
Man hält den Atem an, wenn man Adolf Schlatters Schrift „Wird der Jude über uns siegen? Ein Wort für die Weihnachtszeit“ liest. Drei Jahre vor seinem Tod ist sie im November 1935 im Freizeiten-Verlag zu Velbert erschienen. Wie kaum ein anderer Exeget seiner Zeit hatte ja Adolf Schlatter die jüdische Verwurzelung des Neuen Testaments herausgestellt. Doch dann argumentiert er in einer verqueren Logik antisemitisch. So heißt es zu Beginn seiner Schrift:
„Während der Weihnachtszeit sieht Deutschland seltsam aus. Nun marschieren zahlreiche und überzeugte Deutsche auf einmal Arm in Arm mit der Judenschaft. Aus dem Reichstag und der Universität, aus Amtsstube, Theater und Zeitung haben wir die Juden verdrängt. Nun aber gewähren wir ihnen für ihr wichtigstes Anliegen unsere Unterstützung.
Früher wurde die Absage an die Judenschaft von unserem Volke nie so vollständig und so öffentlich vollzogen wie während der Weihnachtszeit. Zwar wurde auch am Karfreitag, wenn allem Volk der Gekreuzigte gezeigt wurde, dem Juden deutlich gemacht, was uns von ihm trennt. Aber am Karfreitag hat die Christenheit immer aufrichtig auch ihre Gemeinschaft mit den Juden bezeugt und sich das von einem Israeliten zunächst für Israel geprägte Wort angeeignet: „Er ist um unserer Missetat willen verwundet und um unserer Sünden willen zerschlagen“ (Jesaja 53,5). Wenn aber die Botschaft „Christus ist geboren“ unserem Volk die öffentliche Weihnachtsfeier und damit die allgemeine Freude, das festliche Lied und die feierliche Anbetung gab, so war damit das, was uns von den Juden trennt, jedem Volksgenossen mit heller Sichtbarkeit klar gemacht. Denn eben dagegen, daß der Christus gekommen sei, setzte sich die Judenschaft zur Wehr; das hieß sie unerträglich; dagegen richtete sich ihr Angriff mit einträchtiger Entschlossenheit. […]“
Die Schlussworte Schlatters lauten entsprechend:
„Es ist freilich möglich, daß der Jude zunächst einen machtvollen Sieg über uns gewinnt; aber dieser Sieg wird nicht endgültig sein. Denn den Glauben an Gott hat nicht der Jude in die Welt gebracht, und ebensowenig können die Juden und Judengenossen ihn zerstören. Sie können dies nicht, weil sie nicht ungeschehen machen können, daß der Christus in die Welt gekommen ist.“
Da kann man sich bei aller Sympathie für Schlatters exegetische und theologische Beiträge für solche Worte nur schämen.
Das Schlatterhaus in Tübingen umbenennen? Wäre angemessen.