
Von Martin Luther
Martin Luthers Schrift „Eine Predigt, dass man Kinder zur Schule halten soll“, geschrieben 1530 während des Augsburger Reichstags auf der Veste Coburg, ist mehr als nur ein Plädoyer für die allgemeine Schulbildung. Konkret geht es um einen sich abzeichnenden Pfarrermangel. Eltern werden daher angehalten, ihre Söhne zur Schule zu schicken, damit genügend Nachwuchs für den Pfarrdienst bzw. den Staatsdienst gewonnen werden kann. Den Eltern scheint offensichtlich eine handwerkliche bzw. kaufmännische „Karriereplanung“ für die eigenen Söhne zukunftsträchtiger zu sein. So muss Luther mit aller rhetorischer Kunst drohen und werben:
„Damit du dich nicht zu sehr sorgst, wie dein Sohn ernährt wird, wenn er sich zum Studium und zu solchem göttlichen Amt und Dienst begibt, so hat Gott dich auch hierbei nicht verlassen und vergessen, so dass du nur ja nicht sorgen noch klagen sollst. Er hat durch Paulus im 1. Korintherbrief, Kap. 9, verheißen: »Die das Evangelium verkündigen, sollen sich vom Evangelium auch ernähren«, und durch Christus selbst nach Matthäus, Kap. 10: »Der Arbeiter ist seiner Speise wert. Esst und trinkt, was sie haben.« Damit sein Predigtamt im Alten Testament nicht unterging, erwählte er und nahm das ganze Geschlecht Levi, nämlich den zwölften Teil des gesamten Volkes Israel, und gab ihnen den Zehnten vom ganzen Volk, darüber hinaus die ersten Früchte, allerlei Opfer, eigene Städte, Vorstädte, Äcker, Wiesen, Vieh und was dazu gehört. Und sieh nur im Neuen Testament: Wie reichlich vor Zeiten Kaiser, Könige, Fürsten und Herren zu solchem Amt gegeben haben, was jetzt die Stifte und Klöster besitzen und damit Könige und Fürsten übertreffen. Er wird und kann die, die ihm getreu dienen, nicht verlassen, er hat es zu sehr versprochen und zugesagt wie im Hebräerbrief, Kap. 13: »Ich will dich nicht im Stich noch alleine lassen.«
Rechne auch selbst, wie viele Pfarren und Kanzeln, Schulen und Küstereien vorhanden sind, die noch jetzt zum größeren Teil genug versorgt sind und täglich frei werden. Was sind das anders als Küchen und Keller, deinem Sohn von Gott bestellt, dass er seine Nahrung schon zubereitet hat, ehe er sie braucht, und dazu nichts erwerben muss? Als ich ein junger Student war, hörte ich sagen, dass es im Fürstentum zu Sachsen (wenn ich mich recht erinnere) gegen achtzehnhundert Pfarren gebe. Wenn das wahr ist und auf jede Pfarre wenigstens zwei Personen gehören, nämlich ein Pfarrer und ein Küster, nicht gerechnet, was in Städten an Predigern, Kaplänen, Helfern, Schulmeistern und Kollaboranten vorhanden ist, gehören allein in diesem Fürstentum um die viertausend gelehrte Personen dazu, von denen in zehn Jahren wohl ein Drittel stirbt. Nun wollte ich wetten, dass es innerhalb Deutschlands im Augenblick mehr als viertausend Studenten gibt. Ich nehme weiter an, dass knapp achthundert Pfarren im Fürstentum existieren, wie viele von ihnen wird es wohl im ganzen deutschen Lande geben? Ich will gern zusehen, wo man in drei Jahren Pfarrer, Schulmeister, Küster hernehmen will. Werden wir hier nicht etwas tun und besonders die Fürsten darum bemüht sein, dass Knabenschulen und Universitäten recht eingerichtet werden, so wird ein solcher Mangel an Personen herrschen, dass man drei oder vier Städte einem einzigen Pfarrer und zehn Dörfer einem Kaplan wird anbefehlen müssen, wenn man sie dann überhaupt noch haben kann.“