Drei Weisen menschlicher Heilszugänge
Es mag nicht unproblematisch sein, von „Heil an sich“ zu reden, legt es doch den Schluss nahe, man könne dabei von einer religiösen Letztreferenz reden. Und doch mag es aus heuristischen Gründen gestattet sein, die Heilsfrage anthropologisch aufzunehmen. Drei verschiedene menschliche Heilszugänge scheinen mir augenscheinlich zu sein, der dynamistische, der gnostische und der dramatische Heilsweg.
Unter dem dynamistischen Zugang verstehe ich die Integration von Kräfte, Mächte, Geister in mein eigenes leibliches Leben, die gesundheits- und wohlstandsförderlich sind. Umgekehrt gilt es schädliche Kräfte abzuwehren. Integration bzw. Abwehr von Kräften vollzieht sich in einem rituell-moralischen Lebenszusammenhang. Als Beispiel gilt die Ahnenverehrung, wo lebensförderliche Wirkungen für das eigene Leben erwartet werden. Wird der Ahn regelgerecht verehrt und bedient, wirkt sich dies positiv auf das eigene Wohlergehen aus. Ein anderes Beispiel könnte die fallbezogene Anrufung eines Heiligen sein, der als Nothelfer dem eigenen Leben zugute kommen soll. Eine dynamistische Heilsweise bildet sich in einer Tempelkultur ab, wo in einem rituellen Handeln meine eigenen Lebensbedürfnisse geltend gemacht werden.
Ganz anders zeigt sich die gnostische Heilsweise, wird doch dabei das Heil in der kontemplativen Erkenntnis gesucht (nicht zu verwechseln mit der sogenannten „Gnosis“, einem religionsgeschichtlichen Konstrukt, das sich auf die Spätantike bezieht). Leibliches Leben mit seinen sinnlichen Widerfahrnisse wird auf eine transzendente Referenz hintergangen. Wo eine Einung mit dem Unbedingten gesucht wird, können Schmerzerfahrungen, Verluste und leibliches Wohlergehen als fragiler Lebenshorizont überwunden werden. Die Seele bzw. das Bewusstsein vermögen sich aus einem leiblichen Lebenszusammenhang zu lösen. Mystik bzw. Neuplatonismus lassen sich als solch ein gnostischer Heilsweg identifizieren.
Die dritte Weise nenne ich die dramatische. Im Zentrum stehen dabei ein Name und das mit diesem Namen verbundene Heilsgeschehen. Das eigene, leibliche Leben wird in Beziehung zu diesem Namen gebracht und damit in das Heilsgeschehen integriert. Maßgeblich sind also nicht namensneutrale Kräfte, die mir widerfahren und mir zugute kommen sollen, sondern das, was der bestimmte NAME getan hat. Damit sind wir beim Evangelium Jesu Christi bzw. dem Bund des HERRN mit seinem Volk, wie sie in der Bibel bezeugt sind. Was heilsentscheidend ist, ist SEIN Leben und Handeln. Im Sakrament der Taufe und des Herrenmahls wird mein eigenes Leben in SEIN ganz besonderes Leben integriert und erhält damit eine Verheißung, die über meine eigene Lebenserfahrung hinausführt. Die Verheißung entäußert nicht das eigene leibliche Leben, sondern integriert es auf die Zukunft als leibliche Auferstehung von den Toten. Die dramatische Heilsweise hat der Apostel Paulus in seinem Brief an die Römer knapp zusammengefasst: „Unser keiner lebt sich selber, und keiner stirbt sich selber. Leben wir, so leben wir dem Herrn; sterben wir, so sterben wir dem Herrn. Darum: wir leben oder sterben, so sind wir des Herrn. Denn dazu ist Christus gestorben und wieder lebendig geworden, dass er über Tote und Lebende Herr sei.“ (Röm 14,7-9)