Ähnlich und doch ganz anders als bei Augustinus zu Beginn seiner Confessiones klingt Martin Bubers NAMENSgebet in seinen „Schriften zum Chassidismus“:
Wieder stand der Jude
mitten in der Nacht an dem offenen Fenster.
Wieder schaute er regungslos ins Dunkel
und war versunken bei den Dingen des Lebens.
Er erwartete nichts und war doch In-Erwarten.
Offenen Herzens war er bei den Geheimnissen.
Da kam ihm die Wortreihe des Psalmes in den Sinn,
die er langsam vor sich hinsprach, leise,
als wolle er das Geborenwerden der einzelnen Worte aus dem eigenen Leibe hören:
Zu. dir. redet. mein. Herz.
nach. dir. sehnt. sich. mein. Gesicht.
nach. deinem. Antlitz. suche. ich.
Dich. DU. bist’s.
Er hielt an, zögerte.
Spreche ich: Du bist? Spreche ich: Du bist’s?
Er hatte die Augen nach innen gerichtet,
auch wenn sie regungslos und weit geöffnet waren.
Spreche ich Du-bist, wo ist mein Bezug?
Spreche ich Du-bist’s, so bin ich drin
und mein Bezug ist festgemacht.
Der NAME kam ihm voraugen: Ich werde dasein.
Es wurde ihm, als legte sich
der ganze frume Leib mit allen seinen Gliedern auf die ganze Wortreihe des NAMENS:
„Ich werde dasein, als der ich dasein werde“.
Und er einte sich mit dem Namen,
der ihm lebendig, der ihm fühlbar, faßbar schien.
Und er erlebte sich geeint, wie eins –
das Geschenk der Einung mit dem NAMEN.
Martin Buber