Martin Buber über das Beten (Zwiesprache): „Oben und unten sind aneinander gebunden. Wer mit den Menschen reden will, ohne mit Gott zu reden, dessen Wort vollendet sich nicht; aber wer mit Gott reden will, ohne mit den Menschen zu reden, dessen Wort geht in die Irre.“

Oben und unten

Von Martin Buber

Oben und unten sind aneinander gebunden. Wer mit den Menschen reden will, ohne mit Gott zu reden, dessen Wort vollendet sich nicht; aber wer mit Gott reden will, ohne mit den Menschen zu reden, dessen Wort geht in die Irre.
Es wird erzählt, ein gottbegeisterter Mann sei einst aus den Bereichen der Geschöpflichkeit in die große Leere gegangen. Da wanderte er, bis er an die Pforte des Geheimnisses kam. Er pochte. Von drinnen rief es ihn an: »Was willst du hier?« »Ich habe«, sagte er, »den Ohren der Sterblichen dein Lob verkündet, aber sie waren mir taub. So komme ich zu dir, daß du selber mich vernehmest und mir erwiderst.« »Kehr um«, rief es von drinnen, »hier ist dir kein Ohr. In die Taubheit der Sterblichen habe ich mein Hören versenkt.«
Die wahre Anrede Gottes weist den Menschen in den Raum der gelebten Sprache, wo die Stimmen der Geschöpfe aneinander vorübertasten und eben im Verfehlen den ewigen Partner erreichen.

Quelle: Martin Buber, Zwiesprache (1930), in: Ders., Werke, Bd. 1: Schriften zur Philosophie, Heidelberg: Lambert Schneider, 1962, S. 188f.

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