Martin Luther, An alle Christen zu Worms, bei der angenommenen Lehre des Evangeliums fest zu beharren (1523): „So seid nun fest, liebe Brüder, bauet und tröstet euch unter einander in Gottes Kraft, das ist, mit Gottes Wort, das alles überwindet.“

An alle Christen zu Worms, bei der angenommenen Lehre des Evangeliums fest zu beharren

Von Martin Luther

24. August 1523

Gnade und Friede in Christo, unserm Heilande. Wir haben von euch, liebe Herren und Freun­de in Christo, mit Freuden gehört, wie Gott, der Vater unseres Herrn Jesu Christi, auch bei euch und über euch hat lassen aufgehen das herrliche Licht seiner Gnade und den Glanz der Erkenntnis seiner selbst durch seinen Sohn Jesus Christus, durch welchen wir versöhnt, Friede haben mit Gott in fröhlichem Gewissen von allen unsern vorigen Sünden und falsch gelobten guten Werken, auf welche wir durch die Apostel der Finsternis und Prediger Belials so jämmerlich verführt sind bisher, Jes. 9,2; Luk. 1,58. Derhalben wir uns über euch und mit euch freuen und das Opfer des Lobes und Dankes Gott dem Vater aller Barmherzigkeit von Herzen opfern, Ps. 50,14; Ps. 119,12-13.164.171, und bitten, dass der Gott, der solches, beide in euch und uns, angefangen hat, wolle seine Herrlichkeit auch an uns allen bis ans Ende mehren und behalten, auf dass wir als seiner Gnade neues Werk ohne Strafe und Tadel erfunden werden an jenem Tage, Amen.

Und dass wir das Unsere auch dazu tun, sintemal wir einerlei Gaben und Geistes teilhaftig geworden sind und in gemeinsamem Gute wohnen, sollen und wollen wir eines dem andern die Hand reichen und mit steter Ermahnung anhalten und uns unter einander reizen und erwecken, den Glauben, so uns gegeben ist, durch die Liebe kräftig und tätig zu machen, auf dass wir nicht mit der Zeit nachlässig und sicher werden, zuletzt auch das hohe, werte, heilsame Wort des Evangeliums fahren lassen und einen Ekel darob gewinnen, wie die Juden in der Wüste ob dem täglichen Manna überdrüssig wurden, als geschrieben steht, 4.Mos. 11,6; Ps. 78,33.35; Ps. 106,15: „Ihre Seele war überdrüssig über allerlei Speise; damit kamen sie hart an des Todes Tor.“ Wie wir auch sehen etliche der Unsern überdrüssig werden, welche am neu wiederkommenden Evangelium nur den Vorwitz, als an einer neuen Zeitung, da gebüßt und darauf mit fleischlicher Andacht hitziglich fielen.

Aber wir, liebe Brüder, nachdem wir solche Tücke des leidigen Feindes wissen, sollen wacker sein und uns den faulen Überdruss nicht lassen erschleichen, als hätten wir des Evangeliums nun genug und wüssten alles, und nach neuem anderem Geschwätz und Fragen trachten, wie da tun, „denen die Ohren jucken, und von der Wahrheit auf die Märlein sich wenden“, 2.Tim. 4,3-4. Denn sie fühlen ihre Not nicht, noch die gefährlichen Stricke des Satans; darum achten sie des täglichen Brots nicht groß und suchen, wo die Fleischtöpfe und Knoblauch in Ägypten bleiben.

Ihr aber, liebe Brüder, seid besonders wohl bedürftig, dass ihr hart an dem Evangelium der Gnade hanget und viele Arbeiter in der Ernte habt; denn ihr wohnet, wie Ezechiel, Kap. 2,6 „unter den Skorpionen“, und mit der Braut „unter den Dornen wie eine Rose“, Hohel. 2,2, die nicht allein mit ihrem verführerischen Schein des erdichteten Gottesdienstes euch Ärgernis allenthalben in den Weg legen, sondern auch mit beiderlei Gewalt ihre falsche menschliche Lehre euch eindräuen und eintreiben. Wiewohl sie nicht mehr vermögen aufzubringen, denn dass sie (ihre Lehren nämlich) so hergekommen und sie also gewohnt sind, und viele mit ihnen in aller Welt halten; so doch unser ein klein neues Häuflein sei, bei welchen nicht zu vermuten sei die Wahrheit zu sein, sondern bei ihrem alten großen Haufen, das ist ihrer Väter Stimme auch allezeit gewesen. Wenn ein Prophet von neuem erweckt ward und von Gott kam, musste er diese Einrede hören: „Ei, das Gesetz kann den Priestern nicht fehlen, noch der Rat den Alten, noch das Wort den Propheten.“ Also mussten die Propheten immer unrecht haben, weil sie anders lehrten, denn ihre vorigen Propheten, Priester und Ältesten gelehrt und gehalten hatten vor langer Zeit her.

Ob’s nun euch und uns auch so geht, soll uns nicht wundern, sondern desto mehr stärken, weil wir sehen und greifen, dass es uns über dem Wort Gottes ebenso geht, wie es den Propheten und Aposteln also gegangen ist, Matth. 23,34.37; 1.Kor. 4,9; denn auch Christus selbst, weil er anders lehrte, denn ihre Schriftgelehrten von alters her taten, musste er „ein Verführer des Volks“ vor Pilatus gescholten werden, Luk. 23,2.5. Darum sehen wir, dass sie ebenso tun, eben dieselbe Einrede wider uns führen, die jene auch wider die heiligen Propheten führten, dass wir billig uns freuen sollen und Gott danken, dass wir den Propheten und Aposteln, auch Christo selbst so gleich und ähnlich sind, Matth. 5,11.12. Denn wir wissen je, dass wir Gottes Wort für uns haben, das auch die Feinde nicht leugnen. So wissen wir auch, dass sie Menschen Wort und allein alte Gewohnheit der Menge für sich haben, welches sie auch selbst be­kennen.

So seid nun fest, liebe Brüder, bauet und tröstet euch unter einander in Gottes Kraft, das ist, mit Gottes Wort, das alles überwindet, und seid gewiss, dass der Spruch Christi euch angeht, da er sagt, Luk. 6,22-23: „Selig seid ihr, wenn euch die Leute hassen und tun euch von sich, und verspotten euch und verwerfen euren Namen als einen bösen um des Menschen Sohnes willen; denn also haben ihre Väter den Propheten auch getan.“ Und weil sein eigener Sohn solches hat müssen leiden, will’s wohl dabei bleiben, was er sagt, Matth. 10,24-25: „Der Knecht ist nicht mehr denn sein Herr; haben sie den Hausvater Beelzebub geheißen, viel mehr werden sie das tun seinem Hausgesinde.“ Was aus Gott kommt, dem muss die Welt feind sein, da wird nichts anders aus. Und wo es die Welt nicht hasst noch verfolgt, so ist’s gewiß nicht von Gott; wie Christus selbst sagt, Joh. 15,19: „Wäret ihr von der Welt, so liebte die Welt das Ihre; weil ihr aber nicht von der Welt seid, sondern ich habe euch erwählt aus der Welt, darum hasset euch die Welt“; Kap. 16,33: „Aber seid getrost, ich habe die Welt überwunden. In der Welt werdet ihr Not haben; in mir aber den Frieden.“

Derselbe unser Heiland und Herr Jesus Christus stärke euch samt uns in seinem heiligen Licht zu Lob und Ehren seines heiligen Namens in Ewigkeit, Amen. Bittet für uns, liebe Brüder, und lasst euch Herrn Maurus und Friedrich befohlen sein, und welche solches Berufs und Gnaden sind. Denn sie können in Christo euch allenthalben reichlich trösten und unterweisen, was Gott gefällt. Gnade und Friede sei mit euch. Zu Wittenberg, am Tage Bartholomäi. Anno 1523.

Martinus Luther, Ecclesiastes Wittebergensium.

WA.Br. 3,138-140.

Quelle: Dr. Martin Luther’s Sämmtliche Schriften, hrsg. v. Dr. Joh. Georg Walch, Bd. 10: Katechetische Schriften und Predigten, St. Louis: Concordia, 1885, Sp. 1758-1761.

Hier der Brief als pdf.

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