Anfragen an James Fowlers „Stufen des Glaubens“: „Müsste ich mich in Fowlers Stufenlehre selbst einordnen, würde ich mich in der Stufe Vier „synthetisch-konventionell“ wiederfinden, im Vertrauen auf eine fremde Autorität in der Einhaltung vorgegebener Spielregeln in der Gemeinschaft mit anderen Gläubigen.“

Anfragen an James Fowlers „Stufen des Glaubens“

James Fowlers sieben Stufen des Glaubens – 1. Erster Glaube – 2. Intuitiv-projektiver Glaube – 3. Mythisch-wörtlicher Glaube – 4. Synthetisch-konventioneller Glaube – 5. Individuierend-reflektierender Glaube – 6. Verbindender Glaube – 7. Universalisierende Glaube – erfreuen sich immer noch großer Aufmerksamkeit.

Fowlers Stufenmodell des Glaubens ist von entwicklungspsychologischen Gesichts­punkten geprägt, in deren Zentrum die Selbstwerdung steht (nach Robert Kegan, The Evolving Self. Problem and Process in Human Development, Harvard UP 1982). Fragwürdig ist, ob er damit der Situationsgemäßheit des Glaubens gerecht wird. Im Grunde orientiert sich das lei­tergleiche Stufenmodell des Glaubens an einem neuplato­nischen Aufstiegsmodell des Den­kens zum Einen hin. Jenseits sinnlicher Wahrnehmung und eigener Empfindungen richtet man sich auf abstrakte Ideen aus. Widersprüche sollen dadurch überwunden werden, dass man Aussagen nur „bildlich“ oder „symbolisch“ auf eine vermeintlich höhere Wahrheit hin deutet. Die höchste Stufe entspricht der neuplatonischen Einung mit dem All-einen, in der alle Widersprüche überwunden sein sollen.

Dass das Stufenmodell nicht ohne weiteres gültig ist, kann an Psalm 139 aufgezeigt werden. Der bekannte evangelischen Theologen Heinz Zahrnt (1915-2003) hatte über ihn gesagt:

„Der 139. Psalm bildet für mich einen Höhepunkt des biblischen Gottesglaubens. Es ist als flössen all die vielen verschiedenen, widersprüchlichen Gedanken, die die Men­schen in der Bibel über Gott denken, in ihm zusammen und kämen darüber zur Ruhe: Gott ist da – er ist in allem und alles ist bin ihm. Die Allgegenwart Gottes ist die Vor­aussetzung dafür, dass der Glaube sich von ihm Bilder machen kann. (aus: Heinz Zahrnt, Das Leben Gottes. Aus einer unendlichen Geschichte, Piper Verlag München 1997, S. 261).

Man könnte den Psalm als Zeugnis für die sechste Glaubensstufe, der verbindende Glaube, wenn nicht gar für die höchste, also der universalisierende Glaube, einstufen, wenn da nicht die Verse 19-22 (die bei Abdrucken und beim Vorlesen oft weggelassen werden) wären:

Ach, Gott, wolltest du doch den Frevler töten! Dass doch die Blutgierigen von mir wichen! Denn voller Tücke reden sie von dir, und deine Feinde erheben sich ohne Ursache. Sollte ich nicht hassen, HERR, die dich hassen, und verabscheuen, die sich gegen dich erheben? Ich hasse sie mit ganzem Ernst; sie sind mir zu Feinden gewor­den.

Derartige Rachegedanken, die in die Gottesanrede gestellt werden und damit nicht in die eige­ne Tat umgesetzt werden, zeigen eine aufgebrochene tiefe seelische Verletzung, die eben nicht in einem Gott-eins-Denken zur Versöhnung kommen können.

Müsste ich mich in Fowlers Stufenlehre selbst einordnen, würde ich mich in der Stufe Vier „synthetisch-konventionell“ wiederfinden, im Vertrauen auf eine fremde Autorität in der Einhaltung vorgegebener Spielregeln in der Gemeinschaft mit anderen Gläubigen.

Hier mein Text als pdf.

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