In seiner Zeit als Pfarrverweser in Senden/Iller 1938/39 wurde Karl Steinbauer in den Gottesdiensten regelmäßig polizeilich überwacht. Folgender Bericht wurde bei einem Gottesdienst am 31. Juli 1938 in der Kreuz-Christi-Kirche in Weißenhorn wurde erstellt und über die Regierung von Schwaben an den Landeskirchenrat in München weitergeleitet:
Gendarmeriestation Weißenhorn
Weißenhorn, den 31. Juli 1938
An das
Bezirksamt
Neu-Ulm
Betreff: Überwachung der Gottesdienste
Zum Auftrag des Amtes vom 10.6.38, No 3875
Pfarrer Karl Steinbauer, Senden, hielt heute – 31. Juli 38 – von 9 bis ungefähr 10 1/2 Uhr den Gottesdienst in der evang. Kirche. In seinem Predigttext sagte er dem Sinn nach ungefähr folgendes:
„Man hat unserer Kirchenbehörde einen Finanzausschuß vorgesetzt, bei uns in Bayern ist es noch nicht so, aber in Baden usw. Vor einigen Jahren drohte man uns mit der Streichung der Staatszuschüsse. Man habe deshalb im Kampf um das Christentum etwas nachgeben wollen. Man hänge nicht von einem gnädigen Bürgermeister oder von einem gnädigen Ortsgruppen- leiter oder von einem gnädigen Kreisleiter, sondern allein von Gottes Gnade ab. Durch unsere Schulen gehe nicht mehr Christus, sondern die Weltanschauung des Nationalsozialismus, wie ihn Rosenberg verkörpere. Früher sei Christus täglich gelehrt worden, heute dürfe der Pfarrer in der Woche noch zwei Religionsstunden geben, vorausgesetzt, daß er sich entsprechend benehme. In Württemberg dürften viele Pfarrer nicht mehr Religionsunterricht in den Schulen erteilen, weil sie nicht durch das Loch gegangen seien. Baldur v. Schirach habe gesagt, für die Jugend gelte die Lehre Rosenbergs. Bei einer Sonnwendfeier in Ulm sei gesagt worden, das Christentum habe in den letzten 200 Jahren mehr geschadet als genutzt. Unsere Kinder seien für das Christentum tot, wo seien bei der Sonnwendfeier die Eltern gewesen, die gesagt hätten, wir tun unsere Jungen heraus? In den Kirchen sängen die christlichen Eltern immer noch „Nehmen sie den Leib, Gut, Ehr, Kind und Weib!“ Hier aber würden sie nichts sagen. Die Lehrer würden in den Schulen verkünden, Josef (im alten Testament) sei ein Kornwucherer, alles gute in der Bibel könne man auf 2 Blätter schreiben. Ein Bauer im Remstal habe ihm einmal gesagt, er könne nicht sehen, wie die Kindlein stürben. (Gemeint wie sie der Kirche entrissen werden). Die evang. Kirche brauche sich nicht um die Futterkrippen (sic) oder um die Staatszuschüsse streiten, sond. um die evang. Gemeinde, um das evang. Volk. Ein Liebäugeln um die Zuschüsse und e. teilweis. Verlassen evang. Belange sei ganz falsch. Wir wollen nicht von den Fleischtöpfen Ägyptens leben. Ägypten liege nicht immer am Nil. Ärzte hätten einmal längere Zeit Tauben mit geschältem Reis (oder Erbsen) gefüttert. Die Tiere seien fett, schön und kugelrund geworden. Sie hätten aber weder fliegen noch gehen können. Die Schale der Futterkörner berge einen Stoff (Vitamine) der zur Lebenserhaltung notwendig sei. So sei es auch beim Christentum. Das Wort Gottes ist der Stoff, es würden also alle Zuschüsse nichts helfen, wo das Wort Gottes fehle. Man dürfe sich also nicht auf die Fleischtöpfe Ägyptens verlassen. — Zu den Zuhörern rief er, sie mögen nur die Augen aufreißen, es sei so.“
Am Altar empfahl er die immer noch im Konzentrationslager sitzenden Pfarrer Niemöller und Schneider der Fürbitte der Gemeinde. Die allgemein übliche Fürbitte für das Staatsoberhaupt usw. ließ er wegfallen.
Ich möchte bemerken, daß die Angaben aus dem Predigtzusammenhang herausgenommen sind, da es mir nicht möglich war, den Zusammenhang voll mitzuverfolgen.
In nationalsoz. Kreisen findet man solche Predigten für ganz unangebracht, die Bekenntnisfront hat nichts dagegen.
Quelle: Karl Steinbauer, Einander das Zeugnis gönnen, Bd. 3, Erlangen 1985, S. 187-189.