Der folgende Text von Hayden White war für meine Dissertationsschrift Von der Theologie. Die Kunst der guten Gottesrede in Entsprechung zur gelesenen SCHRIFT (Frankfurt: Peter Lang, 2000) einer der Schlüsseltexte:
Der historische Text als literarisches Kunstwerk
Von Hayden White
Eine der Möglichkeiten für eine Forschungsdisziplin, sich über sich selbst Rechenschaft abzulegen, besteht in der Betrachtung ihrer eigenen Geschichte. Es ist jedoch schwierig, eine objektive Geschichte einer Forschungsdisziplin zu erhalten, da der Geschichtsschreiber, ist er selbst in dieser Disziplin tätig, meist Anhänger der einen oder anderen ihrer Schulen und von daher voreingenommen ist; und übt er selbst nicht diese Disziplin aus, ist es unwahrscheinlich, daß er die nötige Sachkenntnis für die Unterscheidung von bedeutenden und unbedeutenden Ereignissen in der Entwicklung dieses Forschungsgebietes mitbringt. Man könnte meinen, daß diese Schwierigkeiten nicht auf dem Gebiete der Geschichte selbst auftreten, aber sie tun es durchaus und nicht nur aus den oben genannten Gründen. Um die Geschichte irgendeiner Forschungsdisziplin oder gar einer Naturwissenschaft zu schreiben, muß man bereit sein, Fragen über sie zu stellen, wie sie sich nicht in ihrer Praxis stellen. Man muß hinter oder unter die Voraussetzungen zu kommen versuchen, die Grundlage für eine bestimmte Forschungsrichtung sind, und muß diejenigen Fragen stellen, denen man in der Praxis ausweichen kann, um herauszufinden, warum diese Forschungsrichtung für die Lösung eben der Probleme entwickelt wurde, die sie charakteristischerweise zu lösen versucht. Das ist das Ziel der Metahistorie. Sie stellt sich solche Fragen wie: Welcher Art ist die Struktur eines spezifisch historischen Bewußtseins? Welcher Art ist der erkenntnistheoretische Status historischer Erklärungen im Vergleich zu anderen Arten von Erklärungen, die für das historische Material, mit dem sich Historiker für gewöhnlich befassen, gegeben werden könnten? Welches sind die möglichen Formen historischer Darstellung und welches ihre Grundlagen? Welche Geltung können historische Darstellungen als Beitrag zu einem gesicherten Wissen von Realität überhaupt und zu den Human Wissenschaften im Besonderen für sich behaupten?
Nun sind viele dieser Fragen im Laufe der letzten fünfundzwanzig Jahre von Philosophen durchaus kompetent abgehandelt worden, denen es darum ging, die Beziehungen der Geschichte zu anderen Disziplinen zu bestimmen, vor allem zu den Natur- und Sozialwissenschaften, und von Historikern, die gerne den Erfolg ihrer Disziplin in der Erforschung der Vergangenheit und der Bestimmung des Verhältnisses dieser Vergangenheit zur Gegenwart ermessen wollten. Doch es gibt ein Problem, das weder Philosophen noch Historiker ernsthaft in den Blick genommen haben und dem die Literaturtheoretiker nur im Vorbeigehen Aufmerksamkeit geschenkt haben. Diese Frage hat mit dem Status der historischen Erzählung zu tun, betrachtet man sie als rein sprachliches Kunstwerk (verbal artifact), das das Abbild längst vergangener Strukturen und Pro-[102]zesse sein will und deshalb weder experimentellen noch Beobachtungskontrollen unterworfen ist. Das heißt nicht, daß Historiker und Philosophen es versäumt hätten, den wesentlich vorläufigen und kontingenten Charakter historischer Darstellungen und ihre unbegrenzte Revidierbarkeit angesichts neuen Quellenmaterials oder komplexerer Konzeptualisierung der Probleme zu bemerken. Eines der Kennzeichen des guten Fachhistorikers ist die Regelmäßigkeit, mit der er seine Leser auf den rein vorläufigen Charakter seiner Beschreibungen der Ereignisse, der Handelnden und der Kräfte, die sich in der immer unvollständigen historischen Überlieferung finden, aufmerksam macht. Es soll auch nicht behauptet werden, daß Literaturtheoretiker noch nie die Struktur historischer Erzählungen untersucht hätten. Doch im allgemeinen haben sie eine gewisse Abneigung gezeigt, historische Erzählungen als das anzusehen, was sie am offensichtlichsten sind: sprachliche Fiktionen (verbal fictions), deren Inhalt ebenso erfunden wie vorgefunden ist und deren Formen mit ihren Gegenstücken in der Literatur mehr gemeinsam haben als mit denen in den Wissenschaften.
Nun ist es klar, daß dieses Ineinssetzen von mythischem und historischem Bewußtsein bei einigen Historikern Anstoß erregen wird und diejenigen Literaturtheoretiker irritieren wird, deren Auffassung von Literatur eine radikale Opposition von Geschichte und Fiktion oder von Tatsache und Phantasieprodukt zur Voraussetzung hat. Wie Northrop Frye bemerkt hat: „In einem gewissen Sinne ist das Historische das Gegenteil des Mythischen, und dem Historiker gegenüber zu behaupten, daß das, was seinem Werk Gestalt gibt, ein Mythos sei, klänge in seinen Ohren einigermaßen beleidigend.“ Doch Frye selbst räumt ein, daß „das Schema eines Historikers, wenn es einen bestimmten Grad an Umfassenheit erreicht, mythische Gestalt annimmt und sich damit in seiner Struktur dem Dichterischen nähert.“ Er spricht sogar von verschiedenen Arten historischer Mythen: romantischen Mythen, „die auf einer Suche oder einer Pilgerreise zu einem Gottesstaat oder einer klassenlosen Gesellschaft gründen“; komischen „Mythen von Fortschritt durch Evolution oder Revolution“; tragischen Mythen von „Verfall und Untergang wie die Werke Gibbons und Spenglers“; und ironischen „Mythen von Wiederkehr oder zufälliger Katastrophe“. Doch Frye scheint von der Annahme auszugehen, daß diese Mythen nur bei den Opfern eines, wie man sagen könnte, „dichterischen Trugschlusses“ (poetic fallacy) wirksam sind, wie bei Hegel, Marx, Nietzsche, Spengler, Toynbee und Sartre — Historiker, deren Faszination für das „konstruktive“ Vermögen des menschlichen Denkens ihr Gefühl der Verpflichtung gegenüber den „vorgefundenen“ Fakten ausgelöscht habe. „Der Historiker verfährt induktiv“, sagt Frye, „indem er seine Fakten sammelt und versucht, keine anderen formbestimmenden Schemata zu verwenden als diejenigen, die er in den Fakten selbst sieht oder ehrlich überzeugt ist, in ihnen zu sehen.“ Er gehe nicht „von“ einer „einigenden Form“ aus, wie es der Dichter tue, sondern arbeite „darauf hin“; und daraus folge, daß der Historiker, wie jeder, der diskursive Prosa schreibe, „an der [103] Wahrheit dessen, was er sagt oder an der Adäquatheit seiner sprachlichen Wiedergabe der ihm äußeren Vorlage“ zu messen sei, bestehe diese äußere Vorlage in den Handlungen der Menschen in der Vergangenheit oder in den eigenen Gedanken des Historikers über diese Handlungen.
Was Frye sagt, gilt durchaus für das Ideal, das die Geschichtsschreibung seit den Griechen inspiriert hat, aber dieses Ideal setzt einen Gegensatz von Mythos und Geschichte voraus, der ebenso problematisch wie ehrwürdigen Alters ist. Er kommt Fryes Ansichten sehr entgegen, da er ihm erlaubt, das spezifisch „Fiktive“ in dem Zwischenraum zwischen den beiden Begriffen des „Mythischen“ und des „Historischen“ anzusiedeln. Leser von Fryes Analyse der Literaturkritik werden sich daran erinnern, daß nach Frye Fiktionen zum Teil aus Sublimationen der archetypischen Mythosstrukturen bestehen. Diese Strukturen werden in das Innere sprachlicher Kunstwerke so umgesetzt, daß sie als ihre latenten Bedeutungen dienen. Die grundlegenden Bedeutungen aller Fiktionen, ihr thematischer Gehalt, besteht nach Frye aus den „prägenerischen Plotstrukturen“ (pregeneric plot structures) oder „mythoi“, die dem Bestand der klassischen und jüdisch-christlichen religiösen Literatur entstammen. Nach dieser Theorie verstehen wir, warum eine bestimmte Geschichte so endet, wie sie endet, wenn wir den archetypischen Mythos oder die prägenerische Plotstruktur, für die die Geschichte ein Beispiel ist, identifiziert haben. Und wir begreifen, „worum es in einer Geschichte geht“, wenn wir ihr Thema erkannt haben (Fryes Übersetzung von dianoia), das sie zu einer „Parabel oder veranschaulichenden Fabel“ macht. „Jedes Werk der Literatur“, so betont Frye, „besitzt einen fiktionalen und einen thematischen Aspekt“, doch je mehr wir uns von der „fiktionalen Projektion“ entfernen in Richtung auf die explizite Formulierung des Themas, desto mehr nimmt das Schreiben die Form „direkter Anrede oder unmittelbar diskursiver Literatur“ an „und hört auf, Literatur zu sein“. Und nach Fryes Ansicht gehört die Geschichte (oder zumindest „eigentliche Geschichte“), wie wir gesehen haben, zur Kategorie der „diskursiven Literatur“, so daß, wenn das fiktionale Element — oder die mythische Plotstruktur — in ihr deutlich enthalten ist, sie überhaupt aufhört, Geschichte zu sein und zu einer Bastardgattung wird, das Produkt einer unheiligen, wenn auch nicht unnatürlichen Allianz von Geschichte und Dichtung.
Dennoch, so möchte ich behaupten, beziehen Geschichtswerke einen Teil ihrer Erklärungswirkung (explanatory effect) daraus, daß es ihnen gelingt, aus bloßen Chroniken Geschichten (stories) zu machen; und Geschichten (stories) werden ihrerseits aus Chroniken mithilfe eines Verfahrens gemacht, das ich an anderer Stelle als „emplotment“ (Verleihung einer Plotstruktur) bezeichnet habe. Unter „emplotment“ verstehe ich einfach die Kodierung der in der Chronik enthaltenen Fakten als Bestandteile bestimmter Arten von Plotstrukturen, in eben der Weise, wie es Frye für die „Fiktionen“ allgemein behauptet hat.
Der späte Collingwood betonte, daß der Historiker vornehmlich ein Ge-[104]schichtenerzähler sei, und behauptete, daß Geschichtsbewußtsein sich in der Fähigkeit zeige, eine plausible Geschichte aus einer ungesonderten Masse von Fakten, die in ihrer unverarbeiteten Form überhaupt keinen Sinn ergäben, zu machen. Bei ihren Bemühungen, der historischen Überlieferung Sinn zu verleihen, die bruchstückhaft und immer unvollständig ist, müßten sich die Historiker der, wie es Collingwood nannte, „konstruktiven Einbildungskraft“ bedienen, die dem Historiker wie dem erfahrenen Detektiv sage, was „der Fall gewesen sein muß“ aufgrund des zur Verfügung stehenden Quellenmaterials und der formalen Eigenschaften, die es für denjenigen, der die richtigen Fragen an es zu stellen imstande sei, erkennen lasse. Diese konstruktive Einbildungskraft funktioniert in annähernd derselben Weise, wie Kant es von der reinen Einbildungskraft annahm, die, auch wenn wir nicht beide Seiten einer Tischplatte zugleich sehen können, uns sagt, daß wir sicher sein können, daß sie, wenn sie eine Seite hat, auch zwei Seiten haben muß, da der bloße Begriff der einen Seite mindestens eine andere notwendig impliziert. Collingwood behauptete, daß die Historiker an ihre Quellen mit einem Sinn für die möglichen Formen, die verschiedenen Arten von erkennbar menschlichen Situationen annehmen können, herangehen. Er bezeichnete diesen Sinn als das Gespür für die im Quellenmaterial enthaltene „Geschichte“ (story) oder für die unter der „oberflächlichen“ Geschichte liegende oder hinter ihr versteckte „wahre“ Geschichte. Und er folgerte, daß Historiker plausible Erklärungen für bestimmte Mengen von historischem Quellenmaterial geben, wenn es ihnen gelingt, die Geschichte (story) oder den Komplex von Geschichten, der implizit in ihnen enthalten ist, zu entdecken.
Was Collingwood übersah, war die Tatsache, daß eine gegebene Menge von zufällig überlieferten Ereignissen niemals für sich selbst eine Geschichte darstellen kann; das äußerste, was sie einem Historiker bieten kann, sind die Elemente einer Geschichte. Die Ereignisse werden zu einer Geschichte gemacht durch das Weglassen oder die Unterordnung bestimmter Ereignisse und die Hervorhebung anderer, durch Beschreibung, motivische Wiederholung, Wechsel in Ton und Perspektive, durch alternative Beschreibungsverfahren und ähnlichem — kurz mit Hilfe all der Verfahren, die wir normalerweise beim Aufbau einer Plotstruktur eines Romans oder eines Dramas erwarten. So ist zum Beispiel kein historisches Ereignis an sich tragisch; man kann es nur so sehen aus einer bestimmten Perspektive oder vom Kontext einer strukturierten Folge von Ereignissen her, innerhalb derer es als ein Element einen herausragenden Platz einnimmt. Denn was sich in der Geschichtsschreibung aus der einen Perspektive als tragisch ausnimmt, stellt sich aus einer anderen Perspektive als komisch dar, so wie in der Gesellschaft das, was vom Standpunkt der einen Klasse als tragisch, vom Standpunkt einer anderen Klasse nur als Farce erscheint, wie das Marx für den Achzehnten Brumaire zu zeigen beabsichtigte. Als potentielle Elemente einer Geschichte betrachtet sind historische Ereignisse wertneutral. Ob sie ihren Platz am Ende in einer tragischen, komischen, romantischen oder ironischen Ge-[105]schichte (story) finden — um Fryes Kategorien zu verwenden —, hängt von der Entscheidung des Historikers ab, sie entsprechend den Erfordernissen der einen Plostruktur oder des einen Mythos statt eines anderen anzuordnen. Dieselben Ereignisse können als Komponenten einer Geschichte dienen, die entweder tragisch oder komisch ist, je nachdem, welche Plotstruktur der Historiker gewählt hat, die er für die Anordnung derartiger Ereignisse am angemessensten hält, damit aus ihnen eine verständliche Geschichte entsteht.
Mithin ist das, was der Historiker zu seiner Untersuchung der historischen Überlieferung mitbringt, eine Vorstellung von den Anordnungstypen (types of configuration) von Ereignissen, die von den Lesern, für die er schreibt, als Geschichten erkennbar sind. Natürlich kann ihm das auch mißlingen. Ich nehme nicht an, daß irgendjemand die Plotstruktur einer Komödie für das Leben von J. F. Kennedy akzeptieren würde, doch ob es eine romantische, tragische oder satirische Plotstruktur erhalten sollte, ist eine offene Frage. Entscheidend ist, daß die meisten historischen Ereignisfolgen verschiedene Arten von Plotstrukturen erhalten können, so daß sich daraus verschiedene Interpretationen jener Ereignisse ergeben und ihnen verschiedene Bedeutungen verliehen werden. Was etwa Michelet in seiner großen Geschichte der Französischen Revolution als ein Drama romantischer Transzendenz aufbaute, strukturierte Tocqueville als ironische Tragödie. Weder vom einen noch vom anderen kann behauptet werden, er habe eine größere Kenntnis der in der Überlieferung enthaltenen „Fakten“ besessen; sie hatten einfach verschiedene Vorstellungen von der Art der Geschichte, die den ihnen bekannten Fakten am besten entsprechen würde. Man sollte auch nicht meinen, daß sie deshalb verschiedene Geschichten von der Revolution erzählen, weil sie verschiedene Arten von Fakten, politische einerseits und soziale andererseits entdeckt hätten. Sie wählten verschiedene Arten von Fakten aus, weil sie verschiedenartige Geschichten erzählen wollten. Doch warum erschienen diese alternativen, um nicht zu sagen einander ausschließenden Darstellungen der im wesentlich identischen Ereignisfolge ihrem jeweiligen Publikum in gleichem Maße plausibel? Einfach deshalb, weil die Historiker mit ihren Lesern bestimmte vorgängige Vorstellungen darüber teilten, welche Plotstruktur der Revolution verliehen werden könnte, entsprechend bestimmter Erfordernisse, die im großen und ganzen extrahistorisch, ideologisch, ästhetisch oder mythisch waren.
Collingwood bemerkte einmal, daß man niemals jemandem eine Tragödie erklären könne, der nicht schon mit derartigen Situationen, die man in unserer Kultur als „tragisch“ versteht, vertraut ist. Jeder, der einmal eines von jenen Überblicksseminaren, die sich „Die Kultur des Abendlandes“ oder „Einführung in die Klassiker der abendländischen Kultur“ nennen, belegt oder gelehrt hat, wird wissen, was Collingwood meinte. Hat man nicht eine gewisse Vorstellung von den Gattungsmerkmalen tragischer, komischer, romantischer oder ironischer Situationen, wird man sie nicht als solche erkennen können, wenn man sie in einem literarischen Text antrifft. Doch historische Situationen [106] besitzen nicht immanente Bedeutungen wie literarische Texte. Historische Situationen sind nicht in sich tragisch, komisch oder romantisch. Sie mögen allesamt in sich ironisch sein, doch ihnen muß nicht diese Art von Plotstruktur verliehen werden. Um eine tragische Situation in eine komische zu verwandeln, braucht der Historiker nur seine Perspektive zu wechseln oder die Reichweite seines Blicks zu ändern. Jedenfalls halten wir Situationen nur deshalb für tragisch oder komisch, weil diese Konzepte Teil unseres allgemeinen kulturellen und insbesondere literarischen Erbes ist. Wie eine bestimmte historische Situation anzuordnen ist, hängt von der Geschicklichkeit des Historikers ab, mit der er eine bestimmte Plotstruktur und eine bestimmte Menge von historischen Ereignissen, der er eine bestimmte Bedeutung verleihen will, einander anpaßt. Das ist im wesentlichen ein literarisches, d. h. fiktionsbildendes Verfahren. Eine derartige Kennzeichnung tut dem Status der historischen Erzählung als eine Art von Erkenntnisleistung keinerlei Abbruch. Denn nicht nur sind die prägenerischen Plotstrukturen, mit denen Ereignisfolgen als Geschichten konstituiert werden können, in ihrer Zahl begrenzt, wie das Frye und andere Vertreter der Archetypentheorie behaupteten; auch die Kodierung von Ereignissen entsprechend solchen Plotstrukturen stellt eine der Möglichkeiten einer Kultur dar, sowohl der persönlichen als auch der öffentlichen Vergangenheit Sinn zu verleihen.
Wir können uns Ereignisfolgen auf mehrfache Weise erklären. Eine Möglichkeit ist die, die Ereignisse den Kausalgesetzen, die ihre Verkettung bestimmt haben mögen, zu subsumieren, damit sich eben jene besondere Anordnung ergibt, die die Ereignisse anzunehmen scheinen, wenn man sie als „Wirkungen“ mechanistischer Kräfte betrachtet. Das ist die Möglichkeit der (natur-) wissenschaftlichen Erklärung. Eine andere Weise, einer Folge von Ereignissen Sinn zu verleihen, die so wie sie sich darbieten, fremd, rätselhaft oder geheimnisvoll erscheinen, besteht darin, sie entsprechend den kulturell zur Verfügung stehenden Kategorien wie etwa metaphysische Konzepte, religiöse Glaubensauffassungen oder Formen von Geschichten (story forms) zu kodieren. Die angestrebte Wirkung solcher Kodierungen ist es, das Unvertraute vertraut zu machen; und im allgemeinen ist das die Erklärungsweise der Geschichtsschreibung, deren „Daten“ immer zunächst fremd, um nicht zusagen exotisch sind, einfach aufgrund ihrer zeitlichen Distanz zu uns und der Tatsache, daß sie einer Lebensform entstammen, die sich von der unseren unterscheidet.
Der Historiker teilt mit seinen Lesern allgemeine Vorstellungen von den Formen, die signifikante menschliche Situationen annehmen müssen, aufgrund dessen, daß er an den spezifischen Prozessen der Sinnstiftung (sense-making) teilhat, die ihn als Mitglied einer bestimmten Kulturgemeinschaft ausweisen. Im Laufe der Untersuchung eines bestimmten Komplexes von Ereignissen erkennt der Historiker nach und nach die mögliche Form der Geschichte (story form), die solche Ereignisse ergeben können. In seiner erzählenden Darstellung dessen, wie diese Ereignisfolge eben die Gestalt annahm, die er als ihr innewohnend erkennt, ver-[107]leiht er seiner Darstellung eine bestimmte Plotstruktur, die sie zu einer Geschichte von ganz bestimmter Art (story of a particular kind) werden läßt. Der Leser erkennt nach und nach im Verlaufe seiner Lektüre dieser Darstellung der Ereignisse durch den Historiker, daß die Geschichte, die er liest, von der einen und nicht von der anderen Art ist: je nachdem Romanze, Tragödie, Komödie, Satire, Epos oder was auch immer. Und wenn er die Klasse oder den Typ der von ihm gelesenen Geschichte erkannt hat, stellt sich bei ihm die Wirkung ein, daß ihm die Ereignisse in der Geschichte als erklärt erscheinen; er ist dann nicht nur der Geschichte erfolgreich gefolgt, er hat auch begriffen, worum es ihr geht, hat sie verstanden. Die ursprüngliche Fremdheit, das Geheimnisvolle oder Exotische der Ereignisse ist aufgehoben, und sie nehmen eine vertraute Gestalt an, nicht im Detail, aber in ihrer Funktion als Elemente einer vertrauten Art von Anordnung (configuration). Sie werden dadurch verstehbar gemacht, daß sie den Kategorien der Plotstruktur subsumiert werden, in der sie als Geschichte bestimmter Art kodiert sind. Sie werden nicht allein deshalb vertraut, weil nun der Leser mehr Information über die Ereignisse besitzt, sondern auch weil ihm gezeigt worden ist, wie die Fakten einem Ikon (icon) eines verstehbaren abgeschlossenen Prozesses entsprechen, einer Plotstruktur, mit der er als Teil seines kulturellen Erbes vertraut ist.
Das ist nicht unähnlich dem, was in der Psychotherapie geschieht oder geschehen soll. Die Folgen von Ereignissen in der Vergangenheit des Patienten, die die vermutete Ursache seines sich im neurotischen Syndrom manifestierenden Leidens sind, sind ihm unvertraut, fremd, geheimnisvoll und bedrohlich geworden und haben eine Bedeutung angenommen, die er weder anerkennen noch erfolgreich zurückweisen kann. Nicht daß der Patient nicht wüßte, welches jene Ereignisse sind, ihm nicht die Fakten bekannt wären; denn wenn er nicht in einem gewissen Sinne die Fakten kennen würde, wäre er nicht imstande, sie zu erkennen und zu verdrängen, wann immer sie in seinem Bewußtsein auftauchen. Im Gegenteil, er kennt sie nur allzu gut. Ja, er kennt sie so gut, daß er permanent mit ihnen lebt, und zwar so, daß es ihm unmöglich wird, irgendwelche weiteren Fakten anders als im Lichte jener Ereignisfolge zu sehen, die seine Wahrnehmung der Welt prägt. Wir könnten sagen, daß nach der psychoanalytischen Theorie der Patient diese Ereignisse mit einem Plot überstrukturiert hat (overemplot), sie mit einer so intensiven Bedeutung befrachtet hat, daß sie, ob real oder nur phantasiert, weiterhin seine Wahrnehmungen und Reaktionen auf die Welt prägen, lange nachdem sie „vergangene Geschichte“ hätten werden sollen. Das Problem des Therapeuten besteht also nicht darin, dem Patienten die „wirklichen Tatsachen“ des Sachverhaltes entgegenzuhalten, die „Wahrheit“ im Gegensatz zur „Phantasie“, die ihn verfolgt. Seine Aufgabe ist es auch nicht, dem Patienten einen Schnellkurs in psychoanalytischer Theorie zu geben, mit dem er ihn über den wahren Charakter seines Leidens aufklärte, indem er es als Ausdruck irgendeines „Komplexes“ klassifizierte. Das mag der Analytiker tun, [108] wenn er den Fall des Patienten Dritten schildert, insbesondere einem anderen Analytiker. Doch die psychoanalytische Theorie erkennt, daß der Patient beiden Verfahren in der gleichen Weise Widerstand entgegenbringen wird, wie er gegen das Eindringen der traumatisierten Erinnerungsspuren in das Bewußtsein in der Form, wie er sie zwanghaft erinnert, Widerstand leistet. Das Problem besteht darin, den Patienten dahin zu bringen, seiner gesamten Lebensgeschichte eine neue „Plotstruktur“ zu verleihen (to reemplot), so daß sich der Sinn (meaning) jener Ereignisse für ihn und ihre Bedeutung (significance) für die Ökonomie der gesamten Folge von Ereignissen, die sein Leben ausmacht, ändert. So gesehen ist der therapeutische Prozeß eine Übung im Wiedervertrautmachen von Ereignissen, die unvertraut geworden sind, der Lebensgeschichte des Patienten entfremdet worden sind aufgrund ihrer Überdeterminierung als kausale Kräfte. Und wir könnten sagen, daß die Ereignisse enttraumatisiert werden, indem sie aus der Plotstruktur, in der sie einen dominanten Platz einnehmen, herausgenommen und in eine andere eingefügt werden, in der sie eine untergeordnete oder einfach normale Funktion als Elemente eines mit allen anderen Menschen gemeinsamen Lebens erhalten.
Mir geht es nun nicht darum, die Analogie von Psychotherapie und Geschichtsschreibung zu forcieren; ich benütze das Beispiel lediglich dazu, einen Aspekt der fiktionalen Komponente historischer Erzählungen zu veranschaulichen. Historiker versuchen, uns Ereignisse wieder vertraut zu machen, die entweder durch Zufall, Nachlässigkeit oder Verdrängung in Vergessenheit geraten sind. Überdies haben die größten Geschichtsschreiber sich immer mit solchen Ereignissen in der Geschichte ihrer Kultur befaßt, die „traumatischen“ Charakter besassen und deren Sinn entweder problematisch oder in ihrer noch vorhandenen Bedeutung für das aktuelle Leben überdeterminiert worden sind, Ereignisse wie Revolutionen, Bürgerkriege, langfristige Prozesse wie Industrialisierung und Verstädterung oder Institutionen, die ihre ursprüngliche Funktion in einer Gesellschaft verloren haben, aber weiterhin eine wichtige Rolle im aktuellen gesellschaftlichen Zusammenhang spielen. Indem Historiker untersuchen, auf welche Weise solche Strukturen sich herausgebildet und entwickelt haben, machen Historiker sie wieder vertraut, nicht nur dadurch, daß sie mehr Information über sie liefern, sondern auch dadurch, daß sie zeigen, wie ihre jeweilige Entwicklung dem einen oder anderen der Geschichtentypen (story types) entspricht, die wir konventionellerweise bemühen, um unseren eigenen Lebensgeschichten Sinn zu verleihen.
Wenn nun dies in irgendeiner Weise eine plausible Beschreibung der Erklärungswirkung historischer Erzählungen ist, dann sagt dies uns etwas Wichtiges über den mimetischen Aspekt historischer Erzählungen. Es wird gemeinhin behauptet — wie Frye sagte —, daß eine Geschichtsdarstellung (history) ein sprachliches Modell einer Folge von Ereignissen sei, die außerhalb des Bewußtseins des Historikers existiere. Aber es ist falsch, eine Geschichtsdarstellung [109] als ein Modell ähnlich einem maßstabsgetreuen Modell eines Flugzeugs oder eines Schiffs, einer Landkarte oder einer Photographie aufzufassen. Denn wir können die Adäquatheit dieser letzteren Art von Modell nachprüfen, indem wir hingehen und uns das Original ansehen und unter Anwendung der notwendigen Übersetzungsregeln sehen, inwieweit es dem Modell tatsächlich gelungen ist, Aspekte des Originals wiederzugeben. Doch historische Strukturen und Prozesse sind nicht wie diese Originale, wir können nicht hingehen und sie ansehen, um festzustellen, ob der Historiker sie in seiner Erzählung adäquat wiedergegeben hat. Und das sollte auch gar nicht unser Bestreben sein, selbst wenn wir dies könnten; denn schließlich war es gerade die Fremdheit des Originals, wie es sich in den Quellen darbot, die allererst den Historiker dazu veranlaßte, ein Modell von ihm zu erstellen. Wenn der Historiker nur dies für uns täte, wären wir wohl in derselben Situation wie der Patient, dessen Analytiker ihm lediglich, auf der Grundlage von Gesprächen mit seinen Eltern, Geschwistern und Freunden aus der Kindheit, sagte, welches die „wahren Tatsachen“ seiner frühen Lebensjahre seien. Wir hätten keinerlei Grund zu glauben, daß damit irgendetwas uns erklärt worden wäre.
Diese Überlegung führt mich zu der Annahme, daß historische Erzählungen nicht nur Modelle vergangener Ereignisse und Prozesse sind, sondern auch metaphorische Behauptungen, die eine Beziehung der Ähnlichkeit behaupten zwischen solchen Ereignissen und Prozessen und den Typen von Geschichten (story types), die wir konventionellerweise dafür benützen, den Ereignissen unseres Lebens kulturell sanktionierte Bedeutung zu verleihen. Rein formal gesehen, ist eine historische Erzählung nicht nur eine Reproduktion der darin berichteten Ereignisse, sondern auch ein Komplex von Symbolen, der uns Anweisungen gibt, wie wir ein Ikon (icon) der Struktur dieser Ereignisse in unserer literarischen Tradition finden können.
Ich stütze mich hier natürlich auf die Unterscheidung von Zeichen, Symbol und Ikon, wie sie C. S. Peirce in seiner Sprachphilosophie entwickelt hat. Ich glaube, daß uns diese Unterscheidung helfen wird zu verstehen, was in allen angeblich realistischen Darstellungen der Welt fiktiv und was realistisch in allen offenkundig fiktiven Darstellungen ist. Sie hilft uns, kurz gesagt, die Frage zu beantworten, wovon historische Darstellungen Darstellungen sind. Mir scheint, daß wir von Geschichtsdarstellungen das sagen müssen, was Frye nur für die Dichtung oder die Geschichtsphilosophie gelten läßt, nämlich, daß die historische Erzählung als Zeichensystem betrachtet gleichzeitig in zwei Richtungen weist: in Richtung auf die Ereignisse, die von der Erzählung beschrieben werden, und in Richtung auf den Typ von Geschichte oder Mythos, den der Historiker als ein Ikon der Struktur der Ereignisse gewählt hat. Die Erzählung selbst ist nicht das Ikon; sie beschreibt vielmehr Ereignisse der historischen Überlieferung so, daß der Leser erkennt, was er als Ikon der Ereignisse zu nehmen hat, damit diese ihm „vertraut“ werden. Die historische Erzählung vermittelt so zwischen den darin berichteten Er-[110]eignissen einerseits und den prägenerisdien Plotstrukturen andererseits, die konventionellerweise in unserer Kultur verwendet werden, um unvertrauten Ereignissen und Situationen Sinn zu verleihen.
Das Umgehen der Konsequenzen, die sich aus dem fiktiven Charakter der historischen Erzählung ergeben, ist teilweise eine Folge der Brauchbarkeit des Begriffs „Geschichte“ (history) für die Definition anderer Diskurstypen. Die „Geschichte“ kann man der „Wissenschaft“ gegenüberstellen aufgrund ihres Mangels an begrifflicher Strenge und ihrer Unfähigkeit, zu einer Art von allgemeingültigen Gesetzen zu gelangen, um die die Wissenschaften sich typischerweise bemühen. In ähnlicher Weise kann man die „Geschichte“ der Literatur gegenüberstellen aufgrund ihres Interesses für das Faktische statt das „Mögliche“, das angeblich der Darstellungsgegenstand „literarischer“ Werke ist. So hat die Geschichte innerhalb einer langen und bedeutenden literaturkritischen Tradition, die sich bemühte festzustellen, was „wirklich“ und was „Phantasie“ im Roman sei, als eine Art Archetypus des „realistischen“ Pols der Darstellung gedient. Ich denke dabei an Frye, Auerbach, Booth, Scholes und Kellog und andere. Es ist auch für Literaturtheoretiker nicht ungewöhnlich, daß sie, wenn sie über den „Kontext“ eines literarischen Werkes sprechen, annehmen, dieser Kontext — das „historische Milieu“ — besitze eine Konkretheit und Zugänglichkeit, die das Werk selbst niemals haben könne, als ob es leichter sei, die Wirklichkeit einer vergangenen Welt, die aus tausend historischen Quellen zusammengesetzt wurde, zu erkennen, als die Tiefen eines einzelnen literarischen Werks, das dem jeweiligen Literaturwissenschaftler zur Analyse vorliegt, auszuloten. Doch die angebliche Konkretheit und Zugänglichkeit historischer Milieus, die Kontexte der Texte, die die Literaturwissenschaftler untersuchen, sind selbst Produkte des fiktiven Vermögens der Historiker, die diese Kontexte untersucht haben. Die historischen Quellen sind nicht weniger intransparent als die Texte, die der Literaturwissenschaftler untersucht. Und auch die Welt, die diese Dokumente darstellen, ist nicht zugänglicher. Das eine ist nicht mehr „gegeben“ als das andere. Ja, die Intransparenz der in den Quellen vorgestellten Welt wird durch die historischen Erzählungen, wenn irgendetwas, dann nur verstärkt. Jedes neue Geschichtswerk erhöht nur die Zahl der möglichen Texte, die zu interpretieren sind, wenn von einem gegebenen historischen Milieu ein vollständiges und genaues Bild getreu gezeichnet werden soll. Die Beziehung zwischen der zu analysierenden Vergangenheit und den historischen Werken, die aufgrund der Untersuchung der Quellen entstehen, ist paradox; je mehr wir über die Vergangenheit wissen, desto schwieriger wird es, über sie allgemeine Aussagen zu machen.
Doch wenn die Zunahme unseres Wissens von der Vergangenheit es schwieriger macht, allgemeine Aussagen über sie zu machen, sollte dies es uns leichter machen, über die Formen, in denen uns dieses Wissen weitergegeben wird, allgemeine Aussagen zu machen. Unser Wissen von der Vergangenheit mag immer mehr zunehmen, unser Verständnis von ihr tut dies dennoch nicht. Auch unser [111] Verständnis der Vergangenheit entwickelt sich nicht in Form von revolutionären Durchbrüchen, wie wir das mit der Entwicklung der Naturwissenschaften assoziieren. Wie bei der Literatur entwickelt sich die Geschichte weiter durch das Entstehen von Klassikern, deren Beschaffenheit es unmöglich macht, sie zu falsifizieren oder zu negieren in der Weise, wie das bei den wichtigsten Begriffsschemata der (Natur-)wissenschaften geschieht. Und es ist ihre Nichtwiderlegbarkeit, die den wesentlich literarischen Charakter historischer Klassiker beweist. Es gibt etwas im historischen Meisterwerk, das nicht falsifizierbar ist, und dieses nicht falsifizierbare Element ist seine Form, eine Form, die seine Fiktion ist.
Es wird oft vergessen oder, wenn daran gedacht wird, bestritten, daß keine gegebene Folge von Ereignissen, die durch die historische Überlieferung belegt ist, eine offenkundig abgeschlossene und vollständige Geschichte (story) enthält. Das gilt ebenso für die Ereignisse, die das Leben eines Einzelnen ausmachen, wie für eine Institution, eine Nation oder ein ganzes Volk. Wir leben nicht Geschichten (stories), auch wenn wir unserem Leben dadurch Sinn verleihen, daß wir ihm nachträglich die Form einer Geschichte verleihen. Und ebenso ist es mit Völkern oder ganzen Kulturen. In einem Aufsatz über den „mythischen“ Charakter der Geschichtsschreibung bemerkt Lévi-Strauss, welche Überraschung der Besucher von einem anderen Planeten angesichts der Tausenden von Geschichtswerken empfinden würde, die über die Französische Revolution geschrieben worden sind, und daß in diesen Werken „bestimmte Ereignisse nicht immer aufgeführt oder verworfen werden und daß die, über die mehrere Autoren berichten, in unterschiedlicher Beleuchtung erscheinen. Und doch beziehen sich diese Varianten auf ein und dasselbe Land, auf dieselbe Epoche, dieselben Geschehnisse, deren Realität sich auf allen Ebenen einer zerblätternder Struktur zerstreut.“ Und er fährt fort mit der Behauptung, daß das Gültigkeitskriterium, mit dem historische Darstellungen beurteilt werden könnten, nicht von ihren „Elementen“, d. h. von ihrem angeblichen faktischen Gehalt abhängen könne. Im Gegenteil, bemerkt er, „isoliert verfolgt würde sich ein jedes Element als unbegreifbar herausstellen. Aber zumindest einige von ihnen nehmen Gestalt an aufgrund der Tatsache, daß sie sich in eine Serie integrieren lassen, deren Termini gemäß der allgemeinen Kohärenz dieser Serie mehr oder weniger an Glaubwürdigkeit gewinnen.“ Doch diese „Kohärenz der Serie“ kann nicht die Kohärenz der chronologischen Serie sein, jener Sequenz von „Fakten“, die zu der zeitlichen Ordnung ihres ursprünglichen Geschehens organisiert sind. Denn die „Chronik“ der Ereignisse, aus der der Historiker seine Geschichte dessen, „wie es wirklich gewesen ist“, gestaltet, liegt schon kodiert vor. Es gibt „heiße“ und „kalte“ Chronologien, Chronologien, in denen mehr oder weniger Daten in einer vollständigen Chronik des Geschehenen Berücksichtigung verlangen. Zudem werden uns die Daten selbst schon als zu Datenklassen gruppiert überliefert, Klassen, die konstitutiv sind für angebliche Bereiche des historischen Forschungsgebietes, Bereiche, die dem Historiker als Probleme zur [112] Lösung aufgegeben sind, wenn er eine vollständige und kulturell zu verantwortende Darstellung der Vergangenheit leisten will.
All dies bedeutet für Lévi-Strauss, daß, wenn es darum geht, eine umfassende Darstellung der verschiedenen Bereiche der historischen Überlieferung in Form einer Geschichte (story) aufzuarbeiten, die „angeblichen historischen Kontinuitäten“, die der Historiker in der Überlieferung zu finden behauptet, „nur mittels trügerischer Einzeichnungen“, die der Historiker der Überlieferung einschreibt, hergestellt werden können. Diese „trügerischen Einzeichnungen“ sind seiner Ansicht nach das Produkt von „Abstraktion“ und ein Mittel, der „Drohung eines unendlichen Regresses“ zu entkommen, der immer im Innern jeder komplexen Menge von historischen „Fakten“ lauert. Wir können, so betont Lévi-Strauss, eine verstehbare Geschichte (story) von der Vergangenheit nur konstruieren, indem wir uns entscheiden, einen oder mehrere Bereiche von Fakten, die sich zur Einbeziehung in unsere Darstellungen anbieten, „aufzugeben“. Unsere Erklärungen historischer Strukturen und Prozesse sind daher mehr von dem bestimmt, was wir in unseren Darstellungen weglassen, als von dem, was wir hineinnehmen. Denn gerade in dieser skrupellosen Fähigkeit, bestimmte Fakten auszuschließen, um andere zu Bestandteilen verstehbarer Geschichten zu machen, gerade darin zeigt der Historiker sein Gespür wie auch sein Verständnis. Der „Gesamtzusammenhang“ irgendeiner gegebenen „Serie“ von historischen Fakten ist die Kohärenz einer Geschichte (story), doch die Kohärenz wird nur dadurch erreicht, daß die „Fakten“ auf die Erfordernisse der Geschichtenform (story form) zugeschnitten werden. Und so folgert Lévi-Strauss: „Trotz der ebenso verdienstvollen wie unerläßlichen Anstrengungen, die sie unternimmt, um zu einer anderen Bedingung zu gelangen, wird eine scharfblickende Geschichtswissenschaft zugeben, daß sie niemals völlig der Natur des Mythos entgeht.“
Es ist diese vermittelnde Funktion, die es uns erlaubt, von einer historischen Erzählung als fortgesetzter Metapher zu sprechen. Als eine symbolische Struktur reproduziert die historische Erzählung nicht die Ereignisse, die sie beschreibt; sie sagt uns, in welcher Richtung wir über die Ereignisse denken sollen und lädt unser Nachdenken über diese Geschehnisse mit verschiedenen emotionalen Valenzen auf. Die historische Erzählung bildet nicht die Dinge ab, auf die sie verweist; sie ruft die Bilder von Dingen, auf die sie verweist, ins Bewußtsein, in derselben Weise, wie es eine Metapher tut. Wenn ein gegebenes Zusammentreffen von Ereignissen die Plotstruktur einer Tragödie erhält, bedeutet das einfach, daß der Historiker die Ereignisse so beschrieben hat, daß sie uns an die Form von Fiktion erinnern, die wir mit dem Begriff des „Tragischen“ verbinden. Richtig verstanden sollten Geschichtswerke niemals als eindeutige Zeichen der Ereignisse, von denen sie berichten, gelesen werden, sondern vielmehr als symbolische Strukturen, als fortgesetzte Metaphern, die die in ihnen berichteten Ereignisse mit einer bestimmten Form, mit der wir in unserer literarischen Kultur schon vertraut sind, „vergleichen“. [113]
Vielleicht sollte ich kurz erklären, was mit den symbolischen und ikonischen Aspekten einer Metapher gemeint ist. Die abgedroschene Wendung „My love, a rose“ soll offensichtlich nicht so verstanden werden, daß sie behauptete, die Geliebte sei tatsächlich eine Rose. Sie will nicht einmal behaupten, die Geliebte besitze die spezifischen Eigenschaften einer Rose — d. h. daß die Geliebte rot, gelb, orange oder schwarz sei, eine Pflanze sei, Dornen habe, Sonnenlicht brauche, regelmäßig mit einem Pflanzenschutzmittel bespritzt werden sollte usw. Sie will vielmehr als Verweis darauf verstanden werden, daß die Geliebte diejenigen Qualitäten mit der Rose gemeinsam hat, für die diese im üblichen Sprachgebrauch der abendländischen Kultur zum Symbol geworden ist. Das heißt, als Aussage betrachtet, gibt die Metapher Anweisungen, eine Einheit zu finden, die die Vorstellungsbilder evoziert, die mit Geliebten und Rosen gleichermaßen in unserer Kultur assoziiert werden. Die Metapher bildet nicht die Sache, die sie beschreiben will, ab, sie gibt Anweisungen dafür, diejenige Folge von Bildern zu finden, die mit jener Sache assoziiert werden soll. Sie funktioniert eher wie ein Symbol als wie ein Zeichen, d. h. daß sie uns weder eine Beschreibung oder ein Ikon des Dinges, das sie darstellt, gibt, als vielmehr uns sagt, welche Bilder wir in unserer kulturell kodierten Erfahrung aufrufen müssen, um festzustellen, wie wir gegenüber dem dargestellten Gegenstand empfinden sollen.
Dasselbe gilt für die historischen Erzählungen. Ihnen gelingt es, über irgendein Verstehen hinaus, das sie durch die Berufung auf mutmaßliche kausale Gesetze ermöglichen, den Folgen vergangener Ereignisse dadurch Bedeutung zu verleihen, daß sie die metaphorischen Ähnlichkeiten zwischen Folgen von realen Ereignissen und den konventionellen Strukturen unserer Fiktion ausnutzen. Allein durch die Konstitution einer Folge von Ereignissen zu einer verstehbaren Geschichte, lädt der Historiker jene Ereignisse mit der symbolischen Bedeutung einer verstehbaren Plotstruktur auf. Historiker mögen nicht gerne von ihren Werken als Umsetzungen von Tatsachen in Fiktionen denken; aber das ist eine der Wirkungen ihrer Werke. Indem sie alternative Plotstrukturen für eine gegebene Folge von historischen Ereignissen vorschlagen, geben Historiker historischen Ereignissen alle die möglichen Bedeutungen, die die Literatur ihrer Kultur ihnen verleihen kann. Der wirkliche Streit zwischen den eigentlichen Historikern und den Geschichtsphilosophen hat mit der Insistenz letzterer zu tun, mit der sie behaupten, daß Ereignisse eine und nur eine Geschichtenform erhalten könnten. Die Geschichtsschreibung lebt von der Entdeckung all der möglichen Plotstrukturen, die herangezogen werden können, um den Ereignisfolgen verschiedene Bedeutungen zu verleihen. Und unser Verstehen der Vergangenheit nimmt in genau dem Maße zu, wie es uns gelingt festzustellen, inwieweit diese Vergangenheit den Verfahren der Sinnstiftung entspricht, die sich in ihren reinsten Formen in der Literatur finden.
Ein solches Verständnis von historischen Erzählungen ermöglicht uns vielleicht einen gewissen Einblick in die Krise des historischen Denkens, die seit [114] Beginn unseres Jahrhunderts im Gange ist. Stellen wir uns vor, das Problem des Historikers sei es, einer hypothetischen Folge von Ereignissen Sinn zu verleihen, indem er sie zu einer Serie ordnet, die zugleich chronologisch und syntaktisch strukturiert ist, so wie jeder Diskurs vom Satz aufwärts bis zum Roman strukturiert ist. Wir werden sofort feststellen, daß die Erfordernisse der chronologischen Anordnung der Ereignisse, die die Folge konstituieren, in Spannung stehen müssen zu den Erfordernissen der erwähnten syntaktischen Strategien, unabhängig davon, ob letztere als logische (Syllogismus) oder als Erzählstrategien (Plotstruktur) verstanden werden.
So haben wir also eine Folge von Ereignissen:
(1) a, b, c, d, e,…………………, n
die chronologisch angeordnet sind, aber Beschreibung und Kennzeichnung als Elemente eines Plots oder einer Argumentation bedürfen, um Bedeutung zu erhalten. Nun kann dieser Serie eine Reihe verschiedener Plotstrukturen verliehen und sie dadurch mit verschiedenen Bedeutungen versehen werden, ohne daß gegen die Erfordernisse der chronologischen Anordnung in irgendeiner Weise verstoßen würde. Wir können kurz einige dieser Plotstrukturen in der folgenden Weise charakterisieren:
(2) A, b, c, d, e, ……………., n
(3) a, B, c, d, e, …………….., n
(4) a, b, C, d, e, …………….., n
(5) a, b, c, D, e, ……………., n
usw.
Die großen Buchstaben zeigen den privilegierten Status an, der bestimmten Ereignissen oder Folgen von Ereignissen innerhalb der Serie zugewiesen wird, wodurch sie Erklärungskraft erhalten, entweder als Ursachen, die die Struktur der gesamten Serie erklären, oder als Symbole der Plotstruktur der Serie, die als Geschichte (story) spezifischer Art verstanden wird. Wir könnten sagen, daß jedes Geschichtswerk, das irgendeinem mutmaßlichen Ursprungsereignis (a) den Status eines entscheidenden Faktors (A) in der Strukturierung der gesamten Serie von Ereignissen, die diesem hinterherfolgen, verleiht, „deterministisch“ ist. Die Plotstrukturen, die Rousseau in seiner Abhandlung über die Ungleichheit, Marx in seinem Kommunistischen Manifest und Freud in Totem und Tabu der Geschichte der „Gesellschaft“ verleihen, würden in diese Kategorie gehören. Und desgleichen gehört jedes Geschichtswerk, das dem letzten Ereignis in der Serie (e), sei es wirklich oder nur spekulative Projektion, die Wirkung der vollen Erklärungskraft (E) verleiht, zum Typ aller eschatologischen oder apokalyptischen Geschichtsdarstellungen. Augustinus Gottesstaat und die verschiedenen Versionen der joachitischen Vorstellung von einer Heraufkunft des tausendjährigen Reiches, Hegels Philosophie der Geschichte und überhaupt alle idealistischen Geschichtsdarstellungen gehören dazu. Dazwischen hätten wir die ver-[115]schiedenen Formen von Geschichtsschreibung, die sich auf Plotstrukturen spezifisch „fiktionaler“ Art stützen (Romanze, Komödie, Tragödie und Satire), um dadurch der Serie eine erkennbare Form und einen begreiflichen „Sinn“ zu verleihen. Wenn die Serie einfach in der Ordnung, wie die Ereignisse ursprünglich geschehen sind, überliefert wäre, hätten wir aufgrund der Annahme, daß die Anordnung der Ereignisse in ihrer zeitlichen Folge selbst schon eine Art von Erklärung dafür biete, warum sie sich eben dann und eben dort ereigneten, die reine Form der Chronik. Das wäre freilich eine „naive“ Form von Chronik, insofern die Kategorien der Zeit und des Raums allein als die bestimmenden Interpretationsprinzipien dienen würden. Gegenüber der naiven Form der Chronik könnten wir als eine logische Möglichkeit ihr „sentimentalisches“ Gegenstück, die ironische Leugnung postulieren, daß historische Serien überhaupt irgendeine weitergehendere Bedeutung haben oder eine vorstellbare Plotstruktur beschreiben oder gar als eine Geschichte mit erkennbarem Anfang, Mitte und Ende gelesen werden können. Wir könnten solche Darstellungen von Geschichte als intendierte Gegenmittel gegen ihre falschen und durch einen Plot überstrukturierten Gegenstücke (Nr. 2, 3, 4, und 5 oben) begreifen und könnten sie als ironische Rückkehr zur bloßen Chronik verstehen, insofern, als diese den einzigen Sinn, den eine kognitiv verantwortbare (cognitively responsible) Geschichtsdarstellung annehmen könnte, darstellen würde. Wir könnten solche Geschichtsdarstellungen folgendermaßen charakterisieren:
(6) „a, b, c, d, e, ……………. n“
wobei die Anführungszeichen verweisen würden auf die bewußte Interpretation der Ereignisse als solche, die keine andere Bedeutung haben als ihre Serialität.
Dieses Schema ist natürlich höchst abstrakt und wird den möglichen Mischungen und Variationen innerhalb der Typen, die es unterscheiden soll, nicht gerecht. Doch glaube ich, daß es uns vorzustellen hilft, wie Ereignissen verschiedene Plotstrukturen verliehen werden können, ohne daß damit gegen die Erfordernisse der chronologischen Ordnung der Ereignisse (wie immer diese gedeutet werden mag) verstoßen würde, so daß sich alternative, einander ausschließende und dennoch gleichermaßen plausible Interpretationen der Folge ergeben. Ich habe in meinem Buch Metahistory zu zeigen versucht, wie solche Mischungen und Variationen in den Werken der großen Historiker des 19. Jahrhunderts entstehen; ich habe dort behauptet, daß klassische Geschichtsdarstellungen immer den Versuch darstellen, der historischen Serie eine angemessene Plotstruktur zu geben und sie implizit mit anderen Plotstrukturen in Einklang zu bringen. Es ist diese dialektische Spannung zwischen zwei oder mehreren möglichen Plotstrukturen, die das Element einer kritischen Selbstreflexion signalisiert, das im Werk eines jeden Historikers von unverkennbar klassischem Format zu finden ist.
Geschichtsdarstellungen haben daher nicht nur Ereignisse zum Gegenstand, sondern auch die möglichen Mengen von Beziehungen, die diese Ereignisse nach-[116]weisbar darstellen. Diese Mengen von Beziehungen sind jedoch nicht den Ereignissen selbst immanent; sie existieren nur im Kopf des Historikers, der über sie nachdenkt. Dort liegen sie als Formen von Beziehungen vor, die im Mythos, in der Fabel und der Folklore, in den wissenschaftlichen Kenntnissen, der Religion und der Literatur der Kultur, der der Historiker selbst angehört, konzeptualisiert sind. Doch wichtiger scheint mir, daß sie, so behaupte ich, der Sprache selbst immanent sind, die der Historiker zur Beschreibung der Ereignisse benützen muß, bevor sie wissenschaftlich analysiert werden oder ihnen eine fiktionale Plotstruktur verliehen wird. Denn wenn es das Ziel des Historikers ist, uns das Unvertraute vertraut zu machen, muß er eine figurative statt einer terminologischen Sprache benützen. Fachsprachen machen nur denjenigen etwas vertraut, die in ihre Gebrauchsregeln eingeweiht sind, und nur diejenigen Folgen von Ereignissen, die Vertreter einer Disziplin übereingekommen sind, in einer einheitlichen Terminologie zu beschreiben. Geschichte besitzt keine solche allgemein anerkannte Fachterminologie und eigentlich auch keine Übereinstimmung darüber, welche Art von Ereignissen ihr spezifischer Gegenstand ist. Das für den Historiker charakteristische Instrument der Kodierung, der Kommunikation und des Gedankenaustausches ist die Sprache des durchschnittlich Gebildeten. Das bedeutet, daß die einzigen Mittel, die er besitzt, um seinen Daten Bedeutung zu verleihen, um das Fremde vertraut zu machen und die geheimnisvolle Vergangenheit verstehbar zu machen, in den Verfahren der figurativen Sprache bestehen. Alle historischen Erzählungen setzen figurative Beschreibungen der Ereignisse voraus, die sie darzustellen und zu erklären behaupten. Und das heißt, daß historische Erzählungen rein als sprachliche Kunstwerke betrachtet durch die Form ihres figurativen Diskurses (mode of figurative discourse), in dem sie gestaltet sind, gekennzeichnet werden können.
Wenn dies der Fall ist, dann kann es durchaus sein, daß die Art der Plotstruktur, für die sich der Historiker entscheidet, um einer bestimmten Folge von historischen Ereignissen Bedeutung zu verleihen, durch die dominante figurative Form der Sprache (figurative mode of the language) bestimmt wird, die er vor der eigentlichen Erzählung zur Beschreibung der Elemente seiner Darstellung benutzt. Geoffrey Hartmann bemerkte einmal in meiner Gegenwart auf einer Tagung über Literaturgeschichte, daß er nicht sicher sei, ob er wisse, um was es eigentlich Literaturhistorikern ginge, doch wisse er durchaus, daß eine Geschichte schreiben bedeute, ein Ereignis in einen Kontext einfügen, indem man es als ein Teil auf ein vorstellbares Ganzes beziehe. Er behauptete desweiteren, daß, soweit er wisse, es nur zwei Weisen gebe, Teile auf ein Ganzes zu beziehen, nämlich durch Metonymie und durch Synekdoche. Da ich mich damals seit einiger Zeit mit dem Denken von Giambattista Vico beschäftigt hatte, faszinierte mich dieser Gedanke, da er mit Vicos Auffassung übereinstimmte, daß die „Logik“ aller „poetischen Weisheit“ in den Beziehungen enthalten sei, die die Sprache selbst mit den vier Hauptformen figurativer Darstellung bereitstelle: [117] Metapher, Metonymie, Synekdoche und Ironie. Meine eigene Vermutung — und es ist eine Vermutung, die ich in Hegels Überlegungen zum Wesen nicht- wissenschaftlicher Rede bestätigt finde — geht dahin, daß es in jedem Forschungsgebiet, das sich wie die Geschichte noch nicht soweit zur Disziplin ausgebildet hat, daß es wie die Physik oder Chemie ein explizites terminologisches System für die Beschreibung seiner Gegenstände entwickelt hätte, die Typen von figurativem Diskurs sind, die die grundlegenden Formen der zu untersuchenden Daten bestimmen. Das heißt, daß die Gestalt der Beziehungen, die als den Gegenständen des Gebietes inhärent erscheinen, in Wirklichkeit vom Forscher dem Gebiet durch den bloßen Akt der Identifizierung und Beschreibung der Gegenstände, die er dort findet, unterlegt worden ist. Impliziert ist damit, daß die Historiker ihre Gegenstände als mögliche Gegenstände erzählerischer Darstellung allein schon durch die Sprache, die sie für ihre Beschreibung benützen, konstituieren. Und wenn dies der Fall ist, heißt das, daß die verschiedenen Arten historischer Interpretation, die wir von derselben Folge von Ereignissen besitzen, wie etwa die Französische Revolution, wie sie von Michelet, Tocqueville, Taine und anderen interpretiert wird, wenig mehr sind als Projektionen des jeweiligen sprachlichen Protokolls (linguistic protocol), das diese Historiker benützen, um die Ereignisfolge vorzustrukturieren (prefigure), bevor sie davon ihre Erzählungen erstellen. Es ist nur eine Hypothese, doch möglicherweise ist die Überzeugung des Historikers, die Form seiner Erzählung in den Ereignissen selbst „gefunden“ zu haben statt sie ihnen unterlegt zu haben, wie es der Dichter tut, das Resultat eines gewissen Mangels an sprachlicher Reflektiertheit, der verdeckt, in welchem Maße Beschreibungen immer schon Interpretationen ihrer Beschaffenheit darstellen. So gesehen liegt der Unterschied zwischen Michelets und Toquevilles Darstellung der Französischen Revolution nicht nur in der Tatsache, daß jener seiner Geschichte die Form einer Romanze und dieser der seinen die Form einer Tragödie verliehen hat; er besteht ebenso in der tropologischen Form (tropological mode) — metaphorisch bzw. metonymisch —, die jeder für das Erfassen der Fakten, wie sie in den Quellen erscheinen, mitgebracht hat.
Ich habe hier nicht die Zeit dazu, die Plausibilität dieser Hypothese nachzuweisen, die meinem Buch Metahistory als bestimmendes Prinzip zugrundeliegt. Doch ich hoffe, daß dieser Aufsatz dazu dient, einen Ansatz für die Untersuchung solcher diskursiver Prosaformen wie die Historiographie aufzuzeigen, einen Ansatz, der so alt wie das Studium der Rhetorik und so neu wie die moderne Linguistik ist. Eine solche Untersuchung würde sich an das halten, was Roman Jakobson in einem Aufsatz mit dem Titel „Linguistik und Poetik“ dargelegt hat, wo er den Unterschied zwischen romantischer Dichtung und verschiedenen Formen realistischer Prosa des 19. Jahrhundert mit dem wesentlich metaphorischen Charakter ersterer und dem wesentlich metonymischen Charakter letzterer beschrieb. Ich glaube, daß diese Beschreibung des Unterschiedes zwi-[118]schen Dichtung und Prosa zu eng ist, da sie voraussetzt, daß komplexe makrostrukturelle Erzählungen wie der Roman wenig mehr sind als Projektionen der „selektiven“ (i. e. phonematischen) Achse aller Sprechakte. Dichtung und insbesondere romantische Dichtung wird dann von Jakobson als Projektion der „kombinatorischen“ (d. h. morphematischen) Achse der Sprache bestimmt. Eine solche binäre Theorie drängt die Analyse in Richtung auf eine dualistische Opposition von Dichtung und Prosa, die die Möglichkeit einer metonymischen Dichtung und einer metaphorischen Prosa auszuschließen scheint. Doch die Fruchtbarkeit der Jakobsonschen Theorie liegt in ihrer Behauptung, daß die verschiedenen Formen sowohl von Dichtung als auch von Prosa, die alle ihre Entsprechungen in der Erzählung allgemein und daher auch in der Geschichtsschreibung haben, anhand der dominanten Trope beschrieben werden können, die als Paradigma, das die Sprache selbst zur Verfügung stellt, für alle in der Welt vorgestellten signifikanten Beziehungen jedem dient, der diese Beziehungen sprachlich darstellen will.
Erzählung oder die syntagmatische Verteilung von Ereignissen in einer temporalen Serie, die sich als Prosarede darbietet, dergestalt, daß sie ihre fortschreitende Entfaltung als eine verstehbare Form erkennbar macht, wäre die „Nachinnenwendung“ des Diskurses, die dieser vollzieht, wenn er dem Leser die wahre Form der Dinge hinter der nur scheinbaren Formlosigkeit zu zeigen versucht. Erzählender Stil würde dann sowohl in der Geschichtsschreibung als auch im Roman als die Modalität der Bewegung von der Darstellung eines ursprünglichen Zustandes der Dinge zu einem folgenden Zustand verstanden werden. Der primäre Sinn einer Erzählung würde dann in der Destrukturierung einer Ereignisfolge (real oder vorgestellt) bestehen, die zunächst im einen tropologischen Modus (tropological mode) kodiert war, und in der fortschreitenden Restrukturierung dieser Folge in einem anderen tropologischen Modus. So gesehen wäre Erzählung ein Prozeß der Dekodierung und Rekodierung, in der die Ausgangswahrnehmung dadurch geklärt wird, daß sie in einen anderen figurativen Modus gesetzt wird, der verschieden ist von dem Modus, in dem die Konvention, Macht oder Sitte sie kodiert hat. Und die Erklärungskraft der Erzählung würde dann vom Kontrast zwischen der ursprünglichen und der folgenden Kodierung abhängen.
Nehmen wir zum Beispiel eine Folge von Erfahrungen an, die uns als eine Groteske, d. h. als nicht klassifizierbar überliefert wird. Unser Problem ist es, die Modalität der Beziehungen festzustellen, die die unterscheidbaren Elemente dieser formlosen Totalität so miteinander verknüpfen, daß daraus ein irgendwie geartetes Ganzes entsteht. Wenn wir die Ähnlichkeiten zwischen den Elementen betonen, gehen wir im Modus der Metapher vor; wenn wir die Unterschiede betonen, gehen wir im Modus der Metonymie vor. Es ist natürlich klar, daß wir, um irgendeiner bestimmten Folge von Erfahrungen Sinn zu verleihen, sowohl die Teile einer Sache, aus denen sie zu bestehen scheint, als auch die Art der gemeinsamen Aspekte der Teile, die sie als eine Totalität erkennbar machen, feststellen [119] müssen. Das bedeutet, daß alle ursprünglichen Beschreibungen von einer Sadie sowohl Metapher als auch Metonymie verwenden müssen, um es als etwas, über das man sinnvoll reden kann, zu „fixieren“.
Im Falle der Geschichtsschreibung sind die Versuche der Historiker, die Französische Revolution zu erklären, aufschlußreich. Burke dekodiert die Ereignisse der Revolution, die seine Zeitgenossen als Groteske erfahren, und rekodiert sie im Modus der Ironie; Michelet rekodiert diese Ereignisse im Modus der Synekdoche; Tocqueville rekodiert sie im Modus der Metonymie. In jedem einzelnen Falle wird jedoch der Weg von der Kodierung zur Rekodierung narrativ beschrieben, d. h. so auf einer Zeitachse ausgefaltet, daß sie die Interpretation der Ereignisse, die die „Revolution“ konstituieren, zu einer Art Drama macht, das wir je nachdem als satirisch, romantisch bzw. tragisch erkennen können. Der Leser der Erzählung kann dieses Drama so nachvollziehen, daß es von ihm als eine fortschreitende Enthüllung dessen, was das wahre Wesen der Ereignisse darstellt, erfahren wird. Die Enthüllung wird jedoch nicht so sehr als Restrukturierung der Wahrnehmung erfahren als vielmehr als die Erhellung eines Gebietes von Geschehen. Doch tatsächlich hat sich nichts anderes ereignet, als daß eine bestimmte Ereignisfolge, die zunächst in der einen Weise kodiert war, einfach dekodiert und in einer anderen Weise rekodiert wurde. Die Ereignisse selbst verändern sich nicht substantiell von der einen zu anderen Darstellung. Das heißt, die Daten, die untersucht werden sollen, unterscheiden sich in den verschiedenen Darstellungen nicht signifikant voneinander. Was verschieden ist, sind die Modalitäten ihrer Beziehungen. Diese Modalitäten haben wiederum, auch wenn es dem Leser erscheinen kann, als basierten sie auf verschiedenen Theorien vom Wesen der Gesellschaft, der Politik und der Geschichte, letztendlich ihren Ursprung in den figurativen Kennzeichnungen der gesamten Folge von Ereignissen als Ganzheiten von grundlegend verschiedener Art. Das ist der Grund, warum wir, wenn es darum geht, verschiedene Interpretationen derselben Folge von historischen Phänomenen einander gegenüberzustellen, um festzustellen, welche die beste oder überzeugendste ist, so oft in Verwirrung geraten und unsicher werden. Das heißt nicht, daß wir nicht zwischen guter und schlechter Geschichtsschreibung unterscheiden könnten, da wir immer auf solche Kriterien wie Verpflichtung gegenüber den Beweisregeln, der relativen Reichhaltigkeit an erzählerischem Detail, der logischen Konsistenz und dergleichen zurückgreifen können, um diese Frage zu beantworten. Es bedeutet aber, daß der Versuch, zwischen guten und schlechten Interpretationen eines historischen Ereignisses wie das der Revolution zu unterscheiden, nicht so leicht ist, wie es auf den ersten Blick erscheinen mag, wenn man es mit alternativen Interpretationen zu tun hat, die von Historikern von etwa gleicher Bildung und begrifflicher Komplexität verfaßt worden sind. Schließlich kann ein großer Klassiker der Geschichtsschreibung weder durch die Entdeckung von irgendeinem neuen Faktum, das eventuell eine bestimmte Erklärung irgendeines Elementes der Gesamtdarstellung in Frage stellt, noch [120] durch die Entwicklung neuer Analysemethoden, die uns erlauben, Probleme in Angriff zu nehmen, mit denen sich frühere Historiker vielleicht nicht befaßt haben, widerlegt oder falsifiziert werden. Und eben weil große Klassiker der Geschichtsschreibung wie die Werke von Gibbon, Michelet, Thukydides, Mommsen, Ranke, Burckhardt, Bancroft usw. nicht definitiv widerlegt werden können, müssen wir die spezifisch literarischen Aspekte ihrer Werke als entscheidende und nicht nur als untergeordnete Elemente ihrer historiographischen Methode betrachten.
Das alles verweist auf die Notwendigkeit, die bei der Erörterung solcher Erzählformen wie der Geschichtsschreibung traditionellerweise gemachte Unterscheidung zwischen dichterischem und prosaischem Diskurs zu revidieren und zu erkennen, daß diese seit Aristoteles geltende Unterscheidung zwischen Geschichte und Dichtung bei beiden ebenso viel verdunkelt wie erhellt. Wenn es ein Element des Historischen in aller Dichtung gibt, gibt es in jeder historischen Darstellung der Welt ein Element der Dichtung. Und dies, weil wir in unserer Darstellung der historischen Welt in einer Weise, wie das vielleicht nicht in den Naturwissenschaften der Fall ist, von den Verfahren der figurativen Sprache abhängig sind, sowohl bei der Beschreibung der Gegenstände unserer erzählerischen Darstellungen als auch bei den Strategien, mit denen wir erzählerische Darstellungen der Transformationen dieser Gegenstände in der Zeit erstellen. Dies auch, weil die Geschichtsschreibung keinen festgelegten, ihr allein eigenen Gegenstand besitzt; sie wird immer im Wettbewerb mit konkurrierenden dichterischen Figurationen dessen, worin die Vergangenheit bestehen könnte, geschrieben.
Die ältere Unterscheidung zwischen Fiktion und Geschichtsschreibung, in der die Fiktion als die Darstellung des Vorstellbaren und die Geschichtsschreibung als die Darstellung des Tatsächlichen verstanden wird, muß der Erkenntnis Platz machen, daß wir das Tatsächliche nur erkennen, wenn wir es mit dem Vorstellbaren kontrastieren oder vergleichen. So verstanden sind historische Erzählungen komplexe Strukturen, in denen eine Erfahrungswelt als auf mindestens zwei Weisen bestehend vorgestellt wird, wovon die eine als „real“ kodiert ist und die andere im Verlauf der Erzählung als illusionär „entlarvt“ wird. Natürlich ist es eine Fiktion des Historikers, daß die verschiedenen Zustände, die er als Anfang, Mitte und Ende eines Entwicklungsverlaufs konstituiert, alle „tatsächlich“ oder „real“ sind, und daß er nur berichtet hat, was im Übergang von der Ausgangslage der Dinge bis zur Endphase „geschehen ist“. Doch sowohl die Ausgangslage als auch der Endzustand sind unvermeidlich poetische Konstruktionen und als solche von der Modalität der figurativen Sprache abhängig, die benützt wird, um ihnen die Gestalt von Kohärenz zu geben. Das bedeutet, daß alles Erzählen nicht einfach die Wiedergabe dessen ist, was im Übergang von einem zum anderen Zustand „geschehen ist“, sondern ein fortschreitendes Neubeschreiben von Ereignisfolgen in der Weise, daß eine zu Beginn in einem bestimmten sprachlichen Modus kodierte Struktur auseinander-[121]genommen wird, um ihre Rekodierung am Ende in einem anderen Modus zu rechtfertigen. Darin besteht die „Mitte“ aller Erzählungen.
All dies ist höchst schematisch, und ich weiß, daß diese Betonung des fiktionalen Elementes in allen historischen Erzählungen mit Sicherheit den Zorn derjenigen Historiker erregen wird, die der Meinung sind, daß sie etwas grundsätzlich anderes als der Romanautor tun, aufgrund der Tatsache, daß sie es mit den „realen“, während der Romanautor es mit „vorgestellten“ Ereignissen zu tun habe. Aber weder die Form noch die Erklärungskraft der Erzählung leitet sich von den verschiedenen Inhalten her, die sie angeblich aufzunehmen fähig ist. Tatsache ist, daß Geschichte — die reale Welt, wie sie sich in der Zeit entwickelt — in der gleichen Weise sinnvoll gemacht wird, wie der Dichter oder der Romanautor dies versuchen, d. h. indem sie dem, was ursprünglich als problematisch oder geheimnisvoll erscheint, die Gestalt einer erkennbaren, weil vertrauten Form geben. Es spielt keine Rolle, ob die Welt als real oder lediglich vorgestellt verstanden wird; die Art der Sinnstiftung (making sense) ist die gleiche.
So schmälert es auch keineswegs ihren Status als Erkenntnis, den wir der Geschichtsschreibung zuerkennen, wenn wir sagen, daß wir die reale Welt erklären, indem wir ihr jene formale Kohärenz verleihen, die wir normalerweise mit den Werken von Autoren der fiktionalen Erzählliteratur assoziieren. Es würde ihn nur mindern, wenn wir der Meinung wären, daß die Literatur uns nichts über die Wirklichkeit lehrte, sondern Produkt einer Phantasie sei, die nicht von dieser Welt, sondern von einer anderen, nichtmenschlichen Welt wäre. Meines Erachtens erfahren wir die „Fiktionalisierung“ der Geschichte als eine „Erklärung“ aus demselben Grunde, wie wir große fiktionale Literatur als Erhellung einer Welt, in der wir zusammen mit dem Autor leben, erfahren. In beiden Fällen erkennen wir die Formen, mit denen das Bewußtsein die Welt, in der es sich einrichten will, sowohl konstituiert als auch kolonisiert.
Schließlich sei noch bemerkt, daß, wenn die Historiker das fiktionale Element in ihren Erzählungen erkennen würden, dies nicht die Degradierung der Geschichtsschreibung auf den Status von Ideologie oder Propaganda bedeuten würde. Ja, diese Einsicht würde als ein wirksames Mittel gegen die Tendenz von Historikern dienen können, Gefangene ideologischer Vorverständnisse zu werden, die sie nicht als solche erkennen, sondern als „richtige“ Wahrnehmungen dessen, „wie die Dinge wirklich sind“ nehmen. Indem die Historiographie wieder stärker an ihre Ursprünge in einem literarischen Bewußtsein zurückgebunden wird, sollte es uns möglich sein, das ideologische, weil fiktive, Element in unserem eigenen Diskurs zu erkennen. Wir sind immer imstande, das fiktive Element bei jenen Historikern zu sehen, mit deren Interpretationen einer bestimmten Ereignisfolge wir nicht übereinstimmen; wir erkennen selten dieses Element in unserer eigenen Prosa. Ebenso würden wir, wenn wir das literarische oder fiktive Element in jeder historischen Darstellung erkennen würden, die Lehre der Geschichtsschreibung [122] auf eine höhere Ebene der Reflektiertheit heben können, als dies gegenwärtig der Fall ist.
Welcher Lehrer hat nicht darüber geklagt, daß er nicht imstande sei, seinen Lehrlingen das Schreiben von Geschichte beizubringen? Welcher Student höheren Semesters ist nicht bei dem Versuch verzweifelt, das Modell, dem seine Lehrer verpflichtet zu sein scheinen, dessen Prinzipien aber unklar bleiben, zu verstehen und nachzuahmen? Wenn wir erkennen würden, daß es ein fiktives Element in jeder historischen Erzählung gibt, würden wir in der Theorie der Sprache und der Erzählung selbst die Grundlage für eine genauere Darstellung dessen, worin Historiographie besteht, finden als die, die dem Studenten nur sagt, er solle hingehen und „die Fakten herausfinden“ und sie so aufschreiben, daß aus ihnen ersichtlich werde, „wie es eigentlich gewesen ist“.
Meiner Ansicht nach befindet sich die Geschichte als Disziplin deshalb heutzutage in einem so desolaten Zustand, weil sie ihre Ursprünge in der literarischen Einbildungskraft aus dem Blick verloren hat. Weil sie wissenschaftlich und objektiv erscheinen möchte, hat sie ihre wichtigste Quelle der Stärke und der Erneuerung verdrängt und sich selbst vorenthalten. Wenn wir die Geschichtsschreibung wieder enger an ihre literarische Grundlage zurückbinden, sollten wir uns nicht nur vor bloß ideologischen Verzerrungen hüten, wir sollten uns auch daran machen, zu jener „Theorie“ der Geschichte zu gelangen, ohne die wir überhaupt nicht als „Disziplin“ gelten können.
Dieser Aufsatz stellt eine überarbeitete Fassung eines Vortrags dar, den ich auf dem Comparative Literature Colloquium der Yale University am 24. Januar 1974 gehalten habe. Ich habe darin versucht, einige der Themen, die ich ursprünglich in einem Artikel „The Structure of Historical Narrative“ Clio I (1972), S. 5—20, erörtert habe, näher auszuführen. Ich habe mich dabei auch auf das Material meines Buches Metahistory: The Historical Imagination in Nineteenth-Century Europe (Baltimore 1973) gestützt, vor allem auf die Einleitung, „The Poetics of History“. Der Aufsatz profitierte auch von Gesprächen mit Michael Holquist und Geoffrey Hartman, beide von der Yale Universität und beide Spezialisten in Sachen Erzähltheorie. Die Zitate von Claude Lévi-Strauss sind aus Das Wilde Denken (Frankfurt a. M. 1968) und „Ouverture“ zu Das Rohe und das Gekochte, in: Mythologica I (Frankfurt a. M. 1971) entnommen. Die Bemerkungen zur ikonischen Natur der Metapher stützen sich auf Paul Henles Language, Thought and Culture (Ann Arbor 1966); dt. Sprache, Denken, Kultur (Frankfurt a. M. 1969). Jakobsons Auffassungen von der tropologischen Beschaffenheit des Stils sind in seinem Aufsatz „Linguistik und Poetik“ in: R. Jakobson, Poetik (Frankfurt a. M. 1979), S. 83—121, enthalten. Zusätzlich zu Northrop Fryes Anatomy of Criticism (Princeton 1957); dt. Analyse der Literaturkritik (Stuttgart 1963) siehe auch seinen Aufsatz über Geschichtsphilosophie „New Directions from Old“ in: Fables of Identity (New York 1963). Zur Rolle von „story“ und „plot“ in der historischen Erzählung bei Collingwood siehe natürlich The Idea of History (Oxford 1946); dt. Philosophie der Geschichte (Stuttgart 1955).
Quelle: Hayden White, Auch Klio dichtet oder Die Fiktion des Faktischen. Studien zur Tropologie des historischen Diskurses, aus dem Amerikanischen von Brigitte Brinkmann-Siepmann und Thomas Siepmann, Stuttgart: Ernst Klett, 1986, S. 101-122.