Die Zehn Gebote gelten nach Martin Luther als „Ausbund göttlicher Lehre für das was wir tun sollen, damit unser ganzes Leben Gott gefalle, und als den rechten Brunnen und Kanal, aus welchem alles gehen muss, was ein gutes Werk sein will.“[1] Sie sind „über allen anderen Lehren teuer und wertzuhalten als den höchsten Schatz, der uns von Gott gegeben ist.“[2] Zugleich bringen sie unser Leben zur Besinnung: „Es gibt keinen besseren Spiegel, worin du deine Not ersehen kannst, als eben die zehn Gebote; in ihnen findest du, was dir fehlt und was du suchen sollst“.[3] Allerdings sind sie nicht isoliert zu verstehen: „Wer die zehn Gebote recht und ganz verstehen will, der muss die ganze Heilige Schrift verstehen, damit er in allen Sachen und Fällen raten, helfen, trösten, urteilen, richten kann, sowohl im geistlichen als auch im weltlichen Bereich.“[4]
Im Kleinen Katechismus hat Martin Luther die Zehn Gebote an den Anfang der christlichen Unterweisung gestellt und zu jedem Gebot eine einprägsame Erklärung beigegeben. In Entsprechung zu den Worten des Evangeliums „Du sollst den HERRN, deinen Gott, lieben von ganzem Herzen, von ganzer Seele und mit all deiner Kraft und deinem ganzen Gemüt, und deinen Nächsten wie dich selbst“ (Lukas 10,27) werden darin die Gebote als Ausprägungen des Doppelgebots der Liebe entfaltet. Generationen evangelischer Christen haben diese Worte aus dem Kleinen Katechismus im Konfirmandenunterricht auswendig gelernt. Das Besondere an Luthers Erklärungen ist, dass die Zehn Gebote als positive Weisungen für das familiäre, örtliche wie auch gesellschaftliche Zusammenleben entfaltet werden.
Im Rahmen der landeskirchlich genehmigten Neugestaltung der Außenanlage um die Martin-Luther-Kirche in Vöhringen/Iller sollen die Zehn Gebote auf zehn Stelen im öffentlichen Raum an der örtlichen Hauptverkehrsstraße (= Memminger Straße) präsentiert werden. Dazu werden – im Gegenüber zu einer imposanten Blutbuche – auf der Nordseite des Zugangs zum Hauptportal und am nordwestlichen Rand der halbrunden Freifläche je fünf Stelen mit den Geboten nacheinander aufgestellt, und zwar auf eine Lesedistanz von 1,5 Meter hin (Fußwegbreite ist 3 Meter). Der Abstand zwischen den Stelen beträgt jeweils 2 Meter, so dass man zu jedem der Gebote wortwörtlich stehen kann.
Jede Stele ist zwei Meter hoch bzw. 0,5 Meter breit und besteht aus zwei Hälften: Die linke Hälfte aus Edelstahlblech enthält eingravierte Grundworte aus Luthers Gebotserklärungen aus dem Kleinen Katechismus, die rechte Hälfte aus Maggia-Gneis den biblischen Wortlaut des jeweiligen Gebots. Beide Hälften mit einer Breite von jeweils 30 Zentimeter sind in einem Winkel von 120 Grad angestellt, was einer aufgeschlagenen Doppelseite eines Buches bzw. dem biblischen Bild der beiden Gebotstafeln entspricht. Daraus ergeben sich zwei verschiedene Leseperspektiven: Beim Gang zur Kirche liest man die Gebotstexte auf den Steintafeln nacheinander als Spiegel für das „was dir fehlt und was du suchen sollst“ (Luther) im Hinblick auf die Christusgegenwart im Gottesdienst. Beim Verlassen der Kirche liest man auf der Edelstahlseite Luthers positive Weisungen, die einen im Alltag zum rechten Handeln und Verhalten anhalten.
Mit Blick auf die Blutbuche wollen die zehn Gebotsstelen „buchstäblich“ vor Augen führen, was sowohl für den christlichen Lebensweg wie auch für das Zusammenleben vor Ort bzw. in der Gesellschaft wesentlich ist, entsprechend den Worten aus Psalm 1: „Wohl dem, der […] seine Lust hat an der Weisung des HERRN und sinnt über seiner Weisung Tag und Nacht. Der ist wie ein Baum, an Wasserbächen gepflanzt: Er bringt seine Frucht zu seiner Zeit, und seine Blätter welken nicht. Alles, was er tut, gerät ihm wohl.“

Die Texte der Grundworte bzw. des Gebotes sollen in einem Feld zwischen 1,8 und 1,4 Meter Höhe auf beiden Hälften der jeweiligen Stele angebracht werden. Man hat damit zu den Geboten aufzuschauen und kann nicht – wie bei einem Grabstein – auf sie herabsehen. Mit der Beschränkung des jeweiligen Textfeldes soll außerdem eine plakative Darstellung vermieden werden. Für die Gestaltung des Schriftbilds soll ein ausgewiesener Schriftgrafiker oder eine Buchgestalterin gewonnen werden.
Das Projekt soll nicht nur in der Außenanlage der Martin-Luther-Kirche aufgestellt werden, sondern auch in der Gemeinde bzw. in der Öffentlichkeit ins Gespräch gebracht werden. Dazu sind eine Reihenpredigt zu den zehn Geboten mit prominenten Predigern sowie Podiumsgespräche zur Relevanz einzelner Gebote im Rahmen der Evangelischen Erwachsenenbildung angedacht.
Zusätzlich wird das Projekt „Zehn Gebote entfaltet“ auf einer eigens eingerichteten Webseite www.zehngebote.online vorgestellt. Dort finden sich auch weitere Erklärungen bzw. Erläuterungen zu Gebotsformulierungen. Außerdem soll die Gegenwartsrelevanz der einzelnen Gebote herausgestellt werden. Dazu werden Texte aufgenommen, die das jeweilige Gebot in eine konkrete Situation hineinsprechen, beispielsweise durch Predigten. Außerdem könnten auch einzelne Statements – was mir dieses Gebot bedeutet bzw. warum ich zu diesem Gebot stehe – möglicherweise auch von Personen des öffentlichen Lebens – aufgenommen werden. Weiterhin ließe sich kultur- und sozialgeschichtliche Informationen zum Dekalog sowie didaktisches Material für Religions- und Konfirmandenunterricht bereitstellen.
[1] Der Große Katechismus, Abschluss der zehn Gebote, Calwer Luther-Ausgabe, Bd. 1, hrsg. v. Wolfgang Metzger, Gütersloh 1977, S. 85.
[2] AaO., S. 90.
[3] Sermon von den guten Werken, Vom dritten Gebot, Neuntens, Calwer Luther-Ausgabe, Bd. 3, hrsg. v. Wolfgang Metzger, Gütersloh 1977, S. 161 (WA 6, 236,21f).
[4] Der Große Katechismus, Vorrede, aaO., S. 15f.
Und hier ein Flyer, der für das Projekt werben will, als pdf.
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