Nur wem ein eigener Namen gilt, hat seine eigene Lebensgeschichte. Im Eigennamen verdichtet und erhält sich besonderes Geschehen über die Zeit hinweg. Was Namen besagen, wächst ihnen selbst zu, nämlich ihr Ruf. Im Unterschied zu Gattungsnamen lassen sich Eigennamen gerade nicht definieren, gewinnen sie doch mit der Zeit an Bedeutung. Nach all dem, was mit einem Namen geschehen ist, ist dieser ein anderer geworden, der jedoch immer noch demselben gilt.
So hat es Zelda Schneersohn Mishkovsky (1914-1984) in das folgende Gedicht „Jeder Mensch hat einen Namen (Lechol isch jesch schem)“ gefasst, das jedes Jahr im April in Israel am nationalen Gedenktag an Shoa und Heldentum (Jom haScho’a) feierlich rezitiert wird:
Jeder Mensch hat einen Namen
den GOTT ihm gegeben
den Vater und Mutter ihm gegeben.
Jeder Mensch hat einen Namen,
den seine Gestalt und sein Lächeln ihm geben.
Jeder Mensch hat einen Namen,
den das Gebirge ihm gibt
und die Wände, in denen er lebt.
Jeder Mensch hat einen Namen,
den seine Sünde ihm gibt
und die Sehnsucht, die sein Leben prägt.
Jeder Mensch hat einen Namen,
den seine Feinde ihm geben
und den seine Liebe ihm gibt.
Jeder Mensch hat einen Namen,
den seine Feste ihm geben
den seine Arbeit ihm gibt.
Jeder Mensch hat einen Namen
vom Kreislauf des Jahres
und von seiner Blindheit ihm beigelegt.
Jeder Mensch hat einen Namen,
den das Meer ihm gibt
und schließlich auch der eigene Tod.
Abgedruckt als Abendgebet für den Jom Kippur in: J. MAGONET/W. HOMOLKA (Hg.), Seder hat-tefillôt. Das jüdische Gebetbuch, Bd. 2. Gebete für die hohen Feiertage, Gütersloh 1997, Seite 297.
Hat dies auf NAMENSgedächtnis rebloggt und kommentierte:
Der erste Januar ist mehr als nur der Neujahrstag, sondern der Tag der Beschneidung und Namengebung des Herrn (Lukas 2,21).