Segen statt Segnung. Was die evangelische Liturgie der römisch-katholischen promissorisch voraushat

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Segen statt Segnung. Was die evangelische Liturgie der römisch-katholischen promissorisch voraushat

Eine Stärke der evangelischen Liturgie ist der zugesprochene Segen, sei es bei Kasualien oder aber im Gemeindegottesdienst. Während die römisch-katholische Liturgie eine Vielzahl von Benediktionen, also personen- oder gegenstandsbezogenen Segnungen kennt, ist der gottesdienstliche Schlusssegen in Anlehnung an den trinitarischen Segen der Tridentinischen Messe – „Benedicat vos omnipotens Deus, Pater et Filius et Spiritus Sanctus“ – meist wortkarg: „Es segne euch der allmächtige Gott, der Vater und der Sohn und der Heilige Geist.“ Das Schlüsselwort benedicere = gutheißen/loben/segnen lässt den Gesegneten keine weitere Verheißung zukommen.

Dass Martin Luther in der Deutschen Messe den aaronitischen Segen (4.Mose 6,24-26) als Schlusssegen angeführt hat (vgl. dazu seine Schrift „Der Segen, so man nach der Messe spricht über das Volk“ von 1532), hat sich in der evangelischen Liturgie Wirkung gezeigt. Im aaronitischen Segen wird ja das HERRliche Gutheißen (ברך brk) mittels der Redefigur der Anhäufung (congeries) dynamisch entfaltet:

Der HERR segne dich
und behüte dich;
der HERR lasse sein Angesicht leuchten über dir
und sei dir gnädig;
der HERR hebe sein Angesicht über dich
und gebe dir Frieden.

Dieser Segen sagt dem Gesegneten einen umfänglichen Gegenwartsraum des dreieinigen Gottes zu, in dem sich das eigene Leben bewegen darf. Ähnlich wird dies auch im Konfirmationssegen (der auf Martin Bucers Konfirmationsordnung von 1539 zurückgeht) zugesprochen:

Gott Vater, Sohn und Heiliger Geist
gebe dir seine Gnade:
Schutz und Schirm vor allem Argen,
Stärke und Hilfe zu allem Guten,
dass du bewahrt werdest zum ewigen Leben.
Friede sei mit dir.
Amen.

Ebenso spricht sich folgender Trausegen verheißungsvoll aus:

Gott Vater, Sohn und Heiliger Geist segne euch.
Er bewahre euch in eurer Ehe,
er leite euch durch sein Wort
und erhalte euch in seiner Liebe.

Hier noch der Eltern- bzw. Patensegen bei einer Taufe:

Gott Vater, Sohn und Heiliger Geist segne euch.
Seine Liebe umgebe euch,
seine Treue verbinde euch,
sein Frieden geleite euch.
Amen.

Und schließlich der Valetsegen („Lebewohlsegen“) für einen Sterbenden bzw. bei der Aussegnung eines Verstorbenen:

Es segne dich Gott, der Vater,
der dich nach seinem Bild geschaffen hat.
Es segne dich Gott, der Sohn,
der dich durch sein Leiden und Sterben erlöst hat.
Es segne dich Gott, der Heilige Geist,
der dich zum Glauben gerufen und geheiligt hat.
Gott, der Vater und der Sohn und der Heilige Geist
geleite dich durch das Dunkel des Todes.
Er sei dir gnädig im Gericht
und gebe dir Frieden und ewiges Leben.
Amen.

Nicht die Faktizität der Segnung und auch nicht das Gebet um den göttlichen Segen stehen in der evangelischen Liturgie im Vordergrund, sondern die promissorische Wirklichkeit des Segens, was auch katholische Christen als Mitgesegnete zu schätzen wissen. Mit gutem Grund ist der evangelische Valetsegen in die Neuausgabe des katholischen Gotteslob unter der Nummer 28.9 aufgenommen worden.

Hier mein Text als pdf.

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