Da mögen die religionsgeschichtlichen Urteile nicht länger wissenschaftlich haltbar sein. Und doch ist es immer noch lesenswert, was Ernst Bloch im amerikanischen Exil in seinem Magnum Opus „Das Prinzip der Hoffnung“ (1938-1947) über JHWH als Exodus-Gott geschrieben hatte:
Moses oder das Bewußtsein der Utopie in der Religion, der Religion in der Utopie
Von Ernst Bloch
Viel hat sich in der Schrift angehäuft, das preßt und sich ducken läßt. Aber genau das ist das Hinzugefügte, das einem unzufriedenen, dauernd schöpferischen Glauben Aufgelegte. Die Kinder Israel selber warfen ein Joch ab, und sie folgten dem nach, der zum Pharao sagte: »Laß mein Volk ziehen.« Das Gesetz womit die ersten Rabbiner um 450 V. Chr., nach der Rückkehr aus dem persischen Exil, ein Volk absonderten und zusammenhielten, gehört nicht zum Mosesimpuls. Noch weniger gehört der hoch thronende Herrgott dazu, dessen Kult die Israeliten in Kanaan übernommen hatten und der Baal ist. Es ist der gleiche Baal, dessen Religion, nach dem Rezept jeder Herrenklasse, dem Volk erhalten bleiben muß. Samt der Trivialität und phrasenhaften Herkömmlichkeit, womit die Freunde Hiobs, diese Urbilder aller Opiumpfaffen, ihre Art Gottvertrauen spenden. Der Exodusgott ist anders beschaffen, hat bei den Propheten seine Herren- und Opiumfeindschaft bewährt. Er ist vor allem aber nicht statisch beschaffen, wie alle heidnischen Götter bisher. Denn der Jahwe Mosis gibt von sich, gleich am Anfang, eine Definition, eine immer wieder atemraubende, die jede Statik sinnlos macht: «Gott sprach zu Mose: Ich werde sein, der ich sein werde« (2. Mos. 3,14). Zum Unterschied von den Gesetzes- und den Baal-Interpolationen ist es hier gleichgültig, wie spät eine solche hochmessianische Definition in den ursprünglichen Text eingesetzt worden ist. Denn so kompliziert sie sprachlich wie gedanklich dreinsieht, sie entspringt ihrem Sinn nach keinem Priesterkodex, sondern dem ursprünglichen Exodusgeist selbst. Eh’je ascher eh’je, Ich werde sein, der ich sein werde, ist ein Name, der trotz seiner Mehrdeutigkeit und Interpoliertheit die Intention Mosis verrät, nicht überdeckt. Mehrdeutig ist die Selbstbezeichnung Jahwes, weil das dem eh’je zugrunde liegende Verb haja sowohl Sein wie Werden bedeuten kann, interpoliert ist sie, weil erst späte Theologie ein solches Rätselwort an Stelle des Wortes Jahwe setzen konnte, das auszusprechen verboten worden war. Trotzdem ist die Zufügung hier autochthon, nämlich Auslegung einer realen Intention, der gleichen, die den Lokalgott des Sinai ins Futurum Kanaan, als in seine ferne Heimat, sich bewegen ließ. Um die Einzigartigkeit dieser Stelle zu ermessen, vergleiche man eine andere Interpretation, vielmehr den späten Kommentar zu einem anderen Gottesnamen, dem Apollos. Plutarch überliefert (De EI apud Delphos, Moralia III), daß über dem Tor des delphischen Apollotempels das Zeichen EI eingemeißelt war; er versucht an den zwei Buchstaben zahlenmystische Deutung, kommt aber zuletzt zu dem Ergebnis, das EI bedeute grammatisch und metaphysisch das gleiche, nämlich: Du bist, im Sinne zeitlos unveränderlicher Gottexistenz. Eh’je ascher eh’je dagegen stellt bereits an die Schwelle der Jahwe-Erscheinung einen Gott vom Ende der Tage, mit Futurum als Seinsbeschaffenheit …