Hans Jochen Margull, Christliche Mission (RGG3, 1960): „»Die Mission ist Christi Mission, nicht unsere eigene« (Weltmissionskonferenz Ghana 1958). Denn nur in dieser Teilhabe gehört die Mission der Kirche zum eschatologischen Geschehen, ja trägt sie das Christusgeschehen in seiner direkten Bezogenheit auf die Welt aus, wie sie nur so das Handeln Gottes mit der Welt in der Spannung des Weltendes darstellen kann.“

Christliche Mission

Von Hans Jochen Margull

A. Begründung und Ziel

1. Zur Forschung

Die Frage nach Begründung und Ziel der Mission ist seit etwa 1950 immer stärker Gegenstand der ökumenischen Diskussion geworden. Sie brach auf der Weltmissionskonferenz von Tambaram 1938 auf und wurde bes. im Zusammenhang mit den Konferenzen von Willingen 1952 und Evanston 1954 für das Verständnis der Kirche, ihrer Einheit und Aufgabe, also als ökumenisch höchst bedeutsam erkannt. Die bisher geleistete intensive Vorarbeit zeigt deutlich eine z. T. scharfe Distanzierung von traditionellen kontinentalen und angelsächsischen Ergebnissen. Anlaß und Vorbereitung dieser Arbeit waren und sind die Distanzierungen von der Missionswissenschaft des 19. Jh.s, wie sie im Zusammenhang mit der theologischen Neubesinnung nach dem 1. Weltkrieg bes. in Holland, Deutschland und in der Schweiz erfolgten und sich gegenwärtig in einer Reihe neuer Arbeiten zeigen. Dabei stand auf dem Kontinent zunächst die Auseinandersetzung mit dem System G. Warnecks im Mittelpunkt. Warneck hatte die Mission sechsfach begründet: dogmatisch, ethisch, biblisch, kirchlich, historisch und ethnologisch. Dabei dominierte der für seine Vorgänger und unmittelbaren Nachfolger geradezu tragische Zwang zu einer Apologie der Mission. Unter Mission war die neuere Gesellschafts-Mission, freilich unter spezifischer Herausarbeitung des Sendungsbegriffes, verstanden worden. Demgegenüber wurde unter Konzentration auf die alleinige Dynamik des biblischen Wortes, unter Kritik bestimmter theologischer Verschiebungen oder Verengungen, unter radikaler Ablehnung des Kultur- und Kolonial-Motivs wie des Philanthropismus und nicht zuletzt im Hinblick auf neue Ansätze im Problem von Kirche und Mission sichergestellt, daß es nur eine, nämlich die biblische Begründung der Mission gibt. Hinsichtlich des Zieles der Mission, das Warneck in der »Pflanzung und Organisation der Kirche unter Nichtchristen« sah, wurde erkannt, daß es nur streng christologisch zu beschreiben sei. Mit diesen beiden grundsätzlichen Resultaten ist jegliche apologetische Bemühung um die Mission antiquiert. Ihre Begründung kann demzufolge nicht als Versuch ihrer Rechtfertigung verstanden werden; sie ist exegetische und systematische Erarbeitung dessen, was Mission ist und sein soll. Das Problem wird deshalb in der ökumenischen Diskussion unter dem Stichwort »Theologie der Mission« behandelt. Grundthese einer solchen Theologie ist: Mission kann nur unter dem grundlegenden Aspekt der (trinitarisch zu verstehenden) Mission Gottes gesehen werden.

2. Biblischer Befund

a) Im AT ist das Geschehen, das nach Christus seinen Ausdruck in der Mission fand, Gegenstand der prophetischen Enderwartung. Verheißen wird die Sammlung der Völker und ihre Eingliederung in das Gottesvolk durch Jahwes Eingriff in die Geschichte der Menschheit, in dem der geschichtsmächtige Herr der Völker im Gericht an ihnen und eben in ihrer Sammlung zu seinem und der Völker Ziel kommt. – In der prophetischen Schilderung der Völkerwallfahrt zum Zion (Jes 2, 1-4 = Mi 4, 1 ff.; vgl. Jer 3, 17; Jes 25, 6-9; 60; Hag 2, 6-9; Sach 8, 20 f.) wird – parallel einigen Aussagen vom Königtum Gottes (Ps 46; 48 u. ö.) – beschrieben, wie die Völker am Ende der Tage zum Jahweberg ziehen und dort nach Jahwes Weisung fragen. Gedacht ist an einen »zentripetalen« Vorgang (Sundkler); nicht Israel wird zu den Völkern gesandt, schon gar nicht einzelne Israeliten (vgl. jedoch Jon 1, 1 f.; Jes 66, 18), sondern die Völker versammeln sich am »Nabel der Erde« (Ez 38, 12) auf Grund der Epiphanie Jahwes. In ihr wird der geschichtliche Ort der Weisung offenkundig und d. h. zwangsläufig weltkundig: im Herzukommen der Völker vollzieht sich die verheißene Gottesherrschaft. Jes 60, 1 ff. wird interpretiert: die Völker, die Dunkelheit bedeckt, sehen die Lichtglorie Jahwes über Jerusalem, strömen herbei und verkündigen (LXX: euangeliountai) Jahwes Ruhmestaten. – In gleicher Überbietung der vom Bund umgrenzten Erwählung wird bei Dtjes Jahwes endgeschichtliches Handeln an den Völkern verheißen. Deshalb richtet er seine Botschaft an die Welt (49, 1), womit deutlich wird, daß Jahwe gerade als Gott Israels Herr der Völker ist. Dabei konzentriert sich für Dtjes alles auf die Rückkehr Jahwes zum Zion (52, 7-10), auf die »Epiphanie des Gottes Israels vor den Augen aller Welt« (Kraus). Der Kampf, den Jahwe Israels wegen mit Babylon führt (42, 10-17), wird als Offenbarung seiner Einzigkeit vor der Welt (40, 5; 49, 26; vgl. u. a. 1Kön 8, 59 f.) gesehen. Auf das endgeschichtliche Gericht Gottes läuft die Geschichte zu. Für dieses Gericht erhält Israel die Aufgabe, Zeuge zu sein; aber es ist eine beachtenswerte »missionarische« Aufgabe: das Volk Gottes kann in seiner Blindheit und Taubheit nur passiver Zeuge sein, es repräsentiert einzig mit seiner Geschichte Jahwes Handeln und ist als Israel unübersehbarer Hinweis auf seine hl. Unbedingtheit (42, 18 ff.; 43, 8-13). Israel soll also nur wirklich Israel sein (40, 1 ff.). Deshalb wird der Knecht Jahwes (42, 1) auch zuerst Israel verkündigt (vgl. 40, 1-11; 52, 6 ff.), der Leidende für die »Vielen« (52, 13 ff.), das »Licht der Völker« (42, 6; 49, 6; 51, 4), dessen Zeugnis die Völker herbeizieht.

b) Der Befund im NT erschließt sich im Blick auf die at. Verheißung, auf deren Erfüllung gehofft wird – weshalb eine Heiden-Mission Jesu und der Jünger zunächst ausgeschlossen bleibt – und die schließlich geglaubt wird: Im Kreuz Jesu Christi geschieht Gottes Gericht an Israel und den Völkern, im Karfreitags- und Ostergeschehen ereignet sich die eschatologische Gottesherrschaft, und zwar in ihrer ganzen Konsequenz für die Ökumene (Phil 2, 10 f.; Jes 45, 20-24). Dieser Glaube hat für die Mission ausschlaggebende Bedeutung: er ermöglicht sie (wenn man nach ihrem Recht fragt), wichtiger aber und richtig ist, daß er sie wesenhaft fordert.

Jesus hat an der jüdischen Mission scharfe Kritik geübt (Mt 23, 15); sie ist eigenmächtige Vorwegnahme der erst für die Endvollendung verheißenen Sammlung der Völker durch Gottes Tat. Er hat den Jüngern die Verkündigung an die Heiden untersagt (Mt 10, 5 f.) und erklärt, daß er »nur zu den verlorenen Schafen des Hauses Israel gesandt« sei (Mt 15, 24). Die Sendung der Zwölf (Mt 9, 35 – 10, 16 par) und der Siebzig (Lk 10, 1-16), die man von einem bloß funktionalen Begriff der Sendung her als Missionsunternehmen Jesu zu sehen pflegte, hat mit genuiner Mission im Sinne der Heiden-Mission nichts zu tun (wiewohl Lk 10 – falls nicht Dublette von Lk 9, 1-6 – ein Hinweis auf die Mission sein dürfte, nämlich auf Grund der jüdischen Vorstellung von den 70 Völkern, die es auf der Erde gibt). Die Sendungen richten sich vielmehr an Israel, dem die Verkündigung von der nahenden Gottesherrschaft (Mk 1, 15) zuerst (prôton: Mk 7, 27, vgl. Apg 3, 26; 13, 46; Röm 1, 16) und darin ganz gilt: die Zwölf sind die Repräsentanten des eschatologischen (wiederhergestellten) Israel. Dazu stimmt auch Mt 8, 5-13 par (vgl. Mk 7, 24-30 par): es ist der heidnische Centurio, der sich in der anbrechenden Gottesherrschaft ihrem Träger naht und unter der Prärogative Israels nur die Fernheilung (vgl. Mk 7, 29) erbittet. An seinem Glauben wird die »zentripetale« Vorstellung von der Sammlung der Völker, in die die Vorstellung vom eschatologischen Mahl eingeschlossen ist, verdeutlicht (Mt 8, 11 f.; Lk 13, 28 f.; vgl. Mt 22, 1-10). Sie zeigt sich ebenfalls Mt 2, 1-12 und an der Bedeutung Jerusalems (vgl. u. a. Mt 5, 35; Mk 11, 17 par; Apg 1-7). Jesus ist, wie auch Paulus weiß, »Diener der Beschneidung« (Röm 15, 8). – Dieser Befund von Jesu eschatologischer Sendung an Israel steht in starker Spannung zu ihrer Bedeutung für die Ökumene (Röm 15, 9 ff.). Sie hat Joh 12, 20-32 einen theologisch wichtigen Ausdruck gefunden: Griechen kommen (als Vertreter der Heidenwelt), um Jesus zu sehen, und angesichts dieser Tatsache wird erklärt, daß die Zeit des Gerichts gekommen, daß mithin nun Eschaton ist. Für die Frage nach Begründung und Ziel der Mission ist diese Stelle deshalb aufschlußreich, weil sie vom at. Aspekt der endgeschichtlichen Mission Gottes her (s. 2a) die neue Situation erhellt, die mit dem Bußruf Jesu an Israel, seiner Vollmacht zur Sündenvergebung (Mk 2, 1-12 par) und mit der Proklamation vom Ende des alten Äons (Mt 11, 5; 12, 28 par) eingetreten ist. Des Endes wegen und um des zum Ende hin verheißenen Herzukommens der Heiden willen ist Jesus zu Israel gesandt. U.a. aus Mt 10, 5 f. und 15, 24 zu schließen, daß die Mission nicht im Horizont Jesu gelegen habe (A. v. Harnack), ist somit eine unzulässige historische Verengung eines theologisch viel weiträumigeren Sachverhalts. Da die nahe Gottesherrschaft, auf die die prophetischen Verheißungen drängen, notwendig die Ökumene einschließen muß, geht es jetzt ganz um den Gehorsam Israels. Der Gegensatz von »Partikularismus« und »Universalismus« ist daher falsch. Der Jesus von Mt 15, 24 löscht nicht nur die Rache der jüdisch-apoka­lyptischen Erwartung (Lk 4, 19 = Jes 61, 2; Mt 11, 5 f. par) und weist auf den Samariter (Lk 10, 29-37; vgl. 17, 16), sondern er verheißt dazu die Auferstehung der Heiden (Mt 11, 22 par; vgl. 10, 15 par; 11, 24) und den Freispruch für viele im kommenden Gericht (Mt 25, 34). Angesichts des Gerichtes wird die ganze Menschheit dem Richter unmittelbar; angesichts der universalen Bedeutung der Gottesherrschaft entscheidet sich Rettung und Verwerfung an ihrem Träger, der sie selbst ist (Mk 11, 9 f.; vgl. Joh 1, 14) und in dem die neue, »ökumenische« Situation besteht. Israel, das als ekklêsia (qahal) der Gottesherrschaft »zuerst« gerufen ist, verwirft ihn (Mk 6, 1-6 par; Mt 22, 3 par; vgl. Röm 11, 11; Apg 2, 23) und damit sich selbst (Mt 8, 12; 21, 43). – Freilich kann man von dieser Verwerfung nicht als von einer »Bedingung« für die Mission oder von dieser als einer direkten Folge der Verwerfung (trotz Apg 13, 46 u. a.) reden und dabei meinen, daß die Mission historisches Produkt der Katastrophe im Wirken Jesu sei. Vielmehr gilt: »Die Folge der Verwerfung Jesu… war nicht unmittelbar die Heiden- Mission, sondern sein Tod am Kreuz. – Wenn Israel ihn verwirft, geht er nicht ins Heidenland, sondern nach Jerusalem…« (D. Bosch). Das Kreuz ist die Begründung der Mission (Joh 12, 24. 31 f.), das Gericht »für viele« (Mk 14, 24; vgl. Jes 53, 11 f.), in dem Gott mit der ganzen Welt handelt (Joh 11, 52).

Die eschatologische Bedeutung des Kreuzes impliziert nicht nur die Mission als solche, sondern auch ihren eschatologischen Charakter bzw. sie selbst als eschatologisches Geschehen (1Kor 11, 26). Mk 13, 10 (Mt 24, 14) spricht unter Verwendung des gleichen dei von der heilsgeschichtlichen Notwendigkeit der Mission, das u. a. Lk 24, 7 zur Charakterisierung des Christusgeschehens verwendet wird; hinsichtlich der missionarischen Aufgabe des Jüngers wird aufsein Leiden gedeutet (vgl. 2Kor 4, 7 ff.; Kol 1, 24), unter dem sich das Geschehen der Mission vollzieht (Mt 24, 9) und auf das es hinausläuft (Mk 13, 9). Mt 28, 18-20 (vgl. Lk 24, 46-49; Joh 20, 21-23; Apg 1, 8; Mk 16, 15-18) wird der Befehl des Kyrios zur Proklamation der nun für die Ökumene (vgl. Röm 10, 12) wirksam gewordenen Gottesherrschaft (vgl. Dan 7, 13 ff.) ausgerichtet und damit zur Sendung (vgl. Mt 22, 9) aufgerufen. Daß es um (»zentrifugale«) Sendung geht, freilich um Sendung zur Sammlung, daß die verheißene Sammlung der Völker nur im Anbruch geschieht, zeigt die Spannung, in die die Mission im Endgeschehen gestellt und von der sie ganz und gar charakterisiert ist. Sie ist im »Schon-jetzt« des Endes ihr Zeichen, gleichzeitig aber im »Noch-nicht« des Weltkundigseins Gottes die Funktion auf das Ende hin (Mt 24, 14): die Sendung ist der Anbruch der in der Endvollendung stehenden Sammlung (vgl. Mt 24, 31); ihr Vollzug hat darauf wesenhaft Bezug, ohne aber einfach Entwicklung oder Bedingung für die Endvollendung zu sein. – Mk 13, 10 zwingt sachlich keineswegs zu dem Schluß, daß die universale Erfüllung der Missionsaufgabe Voraussetzung der Endvollendung sei. Ein solcher Gedanke ist auch nur möglich, wenn man die Mission aus der Spannung von Gegenwärtigkeit und Zukünftigkeit des Endes löst und sie mit Hilfe einer formalen Schematisierung der Zeit zwischen Kreuz und Parusie, zu der das LkEv und die Apg Anlaß zu geben scheinen (u. a. Lk 21, 24), verselbständigt. Der eschatologische Charakter der Mission ist dann einseitig nur von der Zukünftigkeit des Endes, aber nicht auch von seiner Gegenwärtigkeit her gesehen; Mission zielt dann lediglich aufs Ende (und wird darin missionsgesellschaftlich oder kirchlich funktionalisiert) und ist nicht mehr nt. eschatologisches Geschehen im Ende selbst: »die Mission gehört mit zur Epiphanie, in ihrem Wirken offenbart sich der Kyrios als der Herr der ganzen Welt« (H. W. Bartsch). Einziges Kriterium für die temporale Bestimmung der Mission im Bezug auf die Endvollendung ist darum der sie treibende Christus selbst (Joh 20, 21 f.), der in der Spannung seiner Gegenwärtigkeit und Zukünftigkeit mit der Sendung immer schon die Sammlung meint (vgl. Röm 11, 25 f.) also im Endgeschehen von Kreuz und Auferstehung die Endvollendung in der Parusie glauben läßt.

Wie der Kyrios durch den Hl. Geist selber Träger der Mission (Mk 13, 11; Lk 10, 16; 2Kor 5, 20) und der Jünger durch sein Zeugnis nur leidender Zeuge ist, so ist der Kyrios auch das Ziel der Mission (Phil 2, 11; vgl. Joh 5, 23; Röm 14, 9). Der Hl. Geist, in dem die Sendung Mission Gottes in Jesus Christus ist, wirkt im Apostel das Christuszeugnis (2Kor 4, 5; 1Thess 2, 9; 1Joh 1, 3; 4, 14), seine Verkündigung richtet sich auf den Gehorsam des Glaubens (Röm 1, 5; 16, 26), sie zielt auf das neue Gottesvolk aus den Heiden und aus Israel (Röm 9-11), auf das die »schon« gesammelte Gemeinde (vgl. 2Kor 5, 17) ihre Hoffnung (: III) als Hoffnung (Röm 15, 12; 1Tim 4, 10; 1Petr 1, 13) auf das Offenkundigwerden Gottes vor der ganzen Ökumene setzt (Apk 21, 3).

Im Apostolat des Paulus wird das Christusgeschehen als zentral missionarisches verstanden und in der Heiden-Mission aktualisiert.

3. Systematische Überlegungen

Zu unterscheiden, freilich nicht voneinander zu trennen sind die Mission Gottes als die im Christusgeschehen sich ereignende eschatologische Sammlung des Gottesvolkes und die Mission der Kirche(n), die in den ersten Jh.en sonderlich in spontanen, in neuerer Zeit in sozietär organisierten Missionsveranstaltungen zum Ausdruck gekommen ist. Eine Identifizierung führt auf der einen Seite zur Beschränkung des Christusgeschehens und zur Herauslösung des Lebens der Kirche aus der Mission, auf der anderen Seite zur Verabsolutierung der historischen Sendungsveranstaltungen. Von der Mission der Kirche ist dagegen nichts anderes zu sagen, als daß sie im Gehorsam gegen ihren Missionsauftrag immer nur an der weit umfassenderen (geglaubten) Mission Gottes teilhaben kann. Auf diese Teilhabe muß sie ganz und gar ausgerichtet sein: »Die Mission ist Christi Mission, nicht unsere eigene« (Weltmissionskonferenz Ghana 1958). Denn nur in dieser Teilhabe gehört die Mission der Kirche zum eschatologischen Geschehen, ja trägt sie das Christusgeschehen in seiner direkten Bezogenheit auf die Welt aus, wie sie nur so das Handeln Gottes mit der Welt in der Spannung des Weltendes darstellen kann.

Diese grundlegende Feststellung kann gar nicht streng genug durchgeführt werden. Es zeigt sich immer wieder, wie trotz des Wissens um die Begründung der Mission im Christusgeschehen diese doch (und nicht nur praktisch) als Mission einer Kirche oder einer als wahre Gemeinde postulierten Gruppe von Christen verstanden wird, wobei wenigstens lebensmäßig die Entfaltung des Christseins in einer Welt handgreiflicher »Finsternis« die Mission motiviert. Im gleichen Bereich des Mißverständnisses liegt gegenwärtig der Ruf nach der Mission der Kirchen, wenn er vielerorts nichts anderes als ein Ruf nach Aktivität ist und dabei völlig übersehen wird, daß das Tun des Glaubens keineswegs in sich missionarisch zu sein braucht, das Missionarische vielmehr ganz an die Weltbezogenheit des eschatologischen Christusgeschehens gebunden ist. Nicht von der pietas christiana her kann Mission verstanden und betrieben werden, sondern allein im gehorsamen Glauben des verbum externum (W. Holsten), das allein Christus verkündigt und von dem her allein Christus als Heiland und Herr der Welt verkündigt werden will. – Ebenso kurzschlüssig ist es, die Mission in der Existenz der Kirche(n) und ihrer Aufgabe der Verkündigung begründet sehen zu wollen. Ganz abgesehen davon, daß die Mission hierin wesenhaft der Gefahr ausgesetzt wäre, Ausbreitung und Entfaltung der Kirche in ihren je vorfindlichen historischen Fixierungen zu sein, ja zu christlicher Selbstdemonstration zu degenerieren und ihr Ziel in der bloßen Pflanzung von (Tochter-)Kirchen zu finden, ist es einfach die biblische Tatsache, daß Mission und Kirche je unmittelbar, ohne jedoch voneinander getrennt werden zu können, zum Ereignis des Christusgeschehens stehen, die eine solche, meistens im Schatten der Verabsolutierung der Kirche wachsende Position nicht zuläßt. Es ist deshalb theologisch unsinnig, die Mission – wie es gegenwärtig an vielen Stellen geschieht – in den Bereich der zwischenkirchlichen Hilfe hinein aufzulösen. Begründet man freilich die Mission in der Existenz der Kirche, so muß sie zwangsläufig als Mission in dem Augenblick aufhören und zur helfenden Brücke von Kirchen zu Kirchen werden, in dem unter der Verkündigung einer »alten« Kirche eine »junge« Kirche gewachsen ist. Steht die jeweilige Mission aber in der Teilhabe an der Mission Gottes und hat sie hierin ihren Grund und ihr Ziel, so muß sie mit der »jungen« Kirche über diese hinausschreiten weiter in die Welt hinein. Sie hat sonst mit ihrem Bezug zur Mission Gottes auch den primären Bezug zur Welt, zum konkreten Gegenüber des Heidentums verloren. Der zwischenkirchlichen Hilfe oder ökumenischen Diakonie muß es dagegen darauf ankommen, den (meist »jungen«) Kirchen gerade in ihrer Mission zu dienen.

Die Teilhabe der Mission der Kirche an der Mission Gottes bestimmt nun aber auch das Verhältnis von Kirche und Mission: »Man kann nicht an Christus teilhaben, ohne teilzuhaben an seiner Mission an die Welt« (Willingen). In der sog. Theologie des Apostolats, die in den Niederlanden entwickelt worden ist, wird bes. von J. C. Hoekendijk die Kirche in das Apostolat hineingenommen und darin der missionarischen Bewegung des Handelns Gottes an der Welt untergeordnet. Mißverständlich hat gewirkt, daß im Begriff des Apostolats nur ein Ersatz für den Begriff der Mission im Sinne der Missionsveranstaltung gesehen wurde. Mit Apostolat aber ist weder diese noch eine Tätigkeit gemeint, die von gleicher Qualifikation wie die der Apostel wäre, sondern die Aktualisierung des eschatologischen Christusgeschehens in seinem wesenhaften Bezug zur Welt, das (nuanciert) u. a. von K. Hartenstein, W. Freytag und G. Vicedom im Begriff der Mission Gottes kenntlich zu machen versucht wurde. Auch die Kirche kann nur in der Teilhabe am eschatologischen Handeln Gottes wirklich Kirche sein. Sowohl die Mission der Kirche als auch diese selbst sind keine eigenbestimmten Größen, sondern gehören in die Mission Gottes hinein. In der engen Bezogenheit von Sendung und Sammlung (s. 2b) ereignet sich in ihnen der Anbruch der universalen Christusherrschaft, wenn sie sich beide ohne (je verschiedene) Reserven der Mission Gottes an die Welt öffnen. In der Theologie des Apostolats wird die sozietäre Missionsveranstaltung ebenso aus ihren mancherlei Verengungen herausgerufen wie die Kirchen aus ihrem Verharren bei sich selbst. In ihr drängt der biblische Befund zu theologischen und praktischen Konsequenzen.

Ebensowenig wie die Begründung der Mission der Kirche kann ihr Ziel ekklesiologisch bestimmt werden. Freilich spielt die Kirche für die Mission eine hervorragende Rolle. Indem sie Menschen zur Bekehrung und zur Taufe, zum Glauben und Empfangen des Herrschaftswechsels, zur Hoffnung ruft, sammelt sie kraft des Hl. Geistes zum Gottesvolk. Im Augenblick der Taufe entsteht – auch wenn das bestimmte Missionsveranstaltungen nicht beabsichtigen sollten – Kirche, wie klein unausgebildet sie auch immer sein mag. Mit der Taufe übernimmt sie die Verantwortung, die Getauften zu eigener Verkündigung und rechter Verwaltung der Sakramente zu leiten, also Kirche zu bauen. Aber eine plantatio ecclesiae könnte nur ihr Ziel sein, wenn sich die eschatologische Sammlung des Gottesvolkes in der Gründung und schließlich in der Summe von Kirchen erfüllte. In der Spannung von Gegenwärtigkeit und Zukünftigkeit des Endes und damit der Herrschaft Christi sind die Kirchen aber nur Anbruch der zur Vollendung verheißenen Sammlung, auf die die Sendung der Kirche als faktische Sendung der Kirchen zielt. Die Kirchen, in denen »schon jetzt« die Sammlung geglaubt werden darf, in denen »das Volk Gottes auf Erden schon teilhaben darf an der Anbetung der Kirche im Himmel« (L. Newbigin), sind selbst zur Sendung gerufen (vgl. Mt 5, 14 ff.; 1Kor 11, 26). Die Mission der Kirche hat in der Teilhabe an der Mission Gottes ihr Ziel im Offenkundigwerden der Herrschaft bzw. des Reiches Gottes. Sie ist damit auf den Tag gerichtet, an dem Gott alles in allem sein wird (1Kor 15, 28). Als eschatologisches Geschehen im Ende, von dem sie zeugt, ist sie erst in dem Augenblick beendet, in dem die Spannung des Endes in seiner Erfüllung aufgehoben ist.

Aus dieser Bestimmung der Mission ergeben sich einige wichtige Folgerungen. Mission kann unter keinen Umständen Propaganda des Christlichen sein (M. Kähler) oder diese mitführen; sie kann natürlich auch nicht als Ausbreitung des Christentums verstanden werden. Mission ist einzig und allein Sendung zur Bezeugung der Liebe Gottes im gekreuzigten und auferstandenen Herrn Jesus Christus. In den mancherlei »Missionen«, die gegenwärtig von West nach Ost, aber auch von Ost nach West gehen, hat sie hierin ihr unvergleichliches Spezifikum. Darin wird sie selbst, bar jeder religiösen und kulturellen Eindrucksfülle (Absolutheit des Christentums) und in der gegenwärtig offensichtlichen Situation der Erfolglosigkeit (z. B. China), Zeichen Christi in der Welt. Sie deutet damit bereits in ihrer Gestalt auf die Andersartigkeit, die Wirklichkeit des Glaubens. – Richtpunkt kann folglich nicht im entferntesten die Verbesserung der Welt sein, wiewohl die jeweilige Mission in der Konsequenz ihrer Botschaft für die Änderung bestimmter Verhältnisse einzutreten hat. Richtpunkt ist die Zukunft des Menschen in Jesus Christus, ist sein Leben in Hoffnung. – Dabei kann sich die Mission, wenn sie ihrem Wesen nicht untreu werden will, primär immer nur auf den Menschen ohne Christus richten und nicht auch Aktion, eben im Mißverständnis der Mission als Aktivität, zur Erweckung innerhalb der Kirche sein. Ihr Gegenüber ist der Mensch der Nicht-Kirche, der sich der Zukunft in der Religion und nun auch im religionshaften Säkularismus entschlossen gegen Gott bemächtigt. Gerade im Ernstnehmen dieser genuin missionarischen Spitze wird nun aber auch in der Gegenwart das traditionelle Missionsgebiet vornehmlich in Asien und Afrika entschränkt. Mission ist – freilich immer unter dem theologischen Korrektiv der Heiden-Mission – die Sendung der Kirche in alle Bereiche des Menschen ohne Christus. Nur so erfüllt die Mission der Kirche ihren Auftrag zur Bezeugung der eschatologischen Gottesherrschaft in der ganzen Welt. Die neue, vor allem auch Europa einschließende missionarische Situation stellt die Kirchen vor die Frage ihrer missionarischen Dimension und damit vor die Konsequenzen ihrer objektiven Teilhabe an der Mission Gottes.

Lit.: Zu 1: G. WARNECK, Ev. Missionslehre, 5 Bde, 1892-1900 (zur Auseinandersetzung zwischen G. WARNECK, E. TROELTSCH u. W. BOUSSET vgl. AMZ 34, 1907, 3-15. 49-61. 105-122; ZMR 22, 1907, 129-139. 161-166. 321-335. 353-362) – S. KNAK, Missionsmotiv u. Missionsmethode unter der Fragestellung der dialekt. Theol. (Botschafter an Christi Statt, hg. v. M. SCHLUNK, 1932, 58-80) – H. SCHÄRER, Die Begründung der Mission in der kath. u. ev. Missionswiss., 1944 – W. FREYTAG, Missionary Thinking in Germany in Recent Yean (IRM 35, 1946, 391-397) – H. DÜRR, Sendende u. werdende Kirche in der Missionstheol. G. Warnecks, 1947 – J. C. HOEKENDIJK, Kerk en Volk in de Duitse Zendingswetenschap, Amsterdam 1948 (Lit.) – H.-W. GENSICHEN, Grundzüge heutigen Missionsdenkens in Deutschland (EvTh 11, 1951, 259-267) – J. BLAUW, De voornaamste trekken in het Missionaire denken in Nederland sinds 1945 (Heerbaan 5, 1952, 25-39. 63-77) – W. HOLSTEN, Das Kerygma u. der Mensch, 1953 (Lit.) – W. ANDERSEN, Auf dem Wege zu einer Theol. der Mission, 1957. – Zu 2: O. CULLMANN, Le caractère eschatologique du devoir missionnaire et de la conscience apostolique de Saint Paul (RHPhR 16, 1936, 210-245) – B. SUNDKLER, Jésus et les paiens, Uppsala 1937 – O. MICHEL, Gottesherrschaft u. Völkerwelt (EMZ 2, 1941, 225-232) – DERS., Menschensohn u. Völkerwelt (ebd. 257-267) – DERS., Der Abschluß des MtEv (EvTh 10, 1950/51, 16-26) – H. H. ROWLEY, The Missionary Message of the OT, London 1944 – K. BARTH, Auslegung von Mt 28, 16-20, 1945 -W. G. KÜMMEL, Verheißung u. Erfüllung, (1945) 19563 – J. BLAUW, Goden en Mensen, Groningen 1950 – F. M. TH. DE LIAGRE-BÖHL., Missions- u. Erwählungsgedanke in Alt-Israel (Festschr. A. Bertholet, 1950, 77-96) – G. STÄHLIN, Die Endschau Jesu u. die Mission (EMZ 7, 1950, 97-105. 134-147) – E. LOHMEYER, Mt 28, 16-20 (In memoriam E. Lohme­yer, 1951, 22-49) – H. W. WOLFF, Israel u. die Völker bei Dtjes (EMZ 8, 1951, 1-14) – W. MANSON, Bist Du, der da kommen soll?, 1952 – H. R. BOER, Pentecost and the Missionary Witness of the Church, Franeker 1955 – J. JEREMIAS, Jesu Verheißung für die Völker, 1956 (Lit.) – D. BOSCH, Die Heiden-Mission in der Zukunftsschau Jesu (AThANT 36), 1959 (Lit.) – P. MAY, Towards a Biblical Theology of Mission (Indian Journal of Theol. 1959, 21-28) – H. W. BARTSCH, Die Passions- u. Ostergeschichten bei Mt (Basileia, hg. v. J. HERMELINK u. H. J. MARGULL, 1959, 27-41) – P. S. MINEAR, Gratitude and Mission in the Epistle to the Romans (ebd. 42-48). – Zu 3 (vgl. die Lit. zu 1 u. zu Hoffnung: III): K. HARTENSTEIN, Mission als theol. Problem, 1933 – H. KRAEMER, Die christl. Botschaft in einer nichtchristl. Welt, 1940 – W. FREYTAG, Mission im Blick aufs Ende (EMZ 3, 1942, 321-333) – DERS., Vom Sinn der Welt-Mission (ebd. 7, 1950, 1-8; EMM 94, 1950, 67-75; engl. IRM 39, 1950, 153-161) – DERS., Mission u. Oekumene (Dt. Ev. Welt-Mission 1952, 3-10) – DERS., Mission zwischen Gestern u. Morgen, 1952 – DERS. (Hg.), Mission in der gegenwärtigen Weltstunde, 1958 – C. W. RANSON (Hg.), Renewal and Advance, London 1948 – M. A. C. WARREN, The Truth of Vision, ebd. 1948 – DERS., The Christian Mission, ebd. 1951 – J. C. HOEKENDIJK, The Call to Evangelism (IRM 39, 1950, 162-175) – Rapport uitgebracht van de Nederlandse Zendingsraad… (Heerbaan 4, 1951, 197-221) – W. HOLSTEN, Mission als eschatol. Geschehen (Theol. u. Liturgie, hg. v. L. HENNIG, 1952, 183-196) – DERS., Reformation u. Mission (ARG 44, 1953, 1-32; Lit.) – BARTH, KD IV/1, 795 ff.; IV/3, 780 ff. – N. GOODALL (Hg.), Missions under the Cross, London 1953 – A. A. VAN RULER, Theol. des Apostolats (EMZ 11, 1954, 1-21) – J. H. BAVINCK, Inleiding in de Zendingswetenschap, Kampen 1954 – G. VICEDOM, Missio Dei, 1958 – EKL II, 1389 f. – JAMES OF MELITA, The Orthodox Concept of Mission and Missions (Basileia [s. o.], 76-80) – L. NEWBIGIN, Die eine Kirche, das eine Evangelium, die eine Welt, 1959 – H. J. MARGULL, Theol. der missionarischen Verkündigung, 1959, 15 ff. 51 ff. (Lit.).

B. Missionarische Verkündigung (Methode)

Die Mission der Kirche geschieht durch Menschen. Die Frage nach der Methode der Mission ist eine Frage nach dem rechten Gehorsam dieser Menschen in der missionarischen Verkündigung. Sie darf keine Frage nach dem »Rezept« sein, das größtmögliche Wirkung verspricht. Es geht in der missionarischen Verkündigung um Hingabe im Glauben, nicht um Taktik.

1. Der Missionar

Der Begriff der missionarischen Verkündigung ist weder zu eng noch zu weit zu fassen; er ist nicht auf die Predigt beschränkt, noch beschreibt er die gesamte Lebensäußerung der Kirche, der zwar eine missionarische Dimension, aber nicht pauschal eine missionarische Intention (L. Newbigin) eignen muß. Indem die missionarische Verkündigung kraft ihrer Botschaft auf den ganzen Menschen zielt, schließt der Begriff die Bezeugung Jesu Christi in der Proklamation des Wortes (martyria, kêrygma), im hilfreichen Dienst (diakonia) und im Leben unter dem Evangelium (koinônia) ein. Träger der missionarischen Verkündigung ist theologisch in jedem Falle die Kirche, die primär im Missionar (und natürlich keineswegs allein im westlichen) vor ihr Gegenüber tritt. Der Missionar ist Prediger, Diakon und Zeuge des neuen Lebens. Er selbst, als »Mitarbeiter Christi in Seiner Sendung« (Weltmissionskonferenz Ghana), ist in seiner Person der (lebende) »Anknüpfungspunkt« (H. Kraemer) der vor seinem Kommen unmöglichen Frage nach Gott in Jesus Christus. – Prämisse einer solchen Kennzeichnung ist der Satz: »Jesus Christus ist der Missionar« (Weltkirchenkonferenz Evanston). Er will im Hinweis auf die (noch nicht präzis geklärte Frage der) Selbstverkündigung Jesu Christi im Hl. Geist nicht nur auf die strikt christologische Gebundenheit der missionarischen Verkündigung, sondern auch auf die Tatsache der Teilhabe des Missionars an der Mission Christi deuten (vgl. Lk 10, 16; 2Kor 5, 20). Vor allem aber soll damit gesagt sein, daß der Missionar in das eschatologische Christusgeschehen der Sammlung des Gottesvolkes hineingehört, in ihr aber nur sein kann als Teilhabender an der Knechtsgestalt seines Herrn (1Kor 9, 19-23; 2Kor 4, 5. 7-12).

2. Die Situation

Die neue Situation der missionarischen Verkündigung in Europa zeichnet sich erst in Umrissen ab. Die klassische Situation vornehmlich in Asien und Afrika befindet sich in starker und rascher Wandlung. Das totale Streben nach dem eigenen Weg zeigt sich (mit Recht) auch in den meisten der »jungen« Kirchen und verändert – z. T. in harter Auseinandersetzung – Stellung und Tätigkeit westlicher Missionen. Das Faktum der Selbständigkeit der Kirchen in Asien und Afrika stellt das Problem des westlichen Missionars, dessen Lösung u. a. in folgenden Entscheidungen und Empfehlungen angestrebt wird: Aussendungen von Missionaren können nur mit Zustimmung der betr. Kirche in Asien oder Afrika erfolgen; der weiße Missionar wird Glied dieser Kirche, seine Heimatleitung verkehrt mit ihm nur über die einheimische Kirchenleitung; die Bruderschaft von einheimischem Geistlichen und Missionar erfüllt sich im gemeinsamen Dienst, in dem der Missionar nach und nach zur Seite tritt. Damit ist aber selbst bei gewissenhaftester Befolgung dieser Hauptregeln das gegenwärtige Dilemma des Missionars noch nicht aufgehoben. In weiten Bereichen seiner Wirksamkeit ist er nicht mehr unmittelbarer Zeuge vor den Heiden, wie es der Pionier- Missionar war, sondern als Superintendent, Pastor, Lehrer, Assistent usw. nur noch in dem Sinne Missionar, als er gesandt ist. Seinem Charakteristikum ist somit vielerorts der direkte Richtpunkt verlorengegangen. Darin zeigt sich das gegenwärtige Dilemma der Mission in ihrer bisherigen Struktur; sie hat in der Verantwortung gegenüber den unter ihr gewordenen Kirchen diese in ihrem Wachsen und Wirken zu begleiten und steht gerade darin in der schwerwiegenden »verlorenen Unmittelbarkeit« (W. Freytag) gegenüber der Welt. Die Mission ist somit in den meisten Fällen zur zwischenkirchlichen Unternehmung geworden. Und doch ist sie faktisch mehr: indem sie ihr missionarisches Selbstverständnis nicht aufgibt, mahnt sie mit ihrem kirchlichen Einsatz die Kirchen zur eigenen Sendung von Missionaren. Dieser Sendung will und soll sie unter allen Umständen dienen.

Eine Lösung dieses Dilemmas wird sich erst dann ergeben, wenn die Verantwortung gegenüber den »jungen« Kirchen von den Kirchen des Westens voll übernommen und das Problem des Verhältnisses von Kirche und Mission dahingehend gelöst wird, daß in der Schau der totalen Mission der Kirche alle nur möglichen Kräfte in missionarische Bewegung gebracht werden, wobei sich viele innerkirchliche Schwierigkeiten von selbst erledigen. In diesem Ziel hat die Integration des Ökumenischen Rates der Kirchen und des Internationalen Missions-Rates ihre Spitze. Ihm dienen die regionalen ökumenischen Bewegungen des Nahost-Christenrates, der Ostasiatischen Christlichen Konferenz und der Allafrikanischen Kirchenkonferenz. Diese Bewegungen verkörpern gleichzeitig die Frage nach der »ökumenischen Mission«, die nicht nur eine Frage nach dem Maß und der Art ökumenischer Zusammenarbeit der Kirchen in Asien und Afrika darstellt, sondern vielmehr die eigentliche Frage beinhaltet, ob die missionarische Verkündigung überhaupt anders als radikal und genuin ökumenisch verstanden und vollzogen werden kann. Steht diese Frage nicht brennend hinter allen methodischen Überlegungen zur missionarischen Verkündigung, so ist diese immer schon dabei, sich in ihrem von der Teilhabe an der Mission Gottes bestimmten Wesen zu verfehlen. Für die Gegenwart deutet diese Frage auf die Notwendigkeit des unmittelbaren Zeugnisses der »jungen« Kirchen und der westlichen Missionare in umfassender Gemeinsamkeit (»Partnerschaft in Gehorsam«), und zwar immer so, daß in der missionarischen Verkündigung die Aufhebung der denominationellen und auch konfessionellen Trennungen, ganz abgesehen von der nationalen Gebundenheit der Kirchen und Missionen, erwartet wird.

1959 arbeiteten neben insgesamt 36000 nicht-römischen westlichen Missionaren indische Missionare in Afrika, Nepal, Neuguinea, Indonesien und in der Südsee; chinesische Missionare unter den Auslandschinesen; Koreaner in Thailand; Japaner in Okinawa, Kanada und Lateinamerika; Filipinos in Okinawa, Indonesien, Thailand, Korea, Irak und Iran; Batak auf Borneo; Ambonesen in Neuguinea.

3. Zur Kommunikation

Ort und Ausgangspunkt der Kommunikation des Evangeliums ist und kann im Blick auf die gegenwärtige und zukünftige Situation nur noch in einigen Fällen die Missionsstation sein. Die Kommunikation hat vielmehr im unmittelbaren Umkreis der Gemeinde an ihrem Wohnsitz zu geschehen und in der Sendung eigener Missionare (Evangelisten) von ihr auszugehen, wobei für diese die geistliche Möglichkeit eines spontanen Zeugnisses vorbereitet werden muß (R. Allen). Dazu können als »Brücken« für die Kommunikation die natürlichen Verbindungen der Familie und Sippe, des Dorfes und Stammes, des gleichen Berufes und des gleichen Zieles, etwa in der kommunalen Arbeit, dienen (Gruppenbekehrungen, Chr. Keyßer, Neuguinea). In dieser gemeindlichen missionarischen Bewegung wird die Verkündigung zwangsläufig zum umfassenden Zeugnis des Wortes, Dienstes und Lebens. In ihr deutet sich das Leitbild der missionarischen Verkündigung in der neuen Situation an. Die Arbeit westlicher Missionare, so segensreich und z. T. notwendig sie in der bisher vorherrschenden, von der Struktur der Missionsstation bestimmten Weise sein mag, verfehlt sich auf lange Sicht, wenn sie nicht im Blick auf dieses Leitbild geschieht.

In der Kommunikation des Evangeliums von Jesus Christus »entsteht immer ein Neues. Wir machen uns nur Illusionen, wenn wir meinen, draußen würde genau dieselbe Kirche, wie wir sie haben. Es wird immer andere Kirche« (W. Freytag). Folglich ist nicht zu erwarten, daß Menschen einer anderen geschichtlichen Situation auf den Ruf des Evangeliums die gleiche Antwort geben, die der Missionar gegeben hat. In der Bekehrung ist auf keine Wiederholung des Bekehrungserlebnisses zu sehen, das der Missionar meist im Bereich der Erweckungsbewegung als intensive Erfahrung des Gnadendurchbruchs hatte. Demgegenüber zeigt sich der Herrschaftswechsel in der Regel zunächst als eine Revolution des Gesetzes, unter dem man lebt. Das neue Leben gestaltet sich auf dem Hintergrund bisher prägender Faktoren und im Rahmen der unmittelbaren Umgebung anders, als es dem Missionar ideal erscheinen mag. In der Kommunikation und im Gemeindeaufbau auf eine glatte, wenn auch einfältige Wiederholung der in sich ja schon unterschiedlichen westlichen Antworten auszugehen, hieße letztlich Kommunikation in Erziehung umzubiegen und sie damit aufzugeben. Wird freilich in der Kommunikation ganz auf das nicht verrechenbare Wirken des Hl. Geistes vertraut, so muß gerade in diesem Vertrauen die Antwort freigegeben werden. Nur so bleibt das Evangelium Evangelium und verwandelt sich nicht unter der Hand des in seiner Verantwortung besorgten Missionars zum Gesetz. Damit ist der Gefahr der Gewissensüberfremdung gewehrt und der Weg der Botschaft zum Gewissen des Hörers, in dem die eigene Antwort des Glaubens als Ja zur Zukunft in Christus und als Ja zum Gehorsam gegeben wird, frei gemacht (vgl. 1Kor 10, 29 f.). Die Frage nach der rechten Einwurzelung ist weniger ein völkisches als vielmehr das Problem des Gewissens.

Kommunikation bedeutet in dem Sinne Mit-Teilung des Evangeliums, als sie sich nur in der weitest möglichen Solidarität mit dem Hörer, in der Begegnung mit dem Menschen in seiner unmittelbaren Umgebung, im Verstehen seiner religiösen, kulturellen, sozialen, nationalen und nicht zuletzt seiner intimen Bindungen, vor allem aber nur in der Liebe ereignen kann, die dem Menschen ohne Christus entgegengebracht wird und die sein menschliches Vertrauen weckt (T. Kagawa). Das gilt für alle missionarischen Tätigkeiten von der Straßenpredigt bis zum Krankenbesuch. Der Missionar muß deshalb zur Kommunikation bes. qualifiziert sein und für ihren je verschiedenen Vollzug vielfältig und intensiv ausgebildet werden. Gründliche Kenntnis der Sprache und damit des ganzen Lebens des Hörers ist entgegen anderen Ansichten unerläßlich; die Bemühung um einen situationsgemäßen Ausdruck der Botschaft bis hin zu ihrer dramatischen Darbietung ist strikt erforderlich.

Kommunikation ist zunächst Gespräch und wird dieses immer mehr sein müssen, wenn das Evangelium durch die Mauer nachchristlicher Immunität dringen soll, die klassisch im Islam aufgerichtet ist, sich aber immer mehr auch dort zeigt, wo Hinduismus, Buddhismus und Shintoismus in der Lehre und Praxis nachchristliche Züge entwickeln und mit diesen die christliche Botschaft zu überbieten versuchen. Gespräch ist zunächst auch immer dort erforderlich, wo die Kirchen in Asien und Afrika Öffentlichkeitsarbeit zu übernehmen haben und sich gemeinsam mit den Missionaren bes. z. B. mit den Gewerkschaften als neuem Heilsweg auseinandersetzen müssen. Nur im Gespräch wird es möglich sein, die im Vordergrund stehenden sekundären Mißverständnisse der Botschaft, der Kirche und des Christentums auszuräumen, vor allem aber die Einsicht zu wecken, daß der Missionar nicht nur »bekehren«, sondern auch verstehen möchte. Zugleich kann im Gespräch der Punkt gefunden werden, an dem der Mensch tatsächlich lebt und sich behaupten will. Stehen für den Missionar die Gegenstände dieses Gespräches voll und ganz auf dem Hintergrund der ihm anvertrauten Botschaft, so wird diese im gegebenen Augenblick laut werden und zu ihrem Ziel im Gewissen des Hörers kommen.

Lit.: R. ALLEN, Missionary Methods: St. Paul’s or Ours, London (1912) 19564 – DERS., The Spontaneous Expansion of the Church, ebd. (1927) 19563 – W. FREYTAG, Die junge Christenheit im Umbruch des Ostern, 1938 – DERS., Das Problem der zweiten Generation in der jungen Kirche (EMZ 1, 1940, 198-210) – DERS., Wie Heiden Christen werden (Mission u. Pfarramt 33, 1940, 10-15) – DERS., Kirchen im neuen Asien, 1957 – H. SCHÄRER, Die missionarische Verkündigung auf dem Missionsfeld, 1946 – J. V. TAYLOR, The Development of African Drama for Education and Evangelism (IRM 39, 1950, 292-301) – DERS., The Growth of the Church in Buganda, London 1958 – H. WYDER, Die Heidenpredigt, 1954 – H. R. WEBER, R. Allen (EMM 99, 1955, 150 bis 158) – DERS., The Communication of the Gospel to Illiterates, London 1957 – D. A. MCGAVRAN, The Bridges of God, ebd. 1955 – J. S. TRIMINGHAM, Die christl. Kirche u. der Islam in Westafrika (EMZ 12, 1955, 129-139. 167-173) – P. BEYERHAUS, Die Selbständigkeit der jungen Kirchen als missionarisches Problem, 1956 – K. CRAGG, The Call of the Minaret, New York 1956 – ST. C. NEILL, The Unfinished Task, London 1957 – H.-D. WENDLAND, Missionarische Verkündigung u. soziales Handeln der Kirche (EMZ 14, 1957, 141-149) – H. KRAEMER, From Missionfield to Independent Church, London 1958 – DERS., Die Kommunikation des christl. Glaubens, 1959 – J. MARGULL, Nicht unsere, sondern Christi Mission (ÖR 7, 1958, 176-186) – B. SUND­KLER, Response and Resistance to the Gospel in a Zulu Congregation (Basileia, hg. v. J. HERMELINK u. H. J. MARGULL, 1959, 128-145) – DERS., They Serve the Church in Africa, London 1960 – TH. MÜLLER-KRÜGER, Theol. in loco? (Basileia 313-325) – G. EICH­HOLZ, Paulus im Umgang mit jungen Kirchen (ebd. 49-59) – R. K. ORCHARD, Out of Every Nation. A Discussion of the Internationalizing of Missions, London 1959 – E. H. RO­BERTSON, Tomorrow is a Holiday, ebd. 1959. – Dazu die bei Mission: III A genannten Arbeiten von KRAEMER, NEWBIGIN u. MARGULL.

RGG3, Bd. 4 (1960), Sp. 973-984.

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