
Warum Weißwein zum Abendmahl ausgeschenkt wird
Wer die Mitteltafel des Wittenberger Reformationsaltar betrachtet, erkennt es mit eigenen Augen. Beim Abendmahl Christi wird Weißwein ausgeschenkt. Und es ist Martin Luther als Junker Jörg, dem ein junger, dolchgegürteter Mann den Weißweinbecher reicht. So sind wir es ja in der evangelischen Kirche zumindest in Bayern gewohnt: kein Rotwein, sondern Weißwein. Dabei hat ja Jesus das letzte Abendmahl als Passamahl unstrittig mit Rotwein gefeiert. Und auch in der Ostkirche wird bis heute nur Rotwein zur Kommunion gereicht.
Wenn man in Erfahrung bringt, dass bis ins 15. Jahrhundert auch in der lateinischen Westkirche vorwiegend Rotwein bei der Messe konsekriert wurde (erst 1478 wurde durch Papst Sixtus IV. Weißwein als Messwein offiziell zugelassen), fragt man sich: Warum der Wechsel von Rot- auf Weißwein sowohl in der römisch-katholischen Kirche wie auch in den evangelischen Kirchen? Das kann nicht einfach daran gelegen haben, dass nördlich der Alpen der Weißweinanbau vorherrschend gewesen ist.
Der maßgebliche Grund für den allgemeinen Wechsel auf Weißwein ist ein „hygienisch-ästhetischer“: Es sind die weißen Altartücher aus Leinen und insbesondere das weiße Kelchtüchlein (Purifikatorium), die bei Rotwein farblich in Mitleidenschaft gezogen werden. Wenn das Kelchtüchlein vom römisch-katholischen Priester im Anschluss an die Kommunion zur Kelchreinigung benutzt (seit dem Trienter Missale ist dies ausdrücklich vorgeschrieben) bzw. bei den Evangelischen zur Laienkommunion eingesetzt wird, ist dessen „Befleckung“ unvermeidlich. Weißweinflecken auf weißen Tüchern lassen sich rauswaschen, aber Rotweinflecken …
Man hat in der Westkirche also aus ganz praktischen Gründen den Farb- bzw. Weinwechsel vollzogen, ohne dass es dazu jemals eine liturgische Vorschrift gegeben hätte. So heißt es in der „Allgemeinen Einführung in das Römische Messbuch“ (AEM) lediglich: „Der Wein für die Eucharistiefeier muss ‚vom Gewächs des Weinstockes’ (vgl. Lk 22,18) stammen und naturrein, das heißt ohne Beimischung von Fremdstoffen sein“ (AEM 284; vgl. GORM 322).

Evangelischen Kirchengemeinden steht es frei, beim Abendmahl Rotwein an Stelle von Weißwein auszuschenken. Sie haben in jedem Fall die altkirchliche Tradition auf ihrer Seite. Und bei Einzelkelchen muss auch kein Kelchtüchlein eingesetzt werden. Dazu kann wiederum ein Cranach-Gemälde vorbildlich sein. Beim Dessauer Abendmahl setzt sich Lukas Cranach d.J. als Mundschenk selbst in Szene und reicht dabei Rotwein.
Was Sie meinen ist nicht haltbar, die Gemeinde hätte nie Weißwein als „Herrenblut-Symbol“ akzeptiert. Der jüngere Cranach reicht auf dem Wittenberger Abendmalbild auch nicht den „Abendmalkelch“ (mit Weißwein) an Luther, vielmehr steht der würdige rote Abendmalkelch rechts vom Judas auf dem Tisch. Der Humpen den Luther annimmt ist mit einem bräunlichen Gebräu – eher Bier oder Met – gefüllt; ein ähnlicher Becher hat ein weiterer Gast in der Hand. Auffällig ist auch, dass wenn Luther den „Abendmalkelch“ trinken würde, er sich niemals von Jesus vollends abgewendet hätte ! Der Symbolismus Lukas Cranachs (im Bild) ist noch nicht entschlüsselt ! Denken Sie darüber nach und kommen Sie zu treffenderen Schlüssen !