Wenn in unserer Gesellschaft die Existenz Gottes theistisch bzw. atheistisch diskutiert wird, geht es dabei um die Gültigkeit der metaphysischen Trinität. Dem Gottsein sind drei Abstraktionsverhältnisse zugedacht, nämlich ursprungszentrierte Kosmologie (causa prima), selbstreferentielle Ontologie (ipsum esse) sowie epistemische Ideologie (summum bonum). Eine solche intelligible Dreieinigkeit hat Immanuel Kant mit seinem transzendentalen Gottesbegriff zur Sprache gebracht: „Gott ist ens originarium, das Urwesen, welches der Ursprung aller Dinge ist; und dieser Gott ist ens summum perfectissimum, daher ens entium“.[1]
Die metaphysische Trinität einer Kosmo-Onto-Ideologie ermöglicht es, „Gott“ in Beziehung zu allem Geschehen und zu allen Dingen zu setzen, ohne dass dies in einem Pantheismus „Deus sive natura“ resultiert. Der universaltrinitarisch gedachte „Gott“ verdankt sich der antiken griechischen Philosophie. „Gott“ als Denkleistung ist kulturell konditioniert und damit gerade nicht allgemeingültig. Um eine Onto-Ideologie ausformulieren zu können, bedarf es einer entsprechenden sprachlichen Ausdrucksfähigkeit, basierend auf einer Grammatik mit flektierbaren Wortarten. Nur so kann eine Prädikation als Abstraktion („Sein“, „seiend“) vorgenommen werden.
In vielen Sprachen wie der chinesischen ist jedoch solch eine Onto-Rhemik grammatikalisch unmöglich.[2] Die Abwesenheit jeglicher Ontotheologie in der chinesischen und japanischen Kultur haben die jesuitischen Missionare im 17. Jahrhundert mühsam erlernen müssen.[3] Wo in der überkommenen chinesischen Weltanschauung der Himmel (Tīan) als immanente Letztreferenz angesehen wird, lässt sich dies eben nicht theistisch reformulieren. Auch weiß man dort nicht zwischen Natur- und Morallehre, also zwischen Physik und Ethik kategorisch zu unterscheiden.
Die Existenzfrage Gottes ist für Christen letztlich irrelevant. Statt einer metaphysischen gilt die Namenliche Trinitätslehre.[4] Dem biblischen Zeugnis zufolge umfasst der Name all das, was JHWH an seinem Volk Israel und durch seinen Sohn Jesus Christus zum Heil der Völker getan hat. Der genuine Ort eines verheißungsvollen und ehrfürchtigen Namensgedächtnisses ist die Kirche als die Gemeinschaft derer, die dem Namen mit Leib und Leben verbunden sind. In ihr vollzieht sich schließlich die liturgische Anbetung des Namens.
Groß und wunderbar sind deine Werke, HERR, der Gott, der Allherrscher! Gerecht und wahrhaftig sind deine Wege, der König der Völker. Wer sollte dich, HERR, nicht fürchten und deinen Namen nicht preisen? Denn du allein bist heilig! Ja, alle Völker werden kommen und anbeten vor dir, denn deine gerechten Gerichte sind offenbar geworden. (Offb 15,3f)
[1] Vorlesungen über Rationaltheologie, in: I. Kant, Gesammelte Schriften, Akademie-Ausgabe, Bd. 27, Zweite Hälfte, Zweiter Teil, Berlin 1972, 1240.
[2] So J. Gernet, Christus kam bis nach China. Eine erste Begegnung und ihr Scheitern, übers. v. Ch. Mäder-Virágh, Zürich u.a. 1984, 280-290.
[3] Vgl. J. Gernet, Christus kam bis nach China, 226-251; bzw. E. Zürcher, Confucian and Christian Religiosity in Late Ming China, CHR 83 (1997), 614-653; Ders., ʽIn the Beginningʼ: 17th Century Chinese Reactions to Christian Creationism, in: Ch.-Ch. Huang/E. Zürcher (Hg.), Time and Space in Chinese Culture, Leiden 1995, 132-166.
[4] Siehe B. Klappert, Die Trinitätslehre als Auslegung des NAMENs des Gottes Israels. Die Bedeutung des Alten Testaments und des Judentums für die Trinitätslehre, EvTh 62 (2002), 54-72; bzw. R.K. Soulen, The Divine Name(s) and the Holy Trinity 1: Distinguishing the Voices, Louisville 2011.
Siehe außerdem NAMENSgedächtnis statt Gottdenken.