Hans Joachim Iwand in seiner Predigtmeditation zu Lukas 6,36 (1950): „Könnten wir von hier aus denken, also von da aus, dass Gott barmherzig ist, dass alles, unser Sein und unser Erlöst-Sein, dies bezeugt und unter Beweis stellt, dann wür­den wir gewiß die tiefe, sich immer wieder gegen den Richter kehrende Problematik des Richtens begreifen, wir würden von uns aus mithelfen, dass die Umkehrung her­beigeführt wird, dass Gnade vor Recht kommt, Evange­lium vor dem Gesetz, Erbarmen vor dem Verurteilen, und würden so die Sache des Höchsten als unsere eigenste An­gelegenheit fördern und vertreten.“

Seid barmherzig, wie auch euer Vater barmherzig ist. (Lukas 6,36)

Gott ist barmherzig. Wir – obschon wir Staub und Asche sind – dürfen teilhaben an dem, was er ist. Weil also Gott in seinem Erbarmen uns in sich, in sein Leben, Tun und Offenbaren, in sein Schaffen, Umschaffen, Vergeben und Erretten einbezieht, darum können wir auch nicht mehr »für uns«, in der Isolierung des »An-und-für-sich« leben. Wir leben ja alle davon, daß Gott, ungeachtet unserer Un­dankbarkeit und Verkommenheit, die Welt nicht regiert nach Recht und Vergeltung (wie wir das tun, wenn wir Götter spielen) …, sondern »daß seine Barmherzigkeit noch kein Ende hat«, wobei jedes Wort in diesem kleinen Satz, auch das »noch«, bedacht sein will.

Könnten wir von hier aus denken, also von da aus, daß Gott barmherzig ist, daß alles, unser Sein und unser Erlöst-Sein, dies bezeugt und unter Beweis stellt, dann wür­den wir gewiß die tiefe, sich immer wieder gegen den Richter kehrende Problematik des Richtens begreifen, wir würden von uns aus mithelfen, daß die Umkehrung her­beigeführt wird, daß Gnade vor Recht kommt, Evange­lium vor dem Gesetz, Erbarmen vor dem Verurteilen, und würden so die Sache des Höchsten als unsere eigenste An­gelegenheit fördern und vertreten.

Quelle: Christa Charlotte Lauther (Hrsg.), Morgenröte der Verheißung. Texte zum Kirchenjahr von Hans Joachim Iwand, Neukirchen-Vluyn: Neukirchener, 1990, S. 85.

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