
Von Selfies und anderen hoffnungslosen Selbstverliebtheiten
In seinen Metamorphosen erzählt der Dichter Ovid die Geschichte des Jünglings Narziss, der die Liebe einer Frau verschmähte und dafür mit unstillbarer Selbstliebe bestraft wurde. Als er sich selbst im Wasserspiegel einer Quelle sah, verliebte er sich in das eigene Spiegelbild. So musste er fortan vor einem wässrigen Ebenbild sterblich verschmachten, bis er im Tod in eine duftbetörende Narzisse verwandelt wurde.
In heutiger Zeit braucht es weder Wasserquellen noch Standspiegel, um uns selbst in den Blick zu nehmen. Dank Smartphone und Internet kann ich mich jederzeit und allerorts selbst ansehen und mich mit einem Selbstbildnis („Selfie“) anderen mitteilen. Das mag auf Dauer zu einem Irrglauben führen: Ich mache mir von mir selbst mein eigenes Bild. So wie ich mich sehe, bin ich wirklich!
Schlussendlich steht die große Lebensenttäuschung an: Der Tod bereitet der Selbstverliebtheit ein bitteres Ende. Wer nur sich selbst im Blick hat, dem fehlt die liebevolle Aussicht für das Leben.
„Komm, folge mir!“ Mit diesen Worten ruft Jesus Menschen in seine Nachfolge. Verlasse dein Leben, so wie du es für dich selbst siehst. Ja, für unser Leben ist nicht entscheidend, wie wir uns selbst sehen, sondern wie wir bei Gott angesehen sind. Das eigene Ansehen bei Gott ist unsere Lebensaussicht über den Tod hinaus.
Wo Jesus Christus uns als Sünder hingabevoll ansieht, zerbricht unser Selbstbild. Da dringt seine Liebe in unser Leben ein. Und wir nehmen uns in der Liebe für den anderen selbst neu wahr. Der Kirchenvater Augustinus hat dazu ein Lebenswort geprägt: „Soviel in dir die Liebe wächst, soviel wächst die Schönheit in dir. Denn die Liebe ist die Schönheit der Seele.“