, dem Tode, der uns so schänd­lich dahinfrißt ohne Unterlaß in allerlei scheußlicher Ge­stalt und Weise.

So haben (wie wir lesen) die heiligen Patriarchen, Abraham, Isaak, Jakob, Joseph usw., ihr Begräbnis herrlich begangen und mit großem Eifer angeordnet. Her­nach haben die Könige von Juda großes Gepränge getrie­ben über den Leichen mit köstlichem Räucherwerk von allerlei gutem, edlem Gewürz, alles, um den stinkenden, schändlichen Tod zu dämpfen und die Auferstehung der Toten zu preisen und zu bekennen, um damit die Schwachgläubigen und Traurigen zu trösten.

Dazu gehört auch, was die Christen bisher getan haben und heute noch tun an den Leichen und Gräbern: daß man sie herrlich trägt, schmückt, besingt und mit Grabzeichen ziert. Es geht alles um den einen Artikel von der Auferste­hung, daß er fest in uns gegründet werde, denn er ist unser dauernder, seliger, ewiger Trost und unsere Freude wider Tod, Hölle, Teufel und alle Traurigkeit.

Zudem haben wir auch, als gute Beispiele, die schönen Musikstücke oder Gesänge, die im Papsttum in Vigilien, in Seelenmessen und beim Begräbnis gebraucht werden, genommen, davon einige in dies Büchlein drucken lassen und wollen mit der Zeit davon weitere überneh­men (oder wer es besser kann als wir). Doch haben wir andere Texte daruntergesetzt, um damit unseren Artikel von der Auferstehung zu schmücken, nicht das Fegefeuer mit seiner Strafe und Genugtuung, deretwegen ihre Verstor­benen nicht schlafen und ruhen können. Der Gesang und die Noten sind köstlich; schade wäre es, wenn sie unter­gehen sollten. Aber un­christlich und ungereimt sind die Texte oder Worte; die sollten untergehen.

Gleichwie auch in allen anderen Stücken sind sie uns hier weit voraus, haben die schönsten Gottesdienste, schöne, herrliche Stifte und Klöster. Aber das Predigen und Lehren, das sie da­rin treiben, dient zum größeren Teil dem Teufel und lästert Gott. Denn er [der Teufel] ist der Welt Fürst und Gott; darum muß er auch das Edelste, Beste und Schönste haben.

Auch haben sie köstliche goldene und silberne Mon­stranzen und Bilder, geziert mit Kleinoden und Edelstei­nen. Aber darin sind Totengebeine vom Schindanger und anderswoher. Weiter haben sie köstliche Kirchenkleider, Kaseln, Mäntel, Röcke, Hüte, Infuln. Aber wer ist dar­un­ter oder damit bekleidet? Faule Bäuche, böse Wölfe, gottlose Säue, die Gottes Wort verfolgen und lästern.

So haben sie auch wahrlich viel treffliche, schöne Mu­sik oder Gesänge, besonders in den Stiften und Pfarren, aber viele unsaubere, abgöttische Texte damit geziert. Darum haben wir solche abgöttischen, toten und tollen Texte entkleidet, ihnen die schöne Musik abgestreift und sie dem lebendigen, heiligen Gotteswort angezogen, es damit zu singen, zu loben und zu eh­ren, damit so dieser schöne Schmuck der Musik in rechtem Gebrauch ihrem lieben Schöpfer und seinen Christen diene, so daß er gelobt und geehrt, wir aber durch sein heiliges Wort, welches mit süßem Gesang ins Herz dringt, gebessert und im Glauben gestärkt werden. Das helfe uns Gott der Vater mit dem Sohn und dem heiligen Geist. Amen.

Doch ist nicht dies unsere Meinung, daß diese Noten genauso in allen Kirchen gesungen werden müßten. Eine jede Kirche behalte ihre Noten nach ihrem Buch und Brauch. Denn ich selbst höre es auch nicht gerne, wenn in einem Responsorium oder einem anderen Gesang die Noten geändert sind und sie anders gesungen werden bei uns, als ich es aus meiner Jugend gewöhnt bin. Es geht um die Veränderung des Textes und nicht der Noten.

Wenn man ferner auch die Gräber ehren möchte, wäre es schön, an die Wände über den Gräbern gute Epitaphe oder Sprüche aus der Schrift zu malen oder zu schreiben, damit sie denen vor Augen sind, die zur Bestattung oder auf den Kirchhof gehen. Solche Sprüche und Grabschrif­ten würden die Kirchhöfe besser zieren als andere, welt­liche Zeichen wie Wappen, Helme usw.

Wo aber jemand begabt und bereit wäre, solche Sprü­che in gute, schöne Verse zu bringen, so würde das dazu dienen, daß sie um so leichter behalten und um so lieber gelesen würden. Denn Reime oder Verse ergeben gute Merk- oder Sprichwörter, die man lieber gebraucht als die schlichte Redeweise.

Lukas 2,29-32
Im Fried bin ich dahingefahrn,
denn mein Augen gesehen han
dein Heiland, Herr, von dir bereit’
zum Licht der ganzen Christenheit.
Indes ruh ich in dieser Gruft
bis auf meins Herren Wiederkunft.

Lukas 2,29-32
Mit Fried und Freud in guter Ruh
getrost tat ich mein Augen zu
und legt mich schlafen in mein Grab,
weil ich dein Heiland gsehen hab,
den du für uns all hast bereit’
zum Heil der ganzen Christenheit,
daß er das ewig Licht sollt sein
den Heiden zum seligen Schein
und daß auch Israel darob
hab Herrlichkeit und ewigs Lob.

Johannes 11,25.26
Christ ist die Wahrheit und das Leben;
die Auferstehung will er geben.
Wer an ihn glaubt, das Leb’n erwirbt,
ob er gleich hie auch leiblich stirbt.
Wer lebt und glaubt, gibt ihm die Ehr,
wird gwißlich sterben nimmermehr.

Hiob 19,25-27
In mei’m Elend war dies mein Trost:
Ich sprach: Es lebt, der mich erlöst.
Auf den ich in der Not vertraut,
wird mich wieder mit meiner Haut
umgeben, daß ich aus der Erd
vom Tod wieder erwecket werd.
In meinem Fleisch werd ich Gott sehen.
Ist gwißlich wahr, und wird geschehen.

Die deutschen Gesänge »Mit Fried und Freud ich fahr dahin«, »Wir glauben all an einen Gott«, »Nun bitten wir den heiligen Geist«, »Nun laßt uns den Leib begraben« usw. kann man einen nach dem andern singen, wenn man vom Begräbnis heimgehen will. So mag man es auch mit den lateinischen Gesängen halten: »Iam maesta quiesce querela«, »Si enim credi­mus«, »Corpora sanctorum«, »In pace sumus« usw.

Martin Luthers Werke. Kritische Gesamtausgabe (Weimarer Ausgabe), Band 35, S. 478-483.

Hier der Text als pdf.

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