Über den Tod im Neuen Testament
Von Jürgen Roloff
1. Als Tod wird zunächst, gemäß der allgemeinen, theologisch nicht qualifizierten Bedeutung des Wortes, das physische Ende menschlichen Lebens bezeichnet (z. B. Mk 13,12; Mt 20,18 Joh 11,4.13; Hebr 5,7; 7,23). In Getsemani ist Jesus »betrübt bis zum Tod « (Mk 14,34), die Todessangst ist so bedrängend, daß das Sterben Befreiung bedeuten könnte (vgl. Jona 4,9). Ferner kann Tod eine spezifische Todesart meinen, so den Kreuzestod Jesu (Joh 12,33; 18,32.). Wie im Alten Testament kann bereits physische Lebensminderung, die in die Nähe des Todes bringt, als Tod bezeichnet werden. So deutet Paulus die über ihn in Asien gekommene Not als Todesurteil (2Kor 1,9) und die Errettung aus ihr als Rettung vor dem Tod (2Kor 1,10; vgl. 4,11f; 11,23; Phil 2,30). Noch darüber hinausgehend gilt nach Hebr 2,15 das gesamte menschliche Leben als von Todesfurcht beherrscht und darum als Sklavenexistenz. Speziell vom als besonders bedrohlich empfundenen Seuchentod dürfte in Offb 6,8 (im Anschluß an Ez 14,21) die Rede sein.
Bestimmend ist für das gesamte Neue Testament die Gewißheit, daß der physische Tod die Gemeinschaft mit Gott nicht beendet: »Weder Tod noch Leben« können von seiner Liebe scheiden (Röm 8,38f; 1Kor 3,22). Deshalb bildet der Tod auch für den Gehorsam gegenüber Gott und Jesus Christus keine Grenze: Wie zur Jüngerschaft Jesu die Bereitschaft zur Lebenshingabe gehört (Mk 8,35; Mt 10,39), so muß jeder Christ bereit sein, um des Zeugnisses für Jesus willen »treu bis zum Tod« zu sein (Offb 2,10; 12,11). Der Martyriumstod kann von daher sogar als Lobpreis Gottes gelten (Joh 21,19).
2. Großes theologisches Gewicht hat das Reden vom Tod Jesu, sei es in der johanneischen Weise (ab Joh 3,14) als verborgener Hinweis auf seine Erhöhung, sei es in implizit soteriologischen Aussagen (Röm 5,10; Phil 2,8; Kol 1,22; Hebr 2,9) von seinem Sterben »für die Vielen« (Mk 14,24). Wenn die Kirche in der Eucharistie den Tod des Herrn verkündigt (1Kor 11,26), so unterstellt sie sich der Heilswirkung dieses Todes und proklamiert damit vor aller Welt dessen versöhnende Macht.
3. Theologisch qualifiziert ist Tod im Sinne der Trennung des Menschen von Gott, des Ausschlusses aus der Sphäre heilvoller Gemeinschaft mit ihm, zu verstehen. Gott ist selbst das Leben und darum Gott der Lebenden, nicht der Toten (Mk 12,27); ihm dank Jesus Christus angehören heißt, das Leben haben. Zentrale Bedeutung kommt dabei der Auferstehung Jesu zu, die nicht nur als punktuelle Überwindung des physischen Todes, sondern als universaler endzeitlicher Sieg über die Sphäre der Gottesferne verstanden wird: Gott hat in seiner Auferweckung »die Wehen, die heftigen Schmerzen des Todes gelöst« (Apg 2,24).
Für Paulus und die von ihm abhängige Theologie ist das Nebeneinander von zwei Aspekten charakteristisch: Tod als Strafe für die Sünde und als transpersonale Unheilsmacht. So ist der Tod Folge des Ungehorsams Adams und aller seiner Nachkommen (Röm 5,12; 6,23); indem der Mensch dem Gesetz Gottes, das ihn zum Leben, d. h. zur Gottesgemeinschaft, führen will, widerspricht, verurteilt ihn dieses Gesetz zum Tod (Röm 7,10). Zugleich aber wird dadurch der T., ebenso wie die Sünde, zu einer alle Lebensäußerungen des einzelnen Menschen (8,6) wie der gesamten Menschheit (Röm 5,12.14) beherrschenden Macht, was dazu führt, daß auch das Bemühen um das sittlich Gute nur Unheil und Tod bewirkt (Röm 7,13). Aus dieser objektiv verzweifelten Lage (Röm 7,24) rettet allein Jesus, der als der einzige Gehorsame dem Todesverhängnis nicht untersteht. In seinem Sühnetod trägt er die über alle verhängte Todesstrafe stellvertretend (Gal 3,13) und entmachtet damit den Tod (vgl. Röm 5,21; 1Kor 15,21.26). Die ihm zugehörigen Menschen werden durch die Taufe mit seinem Todesschicksal verbunden (Röm 6,4), und zwar nicht im Sinne eines mysterienhaften Nacherlebens seines Sterbens, sondern einer Unterstellung unter dessen Heilswirkung: Sünde und Tod haben über die Getauften weder Macht (Röm 6,23) noch Recht (Röm 7,6); diese sind befreit zu neuem Wandeln in der Gnade und unterstehen der Verheißung der zukünftigen leiblichen Auferweckung der Toten, in der der Sieg Christi endgültig manifest werden soll (Röm 5,5; 1Kor 15,23).
In den johanneischen Schriften ist das Reden vom Tod vorwiegend durch das leitende Konzept präsentischer Eschatologie bestimmt. In der gegenwärtigen Begegnung mit dem Wort Jesu vollzieht sich Gericht im Sinne der Scheidung zwischen Leben und Tod: Der an Jesus Glaubende kommt nicht mehr ins Gericht, er ist »aus dem Tod ins Leben hinübergegangen« (Joh 5,24; 8,51f). Die schwer deutbare Aussage über die »Sünde zum Tod« (1Joh 5,16) ist eine Tat, die Gott mit dem Ausschluß aus seinem Lebensbereich strafen muß. Möglicherweise ist damit der grundsätzliche Glaubensabfall von Getauften (vgl. Hebr 6,4-8) gemeint.
Der Offenbarung eigentümlich ist die Unterscheidung zwischen dem Tod als personifizierter Machtsphäre, die der Herrschaft Christi untersteht (1,18), um endzeitlich durch ihn entmachtet (20,13) sowie abschließend vernichtet (20,14) zu werden, und dem zweiten Tod, der im Endgericht über die Ungehorsamen verhängten Strafe ewiger Gottesferne (2,11; 20,14).
Lit.: ABD II, 110f. EWNT II, 319-329. ThWNT III, 7-21. P. Hoffmann, Die Toten in Christus, Ms 1966. G. Schunack, Das hermeneutische Problem des Todes, T 1967. E. Schweizer, Dying and Rising with Christ, NTS 14, 1967/68, 1-14. O. Kaiser-E. Lohse, Tod und Leben, S 1977. M.C. de Boer, The Defeat of Death, JSNT(S) 22, 1988 (1Kor 15 Röm 5). G. Lüdemann, in: B. MacLean (Hg.), Origins and Method, JSNT(S) 86, 1993, 26-43 (Paulus). G. Kittel, Befreit aus dem Rachen des Todes, G 1999.
Quelle: M. Görg/B. Lang, Neues Bibellexikon 3, Zürich 2001, Sp. 888f.