Klaus Koch und Jürgen Roloff über Engel in der Bibel: „Die Glaubenden haben durch Christus unmittelbaren Zugang zu Gott; weder bedürfen sie darum einer Vermittlung durch Engel, noch können Engel Gegenstand ihres Glaubens sein.“

Engel in der Bibel

Von Klaus Koch und Jürgen Roloff

1. Bedeutung

Die hebräische bzw. griechische Entsprechung bedeutet »Bote«; sie wird im Deutschen, wo sie sich auf übermenschliche Wesen bezieht, mit »Engel« übersetzt.

2. Altes Testament

Im vorexilischen Alten Testament gibt es den Engel Jahwes fast nur in der Einzahl. In Menschengestalt begegnet er Menschen, übermittelt eine Botschaft, oft im Ich Gottes selbst, und verschwindet so überraschend, wie er gekommen (1Mose 16,7ff.; 18; Richt 6,11ff.); er ist demnach bloße Erscheinungsform, momentane Verhüllung Gottes selbst. Von diesem Engel unterschieden, gibt es einen ständigen himmlischen Hofstaat als Ratsversammlung um den Thron des Höchsten. Zu ihm gehören die Gottessöhne, der personifizierte Geist (1Kön 22,19ff.), das Heer des Himmels und dienstbare oder lobpreisende Mischwesen wie Keruben und Serafen. In nachexilischer Zeit wird der Begriff »Bote« auf alle diese überirdischen Wesen übertragen und eine himmlische Hierarchie vorausgesetzt. Sie vollzieht unablässig eine Liturgie in der Höhe, das Urbild echten menschlichen Gottesdienstes auf der Erde. Gott am nächsten stehen 4 oder 7 Erzengel (Michael, Gabriel, Rafael usw.). Unter ihnen stehen Engel, welche den einzelnen Völkern zugeteilt sind, und Schutzengel, die den einzelnen geleiten oder als angelus interpres (Deuteengel) den Profeten als Erklärer geheimnisvoller himmlischer Gerichte zur Seite stehen (Sach 1,9 u.ö.). Auch Keruben, Serafen und die Geister für die Gestirne gelten nun als Engel Sie sind allesamt eigenständige Wesen, geschlechtslos, unsterblich, heilig in ihrem Verhalten, von übermenschlichem Wissen erfüllt, von Herrlichkeit umkleidet, geflügelt in der Lage, sich blitzschnell überallhin zu bewegen. Eine besondere Funktion nehmen die Engel bei der bevorstehenden eschatologischen Wende ein, als Richter zunächst, dann als Garanten einer erneuerten Schöpfung. Die Gerechten unter den Menschen werden dann den Engeln mehr oder minder gleichgestellt.

3. Neues Testament

Das Neue Testament knüpft vielfach an die volkstümlichen Engelsvorstellungen des zeitgenössischen Judentums an, etwa wenn in den Geburts- und Kindheitsgeschichten Jesu Engel als Boten Gottes in Erscheinung treten (Lk 1,11ff.26ff.; 2,8ff.; Mt 1,20; 2,13.19), wenn entscheidende Heilsereignisse wie Jesu Auferstehung (Mk 16,5ff. par) und Himmelfahrt (Apg 1,11) durch Engel gedeutet werden, wenn Engel den Frommen in notvoller Lage wunderbare Hilfe bringen (Apg 12,7), wenn Engel als himmlischer Hofstaat Gottes den himmlischen Gottesdienst vollziehen (Offb 4,6; 5,11; 8,2; 14,14ff.) und wenn schließlich Engel die irdischen Gemeinden der Gläubigen im Himmel vor Gott repräsentieren (so die wahrscheinlichste Deutung der Engel der sieben kleinasiatischen Gemeinden in der Offenbarung). Allerdings enthält das NT weder eine über solche traditionelle Vorstellungen hinausführende Engellehre, noch billigt es den Engeln eine eigenständige Rolle im Heilsgeschehen zu. Im Gegenteil: Es betont nachdrücklich die Unterordnung der Engel unter Jesus Christus. Sie erscheinen dabei vielfach in der Reihe der durch den erhöhten Christus entmächtigten Weltmächte (Phil 2,10; Hebr 1,4; 2,7). Die Glaubenden haben durch Christus unmittelbaren Zugang zu Gott; weder bedürfen sie darum einer Vermittlung durch Engel, noch können Engel Gegenstand ihres Glaubens sein. Ja, sie sind durch ihre Christus-Zugehörigkeit den Engeln in mancher Hinsicht sogar überlegen: So steht die Sprache des Glaubens, die eine Sprache der Liebe ist, höher als die Sprache der Engel (1Kor 13,1; vgl. 1Kor 6,3).

Im Kolosserbrief setzt sich Paulus kritisch mit einem jüdische und gnostische Vorstellungen verschmelzenden Engelkult, der in die Gemeinde Eingang gefunden hatte, auseinander (Kol 2,18), indem er die Allherrschaft Christi betont. Ansätze einer Engelverehrung und Engellehre entwickelten sich erst im 3. Jahrhundert. Älteste bildliche Darstellungen zeigen die Engel als flügellose Jünglingsgestalten. Erst vom 4. Jahrhundert an werden Engel – in Anlehnung an die Keruben und Serafen des Alten Testaments – mit Flügeln abgebildet.

Lit.: Claus Westermann, Gottes Engel brauchen keine Flügel, 1957.

Quelle: Reclams Bibellexikon, hg. v. Klaus Koch, Eckart Otto, Jürgen Roloff und Hans Schmoldt, Stuttgart 51992, S. 123.

Hier der Text als pdf.

Hinterlasse einen Kommentar