Die Idolatrie der büßenen Maria Magdalena im Hinblick auf das Kruzifix
Die büßende Maria Magdalena ist eine Darstellung, die sich im 17. und 18. Jahrhundert in den römisch-katholischen Barockkirchen zu einem beliebten Bildmotiv entwickelt hatte. Das Motiv entstammt eigentlich aus einer Vermischung mit der Legende der Maria Aegyptica, die sich – als vormalige Prostituierte – für 47 Jahren zur Buße in die Einöde zurückgezogen hatte.
Auf dem Deckenfresko über der Seitenkapelle an der Langhaus-Südseite der Basilika St. Martin im Kloster Wiblingen hat der Künstler Januarius Zick (1730-1797) die Büßerin Maria Magdalena mit den gängigen Attributen, dem Buch sowie dem Kruzifix gemalt. Doch genau da, wo sie das Kruzifix in den Händen hält und in Gebetshaltung das corpus Christi in den Blick nimmt, stellt die Szene eine Idolatrie dar. Der Betrachter sieht, wie Maria Magdalena zu einem Stück Holz betet (im Gegensatz zur Kreuzigungstafel des IsenheimerAltars, wo Matthias Grünewald Maria Magdalena im Angesicht des Gekreuzigten als eine verzweifelt Betende darstellt). Die Repräsentationsfunktion des Kruzifixes für den Gekreuzigten kann nicht greifen, da ja Kruzifix und Anbetende im gleichen Bild dargestellt sind. Eigentlich müsste eine doppelte Repräsentation sichtbar werden: Maria Magdalena bildlich dargestellt, wie sie im dargestellten Kruzifix den gekreuzigten Christus erkennt. Aber genau diese doppelbödige Botschaft kann die Eindimensionalität des Freskos nicht zeigen.
Es bleibt dabei: Auf dem Fresko in der Basilika betet Maria Magdalena ein Stück Holz an. Das Bild zeigt uns in entlarvender Weise die Idolatrie, die es in der Westkirche durch die Missachtung des biblischen Bilderverbotes (Ex 20,4 par. Dtn 5,8; Ex 20,23; 34,17; Lev 19,4; 26,1; Dtn 4,16ff.23.25; 27,15) zwangsläufig geben muss.