Nachdem Franz Rosenzweig nach dem Tod seines Vaters im Frühjahr 1918 das Kaddisch an dessen Grab gesprochen hatte, fertigte er eine eigene Übersetzung an, wobei er die Preisung nicht in der dritten, sondern in der zweiten Person vornahm:
Hochheilig preisen wir den grossen Namen
Im Weltall, das du schufst nach deinem Sinn.
Führ bald herbei dein Reich und lass uns in
Ihm leben samt den Deinen. Drauf sprecht: Amen.
Gelobt, erhöht, verherrlich möge werden
Dein Name, hoch ob allen Lobpreis fort
Und Spruch und Sang und jedes Trosteswort,
Das einer je ausfinden mag auf Erden.
Der grosse Friede, deiner, fliess uns zu
Vom Himmel her; dazu sei uns beschieden
Von dort her auch des äussern Lebens Ruh.
Du schaffest ihn in deinen Höhn, den Frieden;
Den selben hohen Frieden schaffe du
Bei uns und allen deinen hier hinieden.
Amen.
Quelle: Brief an Margrit Rosenstock vom 25. April 1918.
1921 übersetzte Rosenzweig das Kaddisch noch einmal neu, diesmal – dem Original entsprechend – in der dritten Person:
Daß gehöht / und daß geweiht / Sein Name sei / Im All erschaffen, wies Ihm fromm’, / und sein Reich, walt’ ers, komm’, / solang euch Leben / und Tag gegeben / und beim Leben von ganz Haus Israel, / daß das bald so / und in naher Zeit – / Drauf sprecht: Amen / Sei Sein Nam’ erhoben / Welt auf Welt auf Ewigkeit. / Daß bedankt / und daß genannt / und daß umglänzt / und daß erhöht / und daß gefeit / und daß umkränzt / und daß geweiht / und daß gelobt / des Heilgen Name – Ihm Ruhm – / Ob allem hoch / was Preises Zungen / je Sang gesungen / je Klang erschwungen / je Trost geklungen, / in dieser Welt Worten – / Drauf sprecht: Amen. / Sein großer Friede komm von oben / und Leben herab uns / und ganz Israel – / Drauf sprecht: Amen. / Der Friede macht auf seinen Höhn, / der mache Friede über uns / und über ganz Israel – Drauf sprecht: Amen.
Quelle: Franz Rosenzweig, Gesammelte Schriften, Bd 4: Sprachdenken im Übersetzen, Teil 1: Hymnen und Gedichte des Jehuda Halevi, hrsg. von Rafael N. Rosenzweig, Den Haag: Nijhoff 1983, S. XIV.