„Im Anfang war das Wort, und das Wort war bei Gott, und Gott war das Wort.“ Warum die Luther-Bibel 2017 einen Glaubensartikel immer noch auslässt und die Schweizer es hinkriegen.

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Warum die Luther-Bibel 2017 einen Glaubensartikel immer noch auslässt

Auch in der neuen Luther-Bibel 2017 heißt es eingangs des Prologs im Evangelium nach Johannes: „Im Anfang war das Wort, und das Wort war bei Gott, und Gott war das Wort.“ (Joh 1,1) Dieser Vers muss irritieren: Wie kann man mit jemandem zusammen sein, wenn man derselbe ist – das Wort mit Gott und zugleich Gott. Die Ursache für diese Konfusion ist schlicht die Auslassung des bestimmten Artikels in der deutschen Übersetzung. Martin Luther hat – wie so oft – eben nicht nach dem griechischen Urtext, sondern nach der lateinischen Vulgata übersetzt (wo es ja keinen bestimmten Artikel gibt): „In principio erat Verbum et Verbum erat apud Deum et Deus erat Verbum.“ Dem griechischen Original zufolge muss die korrekte Übersetzung wie folgt lauten: „Im Anfang war das Wort, und das Wort war bei dem Gott, und das Wort war Gott.“ Treffend erläutert dies Siegfried Schulz in seinem Kommentar:

Den Höhepunkt stellt der dritte Lobpreis über das präexistente „Wort“ dar: „und Gott war das Wort“. In 1c steht „Gott“ im Unterschied zum artikulierten Gottesbegriff in V. 1b ohne Artikel betont am Anfang. Indem so das letzte Wort von V. 1b aufgenommen wird, spricht der Hymnus dem „Wort“ das Gott-Sein zu. Das voranstehende „und Gott“ ist Prädikat, identifiziert aber keineswegs das Wort mit dem vorhergenannten „bei dem Gott“. Dadurch wird das „Wort“ ebenso „Gott“ genannt wie es derjenige ist, mit dem dieses „Wort“ in engster Gemeinschaft steht. Das Gott-Sein bezeichnet das Wesen sowohl des „Wortes“ als auch Gottes selbst. Das Wort „Gott“ in der Aussage von V. 1c ist nicht Subjekt – so Luthers Übersetzung: „Gott war das Wort“, sondern Satzaussage. Das „Wort“ ist nicht „der Gott“ (so V. 1b), also Gott der Vater. Gleichwohl ist der Logos Gott von Art, göttlichen Wesens, mit Gott wesensgleich, so daß man sachgemäß zu übersetzen hat: „und göttlicher Art war das Wort“. (S. Schulz, Das Evangelium nach Johannes, NTD 4, 14. A., Göttingen 1978, 18f)

Das Objekt „dem Gott” bezieht sich auf den himmlischen Vater, wo hingegen im dritten Satzteil „Gott” als Gattungsname bzw. Prädikatsnomen gilt. Folgerichtig wird das Wort (bzw. der Logos) als göttlich prädiziert, was nichts anderes heißt, als dass es über dieselben Wesenseigenschaften wie der Gott verfügt. Trotz Wesenseinheit ist es jedoch nicht mit dem Vater identisch. Das Wort ist Gott, ohne damit „der Gott“ (Vater) zu sein. Wenn es in der Formel von Chalcedon heißt, dass Jesus Christus wahrhaft Gott und wahrhaft Mensch sei, handelt es sich bei diesen beiden artikellosen Prädikaten um Gattungsnamen, die Jesu Wesenseinheit mit dem Vater und uns Menschen aussprechen. Auch die revidierte Einheitsübersetzung verschreibt sich einem subtilen Modalismus, wenn es in ihr heißt: „Im Anfang war das Wort und das Wort war bei Gott und das Wort war Gott.“ Die Schweizer hingegen haben vor zehn Jahren in der Zürcher Bibel mit gutem Grund wie folgt übersetzt: „Im Anfang war das Wort, der Logos, und der Logos war bei Gott, und von Gottes Wesen war der Logos.“

Hier mein Text als pdf.

8 Kommentare

  1. endlich jemand, der korrekt zitiert: „Im Anfang…“. es ist immer wieder erstaunlich, daß sogar leute mit großem sprachverständnis das immer wieder falsch zitieren. mag sein, daß sie eine andere assoziation mit diesem verbindet. ich selbst bin 1971 aus der kath. kirche ausgetreten, doch kirche ist nicht gleichzusetzen mit glaube.
    lese gerne in einer alten lutherbibel. mit 19 jahren (1963) habe ich zur genesis eine linolschnittserie und eine serie von monotypien erstellt ( beides hängt gerahmt in meiner diele, immer im blickfeld ).
    meine am meisten gelesenen seiten in der bibel sind erstens die texte von Salomon ( „nichts neues unter der sonne“ ) und zweitens as buch HIOB – und 1.Korinther 13.kapitel: 1. „Wenn ich mit menschen= und mit Engelszungen redete, und hätte der Liebe nicht, so wäre ich ein tönend Erz oder eine klingende Schelle.“

  2. Es gibt keinen Begriff in menschlicher Sprache, mit dem man Gott beschreiben könnte. Und schon gar nicht der Begriff „Wort“ .
    Ein Wort setzt ein Gegenüber voraus. Einen Empfänger, der entweder das gesprochene Wort hört oder das geschriebene Wort liest. Ein solches Gegenüber gab es aber am Anfang nicht. Hat Gott Selbstgespräche geführt? Das hat er nicht nötig.

    Oder es liegt hier wieder einmal ein grandioser Übersetzungsfehler vor. Ein Übersetzungsfehler, dem viele Generationen von Theologen aufgesessen sind. Aus Bequemlichkeit verbiegt man sich, um einen Satz wie „Am Anfang war das Wort“ zu erklären, auch wenn man ihn nicht versteht. Bei dem Satz „Gott war das Wort“ wird es hanebüchen. Der Sender eines Wortes kann nicht identisch sein mit der gesendeten Information. Darüber denkt man besser gar nicht nach.

    Alles liegt an der Übersetzung des griechischen Wortes „Logos“. Für mich als Laien ergibt „Wort“ keinen Sinn. Ehrlicher wäre es gewesen, Logos einfach unübersetzt zu belassen. Oder mit „Geist“ oder noch besser mit „Bewusstsein“ zu übersetzen.

    Ersetzen wir im obigen Text „Wort“ durch „Bewusstsein“ dann ergibt das alles einen Sinn. Dann wir klar, dass die materielle Welt einen irgendwie gearteten geistigen Ursprung hat. Genaueres wissen wir nicht, darüber können wir nur spekulieren. Das werden wir erst wissen, wenn wir selber in diese jenseitige Welt eingegangen sind.

    Einen Pfarrer, der unbeirrt immer weiter sagt „Am Anfang war das Wort“, den betrachte ich mit großem Misstrauen.

    1. Leider lässt sich mein am 16.10. abgeschickter Kommentar nicht mehr bearbeiten oder löschen. Geht nicht. Nochmal drüber schlafen und nachdenken ist leider nicht vorgesehen.

  3. „Im Anfang war das Wort“.
    Darüber hat auch Goethe in seinem Faust schon nachgedacht. Und auch er hat sich an dem Begriff „Wort“ gestört. Er hat „Wort“ nacheinander ersetzt durch Sinn, Kraft, Tat.

    Prof. Zimmer bleibt bei der Übersetzung „Wort“, weil Gott mit uns kommunizieren will, einen Kontakt mit uns herstellen will. Das geht mit Sprache am besten. „Wort“ passt gut ins Gesamtbild.
    (https://www.youtube.com/watch?v=X_Qns_836wM&t=998s)

    Es sieht so aus, als ob „Logos“ mehrere Übersetzungen zulässt. Welche dieser Übersetzungen dem Autor Johannes am besten gefallen würde, was er wirklich gemeint hat, das wissen wir nicht.
    Übersetzung ist immer auch Interpretation. Wir suchen uns die Übersetzung heraus, die wir am besten schlucken können. „Wort“ schlucke ich nicht. Das ist legitim, so machen es nämlich alle.

  4. Oh , come on! Nicht den liberalen Zimmer als Quelle angeben, sonst wird man sofort als progressiv gebrandet 😉

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