Nachdem Patriarch Kyrill mit Kriegspredigten den russischen Angriffskrieg in der Ukraine zu unterstützen sucht, ist ein Blick in die eigene protestantische Kriegspredigtvergangenheit angebracht.

Die Kriegspredigten aus dem I. Weltkrieg sind ein besonderes Zeugnis für die Irrungen eines religionistischen Protestantismus. Aufschlussreich ist, was Friedrich Niebergall (1866-1932), einer der maßgeblichen liberalprotestantischen Vertreter der Praktischen Theologie seiner Zeit, 1914 über den Kasus „Kriegspredigt“ schrieb:
Von Friedrich Niebergall
Die Kriegspredigt als eine Kasualpredigt verlangt, daß der Krieg, diese Erscheinung des gegenwärtigen Weltverlaufs, mit dem christlichen Denken und Leben in Verbindung gebracht werde. Dabei soll einmal alles, was an Licht und Kraft im Glauben liegt, aufgeboten werden, um die Tatsache des Krieges zu bewältigen; dann aber soll auch der Krieg fruchtbar gemacht werden, um das religiöse und sittliche Leben der Gläubigen zu fördern. Dazu ist es nicht nötig, daß immer der Krieg, dieses aus der Erfahrung stammende Glied der anzubahnenden Verbindung, behandelt oder auch nur erwähnt werde; man kann auch für den Krieg predigen, indem man nicht über den Krieg predigt, zumal wenn der Krieg…
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