Er beschritt völlig neue Wege. Friedrich Mildenberger feiert den 65. Geburtstag
Von Heinrich Weniger
Erlangen. Friedrich Mildenberger wird am 28. Februar 65 Jahre alt. Kollegen, Schüler und Freunde haben im Erlanger Gemeindehaus am Bohlenplatz ab 11 Uhr Gelegenheit zur Gratulation und Verabschiedung in den Ruhestand. Mit einer öffentlichen Vorlesung am Freitag, 25. Februar um 10 Uhr im Kollegienhaus endet die akademische Lehrtätigkeit Prof. Dr. Friedrich Mildenbergers.
Die nüchterne Feststellung der Emeritierung fällt, gemessen an 43 theologischen Berufsjahren – 25 davon allein am Erlanger Institut für Systematische Theologie –, ebenso leicht, wie sie angesichts der akademischen Zeitgenossenschaft evangelischer Theologie schwerfallen muß.
Als einer der Wenigen, der die alte humanistische Tradition und Bildung des Tübinger Stifts mit all seinen großen Vorgängern ebenso verkörperte wie das ganz andere, am leibhaft erfahrenen Umbruch Nazideutschlands geschulte Denken Karl Barths und Rudolf Bultmanns, hat Friedrich Mildenberger einen für die Erlanger Theologie und die bayerisch-lutherische Kirche völlig neuen Weg beschritten.
Für diesen Weg war nicht nur die »Grenzüberschreitung« der in den 60er Jahren klar abgesteckten theologischen Landschaften und Positionen von Tübingen nach Erlangen bezeichnend, sondern auch die der theologischen Disziplinen: Der promovierte Alttestamentler kam über die Biblische Theologie zur Systematik. Die zuletzt erschienene »Biblische Dogmatik« zeigt, daß er diesem Weg treu geblieben ist.
In den 70er Jahren der Studentenbewegung hatte sich das kirchen- und hochschulpolitische Klima auch in Bayern verändert. Ein paar Sommer lang prägten die »roten« Nachfolger auf den Lehrstühlen Althaus’, Elerts und Künneths in seltener Geschlossenheit den Ruf einer Erlanger Theologie, die in Zeiten nuklearer Hochrüstung und ökologischer Krisen die politische Weisheit des Evangeliums zur Geltung brachte.
Die Krise des modernen Menschseins im »abstrakten Dualismus von Natur und Geist« bestimmt auch Mildenbergers »Geschichte der deutschen evangelischen Theologie«. Es ist immer zugleich die kritische Bestimmung der eigenen theologischen Zunft und Existenz, die dieses Denken spannend und sympathisch macht.
Der Aufsatzband »Zeitgemäßes zur Unzeit« steht dafür ebenso für die Erneuerung einer guten alten Erlanger Tradition: die kirchliche Bestimmtheit der Theologie. Die zeigt sich nicht nur in der umfassenden Bearbeitung der Lutherischen Bekenntnisschriften und des Kirchenrechts, sondern auch im Engagement für die Kirchengemeinden und ihre Pfarrer, denen sich Mildenberger – selbst elf Jahre im Pfarramt – besonders verpflichtet wußte. Die späte Freundschaft mit Karl Steinbauer und das für ihn veranstaltete Kolloquium der Theologischen Fakultät war einer der Höhepunkte dieser Beziehung. Grenzüberschreitend auch hier: die »Kleine Predigtlehre«.
So leicht der Dank an den Lehrer, Prediger und Seelsorger Friedrich Mildenberger sich auch ausspricht – die Emeritierung der akademischen Zeitgenossenschaft macht es schwer für alle, die sich an ihr orientierten. Nicht mehr die Universitas von Vernunft und Offenbarung, Staat und Kirchenleitung prägen den neuen Weg des Denkens, sondern die kategorische Bescheidenheit von Weisheit und Evangelium. Nicht allein Kompetenz im wissenschaftlichen Fall, sondern die weisheitliche Kompetenz von Menschen in ihrer Zeit und Betroffenheit gilt es wahrzunehmen und einzuüben.
So sehr die dreibändige »Biblische Dogmatik« als Lehrstück eines grenzüberschreitenden Dialogs der theologischen Disziplinen, Kontinente und Konfessionen gelten darf – die Zeitgenossenschaft Friedrich Mildenbergs war allemal der beste Lehrer. Kollegen und Schüler haben nun Zeit, den Weg fortzusetzen. Mit den beiden Festschriften für Friedrich Mildenberger ist ein hoffnungsvoller Anfang gemacht.
Der Autor war lange Jahre Assistent von Mildenberger und ist heute Pfarrer an St. Lorenz/Nürnberg.
Evangelisches Sonntagsblatt, 20. Februar 1994, Ausgabe Erlangen, Seite 2.