Brief aus dem Gefängnis an Ernst Burdach (1938)
Von Hans Joachim Iwand
Als nach den Novemberpogromen Hans Joachim Iwand Ende November im Gestapo-Gefängnis „Steinwache“ in Dortmund (bis März 1939) inhaftiert wurde, schrieb er dort im Dezember seine Theologische Einführung in Martin Luthers Schrift „De servo arbitrio (Dass der freie Wille nichts sei)“ für die Münchener Lutherausgabe. Im Gefängnis über die Unfreiheit zu schreiben, dazu Iwands Postkarte an Ernst Burdach vom 26. Dezember 1938:
Lieber Herr Burdach!
Ihr lieber Brief hat mich hier in meiner kleinen, aber gemütlichen Klause erreicht und mich sehr erfreut. Ich habe ein schönes Weihnachtsfest hier verbracht, denn gestern war meine Frau bei mir. Auf meinem kleinen Tischchen stehen die Bilder meiner Kinder, dahinter ein Tannenzweig und dahinter ein Brief, den mir Wilhelm Niemöller schreiben ließ: Aller Haß und alle Freude ruht in dir, Herr Jesu Christ. Sein Friede ruht in diesen Tagen auch über unseren Hallen. Dazu habe ich heute den letzten Satz zu der Neuherausgabe von Luthers Schrift de servo geschrieben, die nun bald – und endlich – erscheinen kann. Seit 2 Wochen sitze ich an dieser Arbeit. Sie hat mich getragen und belebt. Der Tenor der großen Schrift Luthers heißt: Linie halten. Den Freunden, jungen und alten, in Ostpreußen bin ich bleibend verbunden, manch lieber Gruß ist in diesen Tagen zu mir gelangt und hat das Band neu geknüpft. Hoffentlich begreifen wir allmählich das große Glück, was es heißt, Weihnachten auf einer Kanzel zu stehen und die froheste aller frohen Botschaften verkünden zu dürfen, daß Gott Mensch wurde und damit die Menschheit – trotz allem und in allem – die große Verheißung wiedergewann von der Gotteskindschaft. Aber vgl. den 5. Vers von »es kommt ein Schiff geladen» – das ist jetzt mein Trost.
Immer Ihr getr. Hans Iw.
Quelle: Jürgen Seim, Hans Joachim Iwand. Eine Biographie, Gütersloh: GVH 1999, S. 235f.