Sermon vom Leiden und Kreuz (1530)
Von Martin Luther
Liebe Freunde, ihr wißt, daß man in dieser Zeit die Passionsgeschichte Christi zu predigen pflegt. So zweifle ich auch nicht daran, daß ihr oft gehört haben werdet, was es für eine Passion und was es für ein Leiden gewesen ist, auch wozu sie Gott der Vater verordnet hat. Er hat nämlich dadurch nicht dem leidenden Christus helfen wollen, denn Christus bedurfte solchen Leidens gar nicht. Wir aber und das ganze menschliche Geschlecht bedurften solchen Leidens, daß es also ein Geschenk sein soll und uns aus lauter Gnade und Barmherzigkeit dargegeben und geschenkt ist. Von diesem Stück wollen wir jetzt nicht handeln, denn ich habe sonst oft davon gesprochen. Weil aber viele irrende Wanderprediger wieder und wieder auftauchen, welche das Evangelium nur schänden und uns beschuldigen, wir wüßten nichts mehr zu lehren und zu predigen als nur vom Glauben und ließen die Lehre von den guten Werken und dem heiligen Kreuz und Leiden hintenanstehen. Auch sagen sie weiterhin, sie hätten den rechten Geist, der sie treibt, solches zu lehren. Darum wollen wir jetzt allein von dem Beispiel dieser Passion her sagen, was für ein Kreuz wir tragen und erleiden, auch wie wir dasselbe tragen und erleiden sollen.
Darum gilt es als erstes zu merken, daß Christus mit seinem Leiden [29] uns nicht nur (aus der Bedrohung) vom Teufel, von Tod und Sünden (heraus)geholfen hat, sondern daß sein Leiden auch ein Beispiel ist, dem wir in unserem Leiden nachfolgen sollen. Und obwohl unser Leiden und unser Kreuz nicht in dem Sinn aufgewertet werden sollen, als wollten wir dadurch selig werden oder das Geringste damit verdienen, sollen wir dennoch Christus im Leiden nachfolgen, daß wir ihm gleichförmig werden. Denn Gott hat es so beschlossen, daß wir nicht nur an den gekreuzigten Christus glauben, sondern auch mit ihm gekreuzigt werden und leiden sollen, wie er es ja an vielen Stellen in den Evangelien klar anzeigt. „Wer sein Kreuz nicht auf sich nimmt“, spricht er, „und mir nachfolgt, ist meiner nicht wert“ (Matth. 10,38). Ebenso: ,,Weil sie den Hausvater Beelzebub heißen, um wieviel mehr werden sie seine Hausgenossen so nennen?“ (Matth. 10,25) Darum muß ein jeder ein Stück vom heiligen Kreuz tragen, und es kann auch nicht anders sein. Paulus sagt auch: „Ich erfülle an meinem Fleisch, was noch am Leiden Christi mangelt“ (Kol. 1,24), als wollte er sagen: „Seine ganze Christenheit ist noch nicht voll bereitet.“ Wir müssen auch darin nachfolgen, daß nichts an dem Leiden Christi fehle noch ihm abgehe, sondern daß es alles zusammenkomme. Folglich muß ein jeder Christ für sich bedenken, daß das Kreuz nicht ausbleiben wird.
Es soll und muß aber ein solches Kreuz und Leiden sein, das einen Namen hat und wirklich drückt und weh tut, wie es eine große Gefahr für Gut und Ehre, für Leib und Leben sein kann. Ein solches Leiden fühlt man wohl und es drückt; denn es wäre sonst kein Leiden, wenn es nicht sehr weh täte.
Darüber hinaus soll es ein solches Leiden sein, das wir uns nicht selbst erwählt haben, wie es nämlich bei den Geistern in den neuen Abspaltungen geschieht, die sich selbst ein eigenes Leiden erwählen. Es soll ein solches Leiden sein, welches uns der Teufel oder die Welt zuschickt, dessen wir gern, wo es nur möglich wäre, enthoben sein wollten. Und dann ist es nötig, daß man fest bleibt und sich so hineinschickt, wie ich zuvor gesagt habe, nämlich im Wissen, daß wir leiden müssen, damit wir Christus gleichförmig werden, daß es auch nicht anders sein kann und darf, denn ein jeder muß sein Kreuz und Leiden haben. Wenn man das weiß, dann ist es desto sanfter und erträglicher, und man kann sich trösten, indem man sagt: „Wohlan, will ich ein Christ sein, so muß ich auch die Farbe des Hofstaates tragen. Der liebe Christus gibt kein anderes Gewand aus an seinem Hof: es muß gelitten sein.“ Dies können die anderen nicht tun, die sich ihr eigenes Kreuz erwählen, sondern sie werden unwillig darüber und wehren sich mit der Faust. Das ist dann ein hübsches und löbliches Leiden, und dennoch meinen sie, uns Schuld geben zu dürfen, [30] als lehrten wir nicht recht vom Leiden und sie könnten es allein. Wir aber lehren so, daß niemand sich selbst ein Kreuz oder Leiden auflegen oder erwählen soll, sondern wenn es daherkommt, daß wir es dann geduldig tragen und erdulden.
Aber sie irren nicht nur in dem Stück, daß sie ein erwähltes Kreuz haben, sondern auch in dem, daß sie ihr Leiden so sehr aufwerten und ihm ein großes Verdienst beimessen, damit aber Gott lästern, weil es nicht ein rechtes, sondern ein (nach Selbstruhm) stinkendes und ein selbsterwähltes Leiden ist. Wir aber sagen so, daß wir mit unserem Leiden nichts verdienen und es nicht in schöne „Monstranzen“ fassen, wie sie ihres fassen. Es ist an dem genug, daß wir wissen, daß es Gott wohlgefällt, daß wir leiden, damit wir auf diese Weise Christus gleichförmig werden, wie ich bereits gesagt habe. So sehen wir, daß ebendieselben, die soviel vom Leiden und Kreuz rühmen und lehren, das wenigste vom Kreuz und von Christus wissen, weil sie ihr eigenes Leiden zum Verdienst machen. (Mein) Lieber! Es ist nicht eine solche Sache damit, es wird auch niemand dazu gedrungen oder gezwungen: Willst du also nicht umsonst und ohne Verdienst leiden, so kannst du es sein lassen und also Christus verleugnen. Der Weg geht vor die Türe hinaus. Allein, das mußt du wissen: Wenn du nicht leiden willst, wirst du auch nicht zum Hofstaat (Christi) gehören. So kannst du nun tun, was du von beiden willst: leiden oder Christus verleugnen.
Willst du leiden, wohlan, so ist der Schatz und Trost, der dir verheißen und geschenkt wird, so groß, daß du gerechterweise gern und mit Freuden leiden solltest, nämlich weil Christus dir so vollständig samt seinem Leiden geschenkt und zu eigen gegeben wird. Wenn du nun das so glauben kannst, darfst du frei auch in der größten Angst und Not sagen: „Wenn ich auch lange leide, was ist das denn im Vergleich mit einem solchen Schatz, den mir mein Gott zu eigen gegeben hat, damit ich ewig mit ihm leben soll!“ Siehe, so würde das Leiden süß und leicht werden und nicht mehr ein ewiges Leiden sein, sondern nur etwas Geringfügiges, das eine kleine Zeit währt und bald wieder vergeht, wie Paulus und Petrus, auch Christus selbst im Evangelium sagen (vgl. 2. Kor. 4,17; 1. Petr. 1,6; Joh. 16,16 ff.). Sie sehen nämlich das große, überschwengliche Geschenk an, daß Christus mit seinem Leiden und Verdienst ganz und gar unser geworden ist. Nun ist das Leiden Christi so mächtig und stark, daß es Himmel und Erde füllt und die Gewalt und Macht des Teufels und der Hölle, des Todes und der Sünde zerreißt. Wenn du nun einen solchen Schatz gegen deine Anfechtung und Leiden hältst, wird es dir gegenüber solchem Gut als ein geringer Schaden vorkommen, wenn du ein wenig von deinem Besitz, der Ehre, Gesundheit, ja [31] dein Weib und Kind, deinen eigenen Leib und dein Leben verlierst. Willst du aber einen solchen großen Schatz nicht achten und nichts darum leiden, wohlan, so fahre nur immer hin und laß es: Wer nicht glaubt, dem wird auch nichts von solchen unaussprechlichen Gütern und Gaben zuteil.
Weiter soll sich ein jeder Christ so verhalten und gewiß sein, daß solches Leiden ihm zum Besten dienen wird. Denn auch Christus will uns um seines Wortes willen nicht nur solches Leiden tragen helfen, sondern es auch zum Besten kehren und wenden. Dadurch nun soll es uns wiederum lieblicher und leichter werden, solches Kreuz zu tragen, indem unser lieber Gott uns soviel Gewürz und Labwasser in unsere Herzen geben will, daß wir alle unsere Anfechtung und unser Kreuz tragen können. So sagt auch der Apostel Paulus 1. Kor. 10,13: „Gott ist getreu und läßt uns nicht mehr anfechten, als wir ertragen können. Ja, er schafft auch mit derAnfechtung ein Herauskommen, so daß wir es ertragen können.“ Das ist aber wahr: Wenn das Leiden und die Anfechtungen am größten sind, dann bedrängen und bedrük-ken sie uns derartig, daß man denkt, man kann nicht mehr, man müsse untergehen. Aber wenn du dann an Christus denken kannst, wird der treue Gott kommen und dir helfen, wie er von Anbeginn der Welt an den Seinen geholfen hat. Denn es ist ja ebenderselbe Gott, der immer gewesen ist. So ist es eben auch ein und dieselbe Ursache, um derentwegen wir leiden und um derentwegen alle Heiligen von Anbeginn an gelitten haben. Die ganze Welt muß uns ja das Zeugnis geben, daß wir nicht um öffentlicher Schande und Laster willen leiden, wegen Ehebruch, Hurerei, Mord usw. Sondern darum leiden wir, weil wir bei dem Wort Gottes bleiben, dasselbe predigen, hören, lernen und verbreiten. Solange das nun die Ursache unseres Leidens ist, so laß es nur immer geschehen. Wir haben dieselben Verheißungen und Ursachen zu leiden, die alle Heiligen immer und immer gehabt haben. So können wir uns nun wohl auch derselben Verheißungen trösten und uns an sie in unserem Leiden und unserer Trübsal halten, wie es denn (jetzt auch) sehr nötig ist.
Darum sollen wir uns nun so in unserem Leiden verhalten, daß wir zuerst und am allermeisten auf die Verheißungen sehen, nach denen unser Kreuz und unsere Anfechtung uns zum Besten gewendet werden sollen, dahin, wohin wir es niemals hätten wünschen noch denken können. Und das ist es eben, was den Unterschied zwischen den Leiden und Anfechtungen der Christen und denen aller anderen Menschen ausmacht. Denn andere Leute haben auch ihre Anfechtungen, ihr Kreuz und Unglück, obwohl sie eine Zeitlang im Rosengarten sitzen und ihr Glück [32] und Gut ganz nach ihrem Willen gebrauchen. Wenn sie aber in Anfechtung und Leiden kommen, so können sie sich nicht trösten; denn sie haben die gewaltigen Verheißungen und die Zuversicht zu Gott nicht, die die Christen haben. Sie können sich nicht damit trösten, daß ihnen Gott die Anfechtung tragen helfen will und noch viel weniger können sie sich vor ihm dessen versichert wissen, daß ihnen solche Anfechtung und Leiden zum Besten geraten soll. So geschieht es denn, wie wir sehen, daß sie auch in geringen Anfechtungen nicht bestehen können; wenn sie aber große, starke Anfechtungen überfallen, verzweifeln sie ganz, bringen sich selbst um oder wollen sonst aus der Haut fahren, weil ihnen die ganze Welt zu eng wird. Derart können sie kein Maß halten weder im Glück noch im Unglück: Geht es ihnen wohl, so sind sie die frevelhaftesten, trotzigsten und hochmütigsten Leute, die man finden kann. Geht es ihnen übel, so sind sie gänzlich zerschlagen und verzagt, mehr als eine Frau. Wie man es ja sieht: Die jetzt so aufbegehren, pochen und trotzen, waren während des Bauernaufruhrs so verzagt, daß sie nicht wußten, wo sie bleiben sollten. Es muß so gehen, wenn man die Verheißungen und Gottes Wort nicht hat. Aber die Christen haben auch im höchsten Leiden und Unglück ihren Trost.
Damit man aber solches desto besser verstehen kann, will ich ein Beispiel erzählen, in dem ihr deutlich die Leiden der Christen abgemalt und entworfen sehen könnt. Ihr wißt wohl alle, wie man Christophorus hin und wieder malt. Ihr sollt aber nicht denken, daß je ein Mann gewesen ist, der so geheißen oder das wirklich getan hat, was man von Christophorus erzählt. Wer vielmehr diese Legende oder Fabel aufgeschrieben hat, der ist ohne Zweifel ein feiner und vernünftiger Mann gewesen. Er hat dem einfältigen Volk ein solches Bild vormalen wollen, damit sie ein Beispiel und Ebenbild des christlichen Lebens hätten, wie dasselbe eingerichtet und geordnet sein soll; und er hat es deutlich getroffen und abgemalt. Ein Christ ist nämlich wie ein großer Riese, hat große, starke Beine und Arme, ganz so wie man denn den Christophorus malt. Er trägt auch eine solche Last, welche die ganze Welt nicht, kein Kaiser, König noch Fürst, tragen könnte. Daher heißt auch ein jeder Christ Christophorus, das ist ein Christusträger, weil er den Glauben annimmt.
Wie geht es aber damit zu? Wenn man den Glauben annimmt, so denkt keiner, daß es eine schwierige Sache darum sei. Christus scheint einem ein kleines Kindlein zu sein, das hübsch und wohlgestaltet ist und leicht zu tragen, wie es dem Christophorus geschah. Das Evangelium läßt sich nämlich zuerst [33] so ansehen, als sei es eine feine, liebliche, freundliche und kindliche Lehre. So erlebten wir es auch selbst am Anfang (mit der reformatorischen Verkündigung). Als sie begann, kam jedermann zum Evangelium und wollte auch evangelisch sein. Da war ein solches Verlangen und ein Durst danach, daß kein Backofen so hitzig ist, wie es die Leute damals waren. Aber wie ging es weiter? Es ging eben zu wie mit dem Christophorus. Der erfuhr nicht eher, wie schwer das Kindlein ist, bis er in das Wasser kam, dorthin wo es am tiefsten ist.
Genauso ging es mit dem Evangelium: Als es sich ausbreitete, kamen die Wellen daher. Papst, Bischöfe, Fürsten und deren tobende Gefolgschaft widersetzten sich. Da fühlte man zum erstenmal, wie das Kindlein so schwer zu tragen ist. Denn das Wasser kommt dem guten Christophorus ja so nahe, daß er fast dadurch ertrinkt. Wie ihr seht, geht es jetzt auch so zu. Auf seiten jener, die dem Wort entgegenstehen, ist soviel an Praktiken, Erfindungen, Trug und List, alles mit dem Ziel, daß sie uns im Wasser ersäufen möchten. Da ist solches Drohen und Schrecken, daß wir uns zu Tode fürchten müßten, wenn wir dem nicht einen anderen Trost entgegenzusetzen hätten. Wohlan, wer den Christus, das liebe Kindlein, auf sich geladen hat, der muß ihn entweder ganz hinüber durch das Wasser hindurchtragen oder ertrinken. Da gibt es kein Mittelding. Ertrinken ist nicht gut; darum wollen wir mit dem Christus durch das Wasser hindurch, wenn es gleich noch einmal so aussehen möchte, als müßten wir darin ertrinken. Wir haben ja die Verheißung: Wer Christus hat, sich auf ihn verläßt und glaubt, der kann frei mit David sagen, Ps. 27,3: „Ob sich auch ein Heer gegen mich legt, soll mein Herz sich doch nicht fürchten. Ob sich auch Streit gegen mich erhebt, will ich mich darauf verlassen.“ Laß sie (gegen uns) aufbegehren und pochen, drohen und schrecken, wie sie wollen, wäre das Wasser auch noch so tief, so wollen wir dennoch mit Christus hindurch.
Auf die gleiche Weise geht es in allen anderen Stücken zu: Wenn es beginnt, so will es zu schwer werden, es sei Sünde, Teufel, Tod oder Hölle oder auch unser eigenes Gewissen. Was soll man aber dagegen tun? Wo sollen wir hinlaufen und wie uns schützen? Es läßt sich von uns aus nicht anders ansehen, als wolle es ganz und gar zu Boden gehen und fallen. Aber auf der Seite drüben (nämlich der Gegner des Evangeliums) sind sie sicher und stolz, meinen, sie haben es schon geschafft. Ich sehe es auch wohl, daß der liebe Christophorus sinkt. Dennoch kommt er heraus; denn er hat einen Baum, an dem hält er sich fest; Dieser Baum ist die Verheißung, daß Christus mit unserem Leiden etwas Besonderes tun will. „In der Welt“, spricht er (Joh. 16,33), „werdet ihr Zwang und Trübsal haben, aber in mir werdet ihr Frieden haben.“ Ebenso Paulus (1. Kor. 10,13): „Wir haben einen treuen Gott, der uns aus der Anfechtung hilft, daß wir es [34] ertragen können.“ Diese Sprüche sind Stäbe, ja Bäume, an denen man sich festhalten kann und das Wasser brausen und rauschen läßt, wie es will.
Demnach haben sie uns mit dem Christophorus ein Beispiel und Bild vormalen wollen, um uns in unserem Leiden zu stärken und uns zu lehren, daß das Verzagen und der Schrecken nicht so groß sind wie der Trost und die Verheißung. Wir sollen also wissen, daß wir in diesem Leben keine Ruhe haben werden, wenn wir Christus tragen, sondern in der Anfechtung unsere Augen von dem gegenwärtigen Leiden weg zu dem Trost und der Verheißung hinwenden sollen. Dann werden wir erfahren, daß es wahr ist, was Christus sagt: „In mir werdet ihr Frieden haben.“ Das ist nämlich der Christen Kunst, die wir alle zu lernen haben, daß wir auf das Wort sehen und alle vorhandenen und beschwerenden Nöte und Leiden weit aus den Augen tun. Das Fleisch aber kann solche Kunst überhaupt nicht, es sieht nicht weiter als auf das gegenwärtige Leiden. Das ist ja auch eine Wesensart des Teufels, daß er das Wort weit aus den Augen rückt, so daß man nun nicht mehr sieht als nur die Not, welche vorhanden ist. So tut er ja jetzt auch mit uns und wollte gern, daß wir das Wort ganz verleugneten und vergäßen und allein auf die Gefahr blickten, die uns vom Papst und den Türken am Hals hängt. Wenn ihm das Spiel gelänge, so ersäufte er uns in der Not, weil wir nichts als solches Sausen und Brausen sehen. Aber das soll nicht sein. Denn es geht so zu: Will einer ein Christ sein und sich nur nach dem richten, was er sieht, hört und fühlt, verliert er Christus bald. Nur das Leiden und Kreuz, sosehr du immer kannst, aus dem Herzen und dem Sinn geschlagen! Sonst, wenn man es zu lange bedenkt, wird das Übel ärger. Bist du in Anfechtung und Leiden, so sprich: „Dies Kreuz habe ich mir ja nicht selbst erwählt und zugerichtet. Es ist die Schuld des lieben Wortes Gottes, daß ich solches leide und daß ich doch auch Christus habe und lehre. So laß es in Gottes Namen immer gehen! Ich will es den walten und ausfechten lassen, der mir solches Leiden längst vorhergesagt, und mir seine göttliche, gnädige Hilfe verheißen hat.“
Wenn du dich derart in die Schrift hineinbegibst, so wirst du Trost fühlen, und deine ganze Sache, die du sonst mit keinem Entschluß, auf keine Art und Weise steuern kannst wird besser werden. Ein Kaufmann kann es sich doch so einrichten, daß er, um Geld und Gut zu gewinnen, von Haus und Hof, Frau und Kind fortzieht und – um des schnöden Gewinnes willen – Leib und Leben wagt, und doch hat er keine sichere Verheißung oder Zusage, daß er gesund wieder zu Frau und Kind heimkommen wird. Dennoch ist er so tollkühn und verwegen und wagt sich frei hinaus in solche Gefahr ohne alle Verheißung. Kann ein Kaufmann nun solches um Geldes und Gutes willen tun: Pfui uns, daß wir ein [35] geringes Kreuz nicht tragen und dennoch Christen sein wollen. Und wir haben noch dazu den Baum in unseren Fäusten, an dem wir uns gegen die Wellen festhalten können, nämlich das Wort und die starken, feinen Verheißungen, daß wir niemals von den Wasserwogen ersäuft werden sollen.
Ebenso tut auch ein Reiter: Der begibt sich in den Krieg, wo so viele Hellebarden und Büchsen auf ihn gerichtet sind. Er hat auch keine Verheißung, deren er sich trösten könnte, als nur seinen tollen Sinn. Dennoch geht er hinein, wo doch dieses ganze Leben nichts anderes ist als ein hartes Leben und Leiden. Ebenso tun auch die Papisten: Die lassen es sich keine Mühe noch Arbeit gereuen, nur damit sie ihren Greuel und ihre Abgötterei wieder aufrichten. Wieviel Pläne haben sie nur seit der Zeit, als das Evangelium seinen Lauf begonnen hat, gefaßt und tun es wieder und wieder noch heutigen Tages, fassen einen Plan nach dem anderen. Diese alle sind nicht aufgegangen und zu Asche geworden, auch jetzt. Dennoch bilden sie sich ein und sind sich dessen so sicher, daß sie es hinausposaunen und das Wort Gottes unterdrücken; so ergehen sie sich in ihrer bloßen Tollkühnheit.
Können nun Kaufleute, Reiter, Papisten und solche Gesellen einen solchen Mut schöpfen, daß sie sich solche Gefahren, Mühen und Arbeit aufladen und sie erleiden, sollten wir uns ja mit Recht schämen, daß wir uns gegen Leiden und Kreuz sperren. Wir wissen doch erstens, daß es Gott so verordnet hat, daß wir leiden sollen und daß es nicht anders sein kann. Zum anderen kennen wir unsere Verheißung und Zusage auch. Obgleich wir nicht so gute Christen sind, wie. wir es wohl sein sollten, und zaghaft und schwach sowohl im Leben wie im Glauben sind, will Gott dennoch sein Wort verteidigen, nur darum, weil es sein Wort ist. Deshalb können wir also mit Recht trotzen und sagen: Wenn gleich 10 Päpste oder türkische Kaiser da wären, so will ich sehen, ob sie alle zusammen den Mann, der da Christus heißt, schlagen werden. Das können sie wohl tun, daß sie ein Spiel zurüsten, das nach ihrem Kopf gespielt wird, aber dem Wort Gottes werden sie keinen Abbruch tun; dieses soll und wird geschehen, obgleich wir schwach im Glauben sind.
Das ist nun die rechte Kunst, daß wir derart im Leiden und Kreuz auf das Wort und die tröstliche Zusage sehen und ihm Glauben schenken. Er spricht ja: „In mir werdet ihr Frieden haben, aber in der Welt Trübsale“ (Joh. 16,33), als wollte er sagen: Gefahr und Schrecken werden euch gewiß unter die Augen kommen, wenn ihr euch meines Wortes annehmen werdet. Laßt sie nur kommen, solches wird euch um meinetwillen begegnen und widerfahren. So seid nun getrost! [36] Ich will euch nicht verlassen, ich will bei euch sein und euch helfen. Es sei nun die Anfechtung so groß, wie sie immer wolle, sie wird dir gering und leicht werden, wenn du für dich solche Gedanken aus dem Wort Gottes schöpfen kannst. Darum soll sich auch ein jeder Christ so zurüsten, daß er sich in der Anfechtung mit den feinen tröstlichen Zusagen schützen und bewahren kann, die. uns Christus, unser lieber Herr, hinterlassen hat wenn wir um seines Wortes willen leiden. Tut man es aber nicht und läßt die tröstlichen Sprüche fahren, wenn das Kreuz kommt, so wird es uns genauso gehen wie der Eva im Paradies. Die hatte Gottes Gebot. Mit diesem sollte sie des Teufels Eingebung und Anreiz zurückschlagen. Aber was tat sie? Sie läßt das Wort fahren und bekümmert sich um die Gedanken, was es für ein feiner Apfel. sei, es wäre an dem geringen Ding nicht viel gelegen. So ging sie ihren Weg dahin, und wenn man das Wort fahrenläßt, kann es nicht anders zugehen. Wenn wir aber bei dem Wort bleiben und uns daran halten, werden wir gewiß erfahren, daß wir fein herauskommen und siegen werden. Siehe, diese zwei Stücke lehren wir, wenn wir von dem Leiden und Kreuz predigen. Und wer uns die Schuld gibt, als lehrten wir gar nichts vom Kreuz, der tut uns Unrecht. Das tun wir aber allerdings nicht, daß wir unser Leiden zum Verdienst gegenüber Gott machen. Nein, weit, weit hinweg damit! Dasselbe hat Christus allein getan und sonst niemand. Dem soll auch allein die Ehre gebühren.
Drittens wollen wir auch sehen, warum unser Herrgott uns solches Leiden zuschickt. Dieses nun ist hier die Ursache: Er will uns seinem lieben Sohn in der Weise gieichförmig machen, daß wir ihm hier im Leiden und dort in jenem Leben in der Ehre und Herrlichkeit gleich werden, gemäß seinem Wort: „Mußte nicht Christus leiden und so zur Herrlichkeit eingehen?“ (Luk. 24,26.) Dieses aber kann Gott mit uns nur durch Leiden und Anfechtungen erreichen, die er uns durch den Teufel und böse Leute zuschickt.
Die andere Ursache ist die: Auch wenn Gott uns nicht angreifen und plagen wollte, will es doch der Teufel tun. Er kann Gottes Wort nicht ertragen; er ist ja überhaupt von Natur aus so boshaft und giftig, daß er nichts Gutes leiden kann. Es ist ihm leid, daß ein Apfel auf einem Baum wächst; es tut ihm weh und verdrießt ihn, daß du einen gesunden Finger hast. Wenn er es tun könnte, so zerrisse er alles, was da ist, und würfe es durcheinander. Aber keinem Ding ist er so feind wie dem lieben Wort, und das darum: Er kann sich hinter jedem Geschöpf verbergen, nur das Wort deckt ihn auf, daß er sich nicht verbergen kann, [37] und zeigt jedermann, wie schwarz er ist. Da wehrt und sperrt er sich und bindet die Fürsten und Bischöfe aneinander und meint sich dadurch wieder zu verstecken. Aber es hilft nichts: das Wort zieht ihn dennoch ans Licht. Darum ruht er auch nicht, und weil ihn das Evangelium nicht leiden will, will er es auch wiederum nicht leiden. Da hebt es sich denn auf. Und wenn uns unser lieber Gott nicht durch seine Engel schützte und wir des Teufels List, Anschläge und Trug sehen könnten, müßte ein jeder allein von dem Anblick sterben, so viele Geschütze und Büchsen hat der Teufel auf uns gerichtet. Aber Gott wehrt ihnen, daß sie nicht treffen.
So kommen die zwei Helden zusammen. Ein jeder tut, soviel ihm möglich ist. Der Teufel braut immer ein Unglück über das andere zusammen; denn er ist ein mächtiger, boshafter und unruhiger Geist. So ist es denn Zeit, daß die Ehre unseres lieben Gottes auch hervorbricht. Denn das Wort, das wir ins Feld führen, ist ja ein schwaches, elendes Wort, und wir, die es haben und treiben, sind auch schwache und elende Menschen und tragen den Schatz in irdenen Gefäßen, wie Paulus sagt (2. Kor. 4,7), die man leicht zerschlagen und zerbrechen kann. Darum läßt sich der böse Geist durch keine Mühe verdrießen und schlägt getrost danach, versucht, ob er das Töpflein zerschlagen könnte. Es steht ihm ja so unter der Nase, daß er es nicht ertragen kann. Da heißt es erst recht, das kleine Fünklein mit Wasser und Feuer zu löschen und zu dämpfen. Da sieht unser Herrgott eine Weile zu und steckt uns zwischen Tür und Angel, damit wir aus unserer eigenen Erfahrung lernen, daß das kleine, schwache, elende Wort stärker ist als der Teufel und die Pforten der Hölle. Das Schloß sollen sie ruhig stürmen, der Teufel mit seinem Anhang. Aber laß sie nur stürmen, sie sollen dabei etwas finden, was ihnen den Schweiß heraustreiben soll, und es dennoch nicht gewinnen; denn das Wort ist ein Fels, wie Christus es nennt, der nicht zu erstürmen ist. So laßt uns erleiden, was auf uns zukommt! So können wir erfahren, daß uns Gott beistehen, uns gegen diesen Feind und allen seinen Anhang schützen und schirmen will.
Zum dritten ist es auch sehr notwendig, daß wir nicht nur deshalb leiden, damit Gott seine Ehre, Macht und Stärke gegen den Teufel beweise, sondern auch darum, weil uns der vortreffliche Schatz, den wir haben, wenn er ohne Not und Leiden bleibt, nur schnarchend und sicher macht. Wir sehen es ja, und es ist leider allzusehr verbreitet, daß jetzt viele das heilige Evangelium so mißbrauchen, daß es eine Sünde und Schande ist, nämlich derart, als wären sie durch das Evangelium von allem so befreit, als ob sie nichts mehr tun, geben oder leiden sollten. Solcher Bosheit kann unser Gott nur durch das Kreuz steuern. Er muß [38] uns also üben und antreiben, daß der Leiden mehr werden und die Anfechtungen zunehmen und stärker werden und wir so den Heiland in uns bringen. Sowenig wir also des Essens und Trinkens entbehren können, sowenig können wir derAnfechtung und des Leidens entbehren. Darum müssen wir notwendig vom Teufel durch Verfolgung oder sonst einen heimlichen Pfahl, der uns durch das Herz dringt, geplagt werden, wie Paulus auch klagt (2. Kor. 12,7). Weil es aber nun besser ist, daß man ein Kreuz hat, als daß man ohne Kreuz ist, soll sich niemand davor entsetzen oder erschrecken. Du hast ja eine gute, starke Verheißung, deren du dich trösten kannst, und das Evangelium kann auch nicht anders ans Licht kommen als durch und im Leiden und Kreuz.
Zum letzten: Der Christen Leiden ist deshalb edler und köstlicher als aller anderen Menschen Leiden, weil Christus sie in das Leiden gesteckt hat und so auch alle Leiden seiner Christen geheiligt hat. Sind wir denn nicht arme, tolle Leute? Wir sind nach Rom, Trier und an andere Orte gelaufen, um die Heiligtümer aufzusuchen. Warum lassen wir uns nicht auch das Kreuz und das Leiden lieb sein, welches Christus viel näher gewesen ist und ihn näher berührt hat als irgendein Kleid am Leibe? Es hat ihm nicht allein den Leib, sondern das Herz berührt. So ist nun durch das Leiden Christi auch das Leiden aller seiner Heiligen ganz zum Heiligtum geworden; denn es ist mit dem Leiden Christi verbunden. Deswegen sollen wir alles Leiden nicht anders annehmen denn als Heiligtum; denn es ist wahrhaftig ein Heiligtum.
Weil wir aber jetzt wissen, daß es Gott so wohlgefällt, daß wir leiden sollen und Gottes Ehre sich in unserem Leiden erweist und sichtbar wird, und zwar besser als in irgend etwas anderem, und weil wir solche Leute sind, die ohne Leiden im Wort und Glauben nicht bestehen können, und dennoch daneben die edle, teure Verheißung haben, daß unser Kreuz, wenn es uns von Gott zugeschickt ist, nichts Schlechtes, sondern ein durch und durch köstliches und edles Heiligtum ist, warum wollen wir uns dann weigern zu leiden? Wer nicht leiden will, der fahre hin und sei ein Junker. Wir predigen solches nur den Willigen, die wirklich Christen sein wollen. Die anderen werden es doch nicht fertigbringen (bereitwillig zu leiden). Haben wir doch soviel Trost und Verheißung, daß Gott uns nicht im Leiden steckenlassen, sondern heraushelfen will, wenn auch alle Menschen daran verzweifelten! Darum, obgleich es weh tut: Wohlan, du mußt doch irgend etwas leiden; es kann ja nicht immer gleich zugehen! Es ist ebenso gut, ja tausendmal besser, um unseres Christus willen zu leiden, der uns Trost und Hilfe im Leiden zugesagt hat, als um des Teufels willen zu leiden und ohne Trost und Hilfe zu verzagen und zu verderben. [39]
Siehe, auf diese Weise lehren wir vom Kreuz, und ihr sollt euch auch daran gewöhnen, daß ihr fleißig das Leiden Christi von allen anderen Leiden unterscheidet. Jenes ist ein himmlisches, unseres ein irdisches Leiden. Sein Leiden tut alles, unseres tut nichts, als daß wir Christus gleichförmig werden. Das Leiden Christi ist also ein Herrenleiden, unseres ein Knechtsleiden. Diejenigen, die anders davon lehren, die wissen weder, was Christi Leiden noch was unser Leiden ist. Was ist die Ursache dafür? Die Vernunft kann nicht anders. Sie möchte gern mit ihrem Leiden wie mit allen anderen Werken hofieren, damit sie etwas verdient. Das sei für dieses Mal genug von dem Beispiel der Passion und von unserem Leiden geredet. Gott gebe, daß wir es recht fassen und lernen. Amen.
Gehalten am Karsamstag, 16. April 1530 auf der Veste Coburg.
Quelle: Martin Luther Taschenausgabe. Auswahl in fünf Bänden, hg. v. Horst Beintker, Helmar Junghans und Hubert Kirchner, Band 1: Die Botschaft des Kreuzes, bearbeitet von Horst Beintker, Berlin 1981, 198-210 (WA 32,28-39).
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