Über Psalm 51 (Der fünfte Bußpsalm)
Von Martin Luther
1. [Ein Psalm Davids, vorzusingen;
2. da der Prophet Nathan zu ihm kam, als er war zu Bath-Seba gegangen.]
3. Gott, sei mir gnädig nach deiner Güte, und tilge meine Sünden nach deiner großen Barmherzigkeit.
4. Wasche mich wohl von meiner Missetat, und reinige mich von meiner Sünde.
5. Denn ich erkenne meine Missetat, und meine Sünde ist immer vor mir.
6. An dir allein habe ich gesündigt und übel vor dir getan, auf daß du recht behaltest in deinen Worten und rein bleibest, wenn du gerichtet wirst.
7. Siehe, ich bin aus sündlichem Samen gezeuget, und meine Mutter hat mich in Sünden empfangen.
8. Siehe, du hast Lust zur Wahrheit, du lässest mich wissen die heimliche Weisheit.
9. Entsündige mich mit Ysop, daß ich rein werde; wasche mich, daß ich schneeweiß werde.
10. Laß mich hören Freude und Wonne, daß die Gebeine fröhlich werden, die du zerschlagen hast.
11. Verbirg dein Antlitz von meinen Sünden, und tilge alle meine Missetat.
12. Schaffe in mir, Gott, ein reines Herz, und gib mir einen neuen, gewissen Geist.
13. Verwirf mich nicht von deinem Angesicht, und nimm deinen heiligen Geist nicht von mir.
14. Tröste mich wieder mit deiner Hilfe, und mit einem freudigen Geist rüste mich aus.
15. Ich will die Übertreter deine Wege lehren, daß sich die Sünder zu dir bekehren.
16. Errette mich von den Blutschulden, Gott, der du mein Gott und Heiland bist, daß meine Zunge deine Gerechtigkeit rühme.
17. Herr, tue meine Lippen auf, daß mein Mund deinen Ruhm verkündige.
18. Denn du hast nicht Lust zum Opfer, ich wollte es dir sonst wohl geben, und Brandopfer gefallen dir nicht.
19. Die Opfer, die Gott gefallen, sind ein geängsteter Geist; ein geängstetes und zerschlagenes Herz wirst du, Gott, nicht verachten.
20. Tue wohl an Zion nach deiner Gnade, baue die Mauern zu Jerusalem.
21. Dann werden dir gefallen die Opfer der Gerechtigkeit, die Brandopfer und ganzen Opfer; dann wird man Farren auf deinem Altar opfern.
3. Gott, sei mir gnädig nach deiner Güte. Einem wahrhaft reuigen Herzen steht nichts vor Augen, als seine Sünde und (sein) Elend im Gewissen. Deshalb kann der diese Worte nicht mit wirklichem Ernst sprechen, der noch etwas an Rat oder Tat in sich findet, weshalb er noch nicht ganz elend ist, sondern außerhalb von Gottes Barmherzigkeit ein Tröstlein in sich selber fühlet. Der Sinn (des Verses) ist nun der: ach Gott, kein Mensch noch Kreatur kann mir helfen noch (mich) trösten, so groß ist mein Elend, denn nicht leiblich noch zeitlich ist mein Schade. Darum kannst du, der du Gott bist und ewig, mir allein helfen. Erbarme du dich meiner. Denn ohne dein Erbarmen sind mir alle Dinge schrecklich und bitter.
Und tilge meine Sünden nach deiner großen Barmherzigkeit. Das sind alles Worte einer gründlichen Reue, die da die Gnade Gottes groß und viel macht, indem sie ihre Sünde groß und viel macht, so wie der Apostel sagt: »Wo die Sünden groß sind, da ist die Gnade auch groß« (Röm. 5, 20). Darum schmeckt die Gnade den Hoffärtigen nicht gut, denn ihnen schmecken ihre Sünden noch nicht übel.
4. Wasche mich wohl von meiner Missetat, und reinige mich von meiner Sünde. Vorher hat er nach Menschen Weise zuerst um Gnade und Ablaß für die getanen Sünden gebeten und darum, ein anderes Leben anzufangen. Nun bittet er fast bis an des Psalmes Ende immer dringlicher,26 daß ihm immer mehr und mehr (die Sünde) abgewaschen und (er von ihr) gereinigt werde. Denn die erste Gnade ist ein Anfang des Waschens und Reinigens. In dieser Gnade (bleiben) die nicht bestehen, ja gehen wieder zurück, welche allein wirklich äußerliche Sünde ansehen und dabei unter Verlust der Gnade verharren und ärger werden als vorher, obwohl sie das nicht sehen und meinen. Nun ists mit uns so, daß Adam ausgehen und Christus eingehen muß, Adam muß zunichte werden, und Christus allein regieren und sein. Deshalb ist des Waschens und Reinigens in dieser Zeit kein Ende. Denn Adam, der uns angeboren ist, macht auch unsere guten Werke, die wir in dem (in uns) anfangenden und zunehmenden (neuen Leben) tun, zu Sünde und zunichte, wenn Gott nicht die angefangene Gnade und das Abwaschen (der Sünden) ansieht.
5. Denn ich erkenne meine Missetat, und meine Sünde ist immer vor mir. Das ist der Unterschied zwischen den wahren Heiligen und den scheinbaren Heiligen, daß sie ihre Gebrechen sehen: daß sie nicht sind, was sie sein sollen und wollen. Und darum verurteilen sie sich selbst, und kümmern sich nicht um die andern. Die andern aber erkennen ihre Gebrechen nicht und meinen, sie seien nun, was sie sein sollen, vergessen allzeit ihrer selbst, sind Richter über die Frevel anderer Menschen. Diese verkehren den Psalm folgendermaßen: Ich erkenne die Gebrechen der andern, und die Sünden der andern sind allezeit vor meinen Augen, deshalb, weil sie ihre Sünde auf dem Rücken haben und den Balken in ihren Augen (vgl. Matth. 7, 4 f.).
6. An dir allein hab ich gesündigt und übel vor dir getan. Das ist der Vers, der da lehrt, unsere äußerlich guten Werke gründlich für nichts zu achten, der Menschen Lob und Ehre dafür nicht zu glauben. Denn sie geschehen in Unreinigkeit und Gebrechlichkeit, und werden auch nicht vor Gott für gut gehalten, es sei denn, daß wir sie so (d.h. als unrein und gebrechlich) bekennen.
Auf daß du recht behaltest in deinen Worten, und rein bleibest, wenn du gerichtet wirst. Was ist das? Kann Gott nicht gerechtfertigt sein, wir seien denn Sünder? Oder wer richtet Gott? Daß Gott in sich selbst und in seiner Natur von niemand gerichtet oder gerechtfertigt werde, ist offenbar. Denn er ist die ewige, beständige, wesenhafte und nimmer wandelbare Gerechtigkeit selbst und in allen Dingen der oberste Richter. Aber in seinen Worten und Werken geschieht ihm von den sich selbst rechtfertigenden und von sich eingenommenen Menschen ein stetiges Widersprechen, Widerstreben, Richten, Verdammen. Und es ist zwischen ihm und denselben um seiner Worte und Werke willen ohne Unterlaß ein heftiger Gerichtshandel. Darum ists ebensoviel gesagt: daß du in deinen Worten gerechtfertigt werdest, wie: daß deine Worte als gerechtfertigt und wahrhaft erfunden und erkannt werden. Nun ist uns jetzt nicht möglich, alle die Worte aufzuzählen, die der Hoffärtigen Widerspruch erfahren. Wir wollen sie alle auf einen Haufen nehmen, und zwar so: alle Schrift und Worte Gottes weisen auf Christi Leiden hin, wie er selbst Luk. 24, 46 f. bezeugt, daß die Schrift nichts anderes enthält als Verheißung von Gnade und Ablaß der Sünde durch das Leiden Christi, so daß wer an ihn glaubt, und niemand anders, selig werde. Dieser Wahrheit und Christi Leiden und (dem) Glauben widerstreben alle die, welche nicht Sünder sein wollen und insbesondere die, deren Leben angefangen hat. Die wollen nun nicht meinen, daß sie Sünder sind, und seufzen nicht sehr nach Christus, obwohl doch Gott in allen seinen Worten verheißen hat, daß Christus um der Sünde willen sterben werde. Darum: wer da nimmer sich für einen Sünder halten und gehalten werden will, der will Gott zu einem Lügner machen und sich zur Wahrheit, was die schwerste Sünde und Abgötterei über alle Abgöttereien ist. Deswegen steht 1. Joh. 1, 8: »So wir sagen, daß wir nicht Sünde haben, so verführen wir uns selbst, und die Wahrheit ist nicht in uns«, ebenso 1. Joh. 1, 10: »So wir sagen, daß wir nicht sündigen, so machen wir Gott zu einem Lügner, und sein Wort ist nicht in uns.« Deshalb sagt hier der Prophet: auf daß mir diese grausame Sünde der Hoffart nicht komme, so bekenne ich, daß ich vor dir ein Sünder bin und nichts Gutes tue, auf daß du mit Wahrheit bestehest und Recht behaltest und auch alle überwindest, die mit dir zanken und sich (selbst) rechtfertigen, indem sie dich in deinen Worten richten. Denn Gott wird doch zuletzt recht behalten und überwinden, entweder hier im Guten oder dort im Ernst, und (es) wird (uns) nichts helfen, ob wir vor den Menschen oder vor uns selbst gerechtfertigt sind. Denn davon muß man die Augen abkehren und mit Furcht warten, was Gott davon hält.
7. Siehe, ich bin aus sündlichem Samen gezeuget, und meine Mutter hat mich in Sünden empfangen. Siehe, so wahr ists, daß ich vor dir ein Sünder bin, daß sogar meine Natur, mein Wesen von Anfang an, meine Empfängnis Sünde ist, geschweige denn die Worte, Werke und Gedanken und das nachfolgende Leben. Wie sollt ich ohne Sünde sein, da ich in Sünden gezeugt bin, und Sünde meine Natur und Art ist. Ein böser Baum bin ich und von Natur ein Kind des Zorns und der Sünde. Darum: so lange wie diese Natur und (dieses) Wesen in und an uns bleibt, so lange sind wir Sünder und müssen sagen: Vergib uns unsere Schuld usw., bis daß der Leib sterbe und untergehe. Denn Adam, der muß sterben und verwesen, ehe denn Christus ganz erstehe. Und das fängt an mit dem bußfertigen Leben und wird zu Ende gebracht durch das Sterben. Darum ist der Tod allen denen ein heilsames Ding, die an Christus glauben. Denn er tut nichts anderes, als daß er alles verwesen und zu Staub werden läßt, was aus Adam geboren ist, auf daß Christus allein in uns sei.
8. Siehe, du hast Lust zur Wahrheit. Das bedeutet: die äußerliche Gerechtigkeit und in die Augen fallende Frömmigkeit ist lauter Betrügerei ohne Grund und Wahrheit, weil sie die innerliche Sünde (ver)deckt und nur ein (Zerr)bild der eigentlichen, wahren Gerechtigkeit ist. Derselben bist du, (Gott), feind, aber die Menschen lieben sie. Darum liebst du die innere Wahrheit, sie aber die äußere Falschheit, du das Eigentliche, sie den Schein. Darum sprechen sie nicht: vor dir bin ich ein Sünder.
Du lässest mich wissen die heimliche Weisheit. Die Weisheit Gottes wird den Hoffärtigen nur dem äußeren Schein nach offenbart, aber den Demütigen wird sie der inwendigen Wahrheit und dem verborgenen Wesen nach aufgezeigt. Das Äußere dieser Weisheit besteht nun darin, daß der Mensch meinet, mit viel Worten, Gedanken, Werken Gott zu dienen und nahezukommen, alles dem äußerlichen Schein nach, der einem jeglichen Menschen offenbar und zu tun möglich ist, wie denn der Gebärden und Weisen viele sind. In diesem allen suchet man Gott, aber ganz von der falschen Seite her und äußerlich. Inwendig kennen sie ihn weniger als alle anderen, deshalb weil sie sich selbst suchen und Gott mit denselben Maßstäben zu erkennen und nahezukommen suchen usw.
Das Innerliche aber und Verborgene dieser Weisheit ist nichts anderes, als sich (selbst) von Grund auf erkennen, und so sich selbst hassen und alle Gerechtigkeit nicht bei sich, sondern bei Gott suchen, allzeit an sich selbst Überdruß empfinden und sich nach Gott sehnen, das heißt Gott demütig lieben und sich selbst verlassen. Diese innere unbekannte Gerechtigkeit wird mit allen äußeren Zierden, Weisen, Worten, Werken, in welchen die Hoffärtigen verbleiben und verharren, nur angedeutet. Darum hasset sie Gott, der den Grund und die Wahrheit lieb hat, weil sie den Schein und die Heuchelei lieb haben.
9. Entsündige mich mit Ysop, daß ich rein werde; wasche mich, daß ich schneeweiß werde. Das heißt: das äußerliche Waschen der Hände und der Füße nach dem Gesetz macht mich nicht weiß, sondern verführt mit seinem (falschen) Scheine die, welche nicht wissen, was (eigentlich) damit gemeint ist, welches die rechte wahre Weisheit ist. Wie nun das Besprengen mit Ysop und das äußerliche Waschen mit Wasser zu der inneren Waschung und Besprengung nichts nütze ist, sondern allein ein Abbild und bloßes Zeichen, so auch alle anderen äußerlichen Weisen und Gebärden. Sie wollen nichts anderes (zum Ausdruck bringen), als daß Gott auf die gleiche Weise innerlich mit der Gnade des heiligen Geistes sprenge, wasche, wirke, rede, pflanze usw. So haben die alten, lieben Väter die Bildrede des Alten Testaments angesehen und darunter das Innerliche und Verborgene des wahren Verstandes und der Weisheit Gottes verstanden.
10. Laß mich hören Freude und Wonne. Das heißt: aller Wandel und Handel in äußerlicher Gerechtigkeit vermag mein Gewissen nicht zu trösten und (die) Sünde wegzunehmen. Neben und über allem (eigenen) Wirken und guten Werken bleibt das verzagte und erschrockene, furchtsame Gewissen, so lange, bis du mich mit Gnaden besprengst und abwäschst und mir so ein gutes Gewissen machst, daß ich dein geheimes Zuraunen höre: »dir sind deine Sünden vergeben« (Matth. 9, 2). Das wird niemand gewahr, außer dem, der es hört. Niemand sieht es, niemand begreift es. Es läßt sich hören, und das Hören macht ein getrostes, fröhlich Gewissen und Zuversicht gegen Gott.
Daß die Gebeine fröhlich werden, die du zerschlagen hast. Die Gebeine, die des sündigen Gewissens halber gleichsam müde und zerknirscht werden, die freuen sich und werden erquicket, wenn das Gewissen die Freude der Sündenvergebung höret. Denn die Sünde ist eine schwere, betrübende, angstmachende Bürde und kann doch durch die äußeren Werke des Menschen nicht weggenommen werden, sondern allein durch das innerliche Werk Gottes.
11. Verbirg dein Antlitz von meinen Sünden. Das heißt: habe nicht gestrenge Acht auf meine Werke, denn sie sind alle Sünde, wenn du sie vor dein Angesicht und Gericht stellst. Darum sagt er (der Psalmist) nicht: Wende meine Sünde von deinem Angesicht ab, gerade als wären etliche Werke, die Gottes Angesicht ertragen könnten, so daß er allein die Sünde wegnehmen und die guten (Werke) bleiben lassen solle. Sondern Gott muß sein Angesicht abkehren, damit die Werke und wir bestehen und bleiben können. Das bedeutet: er rechnet aus Gnade nicht an, was von Natur wohl Sünde wäre, wie es in Ps. 32, 1 heißt: »Wohl dem, dem die Übertretungen vergeben sind.«
Und tilge alle meine Missetat. Das heißt: was noch nicht da ist an Gerechtigkeit, vergib mir, wie ich dich gebeten habe, daß du von dem Bösen, das noch da ist, dein Angesicht abkehren möchtest. Denn vor Gott haben alle unsere Werke, wie gesagt, das an sich, was sie nicht haben sollen, d.h. sie geschehen in Sünden, darinnen wir geboren sind. Und sie haben nicht, was sie haben sollen, d.h. ganze Lauterkeit, deren wir durch Adams Sünde beraubt sind.
12. Schaffe in mir, Gott, ein reines Herz. Reine Hände und schöne Worte sind dem äußeren Scheine nach leicht zu erlangen und in des Menschen Vermögen. Aber ein reines Herz, von der Liebe zu allen Dingen befreit, das ist des Schöpfers und göttlicher Gewalt Werk, so wie die Schrift (vgl. 1. Mose 6, 5; 8, 21; Röm. 3, 10 ff. usw.) sagt, daß niemand ein reines Herz habe. Deshalb sind alle vor Gott Sünder, dem das Herz offen steht, so wie vor dem Menschen die Hand oder die Werke offenbar sind. Im Herzen ist die Wahrheit, die Gott lieb hat, die innerliche Gerechtigkeit aber wird in diesem Leben nimmer voll erlangt und ist doch stetig zu suchen.
Und gib mir einen neuen, gewissen Geist. Ein krummer Geist ist der Geist des Fleisches und Adams, der in allen Dingen sich selbst zugewandt ist und das Seine sucht. Der ist uns angeboren. Der aufrichtige Geist ist der gute Wille, direkt zu Gott hin gerichtet, allein Gott suchend. Der muß von neuem geschaffen und von Gott in das Innerste unseres Herzens eingegossen werden, damit in unserm Geiste nicht ein Betrug sei, sondern aus ganzem (Herzens)grund Gottes Wille (von uns) lieb gehabt werde.
13. Verwirf mich nicht von deinem Angesicht, welches allen denen geschieht, die sich nicht (selbst) vor ihrem Angesicht verwerfen und gleichwohl nicht besorgen, daß sie von Gottes Angesicht verworfen werden. Ja, sie stellen sich vor Gottes Angesicht und erheben sich selbst, darum werden sie erniedrigt und verworfen, denn sie meinen, sie seien rein und fromm und erleuchtet und also unverwerflich. Diese aber fühlen und wissen, daß sie mit Recht ihrer Sünde halber verwerflich sind. Darum kommen sie (dem) mit Furcht zuvor und bitten das mit Demut ab, was die andern mit Heiligkeit gewonnen zu haben meinen.
Und nimm deinen heiligen Geist nicht von mir. Denn aus mir heraus bin ich verdorben, dein Geist muß mich heilig machen und erhalten. Ohne den heiligen Geist selbst ist auch keine Gabe oder Gnade vor Gott genug.
14. Tröste mich wieder mit deiner Hilfe. Denn durch Adam und die Sünde ist sie uns allen verloren und muß ohne Verdienst aus Gnade wiedergegeben werden, das heißt: gib mir wieder ein fröhlich, sicher Gewissen in deinem Heil.
Und mit einem freudigen Geist rüste mich aus, das ist: mit dem heiligen Geist, der da freiwillige Menschen macht, die Gott nicht aus Furcht vor Strafe oder aus unordentlicher Liebe dienen. Denn alle, die aus Furcht dienen, sind nicht beständig und fest, außer solange die Furcht währet, ja sie sind gezwungen und dienen ihm mit Widerwillen, so daß sie, wenn keine Hölle oder Strafe wären, gar nicht dienten. Ebenso sind auch die nicht beständig, die Gott aus Liebe zum Lohn oder Vorteil dienen. Denn wenn sie keinen Lohn wüßten, oder wenn der Vorteil fehlte, hören sie auch auf. Diese alle haben nicht Freude im Heil Gottes, auch nicht ein reines Herz, nicht einen richtigen Geist, sondern sie lieben sich mehr als Gott. Die aber Gott aus gutem, richtigem Willen dienen, sind fest im Dienst Gottes, es gehe hierhin oder dorthin, (es sei) süß oder sauer, denn sie sind mit einem adeligen, freiwilligen, fürstlichen, ungezwungenen Willen von Gott fest und beständig gemacht.
15. Ich will die Übertreter deine Wege lehren, daß sich die Sünder bekehren. Das heißt: ich will nun nimmermehr der Menschen Gerechtigkeit und Wege lehren, wie die Hoffärtigen tun, sondern den Weg der Gnade und deiner Gerechtigkeit. So kommen die Sünder zu dir und werden wahrhaft bekehrt. Denn durch der Menschen Gerechtigkeit wird man ja mehr von Gott abgewandt, um der Hoffart willen, die da sein muß, wo nicht Gnade ist.
16. Errette mich von den Blutschulden, Gott, der du mein Gott und Heiland bist. Blutschuld ist das, wodurch man den Tod verdient hat. Und vor Gott sind nach dem Gesetz allerlei Sünden des Todes schuldig, vgl. Röm. 2; 5. Mose 27, 15 ff.38
Daß meine Zunge deine Gerechtigkeit rühme. Das heißt: ich will nimmermehr der Menschen Gerechtigkeit predigen, noch ihre Werke preisen, sondern allein deine Werke, und daß nichts größer sei als deine Gerechtigkeit, durch welche alle Gerechten gerecht sind, und ohne welche alle anderen Sünder sind. Denn wenn du nicht gerecht machst, wird niemand aus seinen Werken gerecht. Darum heißet es hier »deine Gerechtigkeit«, weil du sie uns aus Gnade gibst, und wir sie nicht mit Werken erlangen. Und darum 17. Herr, tue meine Lippen auf. Das ist: gib mir Stärke und Mut, daß ich dasselbe frei und kühn wider die Gottlosen und Heuchler predige.
Daß mein Mund deinen Ruhm verkündige. Das heißt: durch deine Stärke laß mich kühn sein, alle Menschen zu tadeln und davon zu überzeugen, daß sie Sünder sind, und daß nichts in ihnen des Lobes oder der Ehre wert sei, (sondern daß sie) allein Schande und Strafe verdient haben, auf daß sie erkennen, daß Lob und Ehre allein dein sei, deshalb weil die Gerechtigkeit allein dein ist und die Weisheit usw. Denn niemand kann dich ehren und loben, er schelte denn und schmähe sich selbst. Niemand kann dir Weisheit und Gerechtigkeit zuschreiben, er nehme sie denn sich selbst und schreibe sich eitel Sünde und Torheit zu. Dieses Lob und Ehre soll dir meine Zunge überall verkündigen, wenn du sie öffnest. Denn wen Gott nicht sendet und in wem er nicht redet, der kann diese Lehre nicht voll predigen und Gottes Lob einbringen.
Und das ist das Größte, was wir Gott tun können, was er auch am höchsten begehret: daß man ihm das Lob und die Ehre gebe und alles Gute, was irgend existiert. Darum spricht er:
18. Denn du hast nicht Lust zum Opfer, ich wollte es dir sonst wohl geben, und Brandopfer gefallen dir nicht. Das heißt: du willst, daß niemand sich selbst, sondern dir allein Lob und Ehre um der Gerechtigkeit und Weisheit willen darbringe. Deshalb fragst du nicht nach dem Opfer, viel weniger (noch) nach den andern geringeren guten Werken – da das Opfer doch das größte ist: du willst dich erbarmen und nicht Richter sein, du willst nicht ansehen, wie fromm wir sein wollen, sondern wie fromm wir durch dich werden wollen, so daß also du und nicht wir gelobt und geehrt werden, so daß wir dir nichts geben, sondern allein von dir Gerechtigkeit, Weisheit, Wahrheit, Verdienst, gute Werke usw. nehmen. Und:
19. Die Opfer, die Gott gefallen, sind ein geängsteter Geist; ein geängstetes und zerschlagenes Herz wirst du, Gott, nicht verachten, das ist, als wenn er (der Psalmist) sagte: alles andere verachtet er, außer einem Herzen, das gedemütigt und zerbrochen ist. Denn das gibt Gott die Ehre und sich selbst die Sünde. Das Herz gibt Gott nichts, sondern nimmt nur von ihm. Das will Gott auch haben, auf daß er wahrhaftig Gott sei. Denn Gott gebührt es zu geben und nicht zu nehmen.
20. Tue wohl an Zion nach deiner Gnade, baue die Mauern zu Jerusalem. Wenn die hoffärtigen Heiligen diese Lehre nicht aufnehmen und dazu die andern ihre Gerechtigkeit lehren wollen, so erweise du doch den andern Auserwählten deine Gnade, nicht nach ihrem Verdienste, sondern nach deinem guten Willen, damit die Mauern erbauet werden. Das heißt: damit es erleuchtete Menschen in der Christenheit gebe, die da die andern bewahren und lehren, auf daß sie nicht von den falschen, sich selbst rechtfertigenden Lehren und Lehrern verführt werden. Denn die Mauern sind die Lehrer, die da vornehmlich auf dieser Lehre erbauet sein sollen.
21. Dann werden dir gefallen die Opfer der Gerechtigkeit. Das ist so, als wenn er (der Psalmist) sagte: nicht werden sie dir Böcke und Schafe und Kälber opfern, sondern Opfer der Gerechtigkeit, das heißt: sich selbst. Denn der opfert ein Opfer der Gerechtigkeit, der da Gott gibt, was er schuldig ist. Nun sind wir Gott mehr schuldig, als wir haben. Darum bezahlen wir ihn nicht anders, als daß wir ihm alles übergeben, was wir selbst sind, und das mit demütiger Erkenntnis unserer Sünde und Bekenntnis seiner Gerechtigkeit: daß er gerecht sei, (gleich) wie sein göttlicher Wille mit uns handelt. Diese Weise und Gelassenheit ist die höchste Gerechtigkeit, die wir haben können, und das rechte Opfer, das da Brandopfer heißt, wie hernach folget:
die Brandopfer und ganzen Opfer; dann wird man Farren auf deinem Altar opfern. In deutscher Sprache kann man die hebräischen Wörter nicht recht wiedergeben, weil wir nur das Wort »Opfer« haben, das bei uns alle Opfer insgemein bedeutet. In dem Hebräischen aber sind ihrer viele und voneinander unterschiedene Namen für die Opfer. Darunter waren etliche, die auf deutsch »Brandopfer« hießen, von welchen die Priester oder Opferer nichts behielten. Nun sagt er: Diese alle werden dann erst überhaupt recht geopfert werden, als ob er sagen wollte: daß sie jetzt geopfert werden, heißt nichts geopfert. Denn dein Wohlgefallen ist nicht bei dem Opfer, wie gesagt ist, und das alles deshalb, weil alle äußerlichen Opfer umsonst sind, wenn das Herz nicht angenehm und zuvor geopfert ist. Wenn aber das (Herz) zuvor angenehm und inwendig geopfert ist, so sind dann alle äußeren Werke Opfer der Gerechtigkeit.
Die Farren aber nennt er mit Namen, welche doch das Opfer waren, von denen eben geredet wurde. Und gerade, als wären sie zur Zeit nicht geopfert worden, sagt er: »dann werden sie Farren« usw., als wollte er sagen: es ist nur eine sinnbildliche Handlung, in dieser Zeit Kälber opfern. Dann werden sie die rechten Farren opfern, das heißt: den äußeren Adamsmenschen auf dem Kreuz opfern und ihn zunichte machen und mit Christus kreuzigen, des Kreuz aller Farren Altar ist.
Quelle: Martin Luther, Die Sieben Bußpsalmen (1525), in: Kurt Aland (Hrsg.), Luther Deutsch, Bd. 5. Schriftauslegung, S. 135-146.