Robert D. Kaplan über das „tragische Denken“ als politische Vernunft: „Tragisch denken heisst letztlich, dass man realisiert und akzeptiert, dass die Welt eben nicht perfekt ist. Irgendwo wird es immer Desaster und Traurigkeit geben. Dennoch kann tragisches Denken dazu beitragen, dass es nicht noch mehr Desaster und Traurigkeit gibt. Dazu gehört, dass man die Angst vor negativen Konsequenzen ernst nimmt.“

Im Januar ist Robert D. Kaplans neues Buch „The Tragic Mind“ (Yale University Press, 2023) herausgekommen, in dem Kaplan die eigene Befürwortung des zweiten Irak-Krieges 2003 kritisch in den Blick nimmt. Im heutigen Interview in der NZZ stellt er den Kerngedanken eines „tragischen Denkens“ als politische Vernunft mit folgenden Worten vor:

„Tragik, wie sie die alten Griechen verstanden haben, ist auch nicht der Kampf von Gut gegen Böse. Das wäre zu einfach. Unter Tragik verstanden sie die Einsicht und das Verständnis dafür, dass man unter mehreren schlechten Optionen eine Wahl treffen muss. Und selbst wenn sie dachten, dass sie sich für die beste aller Möglichkeiten entschieden hatten, wussten die antiken Griechen, dass es Leute geben wird, die nun leiden werden. Tragik bedeutet, dass, egal, wie man sich entscheidet, jemand die negativen Folgen zu spüren bekommt. […] Tragisch denken heisst letztlich, dass man realisiert und akzeptiert, dass die Welt eben nicht perfekt ist. Irgendwo wird es immer Desaster und Traurigkeit geben. Dennoch kann tragisches Denken dazu beitragen, dass es nicht noch mehr Desaster und Traurigkeit gibt. Dazu gehört, dass man die Angst vor negativen Konsequenzen ernst nimmt. Die alten Griechen würden sagen: Es ist gut, sich vor den Konsequenzen zu fürchten. Und was die Griechen am meisten fürchteten, war die Anarchie.“

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