Thomas von Celano über Franz von Assisis Weihnachtsfeier mit Krippe, Ochs und Esel 1223 in Greccio in der verkürzten Lebensbeschreibung (vita brevior) von 1230: „In der Nacht, in der Christus auf Erden geboren wurde, ließ er eine Krippe vorbereiten, Heu in die Krippe legen und Ochs und Esel an die Krippe stellen.“

Über die Weihnachtsfeier Franz von Assisis 1223 in Greccio (Aus der vita brevior, Nr. 66-69)

Von Thomas von Celano

Über Franz von Assisis Weihnachtsfeier mit Krippe, Ochs und Esel 1223 in Greccio existieren zwei Beschreibungen, eine aus Thomas von Celanos Ersten Lebensbeschreibung des heiligen Franziskus, die dieser im Auftrag des Papstes Gregors IX. zur Heiligsprechung 1228 verfasst hatte und eine weitere in Celanos verkürzter Lebensbeschreibung (vita brevior), die wohl um 1230 verfasst und erst 2014 entdeckt und von Jacques Dalarun editiert worden ist.[1] In der vita brevior, die auf eine liturgische Verwendung innerhalb des Franziskanerordens hin geschrieben worden ist, kommt die Erzählung einprägsamer zur Geltung. Eines verdient in jedem Fall Beachtung. In der Krippe ist nicht Stroh (stramentum), sondern Heu (fenum) ausgelegt.

66. Er [Franziskus] war über alle Maßen ergriffen, als er den Namen des Herrn aussprach, und in völligem Jubel schien er wie ein neuer Mensch und aus einer anderen Welt zu sein. Wo immer er also etwas Geschriebenes, ob göttlich oder menschlich, an einem unehrenhaften Ort fand, holte er es ehrfürchtig zurück und brachte es aus Ehrfurcht vor dem Erlöser an einen ehrenvollen Platz. Mehr noch, als er von einem Bruder gefragt wurde, warum er sogar die Sprüche der Heiden sammelte, antwortete er: „Söhne, aus den Buchstaben dort kann der Name des Herrn zusammengesetzt werden. Das Gute, das dort steht, gehört nicht den Heiden, sondern Gott allein, dem alles Gute gehört.“ Deshalb pflegte er alle Worte und Werke des Herrn mit größter Aufmerksamkeit. Er wollte sie durch jede Art von Gleichnis darstellen, besonders jene, die Christus in den heiligen Bänden des Evangeliums beschrieben, wegen der großen Liebe, die in ihm brannte.

67. Und so geschah es, dass er am Fest der Geburt des Herrn in Greccio etwas tat, das zu Recht einer glücklichen Erinnerung würdig war, um die Kindheit des neugeborenen Erlösers darzustellen. In der Nacht, in der Christus auf Erden geboren wurde, ließ er eine Krippe vorbereiten, Heu in die Krippe legen und Ochs und Esel an die Krippe stellen. Die Brüder werden von vielen Orten gerufen, um die feierlichen Vigilien zu begehen. Die Menschen strömen herbei, um dem neuen Geheimnis beizuwohnen, und machen die Nacht mit Fackeln und Kerzen hell. Die Brüder singen die erforderlichen Loblieder auf den Herrn, und der alte Lobgesang von Bethlehem wird in Greccio mit einem neuen Ritus erneuert. Der Heilige Gottes steht vor der Krippe und ist mit seinem zum Himmel gerichteten Geist von einer unbeschreiblichen Freude erfüllt. Die Feierlichkeiten der Messe werden über der Krippe zelebriert und der Priester erfährt neuen Trost.

68. Der Heilige Gottes, gekleidet in levitische Gewänder, da er ein Levit war, singt das heilige Evangelium mit klangvoller Stimme. Er rülpst (ructat) süße Dinge über die Geburt des armen Königs und die kleine Stadt Bethlehem hervor. Als er zum Beispiel Jesus wegen der großen Liebe, die in ihm brannte, einen Namen geben wollte, nannte er ihn stammelnd das Kind von Bethlehem. Dort vervielfachen sich die Gaben des Allmächtigen, und ein gewisser tugendhafter Mann hat eine wunderbare Vision: Er sah in derselben Krippe ein bestimmtes Kind leblos liegen, dem sich der Heilige Gottes näherte und es rasch wie aus dem Schlaf eines Traums erweckte. Der Säugling und das Kind Christi erschienen denen, die sich an seine Kindheit erinnerten, zu Recht, denn durch seinen Diener wurde er in die Erinnerung vieler zurückgebracht, in deren Herzen er der Vergessenheit preisgegeben worden war.

69. Schließlich, wenn die Feierlichkeiten beendet sind und jeder an seinen Platz zurückgekehrt ist, wird das Heu der Krippe aufbewahrt, mit dem die kranken Tiere geheilt werden, wodurch auch Frauen und Männer durch die Gnade Gottes genesen von ihren Krankheiten. Darüber hinaus ist der Ort der Krippe dem Herrn geweiht und zu Ehren des seligen Vaters Franziskus ist der Altar über der Krippe mit der Kirche geweiht.

Hier die lateinische Originalfassung:

66 Supra hominum intellectum afficiebatur cum nomen Domini nominabat et totus in iubilo quasi novus homo et alterius seculi videbatur. Propterea, ubicumque scriptum aliquod divinum vel humanum inveniebat inhoneste locatum, reverenter colligebat illud, honesto in loco retollens ob reverentiam Salvatoris. Enimvero, cum a quodam fratre fuisset interro­gatus ad quid etiam paganorum dicta colligeret, sic respondit: «Littere ibi sunt, fili, ex quibus componitur nomen Domini. Bonum quod ibi est non pertinet ad paganos, sed ad solum Deum, cuius est omne bonum». Propterea summa intentione cuncta verba et opera Domini recolebat assidue et illa precipue que de Christo in sacris evangelii voluminibus enarrantur, ob maximum quo in ipso fervebat amorem, representare per aliquam similitu­dinem gestiebat.

67 Inde factum est ut, in quadam dominice nativitatis sollemnitate apud Grecium, ad representandam nascentis Salvatoris infantiam, rem fecit felici memoria valde dignam. Nocte ipsa in qua natus est Christus in terris, fecit presepium preparari, presepio fenum inponi, bovem et asinum ad presepium collocari. E pluribus locis vocantur fratres ad solemnes vi­gilias celebrandas. Confluunt populi ad novum misterium pervidendum et, assumptis facibus et cereis, faciunt clarescere noctem. Cantant fratres Domino laudes debitas et Bettheleem antiqua preconia novo ritu in Grecio renovantur. Stat sanctus Dei coram presepio, spiritu in celo directo, ineffabili gaudio superfusus. Celebrantur misarum sollemnia supra presepe et nova fruitur consolatione sacerdosa.

68 Induitur sanctus Dei leviticis ornamentis, quia levita erat, et voce sonora sanctum evangelium cantat. De nativitate pauperis Regis et Betheleem parvula civitate melliflua ructat. Nam Ihesum nominare volens, propter nimium quo in ipso flagrabat amorem, eum puerum de Betheleem balbutiens nominabat. Multiplicantur ibi dona Omnipotentis et a quodam viro virtutis mirabilis visio cernitur. Cernabat in eodem presepio puerum quemdam iacere exanimem, ad quem sanctus Dei accedens, quasi a sompni sopore eum velociter suscitabat. Recte infantiam recolenti infans Christi et puer apparuit, quoniam per servum suum ad multorum memoriam reductus est, in quorum cordibus oblivioni fuerat data.

69. Finitis denique sollempnis et omnibus ad propria remeantibus, fenum presepii reservatur, per quod animalia morbida liberantur, per quod etiam mulieres et viri, divina gratia faciente, a suis egritudinibus conva­lescunt. Porro locus presepii templum Domino consecratur et in honore beatissimi patris Francisci altare supra presepe cum ecclesia dedicatur.


[1] Vgl. dazu Jacques Dalarun, The New Francis in the Rediscovered Life (Vita brevior) of Thomas of Celano, in: Michael F. Cusato/Timothy J. Johnson/Steven J. McMichael (Hrsg.), Ordo et Sanctitas. The Franciscan Spiritual Journey in Theology and Hagiography. Essays in Honor of J. A. Wayne Hellmann, Leiden: Brill, 2017, S. 32-46; bzw. Jacques Dalarun, Thome Celanensis Vita beati patris nostri Francisci (Vita brevior). Presentation et edition critique, Analecta Bollandiana 133 (2015). S. 23-86.

Hier der Text als pdf.

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