„Mir ist gegeben alle Gewalt im Himmel und auf Erden“ – Worin die Übersetzung des Missionsbefehls in der Luther-Bibel 2017 wirklich fragwürdig ist

Otto Pankok  - Christus zerbricht das Gewehr (Holzschnitt 1950)
Otto Pankok – Christus zerbricht das Gewehr (Holzschnitt 1950)

„Mir ist gegeben alle Gewalt im Himmel und auf Erden“ – Worin die Übersetzung des Missionsbefehls in der Luther-Bibel 2017 wirklich fragwürdig ist

Die Einleitung zu Jesu Missionsbefehl in der neuen Luther-Bibel 2017 lautet immer noch: „Mir ist gegeben alle Gewalt im Himmel und auf Erden.“ (Mt 28,18) Man ist darin der ursprünglichen Übersetzung Luthers treu geblieben: „Mir ist gegeben alle Gewalt im Himel vnd Erden.“ (Luther-Bibel 1545) Für mich unverständlich, hat sich doch die Bedeutung von „Gewalt“ in der Gegenwart eindeutig und unumkehrbar auf Gewalt im Sinne von violence, also einer beabsichtigten körperlichen Verletzung bzw. Tötung anderer Menschen oder aber deren erzwungene Vereinnahmung  hin verengt. Damit muss der Missionsbefehl für unbedarfte Leser im höchsten Maße missverständlich sein. Diese können nicht anders als den Eindruck gewinnen, Jesus Christus legitimiere bzw. vollziehe verletzende Gewalt, um sein Reich durchzusetzen.

So hat gestern in einem Facebook-Kommentar ein Ingenieur im Hinblick auf meine Kritik am Missionsbefehl in der neuen Luther-Bibel vorwurfsvoll geschrieben: „Der Satz von der Gewalt ist ausgelassen worden. Christen sind im Ausschneiden offensichtlich besonders versiert.“

Dass „Gewalt“ frühneuhochdeutsch im Sinne von „Schalten und Walten“ verstanden wurde und darin tatsächlich dem griechischen Wort exousia (bzw. dem lateinischen potestas) entsprochen hat, ist in der Gegenwart auch für studierte Leser nicht nachvollziehbar. Korrekterweise hat daher die Zürcher Bibel 2007 übersetzt: „Mir ist alle Macht gegeben im Himmel und auf Erden.“ Und in der neuen Einheitsübersetzung 2017 heißt es ähnlich: „Mir ist alle Vollmacht gegeben im Himmel und auf der Erde.“

Mein Vorwurf an die Revision der Luther-Bibel 2017 ist, dass man um die Vertrautheit eines „Luther-Sounds“ willen die Verständlichkeit des Evangeliums preisgibt. Dem Volk wird also nicht auf’s Maul geschaut. Stattdessen soll die Luther-Bibel als protestantisches Kulturgut bewahrt werden. Für die Kirche Jesu Christi, die aus Seinem Wort lebt (und es dazu auch sprachlich präzise verstehen muss), darf es jedoch keinen Denkmalschutz für eine Übersetzung von 1545 geben.

Hier mein Text als pdf.

2 Kommentare

  1. Leider bin ich kein Philologe, sondern habe nur Griechisch für das Studium gelernt. Mir wird aber an diesem Beispiel ist mir deutlich geworden, dass die Analyse von Worten nur ein Teil der Übersetzung ist. Da bei Luther im ersten Teil des Verses Mt 28,18 von Gewalt die Rede ist, konnte es im zweiten Teil nicht mehr heißen, „macht zu Jüngern“. Die Geschichte kennt ja genügend Beispiele dafür, wir das geschen konnte. Wenn man den ersten Teil abschwächt und statt „Gewalt“ auf „Vollmacht“ geht, kann man hingegen den zweiten Teil so belassen.

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