Protestantische Rechtfertigungslehre und chinesische Bekehrungslogik
Es gibt sie in China, die protestantische Rechtfertigungslehre, Rechtfertigung des Sünders bzw. Heilwerdung allein durch Glauben. Was als die reformatorische Entdeckung Luthers aus dem Schoß der katholischen Kirche gilt, hat in einem missionarischen Kontext eine ungeahnte Eigenwirkung. Es herrscht nämlich der freie Wille, der die richtige Entscheidung zu treffen vermag. Da gibt es ein christliches Heilsangebot, das einem die buddhistische Hölle endgültig erspart, und man muss nur zugreifen (und später bei der Stange bleiben). Anders kann ja auch die Bekehrung von „Heiden“, also Menschen, deren Leben bislang noch nicht vom Evangelium erfasst worden ist, nicht funktionieren. Irgendwelche Allversöhnungsverkündigungen machen ja eine Bekehrung mit Taufe irrelevant.
Das Problem ist jedoch, dass das eigene Vertrauen weniger dem endgültigen Handeln Gottes in der Menschwerdung, Kreuzigung und Auferstehung seines Sohnes Jesus Christus (das sogenannte Pascha-Mysterium) gilt, als vielmehr der eigenen Entscheidung in Sachen Heilsergreifung. Die gläubige Entschiedenheit wird somit zum rechtfertigenden Menschenwerk, das das Heilswerk Christi auf die eigene Akzeptanzleistung zu reduzieren sucht. Ganz umsonst geht es einfach nicht. Das Paradox des christlichen Glaubens, eine Entscheidung zu treffen, die man selbst nicht treffen kann (vgl. Philipper 2,12-13) und schließlich diese eigene Entscheidung im Angesicht des allüberwältigenden Pascha-Mysteriums als irrelevant anzusehen (mere passive – wie Christi Leiden muss es ungewollt geschehen), ist eben nicht so einfach mit Händen zu greifen. So gibt es also eine unevangelische Rechtfertigungslehre unter Protestanten, die in China in Sachen Mission erfolgswirksam ist.
Nur diejenigen, die in dem Anspruch einer christlichen Selbstvervollkommnung an ihrem eigenen Perfektionismus scheitern, scheinen eine evangelische Rechtfertigungslehre und damit eine evangelische Freiheit, die keine Willensfreiheit ist, entdecken zu können.
… die Frage bleibt freilich, ob Paulus und Luther/Calvin für ‚Werke‘ das gleich Definitionswörterbuch verwendet haben. Ich meine: Nein.
Luther musste für seinen unfreien Willen den Deus Absconditus einführen, den Gott, der nicht liebt, sich nicht an sein Wort hält etc. … ein Monstergott, in meinen Augen.
Der unfreie Wille bedeutet, zu Ende gedacht: die beste Tat wie die schlimmste Untat: beides entspränge dem Allmächtigen selbst. Die Welt wäre dann nichts weiter als eine virtuelle Veranstaltung, nichts weiter als Gottes Kopftheater: ist dem so?