Vorrede zu den Propheten (1532)
Von Martin Luther
Es scheint vor der Vernunft eine sehr geringe Sache um die Propheten zu sein, in denen wenig Nützliches zu finden scheint. Besonders wenn Meister Klügling auftritt, der die Heilige Schrift ganz auswendig und bis auf den Nagel kennt und diese Propheten aus dem großen »Reichtum« seines Geistes für eitles, faules, totes Geschwätz hält. Das kommt daher, dass die Geschichte und das Handeln nun nicht mehr vor Augen stehen, sondern nur noch die Worte oder die Historien zu hören sind. Das ist kein Wunder, da selbst Gottes Wort jetzt verachtet wird, obgleich noch täglich die Zeichen und Geschichten, auch das Reich Christi selbst eindringlich vor Augen stehen. Um wie viel mehr muss das verachtet werden, was als Geschichte und Tat nicht mehr vorhanden ist. Eben wie die Kinder Israels Gott und sein Wort verachteten, als sie noch das Himmelsbrot vor Augen hatten, die feurige Säule und lichte Wolke, weiter Priester- und Königtum.
Deshalb sollen wir Christen nicht solche schändlichen, überdrüssigen, undankbaren Klüglinge sein, sondern die Propheten mit Ernst und Nutzen lesen und gebrauchen. Denn erstens verkündigen und bezeugen sie Christi Königreich, in dem wir und alle Christgläubigen jetzt leben, bisher gelebt haben und leben werden bis an der Welt Ende. Denn das ist uns ein sehr starker Trost und eine tröstliche Stärke, dass wir für unser christliches Leben so mächtige und alte Zeugen haben. Dadurch wird unser christlicher Glaube besonders stark darin befestigt, der rechte Stand vor Gott zu sein, gegen jedwede unrechte, falsche, menschliche Heiligkeit und alle Rotten, die wegen ihrer starken äußeren Erscheinung und der Menge wegen, die daran hängt, umgekehrt auch um des Kreuzes und der wenigen willen, die am christlichen Glauben festhalten, ein schwaches Herz sehr ärgern und anfechten kann. Wie zu unserer Zeit die Türken, der Papst und andere Rotten gewaltige Ärgernisse abgeben.
Dafür dienen uns nun die Propheten gut, wie Petrus in seinem 1. Brief, Kap. 1, rühmt, dass diese Propheten nämlich nicht für sich selbst dargelegt haben, was ihnen offenbart wurde, sondern uns – wirklich uns (sagt er) haben sie es dargelegt. Denn sie haben uns mit ihren Weissagungen gezeigt, dass derjenige, der in Christi Reich sein will, wissen und sich danach richten soll, dass er zuvor viel leiden müsse, ehe er zur Herrlichkeit kommt. Und dies, damit wir beider Seiten sicher sind: dass die große Herrlichkeit des Reiches Christi gewiss unser ist und auch kommen wird, doch dass zuvor Kreuz, Schmach, Elend, Verachtung und allerlei Leiden um Christi willen auf uns warten. So dass wir nicht durch Ungeduld oder Unglauben verzagt sind oder an der künftigen Herrlichkeit verzweifeln, die so groß sein wird, dass sie auch die Engel sehen wollen.
Zweitens bieten uns die Propheten viele und große Beispiele und Erfahrungen für das erste Gebot und legen dieses ganz meisterlich dar, mit Worten wie mit Beispielen, womit sie uns mit großer Gewalt zur Gottesfurcht und zum Glauben antreiben und darin erhalten. Denn nachdem sie von Christi Reich geweissagt haben, ist das andere alles nur ein Beispiel dafür, wie Gott sein erstes Gebot so streng und hart bestätigt hat. So bedeutet, die Propheten zu lesen und zu hören, nichts anderes, als zu lesen und zu hören, wie Gott droht und tröstet: Er droht den Gottlosen, die sicher und stolz sind, und wenn das Drohen nicht helfen will, rückt er mit Strafen, Pestilenz, Teuerung, Krieg nach, bis die Sünder zugrunde gehen, und macht so sein Drohen beim ersten Gebot wahr. Er tröstet aber die Gottesfürchtigen, die in allerlei Nöten sind, und rückt auch hier mit Hilfe und Rat nach, durch allerlei Wunder und Zeichen gegen alle Macht des Teufels und der Welt, und macht so sein Trösten beim ersten Gebot ebenfalls wahr.
Mit solchen Predigten und Beispielen dienen uns die lieben Propheten sehr reichlich: damit wir uns nicht ärgern sollen, wenn wir sehen, wie völlig sicher und stolz die Gottlosen Gottes Wort verachten und so gar nichts auf sein Drohen geben, als wäre Gott selber ein bloßes Nichts. Denn an den Propheten sehen wir, wie sehr es doch für keinen gut ausgegangen ist, der Gottes Drohen verachtet hat, auch wenn es die allermächtigsten Kaiser und Könige oder die allerheiligsten und gelehrtesten Leute waren, die die Sonne je beschienen hatte. Und umgekehrt: in welchem Maße doch keiner verlassen ist, der es auf Gottes Trösten und Verheißungen hin gewagt hat, wenn es auch die allerelendesten und ärmsten Sünder und Bettler auf Erden waren, ja wenn es der getötete Abel und der verschlungene Jona waren. Denn die Propheten beweisen uns damit, dass Gott über seinem ersten Gebot wacht und ein gnädiger Vater der Armen und Gläubigen sein will, und es soll ihm keiner zu gering noch zu verachtet sein. Umgekehrt ist er ein zorniger Richter über die Gottlosen und Stolzen, und es soll ihm keiner zu groß, zu mächtig, zu klug, zu heilig sein, auch wenn er Kaiser, Papst, Türke und Teufel heißt.
Um dieser Lehre willen sind uns die lieben Propheten in unserer Zeit nützlich und nötig zu lesen, dass wir mit solchen Beispielen und Predigten gestärkt und getröstet werden gegen die, so Gott will, allerletzten, unaussprechlichen, unzähligen Ärgernisse der verdammten Welt. Denn wie sehr hält doch der Türke unsern Herrn Jesus Christus und sein Reich für ein bloßes Nichts im Vergleich zu sich selber und seinem Mohammed? Wie sehr ist in dieser Hinsicht bei uns und unter dem Papsttum das arme, liebe Evangelium und Gottes Wort verachtet im Vergleich mit dem herrlichen Schein und Reichtum der menschlichen Gebote und Heiligkeit? Wie sicher trumpfen die Rottengeister, Epikureer und andere ihresgleichen mit ihrer Einbildung gegenüber der Heiligen Schrift auf? Wie frech und wild lebt jedermann nach seinem Mutwillen der lichten Wahrheit entgegen, die jetzt am Tage ist, so dass es scheint, als wäre weder Gott noch Christus etwas, geschweige dass Gottes erstes Gebot so streng gelten soll.
Aber es heißt: Warte doch, warte doch, was beweist schon, dass uns die Propheten mit ihren Historien und Predigten nicht doch nur belügen und betrügen? Es sind wohl mächtigere und mehr Könige und auch noch ärgere Verbrecher zugrunde gegangen, diese Propheten werden auch nicht davonkommen. Umgekehrt hat es wohl bedürftigere und elendere Leute gegeben, denen dennoch herrlich geholfen worden ist – auch wir werden nicht verlassen werden. Diese schlimmen Leute sind nicht die ersten, die getrotzt und geprahlt haben, ebenso sind wir auch nicht die ersten, die gelitten haben und geplagt gewesen sind. Siehe, so sollen wir uns die Propheten zunutze machen, so werden sie fruchtbar gelesen.
Dass aber mehr Drohungen und Strafen darin vorkommen als Trost und Verheißung, dafür ist der Grund klar zu erkennen. Denn zu jeder Zeit gibt es mehr Gottlose als Fromme, deshalb muss man immer viel mehr das Gesetz beachten als die Verheißungen, weil die Gottlosen ohnehin sicher sind und sehr behände, die göttlichen Tröstungen und Verheißungen auf sich, die Drohung und Strafe dagegen auf andere zu deuten. Und von solchem verkehrten Sinn und falscher Hoffnung lassen sie sich auf keine Weise abbringen. Denn ihr Reim heißt: Friede und Sicherheit, es ist keine Anstrengung nötig. Dabei bleiben sie und gehen dadurch ins Verderben, wie Paulus selbst sagt: Plötzlich kommt über sie das Verderben.
Weiter: Weil die Propheten am meisten über die Abgötterei schreiben, ist es nötig zu wissen, wie es mit ihrer eigenen Abgötterei ausgesehen hat. Denn bei uns unter dem Papsttum schmeicheln sich viele sehr und meinen, sie seien nicht solche Götzendiener wie die Kinder Israels. Deshalb beachten sie auch die Propheten nicht besonders, gerade in dieser Hinsicht, weil diese sie mit ihrem Strafen wegen der Abgötterei angeblich nichts angehen. Sie halten sich für viel zu rein und heilig, als dass sie Abgötterei treiben sollten. Und es käme ihnen lächerlich vor, dass sie sich vor dem Drohen und Schelten wegen der Abgötterei fürchten oder erschrecken sollten, genauso wie es das Volk Israel auch tat und es schlechterdings nicht glauben wollte, dass es götzendienerisch war. Das Drohen der Propheten sollte sogar nur erlogen sein und diese als Ketzer verdammt werden.
So verrückte »Heilige« waren die Kinder Israel allerdings nicht, dass sie schlichtes Holz und Stein angebetet hätten, insbesondere nicht die Könige, Fürsten, Priester und Propheten, die doch die größten Götzendiener waren. Vielmehr bestand ihre Götzendienerei darin, dass sie den Gottesdienst, der in Jerusalem (und wo es Gott sonst haben wollte) gestiftet und geordnet war, fahrenließen und nach eigener Vorstellung und Gutdünken, ohne Gottes Befehl, anderswo einen angeblich besseren stifteten bzw. errichteten und andere, neue Weisen, Personen und Zeiten dazu erdichteten, die ihnen Mose sehr nachdrücklich verboten hatte, besonders in Deuteronomium, Kap. 12, und sie immer an den Ort verwies, den Gott zu seiner Hütte und Wohnung auserwählt hatte. In dieser falschen Auffassung bestand ihr Abgötterei und erschien ihnen auch noch besonders großartig, und sie verließen sich darauf, als hätten sie alles bestens eingerichtet, obwohl doch lauter Ungehorsam und Abfall von Gott und seinem Befehl dahintersteckte.
Ebenso lesen wir im 1. Buch der Könige, Kap. 12, dass Jerobeam nicht nur die zwei Kälber aufstellte, sondern er ließ darüber hinaus dem Volk predigen: »Ihr sollt nicht mehr hinaufgehen nach Jerusalem, sondern siehe: Hier, Israel, ist dein Gott, der dich aus Ägypten geführt hat.« Er sagte nicht: »Siehe: Hier, Israel, ist ein Kalb«, sondern: »Es ist dein Gott, der dich aus Ägypten geführet hat.« Er bekennt klar, dass der Gott Israels der rechte Gott ist, der sie aus Ägypten geführt hat. Aber man brauche ihm nicht nach Jerusalem nachzulaufen, sondern finde ihn auch hier in Dan und Bethel bei den goldenen Kälbern. Man glaubte also, dass man ebenso gut vor den goldenen Kälbern wie vor einem heiligen Gotteszeichen Gott opfern und dienen könne, genauso wie man in Jerusalem vor der goldenen Lade Gott diente und opferte. Siehe, das heißt den Gottesdienst in Jerusalem zu verlassen und Gott, der diesen Gottesdienst geboten hat, damit zu verleugnen, als hätte er ihn nicht geboten. Und so bauten sie auf ihre eigenen Werke sowie ihre eigene Andacht und nicht auf Gott ganz allein.
Mit dieser Art von Andacht erfüllten sie danach das Land mit Abgötterei auf allen Bergen, in allen Tälern, unter allen Bäumen, bauten Altäre, opferten und räucherten, wobei dies alles dem Gott Israels gedient haben sollte. Wer etwas anderes sagte, war ein Ketzer und falscher Prophet. Denn das heißt eigentlich Abgötterei anrichten: ohne Gottes Geheiß aus eigener Andacht einen Gottesdienst ausüben. Denn Gott will in Wirklichkeit von uns nicht belehrt werden, wie ihm zu dienen ist, er will umgekehrt uns lehren und vorschreiben, sein Wort soll herrschen, uns leuchten und anleiten. Ohne sein Wort ist alles Abgötterei und nichts als Lüge, es glänze, wie andächtig und schön es immer wolle, worüber wir schon oft geschrieben haben.
Aus all dem folgt nun, dass bei uns Christen diejenigen Götzendiener sind und das Schelten der Propheten wahrhaftig verdienen, die neue Gottesdienste erfunden haben oder noch halten, ohne Gottes Befehl und Gebot, aus eigener Andacht und scheinbar guter Absicht. Denn damit richten sie ganz gewiss ihr Vertrauen auf ihre selbsterwählten Werke und nicht bloß und rein auf Jesus Christus. Das heißt dann bei den Propheten eine »Ehebrecherin«, die sich nämlich an ihrem Ehemann Christus nicht genügen lässt, sondern auch anderen nachläuft, als könne Christus ohne uns und unser Werk allein nicht helfen oder als hätte er uns nicht wirklich erlöst, sondern wir müssten auch noch etwas dazu tun. Obwohl wir doch genau wissen, dass wir rein gar nichts dazu getan haben, sondern dass er für uns gestorben ist und unsere Sünde auf sich genommen und am Kreuz getragen hat, nicht nur bevor alle Welt dies erkannte, sondern auch ehe wir geboren wurden. Das ist ebenso wenig und noch viel weniger, als die Kinder Israels dazu taten, als Ägypten und der Pharao geplagt wurde und als die Israeliten durch das Sterben der ägyptischen Erstgeburt frei wurden, was alles Gott ja ganz allein tat und sie überhaupt nichts dazu beitrugen.
Ja, sagen die christlichen Götzendiener: Die Kinder Israels dienten mit ihrem Gottesdienst Götzen und nicht dem richtigen Gott, wir aber dienen in unseren Kirchen dem richtigen Gott und dem einzigen Herrn Jesus Christus, denn wir wissen von keinem Götzen. Antwort: Das sagten die Kinder Israels auch und behaupteten allesamt, dass ihr Gottesdienst dem richtigen Gott diene, und wollten es wahrlich nicht ertragen, dass man ihren Dienst als Abgötterei bezeichnete, noch weniger als es unsere Geistlichen leiden wollen. Sie töteten sogar deswegen und verfolgten alle rechtschaffenen Propheten. Denn sie wollten wahrhaftig von keinem Götzen etwas wissen, wie uns das die Geschichtsbücher bestens berichten.
Denn so lesen wir im Buch der Richter, Kap. 17, dass die Mutter Michas, als er ihr die elfhundert Silberlinge erst genommen und dann wieder zurückgegeben hatte, zu ihm sprach: »Gesegnet sei mein Sohn dem Herrn, ich habe dieses Silber dem Herrn gelobt, das mein Sohn mir nehmen und ein Götzenbild daraus machen lassen wollte« usw. Hier hört man ja klar und deutlich, dass die Mutter den richtigen Gott meint, dem sie dieses Silber gelobt hatte, aus dem ein Götzenbild gemacht werden sollte. Denn sie sagt nicht: »Ich habe dieses Silber einem Götzen gelobt, sondern dem Herrn«, welches Wort allen Juden in der Weise bekannt ist, dass es den einzigen, richtigen Gott meint. Gleichwie es der Türke auch tut und mit seinem Gottesdienst den richtigen Gott nennt und meint, der Himmel und Erde geschaffen hat, desgleichen die Juden, Zigeuner und jetzt alle Ungläubigen. Dennoch herrscht bei ihnen allen nichts als Abgötterei.
Wie seltsam fiel ebenso doch auch der große Mann Gideon nach dem Buch der Richter, Kap. 8, eben damit, dass er zu den Kindern Israels (die begehrten, er und seine Kinder sollten ihr Herr sein) sprach: »Weder ich noch meine Kinder wollen euer Herr sein, sondern der Herr (das heißt: der richtige Gott) soll euer Herr sein.« Zwar nahm er die Kleinode, die sie ihm gaben, aber er machte weder Bilder noch einen Altar daraus, sondern nur Priesterkleider und wollte auch nur aus Andacht in seiner Stadt einen Gottesdienst haben. Dennoch sagt die Schrift, dass ganz Israel damit Hurerei getrieben habe und sein Haus sei darüber zugrunde gegangen. Trotzdem meinte der große, heilige Mann damit keinen Götzen, sondern den richtigen, einzigen Gott, wie die feinen, geistreichen Worte bezeugen, wenn er sagt: »Der Herr soll über euch herrschen und nicht ich« usw., womit er ja klar Gott allein die Ehre gibt und den richtigen Gott allein als Gott und Herrn bekennt und dafür gehalten haben will.
Ebenso haben wir oben schon gehört, dass der König Jerobeam im 1. Buch der Könige, Kap. 12, seine goldenen Kälber ebenfalls nicht Götzen nennt, sondern den Gott Israels, der sie aus Ägypten geführt hatte, der ja der richtige, einzige Gott ist, denn es hatte sie kein Götze aus Ägypten geführt. Und es war auch nicht seine Absicht, dass er Götzen anbeten wollte, sondern er fürchtete (wie der Text sagt), dass sein Volk von ihm zum König von Juda abfallen würde, wenn sie allein in Jerusalem Gottesdienst pflegen sollten, und erfand deshalb einen eigenen Gottesdienst, damit er sie bei sich behielte, und meinte dennoch damit den richtigen Gott in Jerusalem. Es sei lediglich nicht nötig, Gott nur in Jerusalem zu dienen.
Aber was bedarf es vieler Worte? Gott selbst bekennt, dass die Kinder Israels mit ihrem Gottesdienst keinen Götzen, sondern ihn allein gemeint haben. Denn so heißt es bei Hosea, Kap. 2: »Alsdann, sagt der Herr, wirst du mich ›meinen Ehemann‹ und nicht mehr ›meinen Baal‹ nennen, denn ich will die Namen der Baale aus ihrem Munde entfernen, dass man dieser Baale nicht mehr gedenken soll.« Hier muss man ja sehen, dass es wahr ist: Die Kinder Israels haben mit ihrem Gottesdienst keinen Götzen, sondern den einzigen richtigen Gott gemeint, wie es Gott hier bei Hosea klar ausspricht: »Du wirst mich nicht mehr ›meinen Baal‹ nennen.« Dabei war ja der Gottesdienst für Baal der größte, allgemeinste, herrlichste im Volk Israel. Dennoch war damit nichts als Abgötterei verbunden, ungeachtet sie den richtigen Gott damit meinten.
Deshalb hilft es unseren heutigen Geistlichen nichts, wenn sie vorgeben, dass sie keinem Götzen in ihren Kirchen und Stiften dienen, sondern allein Gott, dem richtigen Herrn. Denn du hörst hier, dass es nicht genügt zu sagen oder zu denken: Ich tue es Gott zu Ehren, ich meine den richtigen Gott, ebenso: ich will dem einzigen Gott dienen. Denn das sagen alle Götzendiener eben auch so. Es gilt nicht das Meinen oder Denken, sonst wären auch diejenigen Diener Gottes, die die Apostel und Christen gemartert haben, denn die meinten auch (wie Christus bei Johannes, Kap. 16, sagt), sie täten Gott einen Dienst damit. Auch Paulus gibt den Juden im Römerbrief, Kap. 10, ein Zeugnis, dass sie um Gott eifern, und in der Apostelgeschichte, Kap. 26, heißt es, dass sie mit Gottesdiensten Tag und Nacht zur verheißenen Seligkeit zu kommen hofften.
Vielmehr sehe ein jeder zu, dass er sicher ist, dass sein Gottesdienst durch Gottes Wort gestiftet und nicht aus eigener Andacht erfunden oder gut gemeint ist. Denn wer Gottesdienst ohne Zeugnis Gottes pflegt, der soll wissen, dass er nicht dem richtigen Gott, sondern seinem eigenen erdichteten Götzen, das heißt: seiner Einbildung, falschen Gedanken und damit dem Teufel selbst dient und dass die Worte aller Propheten gegen ihn sprechen. Denn solch ein Gott existiert nirgends, der sich Gottesdienst aufgrund unserer eigenen Wahl und Andacht, ohne seinen Befehl und Wort, stiften lassen will, sondern es ist nur ein Gott, der durch sein Wort allerlei Stände und Gottesdienst reichlich gestiftet und befohlen hat, wie der Dienst an ihm zu gestalten ist.
Dabei sollen wir bleiben und weder zur Rechten noch zur Linken davon abweichen, weder mehr noch weniger tun, es weder schlimmer noch besser machen. Sonst wird es mit dem Abgötterei kein Ende haben und kein Unterschied bestehen, was richtiger Gottesdienst oder Abgötterei ist, weil alle den richtigen Gott meinen und alle seinen richtigen Namen benutzen. Demselben einzigen Gott sei Dank und Lob durch Jesus Christus, seinen Sohn und unsern Herrn, in Ewigkeit gepriesen, Amen.
Bearbeitet von Karl-Heinz Göttert.
Quelle: Weimarer Ausgabe, Deutsche Bibel, Bd. 11,1, S. 2-14.