Im staatstreuen Chinese Christian Council wird „theologische Rekonstruktion“ propagiert, wie dies von Bischof Ting, die grauen Eminenz, vorgedacht worden ist: Rechtfertigung durch Liebe (und nicht mehr durch Glaube). Natürlich geht es dabei nicht um eine Annäherung an Rom, sondern um Harmoniegefährdungen der chinesischen Gesellschaft. Ein Heilsexklusivismus von Gläubigen, die aufgrund ihrer eigenen Entscheidung Jesus für sich selbst angenommen haben, hat seinen Preis für die Ungläubigen, die zwangsläufig zur massa perditionis („Masse der Verdammten“) gehören. Der chinesische Staatstotalitarismus, der keine kommunistische Erfindung ist, kennt keine Zwei-Reiche-Lehre. Das eschatologische Seelenheil, das Christen für sich beanspruchen, darf demzufolge seiner Kontrolle nicht entgleiten. Letztendlich steckt dahinter der Sorge, dass eine christliche Heilsgewissheit, die anderen gegenüber geltend gemacht wird, das harmonische Zusammenleben in der Gesellschaft auf Dauer gefährdet. Daran dürfte etwas Wahres dran sein. Dennoch ist das eigentliche Problem nicht eine evangelische Rechtfertigungslehre „allein aus Glauben“, sondern das Missverständnis, dass der Glaube eine eigene Entscheidung sei, auf die man sich verlassen kann. Wer Gottes Handeln in Christus traut, kann sein Heil in aller Entschiedenheit nicht selbst besitzen und damit andere davon ausschließen.