Wir wußten es nicht: Es war der Ostertag.
Wir waren unterwegs bei schrägem Sonnenlicht,
da uns der Tempelberg schon längst im Rücken lag
und noch von Emmaus kein Dach in Sicht.
Sahn das Land an uns vorübergleiten,
während wir hindurch gewandert sind:
Menschen, viele Orte, Jahreszeiten,
Vogelflug in unerreichten Weiten.
Hin und wieder schon der Abendwind.
Neben unsern Schritten – seine Schritte,
da er sich plötzlich zu uns gesellt.
Im finstern Tal ging er in unsrer Mitte.
In unserm Zwiegespräch war er der Dritte,
und er erklärte durch sein Wort die Welt.
Er zog mit uns in wechselnden Gestalten,
uns sehr vertraut, uns völlig unbekannt.
Zuweilen konnten wir sein Bild behalten.
Im Neugewordnen sahen wir den Alten.
Und seltsam hat in uns das Herz gebrannt.
Nun, da der Tag sich neigt und wir die Tür aufklinken,
brennt schon die Lampe, ist der Tisch gedeckt.
Und Brot zu essen, Wein ist da zu trinken.
Es ist wie Aufgang mitten im Versinken.
Und nun am Abend werden wir geweckt.
Der dort am Tische sitzt und uns das Brot gebrochen
und der mit uns im Wechselwort gesprochen,
der Herr, mit dem wir redeten und handelten,
der dort am Tische sitzt und uns der Kelch gesegnet
und der so vielgestaltig uns begegnet,
er blieb sich immer gleich. Doch wir sind
die Verwandelten.
Noch am Abend brechen wir auf.
Klaus-Peter Hertzsch
Quelle: Klaus-Peter Hertzsch, Chancen des Alters. Sieben Thesen, Stuttgart: Radius, 2008, S. 116f.