Martin Luther, Eine kurze Erklärung der Zehn Gebote (1518): „Die Erfüllung des achten Gebots – Eine friedsame, heilsame Rede, die niemandem schadet und jedermann nützt, die die Uneinigen versöhnt, die Verspotteten in Schutz nimmt und sich ihrer annimmt, das ist Wahrheit und Redlichkeit in Worten.“

Eine kurze Erklärung der Zehn Gebote (1518)[1]

Von Martin Luther

Das erste Gebot

Du sollst nicht andere Götter haben. Einen Gott haben, das heißt je­manden haben, von dem man erwartet, in allem Guten gefördert und vor allem Bösen bewahrt zu werden; dieser eine will der einzige, wahre Gott selbst sein und ist es auch.

Das zweite Gebot

Du sollst den Namen Gottes, deines Herrn, nicht missbrauchen. Denn Gottes Namen sind zugleich diese: Wahrheit, Weisheit, Güte, Kraft – und was sonst der Name alles Guten ist. Diese seine Namen soll sich selbst niemand zuschreiben.

Das dritte Gebot

Du sollst den Feiertag heiligen. Die beste Feier ist, wenn die Seele in allem Tun dieses Tages auf den hofft, der die Hungrigen und Bedürfti­gen mit Gütern füllt (Lk 1). Denn Feier heißt frei sein.

Das vierte Gebot

Du sollst deinen Vater und deine Mutter ehren. Die Ehrerbietung besteht nicht allein im Grüßen oder Verneigen, sondern im Tun und Lassen alles dessen, was ihr Wille ist oder ihnen nötig ist.

Das fünfte Gebot

Du sollst nicht töten. Es tötet nicht allein der, der den Tod oder den Schaden verursacht, sondern auch der, der ihm nicht wehrt und ihn nicht verhindert, wie Augustin sagt.

Das sechste Gebot

Du sollst nicht ehebrechen. Die ärgste Frucht der Fleischeslust nennt er insbesondere, um zu beweisen, wie böse die ganze Lust ist, aus der sol­che Untugend kommt.

Das siebte Gebot

Du sollst nicht stehlen. Fremde Güter an sich zu ziehen, ist eine Frucht der Habsucht und der Begierde, darum wird hier der Baum mit den Früchten verboten: Habgier und was aus Habgier folgen kann.

Das achte Gebot

Du sollst nicht falsch Zeugnis reden wider deinen Nächsten.

Das neunte Gebot

Du sollst nicht begehren deines Nächsten Frau, Tochter oder Magd.

Das zehnte Gebot

Du sollst nicht begehren deines Nächsten Haus oder Gut etc.

Die Übertretung des ersten Gebots

Wer in seinem Unglück Zauberei, schwarze Magie oder Teufelsbündnisse sucht. Wer magische Briefe, Zeichen, Kräuter, Wörter, Flüche und der­gleichen gebraucht. Wer mit Wünschelruten umhergeht, Schätze mit Be­schwörungsformeln sucht, in Kristallkugeln die Zukunft schauen will, wer sich Zaubermäntel umhängt und wer durch Zauberei verhindert, dass Tiere Milch geben. Wer sein Werk und Leben nach vorherbestimm­ten Tagen, Himmelszeichen und den Vermutungen der Wahrsager aus­richtet. Wer sich selbst, sein Vieh, sein Haus, seine Kinder und jede Art von Hab und Gut zum Schutz vor Wölfen, Frost, Feuer, Wasser und sons­tigem Schaden mit abergläubischen Gebeten segnet und beschwört. Wer Unglück und Widrigkeiten dem Teufel oder bösen Menschen zuschreibt und nicht mit Liebe und Lob alles Böse und Gute als von Gott allein gege­ben annimmt und es wieder vor ihn bringt mit Danksagung und bereit­williger Ergebenheit. Wer Gott versucht und Leib oder Seele in unnötige Gefahr bringt. Wer aufgrund seiner Frömmigkeit, seines Verstandes oder anderer geistlicher Gaben hochmütig ist. Wer Gott und die Heiligen nicht um der Seelennot, sondern nur um des zeitlichen Nutzens willen ehrt.

Übertretung des zweiten Gebots

Wer ohne Not oder aus Gewohnheit leichtfertig schwört. Wer falschen Eid schwört oder auch sein Versprechen bricht. Wer Böses zu tun gelobt oder schwört. Wer mit Gottes Namen flucht. Wer närrische Geschichten über Gott daherredet und die Worte der Schrift leichtfertig verdreht. Wer Gottes Namen nicht anruft in Widrigkeiten und ihn nicht preist in Liebe und Leid, in Glück und Unglück. Wer Ruhm und Ehre und Ansehen sucht mit seiner Tüchtigkeit, Weisheit etc. Wer Gottes Namen in un­rechter Weise anruft, so wie die Ketzer und alle hochmütigen Gläubigen.

Übertretung des dritten Gebots

Wer Fressen, Saufen, Glücksspiel, Tanz, Müßiggang oder Unkeuschheit treibt. Wer Faulheit, Gottesdienst verschlafen oder versäumen, Herum­spazieren oder unnützes Gerede pflegt. Wer ohne besondere Not arbei­tet oder Handel treibt. Wer nicht betet, nicht Christi Leiden bedenkt, nicht seine Sünde bereut und Gnade begehrt. Ebenso, wer nur durch Kleidung, Essen und Auftreten äußerlich feiert.

Übertretung des vierten Gebots

Wer sich der Armut, der Krankheit oder der Missachtung seiner Eltern schämt. Wer nicht für ihren Bedarf an Speise und Kleidung sorgt. Mehr noch, wer sie verflucht, schlägt, ihnen übel nachredet, sie hasst und ih­nen ungehorsam ist. Wer nicht von Herzen Großes von ihnen hält um Gottes Gebots willen. Wer die Gebote der christlichen Kirche nicht hält mit Fasten, Feiern etc. Wer die Priesterschaft nicht ehrt, ihr übel nachredet und sie beleidigt. Wer seine Herren und die Obrigkeit nicht ehrt, ihnen nicht treu und gehorsam ist – sie seien gut oder böse. Hier­unter fallen alle Ketzer, Abtrünnigen, Apostaten, Gebannten, Verstock­ten etc.

Übertretung des fünften Gebots

Wer mit seinem Nächsten zürnt. Wer zu ihm sagt: Racha! – das meint allerlei Zeichen des Zorns und des Hasses. – Wer zu ihm sagt: Fatue, du Narr! – das heißt jede Art von Schandworten, Flüchen, Lästerungen, üblen Nachreden, Richtersprüchen, Verurteilungen, Hohnsprüchen etc. Wer seines Nächsten Sünde oder Verfehlungen rügt und nicht bedeckt und entschuldigt. Wer seinen Feinden nicht vergibt, nicht für sie bittet, nicht freundlich ist, nicht Gutes tut. Und hierunter fallen alle Sünden aus Zorn und Hass – wie Totschlag, Bekriegen, Rauben, Brand­stiften, Zanken, Hadern, Trauern ob des Nächsten Glücks und Freuen ob seines Unglücks. Wer nicht übt die Werke der Barmherzigkeit.

Übertretung des sechsten Gebots

Wer Jungfrauen schwängert, Ehebruch, Blutschande und dergleichen Unkeuschheit verübt. Wer auf unnatürliche Weise Verkehr hat oder Personen – das sind stumme Sünden – missbraucht. Wer mit schänd­lichen Worten, Liedern, Geschichten oder Bildern die böse Lust pflegt oder erzeugt. Wer mit lüsternen Blicken, Berührungen oder Gedanken sich aufreizt und befleckt. Wer die Ursachen davon nicht meidet wie Fressen, Saufen, Müßiggang, Faulheit, zu langes Schlafen und Umgang mit Frauen oder Männern, die solches pflegen. Wer mit übermäßi­gem Schmuck, seinem Verhalten etc. andere zur Unkeuschheit reizt. Wer eines anderen Keuschheit nicht mit Rat und Tat zu bewahren hilft.

Übertretung des siebten Gebots

Neben der Dieberei und Räuberei ist auch der Wucher eine große Sünde. Das Gebot übertritt, wer falsche Gewichte und Maße gebraucht oder schlechte Ware als gut ausgibt. Wer zu Unrecht Erbteile und Zins einnimmt. Wer verdienten Lohn vorenthält und Schulden verleugnet. Wer seinem bedürftigen Nächsten nichts borgt oder leiht ohne allen Aufschlag. Alle, die habgierig sind und anstreben, reich zu werden – und wie sonst fremdes Gut behalten oder an sich gebracht wird.

Übertretung des achten Gebots

Wer vor Gericht die Wahrheit verschweigt und unterdrückt. Wer un­heilvoll lügt und betrügt. Ebenso alle unheilvollen Schmeichler und Ohrenbläser, alle Lügner und diejenigen, die Uneinigkeit und Unfrie­den stiften. Wer des Nächsten gutes Leben, Werk und Wort verleumdet und schmäht. Wer diesen bösen Zungen nachgibt, hilft und nicht widersteht.

Übertretung des neunten und zehnten Gebots

Diese zwei letzten Gebote gehören nicht in die Beichte, sondern sind als Ziel und Zeichen gesetzt, zu dem wir kommen und auf das wir täglich durch Buße hinarbeiten sollen mit der Hilfe und Gnade Gottes. Denn die böse Neigung stirbt nicht eher ganz, bis das Fleisch zu Staub zerfällt und neu geschaffen wird.

Die Erfüllung der Zehn Gebote Gottes

Die Erfüllung des ersten Gebots

Gottesfurcht und -liebe in rechtem Glauben und festem Vertrauen, ganz rein und aufrichtig, in allen Dingen gottergeben sein, sie seien böse oder gut.

Die Erfüllung des zweiten Gebots

Lob, Ehre, Preis und Anrufung von Gottes Namen und den eigenen Namen und die eigene Ehre ganz zunichtemachen, dass allein Gott gepriesen sei, der allein alle Dinge ist und wirkt.

Die Erfüllung des dritten Gebots

Sich auf Gott einstellen und Gnade suchen, das geschieht durch beten, die Messe und das Evangelium hören und Christi Leiden bedenken und auf diese Weise geistlich vorbereitet zum Sakrament gehen. Dieses Gebot fordert eine demütige Seele, die sich im Bewusstsein ihrer Nich­tigkeit Gott hingibt, damit er Gott sei und in ihr sein Werk und sein Name wachse gemäß den beiden ersten Geboten.

Die Erfüllung des vierten Gebots

Bereitwilliger Gehorsam und Untertänigkeit gegenüber jeder Form von Obrigkeit um Gottes Wohlgefallen willen, wie der Apostel Petrus sagt, ohne Widerrede, Klagen und Murren.

Die Erfüllung des fünften Gebots

Geduld, Sanftmut, Güte, Friedfertigkeit, Barmherzigkeit und in allem ein süßes, freundliches Herz ohne jeden Hass, Zorn oder Bitterkeit gegenüber irgendeinem Menschen, auch nicht gegenüber den Fein­den.

Die Erfüllung des sechsten Gebots

Keuschheit, Zucht, Schamhaftigkeit in Werken, Worten, Begierden und Gedanken, auch Mäßigung beim Essen, Trinken, Schlafen und alles, was der Keuschheit förderlich ist.

Die Erfüllung des siebten Gebots

Demut, Mildtätigkeit, Bereitschaft, seine Güter zu leihen und zu geben, ohne jede Habsucht und Begierde leben.

Die Erfüllung des achten Gebots

Eine friedsame, heilsame Rede, die niemandem schadet und jedermann nützt, die die Uneinigen versöhnt, die Verspotteten in Schutz nimmt und sich ihrer annimmt, das ist Wahrheit und Redlichkeit in Worten.

Die neunte und zehnte Erfüllung

Das ist vollkommene Keuschheit und endgültige Verachtung zeitlicher Lust und Güter, welche allein im jenseitigen Leben vollbracht werden. Amen.

Übertragen von Thorsten Engler.


[1] WA 1, 250-256.

Hier der Text als pdf.

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