Über Bartgebot und Bartverbot für Geistliche: „In der evangelischen Kirche ist der Bart Sache persönlicher Freiheit, doch sieht die Reformationszeit den kriegsmännischen Bart (Schnauzbart, Spitzbart) nicht gern. Die Konsistorien des 19. Jahrhunderts führen einen heimlichen, jedoch vergeblichen Kampf gegen den Schnurrbart.“

Es gibt wohl kein besserer Beispiel als die Barttracht dafür, wie sehr kirchliche Sittenlehren vom jeweiligen Zeitgeist beeinflusst sind:

Bart, Barttracht

Von Walter Matthias

A. Bärte der Geistlichen sind als kirchliche Sitten- und Brauchtümer abhängig von den Wandlungen der Mode und könnten als Anwendung von 1Kor 6,12 theologisch aufgefaßt werden.

1. Den Israeliten galt der Bart als Zierde des Mannes, Propheten und Priesters Ez 5,1 ff., das Abschneiden als Beschimpfung 2Sm 10,4 ff. Jesus und die Apostel werden den Vollbart getragen haben.

2. Die morgenländische Kirche zeigt sich auch darin als die orthodoxe, daß sie bis heute den urchrist­lichen Brauch beibehalten hat, indem zu dem litur­gischen Auftreten ihrer Priester der Bart gehört. Im 9. Jh. Phöbus gegen das Abendland: quod clericorum barbas radere non abnuant. Die Synoden, etwa die russische 1515, schrieben den Geistlichen den Bart vor.

In der röm.-kath. Kirche spiegelt die Bärte zugleich die Geschichte ihrer Verweltlichung: a) Im Lebens­gefühl (männliches Auftreten oder Eitelkeit), b) Im priesterlichen Bewußtsein (äußere Unterscheidung zum Laien), c) In der Weltoffenheit (stärkere oder schwächere Anpassung an die Mode), d) In der er­starkenden Zentralgewalt (im Kampf gegen das Barttragen). Während Tertullian, gest. 220, in der Bartlosigkeit männliche Eitelkeit sieht, legen die Geist­lichen seit Leo III., gest. 816, den Bart ab. Gegen erneutes Barttragen im 12. Jh. (islamischer Einfluß) setzen sich Papsttum (Alexander III.) und Synoden vergebens zur Wehr, während Pius IX. 1863 erfolgreich den Versuch des bayrischen Klerus, den Bart einzuführen, abweist. Nach CIC can 136 § 1 regelt der Bischof in seinem Sprengel die Barttracht. Allg. Indult haben Missionsorden, Kapuziner und Kamaldulenser.

4. In der ev. Kirche ist der Bart Sache persönlicher Freiheit, doch sieht die Reformationszeit den kriegsmännischen Bart (Schnauzbart, Spitzbart) nicht gern. Selbst der gesetzliche evangelisch-reformierte S. Voet, gest. 1676, kennt keine Vorschriften. Die Konsistorien des 19. Jh. führen einen heimlichen, jedoch vergeblichen Kampf gegen den Schnurrbart.

B. Als Attribut gilt der B. seit dem 12. Jh. für alttestamentliche Figuren, für Propheten und Apostel. Johannes erscheint jedoch bartlos. Als Merkmal der Würde trägt die göttliche Person den Vollbart, Christus meist den kurzgeschnittenen Backen- und Schnurrbart, Petrus an kurzgeschnittenen Backenbart und wenig Haupthaare, Paulus den langen Vollbart und reichlich Haupthaare. Im übrigen überträgt die bildende Kunst die jeweilige Zeitmode der Kleriker auf Apostel und Heilige, nach deren Vorbild sich zu richten man vorgibt.

Lit.: Thalhofer: Über den Bart der Geistlichen. AkathKR X, NF 4, 1863, 93-109 (Hauptwerk).

EKL2, Bd. 1 (1961), Sp. 316f.

Hier der Text als pdf.

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