Leonhard Ragaz in Sachen christlicher Pazifismus 1939: „Ich bin für keinen pazifistischen Doktrinarismus und Dogmatismus, die schließlich auch ein Götzendienst werden und gerade den Mächten der Gewalt dienen können.“

Leonhard Ragaz in Sachen christlicher Pazifismus

Meine Opposition gegen eine gewiße Form von Pazifismus richtet sich gegen eine doktrinäre Art von Pazifismus, welche auf alle Situationen bloß die pazifistische Schablone drückt, gegen sein Hantieren mit abstrakten Begriffen ohne Rücksicht auf die konkrete Lage, und vor allem gegen seine Art, vom Boden des Pazifismus aus die von Hitler und Mussolini ausgehende Gefahr zu übersehen. Diese Gefahr soll man sehen darauf dringe ich; es gibt keinen Frieden ohne Wahrheit. Dann kann erst die Diskussion darüber beginnen, wie man sie bekämpft. […]

Ich bin für keinen pazifistischen Doktrinarismus und Dogmatismus, die schließlich auch ein Götzendienst werden und gerade den Mächten der Gewalt dienen können — wie heute zutage liegt —, sondern für einen lebendigen, stets neu aus der Quelle, dem lebendigen Gott, der den Frieden will, geschöpften. […]

Ich bin von ganzem Herzen für einen Widerstand ohne Waffen und glaube in letzter Instanz niemals an die Waffen, bin selbst «absoluter» Antimilitarist, aber wo in aller Welt Menschen für Freiheit, Demokratie, Sozialismus, Menschenrecht kämpfen, sei’s auch mit Waffen, da bin ich mit ihnen, ginge gerne zu ihnen – ohne Waffen! -, da wünsche ich ihnen Rettung, da verlange ich, dass man nicht durch Nichtintervention ihnen den Schutz des Völkerrechtes versage. Ich bin nicht ein antimilitaristischer Robot, der blind drauflos schlägt, wo nur eine Waffe auftaucht, ich bin auch Demokrat, Sozialist, Mensch, und wenn ich bloss zwischen Freiheit und Frieden zu wählen hätte, wählte ich ohne Besinnen die Freiheit.

Leonhard Ragaz, Von Scharfschiessen und Jüngerschaft Christi, in: Neue Wege 1939, S. 224f.

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