Peter Handke über das Abendmahl: „Wie ein Gewecktwerden für einen anderen Tag“

Wie ein Gewecktwerden für einen anderen Tag

Von Peter Handke

„Abendmahl“? Als ich, lange nach meiner 1. Kommunion, endlich von mir selber geschubst (oder von etwas, das mehr war als ich selber), kommunizieren ging, nach einer etwa dreißigjährigen Epoche ohne Hostie, war das eher eine Art Morgenmahl für mich – etwas wie ein Gewecktwerden, für einen anderen Tag, für eine andere Zeit. Zugleich gab es dabei die alte Scheu vor der Eucharistie – als ob ich diese nicht verdiente – diese Scheu war aber nicht mehr verkleinert oder verdorben durch die Scham, die ich beim Kommunionsgang als Kind oder Halbwüchsiger erlebt habe – es war eine Art erhabener, auch belustigter, oder erheiterter, spielerischer Scheu. Und zu dem erhaben-heiteren Spiel gehörte eben auch, daß ich mit anderen zu jenem „Mahl der Anderen Zeit“ ging, daß ich in Gemeinschaft war; daß so Gemeinschaft erst, wie flüchtig auch immer, geschaffen wurde, so flüchtig wie beständig; eine der wenigen Gemeinschaften, die mir möglich wurden. Aber immerhin. Meine Dankbarkeit bleibt, und täglich vermisse ich das „mich zu DIR hinmahlzeiten“ im Sinn von Celans „hinüberdunkeln zu dir“. Nur leider hat der Katholizismus so viel, durch seine Hohen Kommissare, Übles angerichtet, mit Kriegsunterstützung, etc., daß ich das „Liebesmahl“ inzwischen auch und mehr bei jenen Riten finde (oder aufsuche), welche die Römische Kirche nur zum Schein „brüderliche“ nennt.

Christ in der Gegenwart (CiG) 6/2003

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