Zwänge mögen wir ja nicht, und schon gar nicht in der Kirche. Also redet man in Sachen Kirchensteuern lieber von Mitgliedsbeiträgen. Nun sollte man jedoch nicht so leichtfertig das Kirchensteuerrecht schönreden. Die Staatskirchenrechtler tun dies jedenfalls nicht, wenn sie in Sachen Kirchensteuern einmütig von Zwangsabgaben reden. Als Beispiel sei der Artikel von Christoph Link über die Kirchensteuer aus dem Evangelischen Staatslexikon (3. Auflage von 1987) angeführt:
Von Christoph Link
1. Begriff und Rechtsgrundlage
Unter Kirchensteuern versteht man nichtständige öffentlich-rechtliche Zwangsabgaben in Geld, die von Religionsgesellschaften mit öffentlich-rechtlicher Korporationsqualität (oder ihren Unterverbänden) zur Finanzierung kirchlicher Aufgaben kraft eines kirchenrechtlichen Anspruchs in der Regel nur von ihren Mitgliedern ohne Gegenleistung erhoben werden, wobei die Steuerpflicht an einen allgemein bestimmten Steuertatbestand anknüpft und eine Zwangsbeitreibung durch staatliche Hoheitsakt garantiert wird. Ein solches Kirchenfinanzierungssystem besteht in der Bundesrepublik und in zahlreichen Kantonen der Schweiz. – Daher sind keine Kirchensteuer: Alle freiwilligen Abgaben; Gebühren, die eine Gegenleistung für kirchliche Amtshandlungen darstellen (Stol-, Dispensgebühren etc.); Umlagen, die durch einen kirchliche Oberverband für bestimmte Zwecke von den Unterverbänden erhoben werden (Seminar„steuern“); Patronats- und Baulastverpflichtungen; Staatsleistungen an die Kirchen sowie die hier und da noch bestehenden Hand- und Spanndienstpflichten. Keine echten Kirchensteuern sind aber auch die kirchenrechtlich auferlegten Beiträge, für die nur ein geistliche Vollstreckungszwang (Kirchenzucht) besteht oder die vom Staat nach Analogie des Vereinsrechts als privatrechtliche Beiträge qualifiziert werden und die daher nur im Wege zivilrechtlicher Rechtsverfolgung beitreibbar sind (so [1696] – mit gewissen Ausnahmen – das derzeitige Kirchenbeitragssystem in Österreich).
Rechtsgrundlage für die Kirchensteuererhebung sind im staatliche Rechtskreis die verfassungsrechtliche Garantie in Art. 140 GG i. V. m. Art. 137 VI WV (zum Teil wörtlich in den Länderverfassungen wiederholt) und die Kirchensteuergesetze der Länder. Die Zuständigkeit des Landesgesetzgebers wird durch die Kompetenzzuweisungen im Bereich des Steuerrechts (Art. 105 II, II a GG) nicht berührt, da Art. 140 GG/137 VI WV gegenüber dieser allgemeinen Regelung als Spezialnorm vorgeht (BFH BStBl. II, 1969, 419).
Diese staatlichen Rechtsnormen der Kirchensteuergesetze stecken in der Regel den Rahmen ab (insbesondere hinsichtlich der Voraussetzungen und Art der Kirchensteuererhebung; daneben regelmäßig durch Festsetzung von Höchstgrenzen für Steuersätze und zum Teil durch bestimmte Anforderungen an die Zusammensetzung der Vertretungen der Kirchensteuerverbände, Regelung von Einzugs- und Rechtsmittelverfahren, von Beitreibung, Erlass, Stundung, Rückerstattung und anderes mehr), innerhalb dessen die Einzelregelung über Modalitäten und Höhe der Kirchensteuererhebung durch kirchliche Rechtsvorschriften erfolgt. – Kirchenrechtliche Grundlage eines Besteuerungsrechts sind auf katholischer Seite cc. 222 § 1, 1260 ff. CIC 1983, kraft deren sich die katholische Kirche ein eigenes, unabhängig von staatlicher Verleihung bestehendes Zwangsabgabenrecht zuschreibt. Wenngleich die „Steuer“ hier eher als Ausnahmefinanzierung geregelt ist, enthält c. 1263 einen Vorbehalt zugunsten der partikularen Gesetze, also auch des jeweiligen Staatskirchenrechts. Er wurde – als „clausula teutonica” (HOLLERBACH) – auf Betreiben der deutschen Bischofskonferenz eingefügt. Steuerberechtigt sind die Bischöfe für ihre Diözesen. – Aber auch das evangelische Kirchenrecht enthält den Grundsatz, dass, da ja die Kirche zur Erfüllung ihres Dienstes in der Welt und an der Welt der erforderliche finanziellen Mittel bedarf, diese von den Mitgliedern jeder rechtliche organisierten Partikularkirche nach Maßgabe ihrer wirtschaftliche Leistungsfähigkeit aufzubringen sind. (Zu der Problematik, aus diesem Rechtsgrundsatz, der in Kirchenverfassungen und jetzt auch in § 4 II Kirchengesetz der EKD über die Kirchenmitgliedschaft vom 10. 11. 1976 – ABl. EKD S. 389 – positivrechtliche verankert ist, ein evangelische Zwangsabgabenrecht herzuleiten, siehe unten 6.) – Im Einzelnen ist das Kirchensteuerrecht (einschließlich der Hebesätze) durch kirchliche Gesetze und Verordnungen der Landeskirchen (evangelisch) und Diözesen (katholisch) bzw. – soweit noch ein Ortskirchensteuersystem besteht – durch Rechtsvorschriften der Kirchengemeinden oder ihrer Zusammenschlüsse geregelt. Sie unterliegen fast durchweg staatlichen Genehmigungsvorbehalten oder zumindest Vorlagepflichten. – In dieser Form ist das kirchliche Besteuerungsrecht auch in Konkordaten und Kirchenverträgen ausdrückliche garantiert. Ihre Bestimmungen schaffen gemeinsames kirchliches und staatliches Recht und schließen daher eine einseitige [1697] staatliche Abänderung aus. Während sich die älteren vertragskirchenrechtlichen Regelungen auf eine bloße Garantie des Besteuerungsrechts beschränken, enthalten insbesondere die neueren Kirchenverträge seit 1955 eingehende Bestimmungen auch über Art und Maß der kirchliche Besteuerung und über die Ausübung der Aufsichts- und Genehmigungsbefugnisse von Seiten des Staates.
2. Geschichte
Der wichtigste Kirchensteuervorläufer ist der Zehnt. Seit dem 6. Jahrhundert setzte er sich als kirchliche Zwangsabgabe allgemein durch und wurde unter Pippin (741 bis 768) auch reichsrechtlich für das Frankenreich sanktioniert, um einen Ausgleich für die umfangreichen Säkularisationen von Kirchengut im 8. Jahrhundert zu schaffen. Im Früh- und Hochmittelalter erfuhr er jedoch eine zunehmende Verdinglichung als bloße Reallast und ging vielfach in weltliche Berechtigungen über, so dass er seinen kirchensteuerlichen Charakter nahezu völlig verlor. Die Reformation entwickelte zwar in den Kirchenordnungen und Kastenordnungen des 16. Jahrhunderts Ansätze eines eigenen kirchliche Abgabenrechts, es wurde jedoch durch kanonisches, insbesondere Zehntrecht bald überlagert. Die Entwicklung des Abgabenwesens war auf evangelischer Seite eng mit dem Schicksal des Kirchenguts verknüpft. Die finanziellen Anforderungen an die Kirchenglieder beschränkten sich meist auf ortskirchliche Bedürfnisse und behielten gegenüber den sonstigen Einkünften aus Kirchenstiftung, Patronat etc. einen subsidiären Charakter. Ein festes, im reformatorischen Kirchenrecht wurzelndes Abgabenwesen hatte sich unter dem Druck der staatskirchenrechtliche Verhältnisse nur in den Gemeinden am Niederrhein erhalten; die rheinisch-westfälische Kirchenordnung von 1835 als erste moderne kirchliche Regelung auch des Kirchensteuerrechts konnte hier an alte Traditionen anknüpfen. Nach frühen Vorläufern, namentliche in Sachsen (1838) und Oldenburg (1839), kam es in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts in den meisten deutschen Bundesstaaten zum Erlass von Kirchensteuergesetzen (Hessen 1875, Württemberg 1887, Baden 1888, Bayern 1892, Preußen 1905/06). Die Gründe lagen in dem immer dringender werdenden Bedürfnis nach Beseitigung der Rechtszersplitterung, der Ablösung der weitgehend verdinglichten Reallasten, dem Vordringen der Geldwirtschaft, dem Ende des konfessionell geschlossenen Territorialstaats und der Umschichtung der kirchliche Vermögensverhältnisse infolge der Säkularisation. Das Kirchensteuerwesen ist damit einerseits Ausdruck einer gewissen Distanz der Kirche zum konfessionell neutralen Staat, der eine Reihe kirchliche Aufgaben selbst übernommen hat und die wirtschaftliche Unterhaltung der Kirche nicht mehr als unmittelbare Staatsaufgabe betrachtet; es enthält aber andererseits ein signifikantes Element einer – historisch freilich zunehmend gelockerten – Verbindung von Staat und Kirche. [1698] – Die katholische Kirche übernahm nur zögernd das staatliche Kirchensteuerrecht, da dessen Schwerpunkt in der Kirchengemeinde lag und die Laienbeteiligung an der Vermögensverwaltung der hierarchischen Struktur des kanonischen Rechts widersprach. – Die Kirchensteuer, zunächst hinter anderen Finanzquellen weit zurückstehend, trat zu Beginn des 20. Jahrhunderts infolge der Industrialisierung immer mehr in den Vordergrund und wurde nach Inflation und Währungsreform zum weitaus wesentlichsten Bestandteil kirchliche Einnahmen. Die in älteren Kirchensteuergesetzen bestehende Rechtsschranke der Subsidiarität, wonach Kirchensteuern nur erhoben werden durften, soweit der kirchliche Finanzbedarf nicht aus anderen Einnahmen gedeckt werden konnte, ist heute weggefallen. – Die Weimarer Verfassung garantierte – als Teil des „Kulturkompromisses“ – dann auf Verlangen beider Kirchen die Kirchensteuer im heute noch geltenden Umfang (vereinzelt erfolgte freilich die Einführung erst nach 1945). – Der nationalsozialistische Staat war bemüht, die Kirchensteuern insbesondere in den nach 1938 eingegliederten Gebieten in ein privatrechtliches Beitragssystem umzuwandeln und staatliche Mitwirkung und Zwangsbeitreibung einzuschränken bzw. zu versagen.
3. Das Kirchensteuerrecht weist hinsichtlich der Höhe und Art der Besteuerung, des Trägers des Steueranspruchs und des Kreises der Steuerpflichtigen eine erhebliche Vielfalt auf.
a) Fast durchweg wird Kirchensteuer als Zuschlag zu staatliche Steuern (sogenannte Maßstabsteuern) erhoben, wobei im Vordergrund der zwischen 7 und 10% schwankende Zuschlag zur Einkommen-(Lohn-)steuer steht. Daneben besteht aber auch die Möglichkeit (von der freilich die Landeskirchen und Diözesen nur zum Teil Gebrauch machen), Zuschläge zu den Grundsteuer- und Gewerbesteuermessbeträgen sowie zur Vermögensteuer zu erheben. Meist werden dann allerdings Kirchensteuerleistungen der einen Art auf die andere angerechnet. Dieser Anknüpfung an staatliche Maßstabsteuern („Akzessiorität“) stehen verfassungsrechtliche Bedenken im Hinblick auf das in Art. 105 II a GG enthaltene Verbot der Gleichartigkeit von (Verbrauch- und Aufwand-)Steuern der Länder mit Bundessteuern nicht entgegen. Weder sind die Kirchensteuern diesem Typus zuzurechnen noch liegt „Gleichartigkeit“ bei bloßer Anknüpfung an den gleichen Tatbestand vor. Eine Konkurrenz scheidet aber vor allem schon deshalb aus, weil Art. 140 GG/137 VI WV – wie bereits oben unter 1 erwähnt – als Spezialvorschrift der allgemeinen Regelung des Art. 105 GG vorgeht. – Die Lohnkirchensteuer wird heute durchweg im sogenannten Abzugsverfahren erhoben, das den Arbeitgeber ohne Rücksicht auf sein Bekenntnis zur Einbehaltung der Kirchensteuerbeträge und zur Abführung an das Finanzamt unter Tragung der persönliche Ausfallhaftung (§ 38 III EStG) verpflichtet. Gleichwohl verletzt dieses Verfahren weder – wie gelegentliche behauptet – das Grundrecht der Glaubens- und Gewissensfreiheit (Art. 4 GG) noch das der Berufsfreiheit (Art. 12 GG). Die Arbeitgeber werden nicht zu Dienstleistungen an die Kirche herangezogen, sondern werden im Auftrag des Staates und in dessen Interesse tätig, nämlich dem an einem effizienten Einziehungsverfahren [1699] hinsichtlich der den staatliche Finanzämtern (verfassungsrechtlich zulässig) zur Verwaltung übertragenen Kirchenlohnsteuer. Andernfalls wären die Finanzämter gezwungen, gemäß Art. 137 VI WV/140 GG (derzeit nicht existierende) „bürgerliche Steuerlisten“ zu erstellen und den Kirchen zugänglich zu machen. Die Gemeinwohlpflichtigkeit des Arbeitgebers – notwendiges Korrelat einer Berufsausübungsregelung – kommt also nicht in Richtung auf die kirchliche Destinatäre, sondern auf die Effizienz der staatliche Verwaltung zum Tragen und ist von daher ebenso gedeckt wie Lohnsteuer- und Sozialbeitragsabzug (vergleiche auch BVerfGE 44, 103). Auch eine Verletzung des Art. 4 I, II GG scheidet wegen der dem Staat geschuldeten und insofern gewissensneutralen Handlung aus. Ebenso sanktioniert die Haftung nach § 38 III EStG nur das Einstehen für diese staatsbürgerliche Pflicht (vergleiche dazu BVerfG, DÖV 1977, S. 448). – Das Zuschlagsverfahren (eingeführt 1920) hat den Vorteil einer erheblichen Verwaltungsvereinfachung und Kostenersparnis (siehe unten d). Dem steht freilich als Nachteil gegenüber, dass das kirchliche Abgabenwesen in Abhängigkeit zur staatlichen Steuerpolitik gerät. Dies gilt nicht nur für die Höhe der Einnahmen, sondern auch für solche Steuerbefreiungen, -progressionen usw., die einer kirchenrechtlichen Legitimation ermangeln. Ansätze zu einem kircheneigenen Steuertarif sind die verschiedentliche vorgesehene Mindestkirchensteuer, vor allem aber die Kirchensteuerhöchstbegrenzungen (sogenannte Kappung auf 3-4 % des steuerpflichtigen Einkommens – sie bringt einerseits die Inadaequanz der mit steigender Progression durch das staatliche Steuerrecht verfolgten sozialpolitische Ziele für die kirchliche Tarifgestaltung zum Ausdruck, ohne andererseits die Praktikabilität des Einzugsverfahrens durch die staatliche Finanzämter in Frage zu stellen) und das vielfach (bedauerlicherweise in seiner Bedeutung zurückgehend) erhobene Kirchgeld, das in nur geringer Staffelung insbesondere auch den nicht steuerpflichtigen Personenkreis heranziehen soll (siehe unten c). Die Streitfrage über die Möglichkeit zur Durchsetzung im Verwaltungszwangsverfahren in Bayern ist durch Art. 23, 17 III KiStG n. F. i. S. einer Beitreibbarkeit durch die Finanzämter entschieden. Im Übrigen ist die Zulässigkeit derartiger, dem Kirchensteuerrecht unterliegender Abgaben durch die Judikatur zu Recht wiederholt bestätigt worden. Insbesondere verpflichtet die in Art. 137 VI WV/140 GG enthaltene Garantie des kirchliche Besteuerungsrechts „auf Grund der bürgerlichen Steuerlisten“ die Religionsgesellschaften nicht, Kirchensteuern – unter Verzicht auf kircheneigene Steuertarife – allein in Form von Zuschlägen zu staatliche Maßstabsteuern zu erheben.
b) Steuerträger waren ursprüngliche überwiegend die Kirchengemeinden. Das Ortskirchensteuersystem besteht heute noch vor allem in den Evangelischen Landeskirchen Rheinland und Westfalen wegen ihrer starken, vom Gemeindeprinzip geprägten presbyterial-synodalen Traditionen (Presbyterialverfassung). Durch weitgehende Koordination der [1700] Steuersätze und durch Übertragung ortskirchliche Zuständigkeiten auf gemeindliche Gesamtverbände bzw. Kirchenkreise sowie durch einheitliche staatliche Genehmigungsverfahren haben sich die Unterschiede zu dem heute vorherrschenden Landes-(Diözesan-)Kirchensteuersystem weitgehend verwischt. Bei diesem werden die Steuern durch zentrale Kirchensteuerbeschlüsse festgesetzt und im Wege innerkirchlichen Finanzausgleichs zwischen Gemeinden und zentralen Instanzen verteilt. Einzelne Kirchensteuerarten, insbesondere das Kirchgeld, werden jedoch fast durchweg als Ortskirchensteuer erhoben.
c) Steuerpflichtig sind in der Regel nur die Mitglieder des besteuernden kirchlichen Verbandes. Dies folgt bereits aus dem allgemeinen kirchenrechtlichen Grundsatz, dass nur die Mitglieder der jeweiligen Partikularkirche von dieser zur Tragung kirchliche Lasten verpflichtet werden können. Staatskirchenrechtlich ergibt sich die gleiche Rechtsfolge aus der Aufhebung der Staatskirche (Art. 140 GG/137 I WV) und dem Grundrecht der Glaubens- und Bekenntnisfreiheit (Art. 4 I u. II GG). Beide verfassungsrechtliche Gewährleistungen konkretisieren sich in der Unzulässigkeit staatliche Übertragung von Hoheitsbefugnissen an Religionsgesellschaften gegenüber Personen, die diesen nicht angehören (BVerfGE 19, 216). Hierbei umschließt die Bekenntnisfreiheit auch die sogenannte negative Finanzierungsfreiheit, das heißt das Recht, nicht zu Leistungen an fremde Religions- und Weltanschauungsgemeinschaften herangezogen zu werden. Gleichwohl greifen die positiven staatlichen und kirchlichen Normierungen zum Teil über den Kreis der kirchlichen Mitgliedschaft hinaus. Eine solche Inkongruenz von subjektiver Kirchensteuerpflicht und Kirchenmitgliedschaft ergibt sich bei bekenntnisangehörigen Personen, die zwar ihren Wohnsitz außerhalb, jedoch Grundbesitz innerhalb der besteuernden Kirche (Diözese) haben (sogenannte Forensenbesteuerung). Gleiches gilt für die am Erwerbsort lohnsteuerlich erfassten sogenannte Grenzgänger. Da die katholische Kirche eine eigene Mitgliedschaft in der Diözese als Körperschaft des öffentliche Rechts und Steuerverband nicht kennt, stellt sich das Problem nur in den evangelischen Landes-und Freikirchen. Die Bekenntnisgemeinschaft im Raum der EKD, die sich im Kirchengesetz der EKD über die Kirchenmitgliedschaft von 1976 (siehe oben 1) dokumentiert, lässt aber verfassungsrechtliche Bedenken hier ebenso wenig durchgreifen wie beim Problem der Erfassungsautomatik nach Wohnsitzverlegung in nicht bekenntnisidentische (lutherisch-reformiert-uniert) Landeskirchen. – Diese gebotene Beschränkung auf die Mitgliederbesteuerung hat zunächst dazu geführt, dass das BVerfG die Heranziehung juristischer Personen zur Kirchensteuer (Badische Kirchenbausteuer) für verfassungswidrig erklärte (E 19, 206). Bleibende Bedeutung kommt ihr indes im Bereich der Ehegattenbesteuerung dann zu, wenn nur ein Ehegatte einer steuererhebenden Kirche angehört (glaubensverschiedene Ehe) oder wenn beide Partner Mitglieder verschiedener steuererhebender Religions-[1701]gemeinschaften sind (konfessionsverschiedene Ehe). In beiden Fällen wurde ursprünglich bei jedem kirchenangehörigen Partner ohne Rücksicht auf die tatsächlichen Einkommensverhältnisse die Hälfte des ehelichen Gesamteinkommens besteuert (sogenannter Halbteilungsgrundsatz). Letztlich zwang diese Regelung im Ergebnis einen Eheteil, Leistungen an fremde Religionsgesellschaften zu erbringen. Das BVerfG hat daher den Halbteilungsgrundsatz für glaubensverschiedene Ehen ausgeschlossen (E 19, 268). Nach der durch diese Entscheidungen notwendig gewordenen Neufassung des Kirchensteuerrechts gilt heute in allen Landeskirchen und Diözesen im wesentliches übereinstimmend folgendes: Bei getrennter Veranlagung wird jeweils nur der kirchenangehörige Ehegatte nach seinem Einkommen besteuert. Im Falle der Zusammenveranlagung ist in der glaubensverschiedenen Ehe die Kirchensteuer des kirchensteuerpflichtigen Partners gleichwohl nach seinem Einkommen zu bemessen, das heißt die (für ihn je nach tatsächliche Einkommensverteilung entweder günstigen oder ungünstigen) Folgen des Splittingverfahrens finden insoweit keine Anwendung. In der konfessionsverschiedenen Ehe bleibt es dagegen beim Halbteilungsgrundsatz. Diese Modifizierung des Prinzips der Mitgliederbesteuerung ist vom BVerfG zugelassen worden. Sie rechtfertigt sich daraus, dass auch der weltanschaulich neutrale Staat nicht gehindert ist, an ein entsprechendes Einvernehmen der Religionsgemeinschaften dann anzuknüpfen, wenn beide Ehegatten ihnen mitgliedschaftsrechtlich verpflichtet sind und wenn die Konsequenzen des Halbteilungsgrundsatzes durch die Wahl der getrennten Veranlagung vermeidbar sind. – Bei glaubensverschiedenen Ehen ergibt sich häufig der Fall, dass nur der keiner Kirche angehörende Partner ein hohes steuerpflichtiges Einkommen bezieht. Der kirchenangehörige Eheteil hätte deshalb nach den geschilderten Grundsätzen keine Kirchensteuer zu entrichten. Die darin liegende Unbilligkeit versuchen einige Kirchen durch die Erhebung eines – nach dem sogenannten Lebensführungsaufwand gestaffelten – besonderen Kirchgelds auszugleichen. Dieser Anknüpfungspunkt, den das BVerfG an sich auch für die Kirchensteuer in glaubensverschiedenen Ehen zugelassen hatte (BVerfGE 19, 268/282), erwies sich dort als wenig praktikabel. Für die stärker pauschalierende Kirchgeldfestsetzung gilt dies jedoch nicht in gleichem Maße. Soweit aus einem (geringen) eigenen Einkommen der Kirchenglieder Kirchensteuer zu zahlen ist, werden die insoweit erbrachten Leistungen auf das besondere Kirchgeld angerechnet. Die Judikatur hat ein solches Verfahren wiederholt als verfassungsgemäß anerkannt. – Die subjektive Kirchensteuerpflicht beginnt mit dem Erwerb der Kirchengliedschaft. Das staatliche Recht knüpft hierbei zulässigerweise an die Erwerbsmodalitäten des kirchliche Rechts an (Taufe, Wohnsitz, Bekenntniszugehörigkeit – BVerfGE 30, 423 ff.). Sie endet mit deren Verlust, daneben kraft staatlichen Rechts auch mit dem rechts-[1702]wirksamen Kirchenaustritt. Das BVerfG hat zwar Regelungen für verfassungswidrig erklärt, die den Kirchenaustritt erst nach einer bestimmten „Reufrist“ wirksam werden ließen (BVerfGE 44, 37). Es hat aber für den Bereich der Kirchensteuer wegen deren institutioneller Garantie in Art. 140 GG/137 VI WV im Interesse geordneter Besteuerung die Bestimmung des hessischen Kirchensteuergesetzes mit dem Grundgesetz für „noch vereinbar“ erklärt, wonach die Kirchensteuerpflicht erst mit dem Ende des dem Austritt folgenden Kalendermonats endet. Das „noch“ macht indes deutlich, dass es damit die äußersten Grenzen einer verfassungskonformen sogenannte „Nachbesteuerung“ Ausgetretener als erreicht ansah (BVerfGE 44, 59).
d) Für die großen Kirchensteuern besteht nur in Bayern eine kircheneigene Kircheneinkommensteuerverwaltung. In anderen Ländern werden zum Teil lediglich Kirchengrund-, Kirchengewerbesteuer und fast überall das Kirchgeld von der Kirche selbst verwaltet. Im Übrigen ist entsprechend den staatlichen Kirchensteuergesetzen auf Antrag der Kirchen die Steuerverwaltung (Veranlagung, Einziehung, Zwangsbeitreibung, Abführung) den staatliche Finanzämtern übertragen. Die dafür von den staatliche Finanzverwaltungen einbehaltene Gebühr schwankt zwischen 2 und 5 (meist 4) % des jeweiligen Kirchensteueraufkommens und überkompensiert damit den staatliche Verwaltungsaufwand bei weitem. Dieses System verbindet den Vorteil geringen kirchliche Kosten- und Verwaltungsaufwands – der Aufbau einer eigenen kirchliche Steuerverwaltung würde ca. 10 % der Einnahmen verschlingen – mit größter Effektivität in der Einziehung der Kirchensteuern, hebt aber andererseits auch im finanziellen Bereich jeden unmittelbaren Kontakt zwischen Kirche und Mitglied auf, erschwert eine Handhabung der Kirchensteuerpraxis nach kirchliche Gesichtspunkten und lässt den Charakter der Kirchensteuer als staatlich gebotene Zwangsabgabe im öffentlichen Bewusstsein in den Vordergrund rücken.
4. Rechtsschutz
Da die Erhebung von Kirchensteuern, soweit diesen Steuerqualität im Sinne des staatlichen Rechts (§ 1 AO) zukommt, kraft staatlicher Hoheitsgewalt erfolgt (siehe unter 6 b), ist der Rechtsweg gegen Kirchensteuerbescheide zu den staatliche Gerichten gemäß Art. 19 IV GG gegeben. Der Rechtsweg ist teils zu den Finanzgerichten, teils zu den allgemeinen Verwaltungsgerichten eröffnet, wobei zum Teil ein Vorverfahren vor kirchliche Stellen vorgeschaltet ist; im übrigen sind Kirchensteuerbescheide zunächst durch Einspruch beim zuständigen Finanzamt anzugreifen. Regelmäßig ist in diesem Vorverfahren die betreffende Kirche zu hören. Auf diese Weise können auch spezifisch kirchliche Gesichtspunkte zur Geltung gebracht werden. Soweit eine ausdrückliche Rechtswegzuweisung nicht erfolgte, haben die Finanzgerichte nur über die Höhe des Steueranspruchs, die Verwaltungsgerichte aber über dessen Grund zu entscheiden, da es hier in der Regel allein um die Beurteilung staatskirchenrechtliche Fragen (Bekenntniszugehörigkeit, kirchliche Mitgliedschaft, wirksamer Austritt usw.) geht. [1703]
5. In der DDR war das Besteuerungsrecht der Kirchen zunächst gemäß Art. 43 IV Verf. DDR 1949 garantiert (allerdings unter Beschränkung auf ihre Mitglieder); seit Rundverfügung des Ministeriums der Justiz vom 10. Febr. 1956 besteht jedoch keine Zwangsbeitreibungsmöglichkeit mehr. Dies gilt auch für die Gewährung von Rechtsschutz vor den Zivilgerichten. Die Kirchensteuer hat daher den rechtlichen Charakter einer Naturalobligation erhalten. Die Verwaltung der Kirchensteuer erfolgt durch die Kirchen selbst, die Veranlagung nach kircheneigenen Tarifen wird auf Grund von alten Unterlagen, Selbsteinschätzungen oder kirchliche Schätzungen vorgenommen; die staatliche Steuerunterlagen stehen den Kirchen nicht mehr zur Verfügung. Die Verfassung von 1968 erwähnt dementsprechend in ihrer einzigen, die Rechtsstellung der Religionsgemeinschaften regelnden Bestimmung (Art. 39 II) das kirchliche Besteuerungsrecht nicht mehr.
6. Problematik der Kirchensteuer
a) In den letzten Jahren ist die Diskussion um die Grundfragen des Kirchensteuerrechts erneut in Fluss gekommen. Dies hatte seinen Grund darin, dass das Kirchensteuerrecht als Restbestand eines der Vergangenheit angehörenden Staatskirchentums empfunden wurde und gegenüber einem laizistisch aufgeladenen, im Sinne eines strikten Trennungsgebots von Staat und Kirche interpretierten Neutralitätsverständnis als Fremdkörper erschien. Dem Grundgesetz liegt jedoch eine derartige Konzeption nicht zugrunde. Die Übernahme der Kirchenartikel der WV in das Grundgesetz – vom BVerfG ausdrückliche als vollgültiges Verfassungsrecht bestätigt – stattet best. kirchliche Rechtspositionen mit Verfassungsrang aus und schließt eine einseitige Konstruktion des kirchenpolitischen Systems des Grundgesetz vom – extensiv interpretierten – Grundsatz der Glaubens- und Gewissensfreiheit heraus. Vielmehr bedarf gerade in diesem sensiblen Bereich pluralistischer Ordnung im demokratischen Rechtsstaat die Verfassung einer „konkretisierenden Interpretation“ (K. HESSE), die die Wertentscheidungen des Grundgesetzes für Grundrechte und institutionelle Verbürgungen gleichermaßen ernst nimmt. Erst von dem Prinzip der Einheit der Verfassung ist die Herstellung einer praktischen Konkordanz beider gewährleisteten Rechtsgüter möglich. Für die Kirchensteuer bedeutet dies, dass die Verfassungsgarantie des Art. 137 VI WV/140 Grundgesetz nicht durch eine Überbetonung der Religionsfreiheit relativiert werden kann. Diesem Grundrecht wird in ausreichender Weise dadurch Rechnung getragen, dass sich jedes Kirchenmitglied der Kirchensteuerpflicht durch Austritt entziehen kann. Ebenso wenig legitimiert der dem modernen Verfassungsstaat inhärente Grundsatz der weltanschaulich-religiösen Neutralität eine Infragestellung des gegenwärtigen Kirchensteuersystems. Die Kirchensteuer verdankt ihr Entstehen gerade einer Distanzierung von Staat und Kirche, die die Kirchenfinanzierung als unmittelbare Staatsaufgabe problematisch werden ließ. Ihre aktuelle Rechtfertigung findet sie in der pluralistischen, auf Teilhabe organisierter sozialer Gruppen an der [1704] Verwirklichung des Gemeinwohls gegründeten Struktur des demokratischen Gemeinwesens. Die zunehmende Bedeutung wichtiger Sozialverbände im gesamtgesellschaftlichen Aufgabenbereich findet einerseits ihr Korrelat in deren Ausstattung mit öffentlich-rechtlichen Positionen. Andererseits führt die Konzentration der wirtschaftlichen Ressourcen in den öffentlichen Haushalten dazu, dass sich die kulturstaatliche Verantwortung des freiheitlichen Gemeinwesens auch mehr und mehr in Richtung auf finanzielle Förderung und Subvention gesellschaftlicher Freiheit konkretisiert. Das Kirchensteuersystem verbindet staatliches Interesse am Wirken der bedeutsamen religiösen und weltanschauliche Vereinigungen (als Teil der freiheitlichen Ordnung des Kultur- und Sozialstaats) mit der Sicherung von Effizienz der Finanzierung ohne Einsatz öffentlicher Mittel. Durch die Möglichkeit aller auf Dauer angelegten und daher als Körperschaften des öffentlichen Rechts anerkannten Religion- und Weltanschauungsgemeinschaften mit einer bestimmten Mitgliederzahl, Kirchensteuern zu erheben (von der allerdings nicht alle dieser Gemeinschaften Gebrauch machen), ist zugleich dem Gebot weltanschauliche Neutralität in verfassungsrechtlich ausreichender Weise Rechnung getragen.
b) Die nach 1945 verstärkt betonte Eigenständigkeit der Kirchen und ihres Rechts ließ in den ersten zwei Jahrzehnten der Bundesrepublik aber auch die Frage nach der Legitimität der staatliche Aufsichts- und Mitgestaltungsbefugnisse (siehe oben 1) virulent werden. Dies um so mehr, als die herrschende Meinung das Besteuerungsrecht als eine den Kirchen vom Staat verliehene Rechtsstellung ansieht, aus der – ebenso wie einst aus dem Status der Kirchen als Körperschaften des öffentliche Rechts nach der sogenannten Korrelatentheorie – eine Reihe von staatliche Aufsichtsrechten hergeleitet werden kann. So mehrten sich einerseits die Stimmen, die den Kirchen das Besteuerungsrecht als ein originäres, vom Staat nur deklaratorisch anzuerkennendes Zwangsabgabenrecht vindizierten. Demgegenüber postuliert die sogenannte Verleihungstheorie das Besteuerungsrecht als unabdingbares Hoheitsrecht des Staates, dessen Ausübung wegen des damit verbundenen Eingriffs in die bürgerliche Rechtssphäre einen staatlichen Rechtssatz voraussetze.
Diese Auffassung lässt sich im staatskirchenrechtlichen System der Bundesrepublik nur insoweit aufrechterhalten, als es sich bei der Kirchensteuer tatsächlich um einen staatlichen Hoheitsakt, nämlich um die unmittelbare Durchsetzbarkeit im Verwaltungszwangsverfahren handelt. Insoweit wird der Staat nicht als „weltlicher Arm“ der Kirche tätig, sondern aus eigenem Recht kraft seiner inneren Souveränität. Soweit dagegen der Kirchensteuer ein kirchenrechtlicher Leistungsanspruch zugrunde liegt, handelt es sich um eine innere Angelegenheit der Kirchen, über die diese kraft ihrer eigenständigen, unabgeleiteten Rechtsgewalt zu befinden haben. (Dies gilt insbesondere für die Bestimmung von Steuertarif, Steuerträger und subjektiver Kirchensteuerpflicht, wobei die letztere allerdings durch [1705] Art. 4 GG als „für alle geltendes Gesetz“ im Sinne des Art. 137 III WV begrenzt ist.) Aus dieser Spannung folgt, dass es sich bei dem Besteuerungsrecht um eine gemeinsame Angelegenheit von Staat und Kirche handelt. Staatskirchenrechtlich sachgerecht ist daher die eingehende Regelung dieser Materie in den neueren Kirchenverträgen erfolgt. Die staatliche Aufsichtsrechte entspringen demgemäß nicht einer allgemeinen staatlichen Kirchenhoheit, sondern haben ihre Grundlage im Charakter des Kirchensteuerrechts als einer res mixta und der darin liegenden möglichen Tangierung staatlicher Interessen. Wenn demgegenüber – für die katholische Kirche insbesondere an c. 1496 CIC 1917 (= c. 1260 CIC 1983) anknüpfend – das Kirchensteuerrecht als in den Bereich kirchliche Eigenständigkeit fallend angesehen wird, so verkennt diese Meinung die prinzipielle Umformung, der der kirchenrechtliche Leistungsanspruch durch die Zurverfügungstellung staatliche Verwaltungszwangs ausgesetzt ist.
c) Der Vorwurf mangelnder demokratische Legitimation der mit Kirchensteuerbeschlüssen befassten Organe geht fehl. Obwohl dem Grundgesetz ein allgemeines Demokratisierungsgebot für gesellschaftliche Organisationen nicht zu entnehmen ist, entscheiden in den evangelischen Landeskirchen seit je die Synoden als gewählte Repräsentationskörper mit meist Zweidrittel-Anteil von „Laien“ über Art, Höhe und Verwendung der Kirchensteuern Auch im katholischen Bereich werden diese Funktionen heute fast überall von Organen mit beschließender Kompetenz wahrgenommen, in denen frei gewählte Kirchensteuerpflichtige über eine Mehrheit verfügen (Kirchensteuerrat, Kirchensteuervertretung, Steuerverbandsvertretung und ähnliche auf diözesaner, Ortskirchensteuervertretung auf gemeindlicher Ebene). Auch die Publizität der kirchlichen Haushaltsgebarung ist Bestandteil der kirchlichen Rechtspraxis.
d) In die eigentliche Problematik des Kirchensteuerwesens führt jedoch die Frage nach dessen innerkirchliche Legitimität. Insbesondere im evangelischen Bereich hat die Neubesinnung auf das Wesen allen kirchliche Rechts dazu geführt, dieses als ein vom weltliche Recht unterschiedenes, eigengeartetes und mit äußeren Zwangsmitteln nicht sanktionierbares Normengefüge zu erkennen, das seine Grundlage in der lex charitatis spiritualis hat. Auch das Beitragsrecht, das der Kirche die materielle Freiheit ihres Wirkens sichert, kann und darf hiervon nicht ausgenommen werden. Andererseits sichert das gegenwärtige System nicht nur die Unabhängigkeit der Kirchen vor dem Übergewicht kapitalkräftiger Gemeindeglieder. Es gewährleistet auch die Freiheit ihres Dienstes gerade über den Bereich der sogenannten geistlichen Kernfunktionen hinaus vor allem im sozialen und karitativen Aufgabenfeld. Nicht nur staatskirchenrechtlich, sondern auch innerkirchlich trägt das Kirchensteuerrecht daher einen gewissen Kompromisscharakter an sich. In seiner Eigenart ist es eng mit der Lebensform der Volkskirche verknüpft. Dies bewirkt seine Effizienz ebenso wie die vergleichsweise geringe Belastung des einzelnen [1706] Kirchenmitglieds. Keine Sozialgemeinschaft kann zudem auf einen gewissen Nachdruck zur Sicherung ihrer finanziellen Bedürfnisse verzichten. Das zeigen die Volkskirchen ebenso wie die klassische „Freiwilligkeitskirchen“. Dem auch für die kirchliche Ordnung unabdingbaren Freiheitspostulat ist durch die Möglichkeit des staatsbürgerlichen Austritts ebenso Rechnung getragen wie der Einzelfallgerechtigkeit durch das differenzierte Instrumentarium von Kappung, Stundung oder Erlass. Das inflationsbedingte überproportionale Anwachsen der Kirchensteuereinnahmen aufgrund des Progressionsmechanismus ist zum Teil durch Senkung der Steuersätze korrigiert worden.
Infolge von Kirchenaustritten, vor allem aber durch die demographischen Entwicklungen der letzten beiden Jahrzehnte ist dieser Anstieg ohnehin zum Stehen gekommen, teilweise sind sogar Rückgänge der Kirchensteuereinnahmen zu verzeichnen. Insgesamt liegt so das Schwergewicht der innerkirchlichen Problematik weniger im Institut der Kirchensteuer an sich als in der ständig neu gestellten Aufgabe einer gezielten und verantwortungsvollen Verwendung der Kirchensteuermittel. Das heißt aber vor allem in der Herstellung einer dem kirchliche Auftrag angemessenen Balance zwischen den legitimen und unausweichlichen Bedürfnissen des kirchliche Apparats und der Sicherstellung des materiellen Substrats für das Handeln der Kirche, für ihren Dienst an der Welt in Verkündigung und Diakonie.
Neben den Lehrbüchern und Kommentaren zum Steuerrecht, zum Grundgesetz (hier v. a. TH. MAUNZ, in: MAUNZ/DÜRIG, Grundgesetz, Stand 1985, Art. 140, Rdziff. 42-50 zu Art. 137 WV) und zum Kirchenrecht sowie der Lit. zu Kirchengliedschaft B: F. GIESE, Dt. Kirchensteuerrecht, KRA, hg. v. U. STUTZ, 1910, Neudr. 1965 – H. GEFAELLER, ZevKR 1 (1951) 80-100, 382-403 – J. HECKEL, Kirchengut und Staatsgewalt, in: Festg. f. R. Smend, 1951, 103-143, abgedr. in: Das blinde, undeutliche Wort „Kirche“, Gesammelte Aufsätze, hg. v. S. GRUNDMANN, 1964, 328-386 – H. WEHRHAHN, Zur Kirchensteuerpflicht der Protestanten in Dtschld., 1952 – H. BRUNOTTE, ZevKR 3 (1954) 29-55 – K. HESSE, Der Rechtsschutz durch staatliche Gerichte im kirchliche Bereich, 1956 – DERS., Die Entwicklung des Staatskirchenrechts seit 1945, JöR NF 10 (1961) 3-121 – R. WEEBER, ZevKR 5 (1956) 362-375 – DERS., EKL II, Sp. 799-802 – DERS., RGG3 III, Sp. 1525-1527 – H. LEHMANN, Die kleinen Religionsgesellschaften des öffentliche Rechts im heutigen Staatskirchenrecht, 1959 – E. JACOBS, Die Zwangsbeitreibung der Kirchensteuern in der DDR, in: Festschr. J. HECKEL, 1959, 56-85 – E. WOLF, Ordnung der Kirche, 1961 – L. SCHNORR V. CAROLSFELD, Zum Normengrenzrecht auf dem Gebiet des Kirchenrechts, bes. der Kirchensteuern, Festschr. H. Liermann, 1964, 221-264 – G. BÖHLIG, System und Probleme des Kirchensteuerrechts, Diss. Göttingen 1964 – H. ENGELHARDT, Die K. in der Bundesrep. Dtschld., 1968 – DERS., ZevKR 15 (1970) 81-84 – M. HECKEL/A. HOLLERBACH, Die Kirchen unter dem Grundgesetz, VVDStRL 26 (1968) 5-56, 57-G. TRÖGER, ZevKR 14 (1968/69) 101-121 – H. MARRÉ/P. HOFFACKER, Das Kirchensteuerrecht im Lande Nordrhein-Westfalen, 1969 – TH. KARG, Kirchensteuerrecht in der Evang.Luth. Kirche in Bayern, 1969 – G. HEINZE, ZRP 1969, 97-99 – U. SCHEUNER, ZRP 1969, 195-197 – W. STEINMÜLLER, Kirchenrecht und K., Essener Ge-[1707]spräche 4 (1970) 199-232 – H. SÄLZER, NJW 1970, 169-174 – A. v. CAMPENHAUSEN, Staatskirchenrecht, 19832 – Ders./TH. MAUNZ/U. SCHEUNER/H. SCHOLTISSEK, Die Mitwirkung der Arbeitgeber bei der Erhebung der K., 1971 – CH. MEYER, ZevKR 16 (1971) 291- 296 – W. RÜFNER, NJW 1971, 15-19 – H. MÖHRING/H. ZILLES, Umstrittene K., 19723 – CHR. LINK, Neuere Entwicklungen und Probleme des Staatskirchenrechts in Deutschland, in: I. GAMPL/CHR. LINK, Deutsches und Österr. Staatskirchenrecht in der Diskussion, 1973 (Görresges. H. 10) 25-56 – P. MIKAT, Grundfragen des Kirchensteuerrechts unter bes. Berücksichtigung der Verhältnisse in Nordrhein-Westfalen, jetzt in: DERS., Religionsrechtliche Schriften I 1, 1974, 547-569 – H. MARRÉ, Das kirchliche Besteuerungsrecht, in: HdbStKirchR, E. FRIESENHAHN u. U. SCHEUNER (ed.), 11975, 5-50 – DERS., Die Kirchenfinanzierung in Kirche u. Staat der Gegenwart, 1982 – K. DUMMLER, ZevKR 21 (1976) 34-62 – W. WÖLBING, ZevKR 23 (1978) 254-262 – J. GILOY, Kirchensteuerrecht u. Kirchensteuerpraxis in den Bundesländern, 1978 – K. WALF, Concilium 14 (1978), 429-433 – U. BÄCKER, Kirchenmitgliedschaft u. Kirchensteuerpflicht, 1980 – J. ISENSEE, JUS 1980, 94-100 – J. LISTL, Art. Kirchenbeitrag, in: Kath. Soziallexikon, 19802, Sp. 1383-1386 – A. HOLLERBACH, K. und Kirchenbeitrag, in: HdbKathKR, J. LISTL u. a. (ed.), 1983, 889- 900 – Schweiz: J. G. FUCHS, Zum Verhältnis von Kirche und Staat in der Schweiz, Essener Gespr. 5 (1971) 125-166 – LICHE CARLEN, Kirche u. Staat i. d. Schweiz, in: HdbKathKR, 1983, 1097-1109 – Österreich: I. GAMPL, Österr. Staatskirchenrecht, 1971 – H. KLECATSKY, Lage und Problematik des österr. Kirchenbeitragssystems, Essener Gespr. 6 (1972) 54-69 – CHR. LINK, Die Problematik d. österr. Kirchenfinanzierung, THQSchr. 1976, 210-214.
Quelle: Roman Herzog/Hermann Kunst/Klaus Schlaich/Wilhelm Schneemelcher (Hg.), Evangelisches Staatslexikon, 3. A., Kreuz Verlag: Stuttgart, 1987, Spalten 1695-1707.