Eine Schrift wider die Artikel der Bauernschaft (1525)
Von Philipp Melanchthon
Melanchthons Erwiderung zu den 12 Artikeln der Bauern wurde zwischen dem 18. Mai und 5. Juni 1525 auf briefliche Anforderung[1] als Gutachten für den Kurfürsten Ludwig von der Pfalz verfasst. Im Druck erschien sie Ende August/Anfang September 1525.
Da sich die Bauern auf das heilige Evangelium berufen und dieses als Vorwand nutzen, ist es zunächst notwendig zu klären, was das heilige Evangelium von uns verlangt oder nicht verlangt, damit man die Artikel der Bauernschaft beurteilen kann. Diese versuchen nämlich, alle ihre Forderungen im Namen Gottes durchzusetzen und wollen uns glauben machen, dass der Grund ihrer Artikel darin besteht, das Evangelium zu hören und entsprechend zu leben. Dabei verlangen die Bauern jedoch vieles, was ihnen nicht zusteht und wozu sie auch nicht vom Evangelium ermächtigt sind. Darüber hinaus üben sie Gewalt aus und wollen ihre Vorhaben durch Aufruhr, Empörung und Mord durchsetzen.
Da sie jedoch angeboten haben, sich vom Evangelium belehren zu lassen, ist es angemessen, dass man ihnen das Evangelium und die wahre christliche Lehre vorhält. Denn zweifellos gibt es viele unter den einfachen Leuten, die aus Unwissenheit sündigen. Würden diese richtig unterrichtet, könnte man hoffen, dass sie von solch frevelhaften Taten ablassen und an Gottes Gericht, ihre Seelen sowie ihre armen Frauen und Kinder denken. Es gibt jedoch auch viele, die so willensstark und verblendet vom Teufel sind, dass sie keinen Frieden wollen oder ertragen können. Diese haben, obwohl sie durch die Schriften und Predigten frommer Menschen gewarnt und zum Frieden ermahnt wurden, dennoch nicht darauf gehört und machen mit ihrer Frechheit und Halsstarrigkeit Gott nur noch zorniger. Von diesen wollen wir später sprechen. Zunächst wollen wir kurz zusammenfassen, was das Evangelium fordert und wie ein christliches Herz gegenüber Gott, seinem Nächsten und der Obrigkeit eingestellt sein soll.
Der Apostel Paulus sagt in 1.Timotheus 1,5: „Das Ziel des Gebotes aber ist Liebe aus reinem Herzen und gutem Gewissen und ungeheucheltem Glauben.“ Mit Glauben handelt man gegenüber Gott, mit Liebe gegenüber dem Nächsten und der Obrigkeit. Was ist nun Glaube? Glaube ist, wenn Gott dem Gewissen die Sünde aufzeigt und es wahrhaftig erschreckt, sodass es beginnt, Gottes Gerichte ernsthaft zu fürchten. Denn Gott hat geboten, die Sünde zu bestrafen und Buße zu predigen. Wenn das Herz dann von Christus hört, dass durch ihn, ohne unser Verdienst, Gnade und Vergebung der Sünden geschenkt ist, und es dadurch Trost und Freude empfindet, sodass es vor Gott zur Ruhe kommt und sicher ist, dass Gott versöhnt ist, und sich daher in Trübsal, wie in Todesnot und anderen Bedrängnissen, auf Gott verlässt und weiß, dass Gott ein Auge auf uns hat und helfen wird, und sich deshalb zufrieden gibt, weil es sich dieses Trostes sicher ist: das nennt man Glauben, den das Evangelium predigt. Zum Beispiel, als der assyrische König vor Jerusalem lagerte und Hiskia viel zu schwach war, ihn zu vertreiben: Ein Herz ohne echten Glauben hätte entweder verzagt und sich den Feinden ergeben, wäre geflohen oder hätte sich selbst getötet, oder es hätte aus Verzweiflung eine Tat gewagt und sich mit den Feinden geschlagen, denkend: „Gelingt es, so ist es ein Gewinn; gelingt es nicht, so müssen wir ohnehin sterben.“ Was aber tat Hiskia? Da sein Herz Gott kannte, glaubte und hoffte er auf Hilfe von Gott, bat er Gott, dass er Rat schaffen möge. Da half Gott, wie es in Jesaja 37 geschrieben steht.
Der Apostel Paulus sagt, dass es ein Glaube ohne Heuchelei sein soll. Denn es gibt viele Menschen auf Erden, die sich Christen nennen und sich des Glaubens rühmen; aber wenn es darauf ankommt, merken sie, dass sie nicht wirklich glauben. Denn sobald Unglück hereinbricht, verzagen sie an Gott, denken, er kümmere sich nicht um uns und nehme sich nicht so viel an uns, wie man predigt, und suchen Hilfe, so lange sie können, bei eigener Macht, Weisheit oder Stärke, ja sogar beim Teufel. So tat Saul, als er in Sorge war und die Feinde heranrückten, suchte er Hilfe und Rat bei einer Hexe.
Ebenso rühmen sich viele des Glaubens und sagen, sie seien Christen, so wie die Bauernschaft sich Christen nennen will. Aber man soll wissen, dass, wenn sein Herz keine ernstliche Furcht vor Gottes Gericht hat und kein Vertrauen auf Gott in allen Anfechtungen, sondern sein Herz auf Besitz, Macht und die Menge vertraut, dass er kein Christ ist. Denn Jesaja sagt in Kapitel 57,15: „Gott wohnt bei denen, die ein erschrockenes und demütiges Herz haben.“ Und Johannes 3,14f sagt: „Wie Mose die Schlange in der Wüste erhöht hat, so muss der Sohn des Menschen erhöht werden, damit alle, die an ihn glauben, nicht verloren gehen, sondern das ewige Leben haben.“
Einen solchen echten Glauben kann die menschliche Vernunft oder der Wille nicht aus eigener Kraft hervorbringen; vielmehr wirkt und schafft ihn der Heilige Geist in einigen Herzen, wie es in Johannes 6,45 geschrieben steht: „Sie müssen alle von Gott gelehrt werden“; und in Römer 8,14: „Die sind Gottes Kinder, die der Geist Gottes treibt!“
Das Hauptstück eines christlichen Lebens ist also dieser Glaube, durch den der Mensch mit Gott eins wird, versöhnt wird und in allen Situationen zur Ruhe kommt. Und wie dein Glaube innerlich im Herzen ist, so ist das christliche Wesen vor allem ein innerliches Wesen. Man muss sich vor allem um dieses Hauptstück und das Siegel, wie es in Johannes 6,27 genannt wird, des christlichen Wesens bemühen, denn hierin trennt sich die Heuchelei von der wahren Frömmigkeit, die Gott wirkt. Diesen Glauben fordert Gott überall in der Schrift, insbesondere im ersten Gebot und in Jeremia 9,23-24: „Der Weise soll sich nicht seiner Weisheit rühmen oder trösten, der Mächtige nicht seiner Macht, der Reiche nicht seines Reichtums; sondern wer sich rühmen will, der rühme sich dessen, dass er mich erkennt, dass ich ein Gott bin, der auf Erden Gnade übt, Recht schafft und den Gerechten hilft; das gefällt mir!“ Das bedeutet, so von Gott zu halten und zu glauben und sich dieses zu Gott zu versehen – das ist wahrer Gottesdienst und Frömmigkeit.
Von der Liebe
Das zweite Stück ist die Liebe aus reinem Herzen und gutem Gewissen. Denn wenn das Herz Gott so erkennt und wie große Gnade er uns erwiesen hat, so weiß es, dass es Dankbarkeit denen gegenüber zeigen soll, die uns Gott zu lieben und zu dienen befohlen hat. Gott hat gesagt: „Du sollst deinen Nächsten lieben wie dich selbst; du sollst nicht töten, nicht unkeusch sein, nicht stehlen“ usw.
So hat ein christliches Herz Freude daran, Gott in diesen Dingen zu gefallen, dient dem Nächsten, ist freundlich zu ihm, zeigt Zucht und Keuschheit und hilft ihm, sein Gut zu bewahren. Diese Dinge fordert Christus in Matthäus 5,20ff. und Paulus in Römer 12,8ff.
Von der Obrigkeit
Insbesondere fordert das Evangelium Gehorsam gegenüber der Obrigkeit. Da dieser Artikel besonders von denen, die sich evangelisch nennen, verachtet wird, wollen wir ihnen das Evangelium und Gottes Wort vorhalten, damit sie sehen, wie sehr sie unter dem Vorwand des Evangeliums gegen Gott kämpfen. Paulus schreibt in Römer 13,1ff.: „Jedermann sei untertan der Obrigkeit, die über ihn gesetzt ist, denn es gibt keine Obrigkeit außer von Gott, und jede Obrigkeit ist von Gott angeordnet. Wer sich also gegen die Obrigkeit stellt, widersetzt sich der Anordnung Gottes, und wer das tut, wird seine Strafe empfangen. Denn die Obrigkeit ist nicht zum Schrecken der guten Werke, sondern der bösen. Willst du dich also vor der Obrigkeit nicht fürchten, so tue das Gute; dann wirst du Lob von ihr erhalten, denn sie ist Gottes Dienerin zu deinem Guten. Tust du aber Böses, so fürchte dich, denn sie trägt das Schwert nicht umsonst; sie ist Gottes Dienerin, eine Rächerin zur Bestrafung des Übeltäters. Deshalb ist es notwendig, sich ihr zu unterwerfen, nicht nur um der Strafe willen, sondern auch um des Gewissens willen. Deshalb entrichtet Steuern, denn sie sind Gottes Diener und erfüllen diesen Dienst. Gebt allen, was ihr ihnen schuldet: Steuern, wem Steuern zustehen; Zoll, wem Zoll zusteht; Furcht, wem Furcht zusteht; Ehre, wem Ehre zusteht.“
Hier lehrt Paulus drei Dinge: Erstens, woher die Gewalt eingesetzt ist, und sagt, dass Gott die Obrigkeit angeordnet hat. Denn da nicht jeder Mensch Christ ist und sich freiwillig zurückhält, anderen keinen Schaden zuzufügen, sondern viele mutwillige Menschen dazu neigen, anderen an Leib, Gut, Weib oder Kind Unrecht zu tun, hat Gott neben dem Evangelium solch ein weltliches Regiment und Zucht eingesetzt, um die Ehrbaren zu schützen, ihnen Frieden zu verschaffen und die Frevler zu bestrafen. Dafür schafft die Obrigkeit Gerichte und Gesetze, damit man leibliche Güter in Frieden teilen, besitzen und nutzen kann. Sie ordnet Richter, Soldaten und dergleichen an, um den Frieden zu schützen und Mord zu verhindern. Lukas 3,14: „Lasst euch genügen an eurem Sold.“ Solche weltliche Ordnung darf ein Christ gebrauchen, auch wenn sie an einem Ort anders ist als an einem anderen. Denn wie oben gesagt, ist das christliche Wesen vor allem ein innerliches Leben und Wesen, und es ist nicht an solche Ordnungen gebunden, sondern soll sie nach Liebe und Frieden gebrauchen. Man teilt die Güter anders in Sachsen als am Rhein, und es kann sein, dass das eine erträglicher ist als das andere; dennoch soll ein Christ um des Friedens willen bei den Rechten seines Landes bleiben, und es schadet seiner Seele nicht. Ja, wenn er nicht zufrieden sein will, dann schadet er seiner Seele. An manchen Orten gibt es auch Leibeigenschaft; diese soll er um des Friedens willen ertragen, auch wenn sie in anderen Herrschaften nicht existiert; das Evangelium fordert nicht, dass solche Landesordnungen geändert werden, sondern fordert Gehorsam; es sei denn, die Obrigkeit befiehlt, gegen Gott zu handeln. Dann soll man der Regel in Apostelgeschichte 5,29 folgen: „Man muss Gott mehr gehorchen als den Menschen.“
Es ist gut zu merken, dass Gott die Obrigkeit eingesetzt hat, damit sie, die Obrigkeit, weiß, dass sie in einem Stand ist, der Gott wohlgefällig ist; denn man kann Gott nicht in Werken oder Ständen dienen, die er nicht geordnet oder eingesetzt hat. Dies ist auch für die Obrigkeit tröstlich, dass sie Zuversicht haben kann und Grund zu glauben, dass Gott sie gegen den Willen der Aufrührerischen bewahren wird; wie Gott es oft gezeigt hat. So wie bei David: Obwohl sein eigener Sohn ihn aus dem Land vertrieben hatte und das ganze Land von ihm abgefallen war, setzte Gott ihn dennoch wieder ein und unterdrückte die Aufrührer. Denn Salomo sagt in Sprüche 21,30: „Es hilft keine Weisheit, kein Verstand, keine Kunst gegen den Herrn“; und Paulus sagt hier, „dass alle, die sich der Obrigkeit widersetzen, bestraft werden“, und David bittet, dass Gott das Regiment erhalten und ihn wieder einsetzen möge, da er es geordnet hat, Psalm 7,7: „Richte auf das Amt, das du eingesetzt hast.“
Es ist für die Untertanen tröstlich zu wissen, dass Gott Gefallen an ihrem Gehorsam gegenüber der Obrigkeit hat. Was sie Gutes für die Obrigkeit tun, tun sie für Gott, und dienen somit wahrhaftig Gott in den Belastungen, die sie von einer Obrigkeit ertragen, sei es auf Reisen, durch Steuerzahlungen oder andere Pflichten. Solche Handlungen sind genauso heilige Werke, als hätte Gott jemandem persönlich vom Himmel befohlen, Tote aufzuerwecken, oder wie man es sonst nennen mag.
Das sollte den Aufrührerischen Angst einflößen, denn sie haben einen sehr mächtigen Herrn zum Feind, gegen den sie kämpfen. Vor Gewehren und anderen Waffen kann man bestehen, aber gegen Gott zu stehen, ist unmöglich. Gottes Befehl ist so fest, als hätte Er jedem persönlich durch einen Engel vom Himmel befohlen, der Obrigkeit nicht zu widerstehen. Wie stark muss der Teufel die Herzen besessen haben, die solche Worte Gottes nicht achten und sich dennoch des Evangeliums rühmen!
Zweitens bindet Paulus das Gewissen und lehrt, dass man nicht nur aus Angst vor Strafe der Obrigkeit gehorsam sein soll, wie man einem Räuber gehorchen müsste, sondern um des Gewissens willen. Das bedeutet: Gott fordert solchen Gehorsam und will diejenigen verdammen, die ungehorsam sind. Selbst wenn die weltliche Macht zu schwach wäre, solchen Frevel zu bestrafen, wird Gott ihn dennoch nicht ungestraft lassen. Gott hat kein Gefallen an solchem Ungehorsam gegen die Obrigkeit, es sei denn, Er befiehlt jemandem ausdrücklich, gegen die Obrigkeit zu handeln, wie Er es Mose oder Josua gebot. Dabei gab Er Zeichen und Zeugnisse, damit man sicher wisse, wem man gehorsam sein sollte und wen Er zum Herrn gemacht hat.
Drittens lehrt Paulus hier, worin man den Gehorsam gegenüber der Obrigkeit zeigen soll, und sagt, man soll Steuern und Zölle zahlen. Das bedeutet, da der Frieden erhalten werden soll, ist es notwendig, denjenigen, die bauen und für Ordnung sorgen, Lohn zu geben. Wenn die Fürsten das Geld schlecht verwenden, müssen sie dafür Rechenschaft ablegen; wir aber sind verpflichtet, unseren Beitrag für den Frieden zu leisten.
Weiterhin soll man Furcht zeigen, wie oben bereits erwähnt, indem man die Obrigkeit fürchtet, da sie im Auftrag Gottes handelt. Man soll das Gebot der Obrigkeit also so fürchten, als hätte es Gott selbst geboten, und in ihren Diensten auf Gottes Willen achten, nicht nur auf die Augen des Fürsten, wie Paulus es den Knechten geboten hat: „dass sie nicht nur den Augen ihrer Herren dienen, sondern von Herzen dienen, weil sie Gott dienen.“ (Epheser 6,5f; Kolosser 3,22f). Eine solche ernsthafte Furcht lehrt Salomo in den Sprüchen 16,14: „Des Königs Zorn ist ein Bote des Todes; aber ein weiser Mann versöhnt ihn;“ und in Kapitel 20,2: „Des Königs Zorn ist wie das Brüllen eines Löwen; wer ihn erzürnt, sündigt gegen sein eigenes Leben.“ Dies ist ein schreckliches Urteil, das Gott als Sünde ansieht und bestrafen will, nämlich die, die die Obrigkeit erzürnen. Deshalb sollen sich die Ungehorsamen hüten! Denn selbst wenn die Welt zu schwach wäre, um Ungehorsam zu bestrafen, wird Gott ihn dennoch nicht ungestraft lassen, wie bereits oben im Spruch Pauli, Römer 13,5, gesagt wurde: „um des Gewissens willen.“
Viertens soll man der Obrigkeit Ehre erweisen. Ehre erweisen bedeutet nicht nur äußere Gesten wie Neigen und den Hut ziehen, sondern sie als weise und gerecht zu erachten und ihnen dafür dankbar zu sein. Oft ist es so, dass diejenigen, die zusehen, meinen, sie könnten es besser machen. Untertanen denken oft, dass sie, wenn sie regierten, vieles besser machen könnten; sie würden viele Schäden verhindern und das Recht schneller und fleißiger sprechen. Manche beklagen sich auch oft, dass ihnen oder anderen Unrecht geschehe, und bedenken nicht, dass sie Gottes Willen durch die Obrigkeit tragen sollen und dass es nie eine Herrschaft auf Erden gab, die ohne Tadel gewesen wäre. Man kann nicht alles erstreiten. Ohne Zweifel waren David und Salomo die zwei besten Fürsten auf Erden; dennoch musste David hören, dass er die Leute nicht anhöre und die Dinge nicht regle. Ebenso beklagte sich Israel darüber, die Lasten Salomos tragen zu müssen.
Es gibt keine menschliche Weisheit, die dem Regiment vollständig genügen könnte. Ja, wenn Gott kein Glück gibt, ist es unmöglich, ein Regiment drei Tage lang allein mit menschlicher Klugheit zu erhalten. Deshalb fordert Paulus, dass man der Obrigkeit Ehre erweist, das heißt, dass man sie für weise und gerecht hält und selbst wenn uns zeitweilig etwas anderes gefallen würde, ihrer Weisheit und Gerechtigkeit um des Friedens willen weicht und ihnen dankbar ist für die Wohltaten, die wir durch ihre Mühe, Sorge und Arbeit empfangen. Denn selbst wenn jemandem Unrecht geschieht, helfen sie doch, den Frieden zu erhalten, damit wir unsere Kinder in Zucht und Frömmigkeit erziehen und ihnen Nahrung beschaffen können. Ist das nicht des Dankes wert? Es wäre große Undankbarkeit, wenn ein Freund mir hundert Gulden geschenkt hätte und ich darunter ein oder zwei Gulden fände, die zu leicht wären, und deshalb murrte, mit ihm haderte und ihm für die anderen Gulden nicht dankte. Ebenso verhalten sich die Bauern in vielen Punkten. Sie möchten jagen und fischen, obwohl das für sie nicht von großer Notwendigkeit ist, und streiten deshalb mit ihrer Obrigkeit, ohne zu bedenken, wie viele andere Vorteile sie von ihr erhalten. Beispielsweise müssen die Fürsten verhindern, dass nicht jeder Schurke heute dem einen und morgen dem anderen sein Eigentum raubt, ihm Frau und Kinder schändet und ihn um seinen Lebensunterhalt bringt. Weiterhin sorgen sie für Ruhe, damit die Kinder in Gottesfurcht und Sittlichkeit erzogen werden können. Das Evangelium fordert also nicht nur Gehorsam gegenüber der Obrigkeit, sondern auch Ehrfurcht.
Deshalb hat Gott auch in 2.Mose 22,27 geboten: „Dem Fürsten sollst du nicht fluchen;“ das bedeutet, du sollst ihm Ehre erweisen, ihn loben und das, was er anordnet, als weise und gerecht ansehen; denn wie man sagt: „Gott sei mit im Schiff,“ so ist Gott tatsächlich mit im Regiment und gibt Glück und Unglück nach seinem Willen. Deshalb spricht Salomo in Sprüche 29,26: „Viele suchen das Angesicht eines Fürsten; aber das Urteil eines jeden kommt vom Herrn;“ das bedeutet: Viele verlassen sich auf die Gnade und Macht der Fürsten, aber es geschieht, wie Gott es will. In Sprüche 21,1 heißt es: „Des Königs Herz ist in der Hand des Herrn wie Wasserbäche, und Er neigt es, wohin Er will;“ und in Sprüche 16,10: „Weissagung ist in dem Munde des Königs; sein Mund fehlet nicht im Gericht;“ das bedeutet: Das Regiment ist Gottes Ordnung, und Gott steht den Fürsten bei, gibt ihnen Weisheit zum Regieren und erhält ihr Regiment. Denn ohne Gottes Hilfe und ohne seine Gnade und Weisheit kann es durch menschliche Geschicklichkeit nicht erhalten werden!
Wenn du fragst: „Was aber, wenn sie mich hart oder unbillig behandeln?“ Die Antwort lautet: Auch wenn ein Fürst Unrecht tut und dich ausbeutet, ist es dennoch nicht richtig, einen Aufruhr anzuzetteln, genauso wenig, wie es richtig wäre, wenn jemand deinen Bruder umgebracht hat, dies mit eigener Gewalt zu rächen. Gott will nicht, dass Frevel gegen die Obrigkeit ausgeübt wird oder dass sich jemand anmaßt, ohne geordnete Amtsträger zu herrschen; denn Christus sagt in Matthäus 26,52: „Wer das Schwert nimmt, wird durch das Schwert umkommen;“ das bedeutet: Niemand soll sich selbst rächen oder das Schwert und die Herrschaft ohne geordnete Amtsträger in die Hand nehmen. Sogar der Apostel Petrus hatte eine gerechte Sache, als er Christus verteidigen wollte, denn man tat Christus Unrecht. Dennoch handelte Petrus falsch, als er gegen die geordneten Amtsträger kämpfen wollte, ohne dass ihm das Schwert befohlen worden war. Es half ihm auch nicht, und Christus sprach ein erschreckendes Urteil über ihn: „Wer das Schwert nimmt, soll durch das Schwert umkommen.“
Auch ist Aufruhr in Römer 13,2 verboten, wo Paulus sagt: „Wer sich gegen die Obrigkeit auflehnt, wird gestraft.“ Gott droht also hart denjenigen, die sich gegen die Obrigkeit auflehnen. Auch die Geschichte zeigt, dass Aufrührer am Ende immer bestraft wurden; wie in 4.Mose 16, wo die Erde Dathan und Abiram verschlang, und in Richter 9,53, wo eine Frau Abimelech tötete. Ebenso fanden Absalom und Zimri ihr Ende. Zimri verbrannte sich selbst, 1.Könige 16,10.18. Gott strafte auch Bascha, weil er gegen Nadab einen Aufruhr erweckte, obwohl dieser König Gott nicht gefiel, 1.Könige 16,3-4. Ähnlich strafte Gott unter den Heiden Decemvir Appius, Catilina und viele andere in Rom und in anderen Ländern. Denn Gott will in der ganzen Welt, dass man der Obrigkeit gehorsam ist, und straft Ungehorsam bei allen Völkern, ob sie Juden, Heiden oder Christen sind.
Auch sagt Salomo in Sprüche 24,21: „Mein Kind, fürchte den Herrn und den König, und menge dich nicht unter die Aufrührerischen, denn ihr Unglück wird plötzlich kommen.“
Darüber hinaus fordert das Evangelium, dass man Unrecht nicht nur von der Obrigkeit, sondern von jedem erträgt, wie es in Matthäus 5,39 geschrieben steht: „Ich sage euch: Widersteht nicht dem Bösen; sondern wenn dich jemand auf die rechte Wange schlägt, dem biete auch die andere dar;“ und in Römer 12,19: „Rächt euch nicht selbst, meine Lieben, sondern gebt Raum dem Zorn; denn es steht geschrieben: Die Rache ist mein; Ich will vergelten.“ Solche Dinge tun Christen; sie greifen nicht zum Schwert und nehmen anderen nicht deren Güter, sie stürmen nicht wie diese Bauern, die sich eine christliche Gemeinde nennen, zur Schande Christi, indem sie nicht nur Ungehorsam üben, den Gott auch bei den Heiden und Türken straft, sondern auch Raub begehen.
Aus all dem schließen wir nun, dass das Evangelium Gehorsam gegenüber der Obrigkeit fordert und Aufruhr verbietet, selbst wenn Fürsten übel handeln, und außerdem verlangt, dass man Unrecht erträgt. Indem sie sich gegen ihre Obrigkeit auflehnen und Gewalt und Frevel gegen sie anwenden, handeln sie gegen das Evangelium und machen sich selbst zu Lügnern, indem sie behaupten, nach dem Evangelium leben zu wollen, aber doch so offensichtlich gegen Gott handeln, dass man erkennen kann, dass sie vom Teufel getrieben werden, der darauf aus ist, sie in Leib und Seele zu verderben. Denn egal wie es ausgeht, dieser Frevel wird am Ende bestraft werden, wie Paulus in Römer 13,2 sagt: „Wer sich gegen die Obrigkeit auflehnt, wird gestraft;“ und wie man sieht, bleibt kein Mord ungestraft; denn Gott steht zu seiner Ordnung, die Er geschaffen hat, 1.Mose 9,6: „Wer Menschenblut vergießt, dessen Blut soll durch Menschen vergossen werden.“ Ebenso wird auch dieser Frevel nicht ungestraft bleiben, denn Aufruhr ist vielfacher Mord.
Deshalb, selbst wenn alle Artikel der Bauernschaft im Evangelium geboten wären, würden sie dennoch gegen Gott handeln, indem sie diese Dinge mit Gewalt und Aufruhr durchsetzen wollen. Noch dazu sind sie so frech und treiben solchen Übermut unter dem Vorwand des göttlichen Namens. Aber Gott sagt: „Wer seinen Namen missbraucht, der wird nicht ungestraft bleiben.“ Wer also Gott fürchtet und aus Torheit mit den Aufrührern mitgezogen ist, der halte sich davon zurück und bedenke seine Seele, seinen Leib, seine Frau und Kinder; denn es wird nicht ungestraft bleiben.
Dies sei im Allgemeinen über das Verhalten der Bauern gesagt. Nun wollen wir über die einzelnen Artikel sprechen.
Erstens hätte ich gewünscht, dass derjenige, der diese Artikel geschrieben und so viele Schriftstellen falsch zitiert hat, seinen Namen darunter gesetzt hätte; das wäre ein offenes und ehrliches Vorgehen gewesen. Es wirkt sehr verdächtig, sich solcher verdeckter Taten zu bedienen, um den armen, einfältigen Leuten den Anschein zu geben, als wären diese Artikel gut in der Schrift begründet, obwohl in vielen Fällen die Schrift verdreht wurde. Ob solche Lügen von Gott oder vom Teufel kommen, lässt sich leicht beurteilen, denn es sind schreckliche Lügen, die Schrift so falsch anzuwenden.
Zum ersten Artikel – Von Pfarrern
Die Obrigkeit ist verpflichtet, das Evangelium predigen zu lassen. Denn Christus sagt in Matthäus 10,15: „Die Stadt, die das Evangelium nicht hören will, wird schwerer gestraft werden als Sodom und Gomorra.“ Und in Sprüche 25,4f steht: „Wenn man den Schaum vom Silber scheidet, wird ein reines Gefäß daraus. Ebenso, wenn man Gottes Verachtung vom König wegnimmt, wird Gerechtigkeit seinem Thron Glück bringen.“ Gott hat auch den Pharao als Beispiel aufgestellt, damit die Obrigkeit lernt, Gottes Wort nicht zu verachten, sondern ihm Raum zu geben. Sollte jedoch eine Obrigkeit vom Teufel besessen sein und nicht zulassen, dass das Evangelium rein gepredigt wird, so soll dennoch kein Aufruhr erweckt werden, denn Gott hat Aufruhr verboten. Jeder, der wahrhaftig glaubt, soll seinen Glauben für sich bekennen und sein Hausgesinde lehren sowie diejenigen, die lernen wollen. Wenn ihm deshalb von der Obrigkeit Schaden zugefügt wird, soll er dies ertragen und nicht Rache oder Hilfe bei der Menge suchen. Wer Hilfe bei der Menge sucht, ist kein Christ, denn Paulus sagt in Römer 12,19: „Rächt euch nicht selbst, meine Lieben, sondern gebt Raum dem Zorn.“ So handelte auch Christus, als er Petrus strafte, als dieser kämpfen wollte; ja, er bat sogar darum, dass man den Jüngern nichts antun solle. Er wollte selbst die Verantwortung tragen. Es ist nicht richtig, sich als Christ zu bezeichnen und das Kreuz anderen aufzubürden; du musst es selbst tragen.
So soll es auch mit Pfarrern gehandhabt werden. Wo ein Tyrann keine rechten Prediger duldet, soll man nicht gewaltsam gegen falsche Lehrer vorgehen, sondern, wie Christus es geboten hat, sie meiden. Christus hat nicht befohlen, den Pharisäern ihre Güter zu nehmen oder sie zu töten, sondern ihre Lehre zu meiden.
Wenn du nun einen rechtgläubigen Lehrer haben möchtest, unterstütze ihn auf eigene Kosten, wenn die Obrigkeit ihm nicht die Güter der Pfarrei zukommen lassen will. Denn auch wenn ein Pfarrer von einer Gemeinde erhalten wird, hat diese Gemeinde nicht das Recht, die Einkünfte demjenigen zu entziehen, dem sie von der Obrigkeit gegeben wurden. Die Änderung solcher Anordnungen liegt allein bei der Obrigkeit, die bisher diese Güter in ihrer Gewalt hatte. Hat die Obrigkeit einen Pfarrer in diese Güter eingesetzt, so ist es Raub, wenn du ihn ohne die Zustimmung der Obrigkeit vertreiben willst. Die Güter oder Einkünfte, die du der Obrigkeit üblicherweise gibst, sind nicht mehr dein, sondern der Obrigkeit; ihnen etwas wegzunehmen, ist Gewalt und Frevel.
Deshalb, wenn du einen besseren Prediger haben willst, ist es angemessen, dass du ihm, ohne Raub, von deinem eigenen Besitz entlohnst, gemäß Galater 6,6: „Der, der unterrichtet wird, soll mit dem, der ihn unterrichtet, teilen.“ Denn auch zu Paulus‘ Zeiten hatte die Obrigkeit nichts dazu beigetragen; die Heiden hatten alle Einkünfte in ihren Händen.
Sollte die Obrigkeit dies nicht gestatten, sollst du dennoch keinen Aufruhr anzetteln, sondern an Orte gehen, wo du die rechte Lehre hören kannst. Wenn dir darüber Unheil widerfährt, sollst du es ertragen und keinen Aufruhr anzetteln. Ich spreche hier von rechter Lehre, nicht von aufrührerischer. Das Evangelium lehrt keinen Aufruhr, sondern Frieden, Zucht und Geduld.
Wenn jedoch eine gottesfürchtige Obrigkeit das Evangelium predigen lassen will, wäre es gut, wenn die Kirchen überall das Recht hätten, ihre Pfarrer selbst zu wählen und zu berufen, wie es in Apostelgeschichte 6,2-6 bei der Wahl der Diakone geschah. Denn auch einer ganzen Kirche ist aufgetragen, die Lehre ihrer Prediger zu beurteilen, wie in 1.Korinther 14,29. Paulus wollte die Korinther in 1.Korinther 5,4f. nicht allein richten, sondern zusammen mit der ganzen Kirche; sodass das Einsetzen und Absetzen von Pfarrern in der Macht der Kirche liegt.
Doch muss bei einer solchen Wahl auch ein Fürst beteiligt sein, der dafür sorgt, dass keine aufrührerischen Lehren gepredigt oder verbreitet werden. Denn ein Fürst ist eingesetzt zum Schutz der Frommen und zur Strafe der Bösen, Römer 13,3f. Es ist vorgekommen, dass die Bauern an vielen Orten in Deutschland selbst Prediger angenommen haben, die dem Pöbel nach dem Munde geredet haben und gelehrt haben, man solle keine Zehnten oder Abgaben zahlen und vieles mehr, was zu schlimmen Aufständen geführt hat. Ja, wenn jemand Gehorsam lehrte oder dass man Abgaben zahlen solle, wollten sie ihn steinigen, obwohl das Evangelium lehrt, nicht nur zu geben, was die ordentliche Obrigkeit festgesetzt hat, sondern auch den Mantel fahren zu lassen, wenn dir jemand den Rock mit Unrecht nimmt (Matthäus 5,40).
Deshalb befiehlt Paulus dem Titus, Priester einzusetzen; und Timotheus weist er an, niemanden zu wählen, der sich nicht zuvor bewährt hat. Deshalb sollen Fürsten und Kirchen solche Personen vorab prüfen, damit sie wissen, was sie beabsichtigen. Bisher haben sich die Bischöfe um die Ordination gekümmert, aber niemanden geprüft; und wie Jerobeam Priester gemacht hat, lose, leichtfertige, unerfahrene Leute. Was daraus Gutes kommen kann, sieht man jetzt.
Zum II. Artikel – Vom Zehnten
Den Zehnten gibt man nicht aufgrund des Alten Testaments, denn dieses bindet uns nicht, insbesondere in Angelegenheiten, die weltliche Ordnung und Regierung betreffen, wie etwa die Verteilung von Gütern. Das lehrt auch der Apostel Paulus im Kolosserbrief 2,8-23 und im Galaterbrief 5,1-6.11f. Man ist jedoch verpflichtet, das zu geben, was eine weltliche Obrigkeit festgelegt hat, sei es als Zehnten oder als andere Abgaben. Denn Paulus sagt im Römerbrief 13,7: „Gebt jedem, was ihm zusteht: wem Steuern zustehen, dem gebt Steuern; wem Zölle zustehen, dem gebt Zölle.“ Eine Obrigkeit muss zur Versorgung des Gemeinwesens eine große Schatzkammer haben. Die Römer haben zweifellos viele Güter eingenommen, die Gott den Priestern oder dem Tempel zugewiesen hatte. Die Juden haben auch darüber gestritten, ob sie verpflichtet seien, diese Abgaben zu leisten, die anders festgelegt wurden, als Gott es ursprünglich geordnet hatte. Wenn die Bauern heute eine solche Argumentation hätten, wie sehr würden sie toben! Dennoch waren die Juden verpflichtet, dies der Obrigkeit zu überlassen, da sie nicht mehr die Herren ihrer Güter waren, sondern Gott sie einer anderen Obrigkeit unterstellt hatte. In diesem Zusammenhang sagt Christus über den Didrachmo [Zweidrachmenstück]: „Damit wir sie nicht ärgern“ (Matthäus 17,27). Johannes der Täufer hat diese Ordnung ebenfalls in Lukas 3,14 bestätigt, indem er zu den römischen Soldaten sagte: „Gebt euch mit eurem Sold zufrieden.“
Daher ist man verpflichtet, den Zehnten zu geben, da die Obrigkeit diese Regelung mit den Gütern getroffen hat. Wer sich gegen eine solche Ordnung auflehnt, versucht, der Obrigkeit ihr Recht zu nehmen. In Ägypten gaben die Menschen den fünften Teil ihrer Güter ab, und alle Güter gehörten dem König. Diese Regelung hatte Josef getroffen, der dennoch den Heiligen Geist hatte, und der das Volk mit dieser Regelung belastete. Dennoch waren sie verpflichtet, dies zu leisten.
Du magst einwenden: Die Obrigkeit nutzt den Zehnten nicht richtig, Mönche und Priester bekommen ihn und tun nichts dafür. Meine Antwort: Was geht dich das an? Dennoch sollst du der Obrigkeit nichts wegnehmen und das, was dir auferlegt ist, dorthin geben, wo sie es bestimmt hat, bis sie es anders ordnet; darin handelst du recht. Denn aus eigener Macht jemandem etwas zu nehmen, ist Unrecht. Ich wünschte jedoch, die Obrigkeit würde ein Auge auf Stiftungen und Klöster haben; darüber wollen wir später sprechen.
Aber zusammengefasst: Die Bauern haben weder das Recht noch die Befugnis, den Zehnten der Obrigkeit vorzuenthalten oder nach eigenem Gutdünken damit umzugehen. Denn eine solche Missachtung der Landesordnung bedeutet, den öffentlichen Frieden zu brechen, was gegen die Liebe verstößt.
An vielen Orten gehört der Zehnte der weltlichen Obrigkeit; an vielen Orten wurde er von der weltlichen Obrigkeit gekauft. Mit Gewalt in diese Ordnung einzugreifen und das, was nicht dir gehört, an sich zu reißen, ist Raub.
Vom kleinen Zehnten schreiben sie, sie wollen ihn überhaupt nicht geben, da Gott die Tiere frei erschaffen hat. Ja, Gott hat sie erschaffen, aber auch festgelegt, dass jeder das Seine gebrauchen soll. Andernfalls könnte jeder einfach in meinen Stall gehen und sich nach Belieben bedienen. Frei bedeutet, dass man es ohne Gewissensbeschwerden essen darf, solange es nicht verboten ist, wie es den Juden mit Schweinefleisch erging. Es bedeutet nicht, dass man dem anderen das Seine nehmen darf. Daher hat der Verfasser dieses Artikels die Schrift falsch angewendet, und die Bauern tun Unrecht, indem sie eigenmächtig der Obrigkeit diesen Zehnten vorenthalten wollen.
Zum III. Artikel – Von Leibeigenschaft
Es ist ebenfalls ein Frevel und eine Gewalttat, dass sie nicht länger leibeigen sein wollen. Dass sie dazu die Schrift anführen und behaupten, Christus habe uns frei gemacht, bezieht sich auf die geistliche Freiheit, nämlich darauf, dass wir durch Christus gewiss sein können, dass unsere Sünden ohne unsere eigene Leistung vergeben sind und dass wir zuversichtlich Gutes von Gott erwarten, bitten und hoffen dürfen. Christus gibt seinen Gläubigen den Heiligen Geist, durch den sie dem Teufel widerstehen können, sodass er sie nicht in Sünde verstricken kann, wie es bei den Gottlosen der Fall ist, deren Herzen er in seiner Gewalt hat und die er zu Mord, Ehebruch, Gotteslästerung usw. treibt. Daher liegt die christliche Freiheit im Herzen und ist mit den leiblichen Augen nicht zu sehen. Äußerlich trägt ein Christ geduldig und freudig alle weltliche und bürgerliche Ordnung und nutzt diese, wie Nahrung und Kleidung. Er kann leibeigen oder untertan sein, er kann aber auch adelig oder Herrscher sein. Er kann sich nach sächsischem oder römischem Recht in der Nutzung und Teilung der Güter richten. Solche Dinge beeinflussen den Glauben nicht; ja, das Evangelium verlangt, dass man solche weltlichen Ordnungen um des Friedens willen beachtet. Paulus sagt in Epheser 6,5-7: „Ihr Sklaven, gehorcht euren irdischen Herren mit Furcht und Zittern und mit aufrichtigem Herzen, als würdet ihr Christus gehorchen; nicht nur, um den Menschen zu gefallen, sondern als Diener Christi, die den Willen Gottes von Herzen tun!“ Und im Kolosserbrief 3,22: „Ihr Sklaven, gehorcht in allen Dingen euren irdischen Herren!“ Wer Unrecht tut, wird empfangen, was er Unrechtes getan hat. Joseph war selbst lange Zeit ein Leibeigener in Ägypten, ebenso wie viele andere Heilige.
Deshalb haben die Forderungen der Bauern keinen berechtigten Anspruch; ja, es wäre notwendig, dass ein so wildes und ungebärdiges Volk wie die Deutschen noch weniger Freiheit hätte, als es bereits hat. Joseph hat Ägypten stark belastet, damit das Volk nicht zu sehr aufbegehrt. Aber unsere Herrschaften erlauben dem Volk alle Freiheiten, nehmen nur Geld von ihnen und halten es daneben in keiner Zucht; daraus entsteht großes Unheil.
Zum IV. Artikel – Vom Jagen
Es ist Unrecht, in den Wäldern der Fürsten zu jagen, denn auch das römische Recht lehrt, dass man einem anderen verbieten kann, in sein Eigentum einzudringen. Dass die Bauern sagen, Gott habe es frei geschaffen, soll gelten, solange jeder das Seine benutzt, ohne anderen zu schaden.
Auch sollten die Fürsten mit dem Wild niemandem Schaden zufügen, wie man das regeln könnte, oder erlauben, dass jeder auf seinem eigenen Land fällen darf.
Die Bauern wollen hier selbst das Recht in die Hand nehmen und fordern, dass jeder beweisen soll, wo er sein Wasser oder ähnliches besitzt. Das ist Gewalt, denn sie sind keine Richter. Wenn ein Dorf eine Beschwerde gegen jemanden hat, der der Gemeinde eine Besitzung entzogen hat, kann es ihn auf rechtlichem Wege belangen. Denn so spricht Gott in 5.Mose 25,1: „Wenn ein Streit zwischen Männern entsteht, sollen sie vor Gericht gebracht werden, und man soll sie richten.“ Und Christus wollte in Lukas 12,14 auch nicht richten und sagte: „Wer hat mich zum Richter oder Erbschaftsteiler über euch eingesetzt?“ sondern wies sie zu den geordneten Amtspersonen.
Zum fünften Artikel –Über Wälder
Es ist auch meine Meinung, dass man nicht mit Gewalt handeln sollte. Hat jedoch jemand gemeinschaftliche Wälder an sich gezogen, sollte man ihn rechtlich zur Verantwortung ziehen. Oftmals kann eine Obrigkeit auch einen Grund haben, gemeinschaftliche Güter zu beanspruchen, sei es zu deren Schutz oder aus anderen Gründen. Selbst wenn es eine Gewalttat wäre, ist es falsch, diese mit Aufruhr zurückzufordern.
Zum sechsten Artikel – Über Dienste
Auch über Dienste sollte rechtlich verhandelt werden; denn dafür gibt es Gerichte und Obrigkeiten auf der Welt, wie Paulus im Römerbrief 13,3 sagt: „Zur Furcht für die Bösen, zum Schutz für die Frommen,“ damit niemand zu Unrecht belastet wird. Die Obrigkeit sollte auch aus Gründen des Friedens Zugeständnisse machen, so wie es die Ältesten dem Jerobeam geraten haben, nachzugeben (1.Könige 12,7). Damit ist auch der siebte Artikel beantwortet.
Zum achten Artikel – Über Zinsen
Das Thema Zinsen ist ein komplexes und weites Feld, das in Kürze kaum zu behandeln ist. Zunächst ist es nicht unrecht, wenn jemand sich in fremdem Besitz eine Dienstbarkeit kauft; denn Gott erlaubt, dass jemand seinen Körper verdingt, warum sollte er nicht auch eine Dienstbarkeit am Besitz zulassen können?
Wenn das Gut jedoch die Zinsen nicht trägt, sollte man zu einem gerechten Urteil kommen. Es kommt oft vor, dass die Bauern selbst ihre Güter belasten und Kredite aufnehmen; ist es dann gerecht, dass sie die Last von den Gütern nehmen? Es kann nicht sein, dass, wenn sie Schulden gemacht haben, sie die Zahlung auf andere abwälzen wollen. Paulus sagt im ersten Brief an die Thessalonicher 4,6: „Es soll niemand zu weit greifen, noch seinen Bruder übervorteilen im Handel! Denn der Herr ist Rächer über all dies.“
Zum neunten Artikel – Über Strafen
Eine Obrigkeit kann Strafen je nach den Bedürfnissen des Landes festlegen, denn Gott hat sie dazu eingesetzt, das Böse zu verhindern und zu bestrafen. Die Bauern haben kein Recht, der Obrigkeit Vorschriften darüber zu machen. Die Deutschen sind ein so ungehobeltes, freches und blutrünstiges Volk, dass man sie eigentlich noch viel strenger behandeln müsste. Denn Salomo sagt in den Sprüchen 26,3: „Die Peitsche gehört dem Pferd, das Zaumzeug dem Esel und der Stock auf den Rücken des Narren;“ und im Buch Sirach 33,25: „Dem Esel gehört sein Futter, die Peitsche und die Last; so dem Knecht sein Brot, die Strafe und die Arbeit.“ Gott bezeichnet die weltliche Regierung auch als Schwert. Ein Schwert soll schneiden, sei es Strafe an Gut, Leib oder Leben, je nach der Schwere der Übeltat. Es ist viel zu gnädig, wenn jemand den anderen schlägt und ihm am Leib Schaden zufügt oder ihn lähmt, und man dies einfach mit Geld abgilt. Man sieht, wie ernsthaft Gott in der Wüste gestraft hat. Er sagte auch im Gesetz, 5.Mose 19,13.21: „Du sollst keine Barmherzigkeit zeigen!“ Damit zeigt Er an, dass Er will, dass man in der Regierung mit Ernst handelt; jedoch so, dass niemand Unrecht widerfährt und die Obrigkeit keinen Willkürakt begeht, wie es Ahab tat und andere, die Gott hart bestraft hat.
Nun gibt es in Deutschland sehr viele Schlägereien, ebenso wie Schlemmerei und Hurerei; solche Sünden hat Gott im Alten Testament mit dem Tode bestraft (5.Mose 21,18ff).
Vom zehnten Artikel wurde oben im sechsten Artikel gesprochen.
Zum elften Artikel
Die Todesfallabgabe ist eine Dienstbarkeit. Wir haben oben gesagt, dass man die Leibeigenschaft ertragen soll und dass sie nicht im Widerspruch zum Evangelium steht. In diesem Punkt jedoch sollte die Obrigkeit nachgeben und Rücksicht auf die armen Waisen nehmen, denen sie vor Gott Hilfe schuldet. Denn so steht es in Hosea 14,4-5: „Wenn du dich der Waisen bei dir erbarmst, will ich dagegen die Wunden heilen!“ Ebenso hat Gott geboten, 5. Mose 24, 17: „Das Kleid der Witwe sollst du nicht zum Pfand nehmen.“ Damit zeigt Gott an, dass Er will, dass man die armen, verlassenen Waisen schont.
Schluss
Erstens, die Bauernschaft handelt unrecht und gegen Gott, wenn sie sich auflehnt und Gewalt gegen die Obrigkeit einsetzt, auch wenn alle Artikel sehr christlich wären; denn Gott fordert Gehorsam gegenüber der Obrigkeit, wie Paulus im Römerbrief 13,2 sagt: „Wer der Obrigkeit widersteht, wird gestraft;“ und in den Sprüchen 24,21: „Mein Kind, fürchte den Herrn und den König, und menge dich nicht unter Aufrührerische, denn ihr Unheil wird plötzlich kommen; und wer weiß, wann das Unglück der Aufrührerischen kommt.“
Zweitens, das Evangelium gebietet, Unrecht zu ertragen; daher handeln die Bauern unchristlich, wenn sie sich mit dem Namen des Evangeliums decken. Ich glaube, dass der Teufel die Bauern dazu verleitet, allein damit das heilige Evangelium geschmäht und gelästert wird und falsche Lehren über den Glauben eingeführt werden, die das Evangelium wieder verdunkeln, wie es früher der Fall war.
Drittens, es ist unrecht, Aufruhr zu stiften, selbst wenn alle Artikel richtig wären; man sollte der Obrigkeit nachgeben. Nun sind auch die meisten Artikel falsch, wie oben gezeigt wurde, und es ist zu beklagen, dass die blinden Leute ihre armen Frauen und Kinder sowie ihr Leib und ihre Seele in Gefahr bringen wegen so geringfügiger Dinge. Ja, daran kann man erkennen, dass es das Werk des Teufels ist; dieser hat Freude an Mord und Totschlag, wie Christus im Johannes-Evangelium 8,44 sagt: „Der Teufel ist von Anfang an ein Mörder gewesen.“
Ein Fürst hätte Ehre und alles Gute verdient, wenn er einem Land Frieden gebracht hat, sodass wir unsere armen Kinder in Zucht und Gottesfurcht erziehen können. Wie können wir nur so blind sein, dass wir selbst den Frieden brechen und so ehrlos mit denen umgehen, die den Frieden immerhin einigermaßen aufrechterhalten haben, denen wir doch große Dankbarkeit schulden? Möge dies jedes ehrbare Herz betrachten und an Gottes Willen denken, der aufrichtige Dankbarkeit gegenüber der Obrigkeit fordert, und möge ablassen von Frevel und Willkür. Gott wird irgendwann zeigen, wie wenig ihm solcher Frevel gefällt, denn Er spricht in den Sprüchen 24,22: „Ihr Unglück wird plötzlich kommen.“ Lass dich nicht beirren, lieber Freund, wenn man dich einen Heuchler nennt oder anderweitig beschimpft. Gott wird die Dinge schon richtigstellen, und er hat es bereits an vielen Orten getan. Die Aufrührerischen sind immer noch so sehr vom Teufel besessen, dass sie nicht zufrieden sein wollen; sie missachten ihre Eide, halten sich nicht an ihre Zusagen und behaupten, es sei evangelisch. Doch im zweiten Gebot steht geschrieben, dass es keinem Treulosen wohl ergehen wird, denn der Text lautet: „Gott wird den nicht ungestraft lassen, der seinen Namen missbraucht.“
Zum vierten bitte ich, dass die Fürsten zuerst den Weg einer gütlichen Einigung gehen und einige der berechtigten Forderungen nachgeben, wie es die Ältesten dem König Jerobeam geraten haben, indem sie empfahlen, die von Salomo auferlegten Belastungen, obwohl er zweifellos gut regiert und niemanden unbillig belastet hatte, zu verringern (1. Könige 12,7).
Da sie jedoch vielfach gesündigt haben, wer weiß, was Gott über sie verhängen könnte, wenn sie sich nicht demütigen! Denn Gott hat es immer so gehalten, dass er jede Herrschaft, wenn der Übermut zu groß wurde, zu Fall gebracht hat. Die Assyrer, Syrer, Griechen, Römer und Karthager wurden alle zerstört; selbst das jüdische Königreich, das Gott selbst eingesetzt hatte, ging unter, obwohl es so große Verheißungen von Gott hatte, dass die Juden immer dachten, es würde bis zum Ende der Welt bestehen. Aber weil man im großen Glück Gottes vergisst, folgt immer Strafe; wie Gott es besonders am König Nebukadnezar gezeigt hat, Daniel 4,30.
Es ist auch notwendig, dass die Fürsten Maßnahmen gegenüber den Klöstern und Stiften ergreifen, um den großen Missbrauch, der in der Messe besteht, abzuschaffen; denn es ist offensichtlich, wie leichtfertig mit der Messe umgegangen wird und wie daraus ein großer Jahrmarkt gemacht wurde. Doch der heilige Paulus sagt: „Wer unwürdig isst und trinkt, der isst und trinkt sich selbst das Gericht, weil er den Leib des Herrn nicht unterscheidet“ (1.Korinther 11,27). Es ist bekannt, wie es in den Stiften allenthalben zugeht, wie lose Menschen sich nur des Bauches wegen zur Messe treiben lassen. Denn wahrlich straft Gott Land und Leute; wie auch Paulus sagt, dass viele Schwache und Kranke unter den Korinthern waren wegen des Missbrauchs der Messe (1.Korinther 11,30).
Die Fürsten sollten auch den Geistlichen die Ehe erlauben, denn Paulus sagt, es seien teuflische Geister, die die Ehe verbieten. Sie sollten auch mit den Stift- und Klostergütern so umgehen, dass vor allem die armen Menschen, die in den Stiftungen oder Klöstern sind, versorgt werden und nicht so nackt verstoßen werden, wie sie jetzt von den mörderischen Bauern verjagt werden.
Diese Güter könnten dann zum Nutzen der Armen verwendet werden, insbesondere für Schulen, damit man wieder ernsthaft die christliche Lehre und anderes lernt, was dem weltlichen Regiment dient. Denn alles, was den alten Stiften von Königen und Fürsten gegeben wurde, wurde zur Förderung der christlichen Lehre gegeben; das haben die Bischöfe jedoch lange Zeit nicht beachtet. Wenn nun nicht rechtzeitig Schulen eingerichtet werden, wird man allenthalben ungebildete Prediger einsetzen müssen, die Unfrieden und Zerstörung stiften werden, wie es bereits vielfach geschehen ist. Auch wird man sonst im weltlichen Regiment keine geeigneten Personen zur Regierung haben.
Wenn die Fürsten also freundlich ihren Untertanen begegnen und helfen würden, einige Missbräuche abzuschaffen, wäre zu hoffen, dass ein gutes Wort auf fruchtbaren Boden fällt; wie Salomo sagt: „Eine sanfte Antwort besänftigt den Zorn.“ Wenn jedoch einige die guten Absichten der Fürsten nicht annehmen und weiterhin ihren Übermut ausleben, das Eigentum der Reichen nehmen, Frauen und Kinder schänden und die Obrigkeit stürzen wollen, dann sollen die Fürsten mit aller Macht versuchen, diese zu bestrafen, als wären sie Mörder, und sie sollen wissen, dass sie damit Gottes Werk tun; denn Gott hat sie eingesetzt, um Mord zu verhindern, Römer 13,4: „Die Obrigkeit ist Gottes Dienerin und Rächerin zur Strafe der Bösen“.
So hat David gegen seinen eigenen Sohn gekämpft und eines Tages zwanzigtausend Aufrührer getötet. Er führte auch Krieg gegen den aufrührerischen Scheba. Die Fürsten sollten auch zu Gott beten, dass er, der die Gewalt eingesetzt hat und sie seine Diener sind, sie erhält, schützt und bewahrt, um der vielen armen Leute willen, die in anderen Ländern sind und die keinen Gefallen an Aufruhr haben, sondern gerne in Ruhe und Frieden leben würden. Wenn man weiß, dass man recht handelt und ein gutes Gewissen hat, sollte man zu Gott fliehen, der sich einen Helfer in der Not nennt (Psalm 9,10). Doch die Aufrührer können kein gutes Gewissen haben, da sie nichts anderes vorhaben als Raub und Mord. Gott gebe Gnade und Frieden; denn „wenn der Herr nicht die Stadt behütet, wacht der Wächter vergebens“ (Psalm 127,5).
Anhang
Wenn Gott den Sieg gegeben hat und der mörderische Haufen, der keinen Frieden wollte, nach Gottes Ordnung bestraft wurde, sollten die Fürsten in Zukunft Maß halten, damit den Unschuldigen nichts Unbilliges widerfährt und den armen Leuten Gnade erwiesen wird, von denen einige aus Furcht, andere aus Torheit gesündigt haben. Es ist jedoch schwer, Maß zu halten, wenn es gut läuft. Dennoch sollten die Herren, als die Vernünftigen, das Beste in ihnen zur Geltung bringen. Christus spricht in Matthäus 5,5: „Selig sind die Sanftmütigen, denn sie werden das Erdreich besitzen.“ Das bedeutet: Die Welt meint, sie könne Gewalt und Reichtum durch Rache und Trotz gewinnen und bewahren; aber Gott wehrt solchen Prahlhänsen und gibt den Sanftmütigen Glück. Salomo sagt in Sprüche 20,28: „Güte und Treue bewahren den König, und Barmherzigkeit befestigt sein Reich.“ Denn Gott will, dass man Liebe zeigt und einander verzeiht, besonders die Mächtigen und Weisen den Schwachen und Toren, die doch Liebe bedürfen. Deshalb will er uns wieder verzeihen, Glück und Heil geben; und wie Paulus sagt: „Den Gliedern, die wir für weniger ehrbar halten, erweisen wir größere Ehre, und die weniger ansehnlichen schmücken wir umso mehr.“ (1.Korinther 12,23) So sollten die Mächtigen und Weisen auch mit dem armen, törichten, irrenden Volk umgehen, denjenigen Gnade erweisen, bei denen Besserung zu hoffen ist, ihnen wieder aufhelfen und von Gott dafür Dank und Lohn erwarten. So handelte David, nachdem er das Land wieder eingenommen und seinen Sohn, der den Aufruhr verursacht hatte, getötet hatte. Als er wieder eingesetzt wurde, sagte er am Jordan, es solle niemand mehr sterben, und ließ den Simei am Leben, der ihn zuvor auf der Flucht mit Steinen beworfen und verflucht hatte. Aber David tötete niemanden weiter, außer denen, die in der Schlacht gefallen waren und die man nicht schonen konnte oder sollte. So hat David gehandelt, der den Heiligen Geist hatte. Wo es nötig war, strafte er ernsthaft; wo es möglich war, zeigte er Gnade. Auch die Heiden haben sich in solchen Fällen ehrenhaft verhalten; denn Gott hat den Regierenden viele Beispiele vor Augen geführt, nicht nur durch heilige und jüdische Fürsten, sondern auch durch heidnische.
Es begab sich in Athen, dass viele ehrbare und reiche Bürger durch dreißig Männer, die im Regiment waren und viel Übermut trieben, verjagt wurden. Das Blatt wendete sich jedoch, wie Gott es nicht zulässt, dass Frevel lange währt, und die verjagten Bürger kehrten mit Gottes Hilfe zurück und töteten die dreißig Männer. Inzwischen waren die Güter der vertriebenen Bürger in fremde Hände gekommen; auch hatten sich viele andere versündigt und Frevel an den unterdrückten Bürgern begangen. Um weiteren Blutvergießen zu vermeiden und die Stadt nicht zu verwüsten, beschloss man, dass jeder seinen Schaden vergessen sollte, niemand mehr aus den Gütern vertrieben und niemand wegen der Taten der Dreißig zur Rechenschaft gezogen würde. Das führte zu Einigkeit und Frieden in der Stadt, als sie einander vergaben und um des allgemeinen Friedens willen viele auf ihr Erbgut verzichteten. Also möge Gott Gnade gewähren, dass die Herren auch ihren eigenen Schaden vergessen und den Armen vergeben, anstatt in aller Schärfe Vergeltung zu fordern.
In Sikyon wurde noch lobenswerter gehandelt. Dort gab es einen Aufrührer, der mächtig war und Aratos vertrieb, dessen Vorfahren zuvor regiert hatten, und mit ihm viele andere redliche Bürger. Gott half Aratos nach vielen Jahren zurückzukehren und bestrafte den Aufrührer, der bis dahin viel Übermut an den Tag gelegt, viele Morde begangen und die Güter der vertriebenen Bürger unter seinen Gefährten verteilt hatte. Als Aratos nun wieder in die Herrschaft kam und man den vertriebenen Bürgern ihr Eigentum zurückgeben sollte, waren mittlerweile große Veränderungen an den Gütern durch Heiraten und Erbfälle eingetreten, sodass es sehr schwierig war, alle diejenigen, die auf fremdem Besitz saßen, zu vertreiben. Er förderte den Frieden auf folgende Weise: Er lieh sich eine große Summe Geld von seinem Freund, König Ptolemaios in Ägypten, und setzte Vermittler ein, die zwischen den rechtmäßigen Eigentümern der Güter und den anderen verhandeln sollten. Wer bereit war, das Gut zu verlassen, sollte so viel Geld erhalten, wie es wert war. Wer nicht weichen wollte, sollte dem anderen eine finanzielle Entschädigung zahlen. So wurde jedem Genüge getan, Freude herrschte und die Stadt erblühte erneut.
Das nennt man freundlich und fürstlich mit den Menschen gehandelt; denn die Fürsten sind verpflichtet, nicht nur die Bösen zu bestrafen, sondern auch den Unschuldigen zu helfen, damit diese, wie der heilige Paulus sagt, „in Ruhe und Stille leben mögen“. Deshalb sollten sie auch dazu beitragen, dass Maßnahmen ergriffen werden, die dem Frieden und der Ruhe dienen, wie zum Beispiel, dass die Gerichte richtig bestellt und die Jugend richtig erzogen wird. Auch sollten die Schulen gut eingerichtet werden, um die christliche und andere Lehre zu bewahren, durch die die Menschen zu Frieden und Anstand erzogen werden. Zudem sollte die Obrigkeit darauf achten, dass Gottes Wort recht gepredigt und die Ordnungen in den Kirchen, die gegen Gott sind, geändert werden; so würde Gott ihnen Frieden und Glück in ihrem Regiment geben, wie er es Hiskia und anderen frommen Königen gegeben hat, die alle Missbräuche im Gottesdienst beseitigt haben; denn er spricht in 1.Samuel 2,30: „Wer mich ehrt, den will ich wieder ehren; wer mich verachtet, soll wieder zu Schanden werden.“
Quelle: Adolf Laube/Hans Werner Seiffert, Flugschriften der Bauerkriegszeit, Köln-Wien: Böhlau, 21978, S. 223-241.
Anhang II
Briefliche Anforderung eines Gutachtens zu den 12 Artikeln der Bauern
Von Kurfürst Ludwig von der Pfalz
An den ehrenwerten und lieben treuen Philipp Melanchthon, derzeit in Wittenberg.
Kurfürst Ludwig von der Pfalz, von Gottes Gnaden, Pfalzgraf bei Rhein, Erztruchsess und Kurfürst, grüßt Dich herzlich.
Ehrenwerter, lieber und treuer Freund! Wir bezweifeln nicht, dass Du bereits gehört hast und gut weißt, wie die Aufstände und die Empörung der einfachen Leute gegen alle Obrigkeiten, besonders in und um unser Fürstentum, wüten und uns erheblich belasten. Diese Aufstände geben vor, das Evangelium zu verteidigen, gehen jedoch mit viel Unrecht einher, wie Raub, Brandstiftung, Mord und andere unchristliche Handlungen gegen uns, unsere geistlichen und weltlichen Grafen, Herren, Ritter und Knechte, sowie gegen Kirchen und Klöster, und fördern so ungehorsames und mutwilliges Verhalten. Wir haben uns angeboten, die Beschwerden der Aufständischen, wenn sie nicht unberechtigt sind, zu mildern. Obwohl wir gute Gründe gehabt hätten, gegen diese ungehorsamen, aufrührerischen und ungestümen Versammlungen vorzugehen, haben wir als Landesherr Bedenken getragen, unser eigenes Volk und christliches Blut zu vergießen. Um weiteres Unheil für Land und Leute zu verhindern, haben wir den Weg der Güte eingeschlagen, sind persönlich zu zwei versammelten Haufen der Aufständischen geritten und haben versucht, mit ihnen gütlich zu verhandeln, was uns auch gelungen ist. Wir haben uns darauf geeinigt, dass wir über die zwölf Artikel, die sie von uns gefordert haben, wie Du aus den beigefügten Dokumenten erfahren wirst, auf einem Landtag, der in der Woche nach Pfingsten stattfinden soll, weiter verhandeln werden. Was wir mit den Aufständischen vereinbaren können, soll umgesetzt werden. Was jedoch keine Einigung findet, soll den Kurfürsten, Fürsten und Ständen des Reichs zur Entscheidung überlassen werden, und wir werden uns fügen und dem folgen, was sie als angemessen erachten.
Da es nicht nur für uns, sondern auch für alle Obrigkeiten und ehrenhaften Personen von großer Bedeutung ist, Frieden und Recht zu wahren und weiteres Unheil zu verhindern, und da wir kein Vorhaben ohne die Zustimmung Gottes, ohne Recht und Gerechtigkeit durchführen wollen, bitten wir Dich, als geborener und in der Pfalz erzogener, erfahrener und berühmter Kenner der Heiligen Schrift, der zweifellos dem Frieden und der Gerechtigkeit zugeneigt ist und in diesen Artikeln als Schiedsrichter benannt wurde, uns in dieser Angelegenheit zu unterstützen. Wir bitten Dich gnädig, persönlich in der Woche nach Pfingsten zu uns nach Heidelberg zu kommen. Sollte das nicht möglich sein, so sende uns bitte Deinen Rat und Deine gut durchdachte Meinung basierend auf göttlichem Recht und der wahren evangelischen Schrift, mit genauen Angaben der Stellen, wo es geschrieben steht. Dies soll uns helfen, als weltliche Obrigkeit zu entscheiden, wie wir in Bezug auf die zwölf Artikel handeln und was wir unternehmen sollen. Ebenso sollte uns mitgeteilt werden, was die Untertanen uns im Gegenzug schuldig sind. Wenn Du uns diese Informationen in der genannten Zeit schriftlich zukommen lässt, wirst Du ein gutes Werk tun und uns einen angenehmen Gefallen erweisen, den wir mit Dank anerkennen werden.
Gegeben in Heidelberg, am Donnerstag nach Kantate [12. Mai] im Jahr 1525.
[1] Das Schreiben ist auf den Donnerstag, 12. Mai, datiert (siehe Anhang II).