„Pro-Existenz“ als christologischer Grundbegriff
Von Heinz Schürmann
EINFÜHRENDE VORBEMERKUNGEN[1]
Seit Jahren kann man in Budapest und in Prag, recht vereinzelt auch bei uns die Frage hören: Wenn es neben der ,.westlichen Theologie“ heute auch eine „südamerikanische (Befreiungs-) Theologie”, auch eine „afrikanische Theologie“ gibt, gibt es nicht vielleicht auch in der Kirche des „Ostens“ eine eigenständig eingefärbte Theologie, zumal sich dort doch eine Spiritualität mit charakteristisch eigenen Akzenten entwickelt? Mir scheint, eine solche Theologie sowie Spiritualität könnte um den Grundbegriff „Pro-Existenz” versammelt werden und damit Gehalte in den Blick stellen, in denen alle Theologien Zukunft haben könnten. Denn „glaubhaft ist nur Liebe“[2].
1. Der Term „Pro-Existenz“ ist als theologischer Begriff meines Wissens erstmalig in einem Vortrag in Wien 1972: „Der pro-existente Christus – die Mitte des Glaubens von morgen?“[3] gebraucht worden – gleich recht programmatisch mit dem Anspruch, etwas über „die Mitte des Glaubens von morgen“, zentral von der Christologie her, zu wissen. Inzwischen ist in der Theologie von „Pro-existenz“ international die Rede[4], der Term ist bei führenden Theologen unserer Zeit nachzuweisen[5], auch in den Dokumenten der „Internationalen Theologischen Kommission“[6]; er wurde auch schon theologisch zu thematisieren versucht[7]. Papst Johannes Paul II. hat ihn jüngst lobend aufgegriffen, so daß er auch schon eine gewisse „kirchenamtliche Approbation“ erfahren hat[8]. Er ist dem im gesellschaftlichen Kontext üblichen Term „Koexistenz“[9] nachgebildet. Er versucht eine einseitige „Solidaritäts-Christologie“ (die nicht mehr zu sein versucht als das[10]) zu vertiefen durch das neutestamentlich zentrale und radikale hypér[11], auf dessen Hintergrund er als „Existenz-Stellvertretung“ originär verstanden sein will (obgleich er freilich auch – als Allgemeinbegriff – säkularisiert mißbraucht werden kann[12]). Sachlich war die Rede vom „pro-existenten Christus“ vorgebildet durch K. Barth[13], verbreitet durch die Charakterisierung Jesu als „der Mensch für andere“ durch D. Bonhoeffer[14]. Freilich werden wir, wenn wir diesen Allgemeinbegriff als „Grundbegriff“ der Christologie (und gar der gesamten Theologie) verstehen möchten, mehrfach analog verwenden müssen[15].
2. Wir sind uns bewußt, daß der Begriff „Pro-Existenz“ alle Fragen tangiert, die an die Begriffe „Existenz“, „Person“, „Selbstbewußtsein“, „Geschichte“ – innerhalb der christologischen Systematik – zu stellen sind. Es kann uns hier nicht darum gehen, solche Fragen hier systematisch zu klären, sondern nur darum, diese Wortbildung „thesenhaft“ zu vertreten und in etwa ihren Verwendungsbereich aufzuweisen[16].
Daß die neutestamentlichen hypér-Aussagen einen Formalaspekt bezeichnen, der in die Mitte der christlichen Verkündigung führt, wird weithin gesehen. Die Grundbedeutung des Lexems meint (lokal oder übertragen) ein „Über-hinaus“. Mit dem Term „Pro-Existenz“ verengen wir jenes Lexem auf das bibeltheologisch wichtige „zu gunsten für“, „stellvertretend für“, heben seinen tieferen Sinngehalt gleichzeitig aber auch deutlicher ans Licht durch den modernen Existenz-Begriff. Die Pro-Existenz weist uns zunächst zurück auf das Ek-sistieren[17], das etwas anderes ist als das in sich ruhende Sub-sistieren des geistigen Individuums (der „naturae rationalis individua substantia“ des Boethius). Nicht schon im Sub-sistieren – erst im ek-sistieren – wird das geistig substituierende Individuum transzendierende, ek-sistierende Per-sona[18]. In solchem Verständnis kann der Term „Pro-existenz“ einer dialogischen Theologie dienen, die eine ontologisch sowie eine anthropologisch verstehende übergreift.
Schon das biblische hypér meint nicht eine Ausrichtung nur des freien menschlichen Strebevermögens bzw. Intellekts, sich „oberflächlich” auswirkend im menschlichen Verhalten, sondern setzt das existentiell radikale Freiheitsvermögen der Neuzeit[19] voraus. P. Johannes Paul II. formulierte kürzlich:
„Christus non habet facilia verba consolationis, sed confert vitam suam et petit a suis discipulis ut prompti sint ad plenum sui ipsius donum. In hoc verus sensus invenitur illius ‚pro-existentiae‘ christianae … ut synthesim Redemptionis et vitae christianae … Estote igitus vos testes Amoris ‚Pro-existentis‘ Christi.[20]“
Hier wird recht deutlich, wie sehr der Personalismus des Papstes eine christologisch erhellte Dialogtheologie ist. Wenn aber die pro-existente Liebe mehr ist als „Wohlwollen“, vielmehr ihr Maß hat an der Selbsthingabe Jesu[21], gründet sie nicht mehr in einer kategorialen Freiheit des Willensvermögens, sondern in der existentiellen Freiheit, die die Möglichkeit der Selbsthingabe hat und die nur von einem absoluten Du her geschenkt sein kann[22]. Pro-Existenz meint also ein sehr radikales („wurzelhaftes“), sich ent-äußerndes „äußerstes” Verhalten, das in solcher Radikalität erst sichtbar wurde im Verhalten Jesu. Daß das pro-existente Engagement Jesu nur gewirkt sein kann in einem pro-existenten Engagement Gottes durch die Pro-Existenz des Vaters, mag schon vorweg gesagt sein. Jesus war eben „in seine Sendung hinein enteignet“[23].
Mit Hilfe des Substantivs „Pro-Existenz” möchten wir einerseits die Wesensaussagen des Chalcedonense deutlicher soteriologisch akzentuieren, andererseits von der pro-existenten Christologie her die Theo-logie und alle ihre Disziplinen, auch die Anthropologie und theologische (Sozial-) Ethik existentiell vertiefen helfen. Es geht uns also darum, Gottes Offenbarung im mehrstufigen Christusgeschehen – unter einem zentralen Formalaspekt – in ein grundlegendes Wort zu fassen. Dabei will uns scheinen, das würde durch die biblische präpositionale Wendung „pro nobis“ in seiner soteriologischen Funktion zwar bereits recht gültig zum Ausdruck gebracht, die Substantivierung könne aber behilflich sein, die Relation des hypér als „Wesens“-Aussage christo-logisch und theo-logisch leichter herauszustellen.
Wir dürfen dabei W. Kasper folgen:
„Der christliche Glaube bestimmt den Sinn von Sein als Liebe. Er geht aus von dem einmaligen Geschehen in Jesus Christus und erkennt in ihm die endgültige Bedeutung der Wirklichkeit insgesamt … Eine recht verstehende Seinschristologie … geht aus von dem, was die Mitte des Daseinsvollzugs Jesu Christi war, das Sein-für-die-andern, universale Stellvertretung, Existenz als Proexistenz. Das bedeutet eine Umwertung der gesamten antiken Metaphysik, wie man sie sich radikaler nicht denken kann. Nun ist nicht mehr wie bei Aristoteles die in sich ruhende und seiende Substanz das Höchste, sondern das, was für Aristoteles das schwächste Sein war, die Relation, das Für-die-andern-Sein, die sich selbst wegschenkende Liebe“[24].
Wir möchten mit W. Breuning fragen (und thetisch behaupten): „Läßt sich die Geschichte der ‚Traditio Jesu‘ – im doppelten Sinne von ’Überlieferung’ –- als Jesu eigene ‚Wesensgeschichte‘ verstehen? Das ist die eigentliche, entscheidende Frage, auf die alles hinaus läuft … Nirgendwo besteht ein einfacherer Zusammenhang zwischen Geschichte und Person als bei Jesus“[25]. Der Term sagt zutiefst etwas aus über Jesu „‚Wesen‘, seine (!) Proexistenz. Man kann natürlich zweifeln, ob es erlaubt ist, für das, was Jesus ist, einen Begriff zu bilden. Aber da der Begriff ‚Proexistenz‘ schon sprachlich so nah bei dem eucharistischen ‚Das ist meine leibhaftige Wirklichkeit für euch‘ liegt, mag er genügend Anschauung enthalten, um nicht blind zu sein. Das Personinteresse an Jesus abstrahiert folglich auch nicht von seiner Situation und seiner Geschichte, sondern es behauptet gerade die vollkommene Übereinstimmung von Wesen und Geschichte im einmaligen Leben Jesu“[26]. R. Schnackenburg[27] stimmt als Exeget zu: „Seine ‚Proexistenz‘ war das innere Gesetz seines Wirkens unter den Menschen“.
Wir wollen nachstehend den Term „Pro-Existenz“ in den Blick stellen, indem wir seine Präformation (I.) beim vorösterlichen Jesus und seine eigentliche Formierung (II.) in seinem Sterben aufweisen, danach seine Überhöhung (III.) in Jesu Auferweckung und Erhöhung, sein tiefes Gründen dann (IV.) als prä-existente Pro-Existenz zu erkennen suchen. P. Johannes Paul II. forderte in der vorstehend zitierten Ansprache (in der oben genannten Audienz der Internationalen Theologischen Kommission) abschließend emphatisch: „Estote igitur vos testes Amoris ‚Pro-existentis‘ Christi“. Wir verstehen uns hier mehr als „Zeugen der Liebe des ‚pro-existenten‘ Christus“, denn als systematischen Theologen; an meine dogmatisch arbeitenden Kollegen stelle ich eigentlich nur Fragen.
I. JESU PRO-EXISTENTES LEBEN UND WIRKEN
Jesus lebte und wirkte (1.) – sich selbst transzendierend – „gekreuzigt” in doppelter Ausrichtung: horizontal dienend als „Mensch für die anderen”, zugleich (2.) vertikal in unvergleichbarer Theozentrik auf den „Ganz-anderen“ hin, den er seinen „Abba“ nannte[28].
1. Schon einem schlichten Bibelleser fällt die radikale und reaktionslose Güte Jesu auf, dem offensichtlich das „cor incurvatum in seipsum“ (Augustinus) fehlte.
a) Zusammenfassend stellt Jesus sich und sein Wirken als „Tischdiener“ dar: „Ich bin in eurer Mitte wie der Diener” (Lk 22, 27; vgl. Joh 13, 1-20). Seinem Jüngerkreis gab Jesus keine Regel; es genügte ein grundlegendes Regelwort[29]: „Wenn einer der Erste sein will, so sei er von allen der Letzte – und aller Diener“. (Mk 9, 35 par) Gefordert ist also Dienst, mit der Bereitschaft zu einer „Karriere nach unten“. Dieser Dienst hat eine doppelte Stoßrichtung:
(1.) hin zu den Notleidenden aller Art, denen er heilend und exorzisierend half und geholfen haben wollte, wie die Beispielerzählung vom barmherzigen Samariter (Lk 10, 30-35) und viele radikale Herrenworte (vgl. nur Lk 6, 30 f. 36. 38 f; Mt 5, 42 par; 25, 31-46) zeigen. Dabei ist Jesu Liebe zugleich reaktionslose Feindesliebe mit Rechtsverzicht (Lk 6, 27 ff. 32-35 a.c).
(2.) In besonderer Weise ist Jesu Dienst Einladung (Mk 2, 17), Tischgemeinschaft (Lk 17, 34; 15, 1 f), ein Suchen (Lk 15, 4-10, 11-32), Annahme (Lk 7, 36-47; 19, 1-20) der Sünder, Schulderlaß (Mt 18, 23-35; Lk 6, 37. 41 f). Er gilt als „Freund der Sünder und Zöllner” (Lk 7, 34).
b) Jesu dienendes Engagement konnte so tief nach unten stoßen, weil es gleichzeitig ein Engagement nach oben: letzte Theozentrik war[30], wie diese religionsgeschichtlich nicht ihresgleichen gehabt haben dürfte: „Abba, geheiligt werde dein Name!“ (Lk 11, 2) „Was Gottes ist – Gott” (Mk 12, 17b) – lautet Jesu „zelotische“ Parole, denn „niemand kann zweier Herren Knecht sein” (Mt 6, 24). Im Worte Jesu wird alles überboten, was „zu den Alten gesagt worden“ ist (Mt 5, 21-22a. 27 f. 33-34a. 37). „Gott lieben aus ganzem Herzen … und mit aller Kraft“ (Mk 12, 30 parr).
Im Leben Jesu „ist Gott nicht nur gegenwärtig im Modus seines Glaubens, sondern im Modus der aktiven Liebe, die Jesu ureigenste Tat ist. Deshalb läßt sich sein Leben auch nur als Zuwendung verstehen: aus der Liebe des Sohnes zu Gott, seinem Vater, wird es Zuwendung zu uns“[31]. – Diese Theozentrik ist es, die zu dem radikalen und reaktionslosen, selbst-losen „Dienst nach unten” befähigt. Die unvergleichliche Theozentrik Jesu hatte in unvergleichbarer Weise eine kenotische Struktur (s. u. unter IV, 2):
„Jesu Leben bezeugt eine ungeteilte, den Einsatz des eigenen Lebens nicht scheuende Bereitschaft für … (das) Kommen der Gottesherrschaft … Wir können mit anderen Worten auch sagen, daß er in seinem ganzen Lebenslauf auf das Heil ausgerichtet war … Diese Haltung kann man mit einem vielleicht nicht schönen, aber recht brauchbaren Ausdruck ‚Pro-existenz‘ nennen: Damit ist zunächst gemeint, daß die Tendenz des Lebens Jesu vor allem im vorbehaltlosen Einsatz seines Lebens für die Ankunft der Gottesherrschaft besteht. Dies darf nicht so verstanden werden, als ob sein Leben eine ausschließlich horizontal aufgefaßte Solidarität mit den Menschen, zumal mit den Bedrängten und Bedrückten, wäre. Gewiß kommt diese Grundrichtung des Lebens Jesu auch und gerade beim Abendmahlsgeschehen auf einen Höhepunkt, in dem Jesus unter den Zeichen von Brot und Wein dienend sein Leben zum Heil zur Verfügung stellt und in das Heilsangebot Gottes hineingibt. Diese Grundhaltung Jesu den Menschen gegenüber ist jedoch letztlich darin gegründet, daß er ganz den Willen Gottes erfüllen möchte“[32].
Die vertikale theozentrische (zugleich aszensorische und deszensorische) Pro-Existenz Jesu, die neutestamentlich zunächst hintergründig und in der Tiefe der Hypér-Aussagen bleibt, darf der Systematiker – und auch schon der Bibeltheologe – mit Recht als begründenden Wirkfaktor der horizontalen heilbringenden Pro-Existenz herausstellen. Jesu Dienst kommt aus existentieller Tiefe, ist darin horizontal und vertikal in einem „von sich selbst weg“, dienend, „sich selbst verleugnend“ (Mk 8, 34 parr), das „Leben verlierend“ (Mk 8, 35 parr).
2. Jesu selbst-los dienendes Engagement „für die anderen“ und für den „Ganz-anderen“ wird nur verständlich als ein Engagiert-sein bis in den tiefsten Personenkern hinein von Gott her: von dem sich ihm in seinem heilbringenden Reich offenbarenden Abba: „Abba, … es komme dein Reich“ (Lk 11, 2). „Das Einbeziehen des dienenden und liebenden Grundverhaltens Jesu während seines irdischen Wirkens in das soteriologische Gesamtbild ist zweifellos ein Gewinn. Dadurch wird die öfter behauptete Dichotomie zwischen der Basileia-Botschaft Jesu und der Heilsbedeutung seines Todes relativiert. In diesem Sinne läßt sich trotz aller Diskontinuität zwischen dem Wirken und den Leiden Jesu eine Einheit aufzeigen“[33], was im Folgenden kurz skizziert werden soll.
a) Jesu ureigenes Basileiaverständnis[34] ist von der Abba-Anrede (als herrscherlicher Heilsbereich) formiert; umgekehrt ist Jesu Abba-Verhältnis in seiner Einmaligkeit Ausprägung der sich ihm zu-schickenden Basileia. Jesu Selbstverständnis dürfen wir aufgrund seines originalen Gebetes uns als einmalige Gottesnähe und Basileia-auftrag – beides ineinander verschränkt – zugleich denken. Hier – im Gebet Jesu – bezeugt sich schon „Christologie“! Der universale herrscherliche Heilswille seines Abba wurde ihm zum Ge-Schick, das ihn „schickte“ (missio) und zum „Schick-sal“ wurde[35]. Die Worte vom „Gekommensein“ Jesu[36] (später – bes. bei Johannes – von seiner „Sendung“)[37] reden deutlicher.
b) Des Vaters Heilsangebot: seine Basileia wird, wenn das Gesagte gilt, ansichtig, eine gegenwärtige Ge-gebenheit in Jesu Wirken und Worten (Lk 10, 23 f; vgl. Lk 11, 20; 10, 9). Besonders Jesu ureigenes Gebet (Lk 11, 2 par) zeigt, daß Gottes Heil gegenwärtig wird in Jesu Basileia- und Gottes-Beziehung, der in seinem Heilsengagement ein „Gleichnis Gottes“ (W. Schrage) wird: also in seiner Person selbst, „der absolute Heilbringer“ (K. Rahner)[38]. Erst durch das Engagement Gottes wird der Lebensdienst Jesu verständlich, indem dieser in Person „der Repräsentant der Gottesherrschaft”[39] wird.
So wird aus dem Kontext des ureigenen Gebetes Jesu sein Dienst als ein personal pro-existenter deutlich, dessen Tiefe wir noch weiter ausloten müssen. Deutlich ist, daß mit dem Term „Pro-Existenz” „eine tiefe Wurzel für Jesu Einzigartigkeit und Bedeutung getroffen” ist[40].
II. JESU PRO-EXISTENTES STERBEN
In den letzten Jahren wurde, besonders in der kritisch arbeitenden katholischen Exegese des deutschen Sprachraumes die Frage erörtert, ob das Pro-nobis des Lebens und Wirkens Jesu auch auf seinen Tod hinübergedehnt werden dürfe[41]. Der Vereinung wurde von uns (1973) die besorgte Frage entgegengestellt, ob beim Fehlen eines von Jesus intendierten und explizierten Pro-nobis dem christlichen Leben noch die spirituelle Möglichkeit eröffnet bliebe, „daß die Lebenden nicht mehr sich selbst leben, sondern den, der für sie gestorben ist und auferweckt wurde (2 Kor 5, 15; vgl. Röm 14, 7)“. Es „ist vom ganzen Verlauf des Lebens Jesu her … gar nicht zweifelhaft, daß Jesus seinen Tod gläubig bestanden hat und daß er ihn in ‚aktiver Proexistenz‘ für uns bis zu seinem bitteren Ende durchgetragen hat“[42].
1. Zur Lösung dieser Frage bietet sich die Formel „Pro-Existenz“ als Hilfe an. „Seine Proexistenz im Leben steht zu seiner Proexistenz im Sterben nicht im Widerspruch“, urteilt J. Gnilka[43] vorsichtig. „Aus historischer Sicht kann es als sicher gelten, daß Jesus seinen Dienst gelebt hat und daß er diesen Dienst vollzogen hat … Es ist zwar nicht unmöglich, daß Jesus auch eine Theorie über sein Handeln entworfen hat, … jedoch …: Jesus sprengt alle Formeln und Schemen“, stimmt X. Léon-Dufour[44] zu.
a) Es ist nämlich letztlich nicht so wichtig[45], ob der Gedanke der Erlösung durch stellvertretende Sühne (in ausdrücklichen oder verdeckten) Leidensweissagungen historisch stringent aufgewiesen werden kann, sondern ob die vorösterliche Pro-Existenz des Lebens und Wirkens Jesu auch „vorkategorial“ aus dem Gesamtverhalten der Grundbefindlichkeit Jesu, letztlich ob seine Pro-Existenz als „Wesens“-Aussage wahrscheinlich zu machen ist (s. u. unter IV, 2. b). Es ist schon eine
„Frage, ob der Ursprung der ‚interprétation rédemptrice‘ des Todes Jesu methodisch und sachlich überhaupt von einzelnen Belegstellen (wie Mk 10, 45 oder Mk 14, 24) her bestimmbar ist oder ob in dieser Hinsicht am Ende nicht doch jene Fragerichtung mehr für sich hat, die vom Gesamtverhalten Jesu her – im Sinne etwa der ‚Proexistenz‘ Jesu (H. Schürmann) – eine Brücke zwischen ‚Jesus selbst‘ und dem ‚pro nobis‘ der ‚interprétation rédemptrice‘ des Todes Jesu in der nachösterlichen Gemeinde zu schlagen versucht. Mit ‚radikaler Skepsis‘ hat jedenfalls diese Fragerichtung nichts gemein“[46].
In diesem Sinne versuchte die Frage auch die Internationale Theologische Kommission zu lösen (vgl. im IV, B 2. 2. ff)[47]:
„(2.2) Jesu Tod kann nicht als der letztgültige eschatologische Heilsdienst verstanden werden, wenn Jesus darin sittlich gescheitert oder an Gott und an seinem Auftrag irre geworden wäre. Auch ein nur passiv hingenommener Tod wäre kein ‚christologisches‘ Heilsereignis; als solches müßte er sich zu erkennen geben als ein von Jesus in gehorsamer und liebender Hingabe (vgl. Gal 1, 4; 2, 20), in ‚aktiver Passivität‘ (Mk 15, 34), angenommener. Jesu sittliches Leben und sein gesamtes Verhalten erlauben den Schluß, daß er bereit war, diesen Tod zu sterben und daß er selbst sterbend erfüllt hat, was er von seinen Jüngern gefordert hatte (vgl. Lk 14, 27; Mk 8, 34. 35; Mt 10, 28. 29 ff). – (2.3) Jesu Todesdienst (vgl. Mk 10, 43b) war Auswirkung und Fortsetzung seines Lebensdienstes (vgl. Lk 22, 27); beides entstammte einer ‚existentiellen Haltung für …‘, zu leben und zu sterben für Gott und die Menschen, der Grundhaltung, wie man sagen kann: der ‚Proexistenz‘. In dieser Grundhaltung war Jesus als der eschatologische Heilbringer seinem ‚Wesen‘ nach auf das eschatologisch-universale Heil ausgerichtet: auf ‚unser‘ Heil (1 Kor 15, 3; vgl. Lk 22, 19. 20b), das Heil Israels (Joh 11. 50) und der Heidenvölker (Joh 11, 51 f), ‚der vielen‘ (Mk 14, 24; 10, 45), ‚aller‘ (2 Kor 5, 14 f; 1 Tim 2, 6), des ‚Kosmos‘ (Joh 6, 51c). – (2.4) Diese ‚proexistente Grundhaltung‘, d.h.: der existentielle Wille, sich ‚dahinzugeben‘ und zu ‚geben‘ (vgl. oben unter 2.3 und unten unter 2,5), muß als ‚offen‘ und als zuinnerst dem Willen des Vaters konform verstanden werden. Die geschichtliche Entwicklung ließ diesen Ratschluß des Vaters immer lebendiger und konkreter ans Licht kommen. So hat Jesus als der eschatologische Heilsmittler und Herold der Gottesherrschaft in zuversichtlicher Hoffnung bis ans Ende das Kommen des Reiches erwartet (vgl. Mk 14, 25 parr). In dieser Offenheit für den Ratschluß des Vaters konnte Jesus fragen: ob der Vater seiner Reichsverkündigung Erfolg schenken würde oder ob der Versuch, das Volk Israel für das eschatologische Heil zu gewinnen, scheitern solle; ob er selbst die ‚Todestaufe‘ werde erleiden (vgl. Mk 10, 38 f; Lk 12, 50) und den Leidens-‚Kelch‘ (vgl. Mk 10, 36) werde trinken müssen oder nicht; ob der Vater sein Reich trotz des Scheiterns Jesu verwirklichen wolle oder vielleicht gar mittels seines Märtyrertodes; ob der Vater sein sterbend proexistent durchgehaltenes Heilsangebot am Ende heilseffizient machen würde. Letzteres konnte Jesus, der sich als eschatologischer Heilsmittler und ‚Repräsentant‘ der Gottesherrschaft wußte, in vertrauensvoller Zuversicht erwarten … – (2.5) Jesus mußte diese seine proexistente Grundhaltung und dieses sein bis in den Tod hinein durchgehaltenes proexistent-dienendes Verhalten gedanklich nicht in kategoriale Schemata fassen, die ihm vom traditionellen Opferkult der Israeliten nahegelegt wurden: etwa personalisiert als ‚stellvertretender Sühnetod für andere‘ oder speziell als ‚Leiden des Ebed Jahwe‘ (vgl. Jes 53). Konnte er doch solche Vorstellungen aus der proexistenten Grundbefindlichkeit seiner Seele auch vertieft und transformiert verstehen und leben (vgl. unter 3.4)! Freilich darf Jesu proexistente Grundhaltung nicht diffus-unbestimmt gedacht werden, sondern muß ein gewisses Verstehen und Wollen einschließen (vgl. unten unter 3.3)“.
b) Die „Proexistenz Jesu ist ein Verstehenshorizont der Christologie“, weil sie als das „Wesen“ (= das Durchhaltende) verstanden werden darf. Jesu „Sein” ist als Selbsthingabe ein Von-sich-weg ein „Für-Sein“[48]. In diesem „Für-Sein” liegt gleichzeitig Jesu soteriologische Bedeutung, weil er das Heil in Person ist. Sein Personsein – nicht als eine sich selbst behaltende Subsistenz, sondern als sich aus seinem Subsistieren weggebende Pro-Existenz – bestimmt sein Wesen und sein „Werk” in seiner Lebens- und Todeshingabe, letztlich, weil Jesu „Für-Sein” im Leben, Tod und Auferstehung in einem prä-existenten „Für-Sein” gründete (s. unten unter IV)[49].
Jesu Da-Sein als „Für-Sein” in Person ist Gottes Da- und Für-Sein. „Jesu ist der Mensch für die anderen, also in seinem Wesen ‚Pro-Existenz‘. Dieses selbst-lose Sichhinweggeben für die anderen war freilich nur möglich durch die radikale Gründung in Gott. Zugleich wird in Jesu Pro-Existenz der Einsatz Gottes ’für uns’ ansichtig. Person und Sache kommen dabei zu einer völligen Deckung; Christologie und Soteriologie, die oft auseinandergetreten sind, vermitteln sich gegenseitig und durchdringen sich von einer Wurzel her“[50]. „Die einzige Überlieferung, die seine Gestalt heute noch leuchten läßt, sagt sein ‚Wesen‘, seine ‚Proexistenz‘“[51]. „Sein Menschsein ist ja mit seiner Sendung identisch“[52]. „Sein menschliches Ich (mit allen seinen menschlichen Fakultäten) als identisch wissen mit einem im vollen Sinn göttlichen Auftrag: dies wäre eine Auslegung der christologischen Formel des Aquinaten, daß die Sendung (missio) des Sohnes nur die in die Welt hinein erfolgte Verlängerung seines ewigen Ausgangs (processio) aus dem Vater ist … Unverbrüchlich ist sein Wissen, die Sendung des Vaters nicht nur zu haben, sondern sie zu sein”[53].
2. a) Spätestens unmittelbar vor seinem Tode, beim Abschiedsmahl, mußte Jesus den bevorstehenden Tod vor Augen gehabt haben. Durch die Veranstaltung eines Abschiedsmahles und durch seine beiden bedeutsamen Gebegesten[54], die – nach allen vier überlieferten Einsetzungsberichten – sachlich das Heil eschatologisch und staurologisch zugleich zum Ausdruck brachten (vgl. Lk 22, 19 f par), artikuliert Jesus seinen Tod heilsbedeutsam. „Man kann nicht umhin“, urteilt auch E. Schillebeeckx[55],
„historisch zu bestätigen, daß Jesus im Angesicht des Todes seinen Jüngern den Becher der Gemeinschaft darreicht; dies ist ein Zeichen dafür, daß er den Tod nicht nur passiv über sich kommen läßt, sondern ihn aktiv in seine gesamte Sendung integriert hat, mit anderen Worten, daß er seinem Tod als letzten und äußersten Dienst an der Sache Gottes als der Sache des Menschen verstanden und erfahren hat und daß er dieses Selbstverständnis im verhüllten Zeichen des Anbietens von Tischgemeinschaft mit den Seinen seinen engeren Jüngern mitgeteilt hat. Das ‚Für euch‘ (‚hypér‘-Formel), im Sinne einer gänzlichen Pro-Existenz Jesu, ist die historische Intention seines ganzen Auftretens gewesen und hat sich bis in seinen Tod bewahrheitet … Das ganze Leben Jesu ist die Erklärung für seinen Tod. Darin liegt genügend Heilsdichte, die später auf verschiedene Weise durch den Glauben an ihn zur Sprache gebracht werden kann und tatsächlich gebracht ist“.
b) Hier, beim letzten Mahl, wurzelte und kam bereits zeichenhaft und verbal – ans Licht, was dann bei den nachösterlichen Eucharistiefeiern durch die hypér-Formel Jesu als heilseffizient zum Ausdruck gebracht werden konnte[56]. Die Internationale Theologische Kommission formulierte[57]: Daß
„der Vater sein sterbend pro-existent durchgehaltenes Heilsangebot am Ende heilseffizient machen würde, konnte Jesus, der sich als eschatologischer Heilsmittler und ‚Repräsentant‘ der Gottesherrschaft wußte, in vertrauensvoller Zuversicht erwarten. Diese vertrauensvolle Zuversicht Jesu muß so gedacht werden, daß Jesus für sich selbst Auferstehung und Erhöhung erwarten durfte (Mk 14, 25 par) und daß er in den Worten und Gesten des letzten Mahles (Lk 22, 19 f parv) todesbereit die verheißene Realität des eschatologischen Heils darbieten konnte“.
III. DAS PRO-EXISTENTE WESEN UND DES ERHÖHTEN HERRN
Offenbar formelhaft stehen Tod, Auferweckung und Erhöhung Röm 8, 34 eng zusammen; vgl. auch 1 Petr 3, 18. 22 und die kerygmatischen Formulierungen in Apg 2, 23 f. 32; 5, 30 f. Kreuzestod und Erhöhung finden sich auch Hebr 1, 3; 12, 2 nebeneinander. Nach 2 Kor 5, 15 ist Jesus „für alle gestorben und auferweckt worden“. Auch die Auferweckungstat Gottes ist somit ein pro-existentes Tun Jesu, deutlich geworden in der Auferweckungstat Gottes (vgl. auch Röm 4, 25b: diá). Damit sind zwei Tatbestände angedeutet: Zunächst (1.) gipfelt die Auferstehung Jesu Tod auf und macht diesen als ein pro-existentes hypér-Geschehen deutlich; zu zweit bringt (2.) Jesus sein pro-existentes Wirken erst als Auferstandener und Erhöhter (in analogem Verständnis) auf den Höhepunkt.
1. a) Ein Kontinuum zwischen dem vorösterlichen Jesus und dem erhöhten Christos Kyrios „in der Diskontinuität der Zeiten und der Variation des Kerygmas“[58] aufzuweisen, ist ein wichtiges christologisches Desiderat[59]. W. Breuning[60] bestätigte unsere These und generalisierte sie: Die „aktive Proexistenz ist … wirklich das Kontinuum der Christologie, das aus der Lebenszeit Jesu heraus den Tod zu seinem aktiven, Heil wirkenden Tod macht. Das will ja das ‚für uns‘ sagen. Die aktive Proexistenz verbindet als Kontinuum auch das irdische Leben mit dem, was als Auferweckung begonnen hat und seitdem geschieht. Sie ist auch das Eschaton, das uns alle aktiv in sich hineinzieht…“.
b) Die Auferstehung hebt Jesu pro-existentes Leben (vgl. Lk 22, 27) und Sterben (vgl. Mk 10, 45) nun mehr unzweideutig als ein soteriologisches ins Wort. Wahrscheinlich wurden die hypér-Aussagen ursprünglich als Eucharistie-Erfahrung – bei der mimesis der Abendmahlsgesten und -worte Jesu; vgl. Lk 22, 19 f parr; Joh 6, 51 – geschenkt[61].
Jesus ist „für uns“[62] gestorben (und auferstanden): 1 Thess 5, 10 (v. 1.); Gal 3, 13; 2 Kor 5, 21, bzw. in der Anrede „für euch“ 1 Kor 1, 13: vgl. 1 Petr 2, 21; Lk 22, 19 f par 1 Kor 11, 24; „für alle“ 2 Kor 5, 14. 15 (vgl. Röm 8, 32: Gott hat ihn „für uns alle“ dahingegeben), was „die vielen“ meint: vgl. Röm 5, 15. 19; Mk 10, 45; 14, 25 und 1 Tim 2, 6 nach Jes 53, 12. Er starb für die „Gottlosen“ Röm 5, 6, „die Ungerechten“ 1 Petr 3, 18, für den (die) Nächsten 1 Kor 8, 11; Röm 14, 15; „gekreuzigt wurde er für euch“ 1 Kor 1, 13, „er litt für euch“ 1 Petr 2, 21, vgl. ähnlich Joh 11, 50 ff; 18, 14; „er heiligte sich für euch“ (Joh 17, 19).
Christus wurde „für uns“ zum Fluch (Gal 3, 13); „er hat sich selbst für uns dahingegeben“: 2, 28; Gal 2, 20; vgl. Eph 5, 2. 25: 1 Joh 3, 16; vgl. Joh 15, 3; „für (diá) unsere Sünden“ (Gal 1, 4). Er gab sich selbst (sein Leben) als „Lösegeld für“: Mk 10, 45; vgl. 1 Tim 2, 6; Tit 2, 14, ähnlich Hebr 6, 20; er „setzte sein Leben ein für“: Joh 10, 11. 15; 13, 37 f; 15, 13. Der Gedanke der Stellvertretung wird mehr oder weniger deutlich mit zu hören sein Gal 3, 13; 2 Kor 5, 14. 21; Röm 5, 6. 8.
Nur ein Verständnis der Pro-Existenz-Formel von ihrem biblischen Hintergrund her, wie es sich in den vorstehenden hypér-Aussagen artikuliert, verhindert, daß dieselbe von einem Engagement-Christentum entleert wird, wovor nach H. Urs v. Balthasar[63] auch K. Lehmann warnt:
„Wenn man … die historische Rückfrage nach dem irdischen Jesus … von der nachösterlichen Verkündigung isoliert und dazu noch eine äußerst kritische Position im Blick auf das Verständnis Jesu von seinem eigenen Tod einnimmt, in der z. B. keine oder kaum heilsmittlerische Elemente gegeben sind, dann verwandelt sich insgeheim der Gehalt der vielgebrauchten Formel von der ‚Pro-Existenz‘ Jesu Christi. Schließlich besagt sie bei einer solchen Reduktion nicht sehr viel mehr als das allgemeine Engagement Gottes in Jesus für die Armen, Gefangenen und Unterdrückten, wobei die Sünder entweder ganz entfallen oder als eine Spielart der Armen verstanden werden“ [64].
Es wird gut sein, zur näheren Verdeutlichung hier wieder die Internationale Theologische Kommission sprechen zu lassen[65]:
„(3.1) … Mit zunehmender Deutlichkeit erwiesen Auferweckung und Erhöhung den Kreuzestod Jesu den Glaubenden als heilseffizient. All das war vorösterlich in solcher Weise noch nicht adäquat zu artikulieren…” „(3.3) Es war die Tat Gottes, durch die unwiderruflich im Wirken und Sterben des eschatologischen Heilbringers, vor allem in dessen Auferweckung … das eschatologische Heil Gottes angeboten wird …
(3.4) Jesus konnte stellvertretende Sühne gnadenhaft wirken, weil er sein ‚Dahingegeben-sein von Vater‘ annahm und sich selbst dem Vater ‚hingab‘ …, der im in der Auferweckung annahm letztlich nur, weil Jesu proexistenter Todesdienst der des präexistenten Sohnes war. Somit ist in der Rede von der ‚stellvertretenden Sühne‘ die ‚Sprech- und Denkweise‘ und in dieser eine doppelte Analogie zu beachten: Unterscheidet sich doch schon das freiwillige Lebensopfer eines Märtyrers, selbst das des Ebed Jahwe (Jes 53) gar sehr von der Hinopferung von Tieren wie ‚Schatten und Bilder‘ (vgl. Hebr 10, 1). Abermals ist die ‚Opferung‘ – wiederum analog gesprochen! – des eigenen Sohnes davon zu unterscheiden, welcher ‚in die Welt eintretend‘ ‚gekommen‘ ist, ‚den Willen (Gottes) zu tun‘ (vgl. Hebr 10, 7) und sich selbst ‚kraft ewigen Geistes Gott als makelloses Opfer dargebracht hat‘ (Hebr 9, 14). (Diese Darbringung wird sachgerecht ’Opfer’ genannt – vgl. schon oben unter 3.3; vgl. auch Conc. Trid., DS 1753 –, wenn der theologisch noch ungereinigte religionsgeschichtliche Terminus in genuin-theologischen Sinn verstanden wird.)“[66]
Speziell zum Begriff der Stellvertretung[67] lesen wir dort noch erläuternd:
„Der Begriff ‚Stellvertretung‘ läßt sich exegetisch wie dogmatisch rechtfertigen; er ist auch nicht (wie behauptet wurde) in sich widersprüchlich. Geschaffene Freiheit ist nicht so autonom, daß sie des Beistandes Gottes entbehren könnte; einmal von Gott abgekehrt, vermag sie aus eigener Kraft sich nicht wieder ihm zuzuwenden. Zudem ist der um seine Einverleibung in Christus und damit in das dreieinige Leben willen geschaffen, und seine Abbindung von Gott kann nicht so weit gehen, daß sie nicht von der ‚Kenosis‘ des Sohnes und seiner Gottverlassenheit eingeholt und überholt werden könnte. Ist doch diese Kenose der ökonomische Modus der Differenz zwischen den göttlichen Personen, die (in der Identität der Natur und der unendlichen Liebe) die größmögliche ist“[68].
„Pro-Existenz” will somit letztlich als „Existenz-Stellvertretung“, als Lebensäquivalent[69] verstanden werden, als stellvertretende Totalhingabe für (pro) den irreparabel dem Tod verfallenen Menschen, die letztlich nur als „Austausch“ (commercium) durch Gott (vgl. Röm 3, 25 f) in dessen „Sohneshingabe” (Joh 3, 16; Röm 8, 32) geleistet werden kann.
2. Auch vom erhöhten Herrn wird sachlich Röm 6, 10 das „Leben für Gott“ (Dativ!) ausgesagt, ausdrücklicher das „Eintreten“ für uns (euch) (Röm 8, 34; Hebr 7, 25; vgl. 9, 14; 1 Joh 2, 1)[70].
a) Das Wirken des Erhöhten in der Zeit der Kirche ist vor allem ein Wirken durch den Geist, der ebenfalls „für uns eintritt” (Röm 8, 27) und der als „Beistand” wirkt (Joh 14, 16. 26; 15, 26; 16, 7).
K. Lehmann deutet auch nur an:
„Der Bogen (müßte nun) weitergespannt werden von der Passion über Auferstehung und Erhöhung bis zur Geistsendung … Der Geist ist – vor allem in der Zeit der Abwesenheit Jesu (Himmelfahrt Jesu) – der Beistand und das Medium, in dem allein Versöhnung im Sinne Jesu Christi sich ereignen kann. Das Pneuma, das in besonderer Weise zwischen Heil und Geschichte vermittelt, wird sogar das innere Lebensprinzip des erlösten Menschen. Zuvor aber entläßt der Geist aus sich die Kirche, aus Juden und Heiden gebildet, als seine erste Frucht.[71]“
Dabei darf im „prophetischen“, „priesterlichen“, „pastoralen“ und pro-existenten Wirken des Erhöhten die „eschatologische Differenz“ nicht überspielt werden; d.h.: die Rede davon ist nur analog möglich (via positionis, negationis und eminentiae [72]).
Es kann hier nicht unsere Aufgabe sein, dieses „Wirken für“ des erhöhten Herrn und seines Geistes bibeltheologisch umfassend aufzuweisen. Es mag aber wenigstens angedeutet werden, wie sehr Kirche und kirchliches Leben von der Pro-Existenz des erhöhten Herrn her formiert wird und formiert in Erscheinung treten sollte[73]: Was Jesu Vorbild (Lk 22, 27; vgl. Joh 13, 13-20) und sein „Regelwort“ (Mk 9, 35) von seinem Jüngerkreis an „Dienst nach unten“ einforderte (s.o.), was dann die Gebegesten und Worte des letzten Mahles Jesu todbereit unterfingen (s.o.), wird nachösterlich als proexistenter Dienst nach dem Vorbild dessen deutlich, der dienend in „Existenz-Stellvertretung“ pro-existent sein „Leben als Lösegeld hingab“ (Mk 10, 45) in „letzter Liebe bis zum äußersten“ (Joh 13, 1-12). Die Abendmahls- und Pascha-Erfahrung der Jünger wird schon der tiefe Grund sein, warum die neutestamentlichen „geistgewirkten“, „gnadenhaften“, „Wirkkräfte” und „Dienste“ (1 Kor 12, 4), im Schatten bzw. im Licht des pro-existenten „Hypér“ des Sterbens Jesu als pro-existente „Dienste der Versöhnung“ (2 Kor 5, 18) in Erscheinung treten können und sollen.
Zu denken ist grundlegend an die „Dienste“ der Apostel (2 Kor 12, 15; Röm 9, 2 f; Apg 21, 13) unter karitativem Einsatz (2 Kor 8, 5), „für Christus“ (Phil 1, 29; 2 Kor 12, 10), „für den Namen des Herrn“ (Apg 9, 16) unter „Leiden“ (Kol 2, 1), bis zu eigener Lebensgefährdung (Röm 16, 4; Apg 15, 26; 21, 13), bis in soteriologische Tiefen hinein (Kol 1, 24; vgl. Eph 3, 1. 13), wobei andere „Dienste“ (vgl. nur 1 Kor 12, 28 f; Röm 12, 7 f; Eph 4, 11 f) „mit Eifer“ (2 Kor 8, 16; Röm 12, 7), „kämpfend“ (Kol 4, 12) helfen und alle füreinander „sorgen“ (1 Kor 12, 25) und beten (Kol 4, 13). Alle Dienste „rüsten die Heiligen für die Erfüllung ihres Dienstes für den Aufbau des Leibes Christi zu“ (Eph 4, 12) „in Liebe“ (Eph 4, 16). Die Erfahrung des „Hypér“ Jesu Christi in Leben und Sterben und als Erhöhter (s.o.) formiert so über die pro-existenten „Dienste” Kirche ihrer äußeren Gestalt und ihrem inneren pro-existenten Wesen nach zu einer „Hypér“-Gestalt als „Bruderschaft“ (1 Petr 2, 17; 5, 9) durch die „Bruderliebe“ (1 Thess 4, 9; Rom 12, 10: Hebr 13, 1; 1 Petr 1, 22; 2 Petr 1, 7 und oft Joh) durch die „die Brüder Liebenden“ (1 Petr 3, 8). Die Kirche engagiert sich aus ihrem (passiven und aktiven) pro-existenten Wesen heraus freilich dabei nicht eigentlich „für“ „Welt“-Aufgaben, sondern „für“ das eschatologisch-jenseitige Heil. Letztlich wirkt der erhöhte Herr „eucharistisch“ Kirche und in der Kirche „in der Einheit des Heiligen Geistes“ im „Für-“, „Mit-“ und „Ineinander“ von „amtlichen“ und „freien“ geistlichen Diensten.
b) Wir können hier auch nur andeuten, wie auch alles sittliche Leben der Christen in der „Jesus-Begegnung“ mit dem erhöhten pro-existenten Herrn im Geiste hineingehoben wird in dessen „Für-Sein“ auf den „Abba“, den Vater Jesu, hin und zugleich hin auf das „Für-Sein“ auf den Nächsten.
Der oben genannte Vortrag von W. Kasper bringt in der dort erwähnten 1. These den auch für alle christologische Grundlegung der Ethik wichtigen Analogiegedanken ins Spiel:
„Die Christologie … setzt eine eigenständige Anthropologie voraus, … verhält sich aber auch kritisch gegenüber konkreten theoretischen wie praktisch gelebten Entwürfen der Christologie, und sie verweist auf die grundsätzliche Problematik, in die der anthropologische Ansatz führt. Deshalb überbietet sie die Anthropologie, indem sie als Sinnziel des Menschen die Vermenschlichung des Menschen durch die vom Menschen selbst nicht realisierbare Vergöttlichung des Menschen bestimmt. Eine solche christologisch begründete Anthropologie wie eine christlich fundierte Individual- und Sozialethik ist ein dringendes Desiderat“ [74].
Diesen Dreischritt der Analogie hatte W. Kasper schon vorher kurz ausgeführt – ein ethisches wie sozialethisches Programm:
„Die – in einem umfassenden Sinn verstandene – politische Bedeutung der Botschaft von Jesus Christus besteht also darin, daß sie durch Wort und Tat auf eine ‚Zivilisation der Liebe‘ hinwirkt[75]. … In Jesus Christus wird gleichsam wie im Bild und im Gleichnis sichtbar, was Freiheit, Gerechtigkeit, Frieden sind. Glaubensaussagen sind deshalb nie nur ein formaler Verstehenshorizont, wie manche Richtungen gegenwärtiger Moraltheologie unterstellen. Aber aus analogen Aussagen lassen sich vom Wesen der Sache her keine univoken positiven Normen ableiten … Die Liebe … fordert also Gerechtigkeit und übt sie; sie gibt das rechte Sehvermögen, um die sich wandelnden Forderungen der Gerechtigkeit in den sich wandelnden gesellschaftlichen Verhältnissen wahrzunehmen (via positionis). Sie nimmt ungerechte Zustände wahr, kritisiert sie und motiviert zu deren Überwindung (via negationis). Sie ist sozusagen die Seele der Gerechtigkeit und führt damit erst zu einer wahrhaft menschlichen Ordnung zu der u. a. auch Freundschaft, Vergebung, Solidarität, Hilfsbereitschaft gehören (via eminentiae)“ [76].
Der Aufweis ist hier nicht möglich, wie sehr alle christliche Ethik und Spiritualität „Mitte” – vermutlich auch ihren eigenen sittlichen Gehalt – hat in der „Zugesellung zum Gekreuzigten“ und im Mitvollzug seiner „Entleerung“ und „Erniedrigung“[77], in dem „Magis“, in das das Exerzitienbuch letztlich einüben möchte.
Die Internationale Theologische Kommission formulierte:
„Das Leben Christi bringt ein neues Bild von Gott und von Menschen. Die Herablassung Gottes … ermöglicht einen neuen Menschen, der seine Ehre nicht im Herrschen, sondern im Dienen findet. Die Pro-existenz Christi für die Menschen, die darin besteht, daß er Knechtsgestalt annimmt (Phil 2, 7), für die Menschen stirbt vom Tod zum wahren Leben aufersteht, läßt uns deutlich werden, daß die wahre Autonomie des Menschen weder im ‚Sein-über‘ (supra-existentia) besteht, das sich darin zeigt, daß sich einer über den anderen aufschwingt und sie beherrscht, noch im .. ‚Sein-gegen‘ (contra-existentia), das darin besteht, daß man ungerechterweise andere zum eigenen Vorteil unterwirft“[78].
Es kann hier nicht ausgeführt werden, wie sehr eine vom erhöhten Herrn und seinem Geist gewirkte sittliche Pro-Existenz zu einer „alternativen Lebensweise“ – besonders auch zu den drei Räten – befähigt und dadurch zu einer großen gesellschaftlichen Kraft werden könnte. „Die Kraft des proexistenten Christus …, die Macht seines Engagements müßte die Herzen der Menschen erfassen und umgestalten und damit die gesellschaftlichen Institutionen umschmelzen in eine ‚Sozialismus‘, der dann nicht nur ein ‚humaner‘ wäre, sondern darüber hinaus ein ‚pneumatischer‘[79]. Dabei würde ein derartiger pro-existenter Einsatz gewiß den je einzelnen Notleidenden im Auge haben, gleichzeitig aber auch die vertrakten Strukturen und Verhältnisse realistisch berücksichtigen, ohne deren Änderung den Menschen nicht auf die Dauer geholfen werden kann[80].
Jüngst hat P. Johannes Paul II. herausgestellt, daß menschliches Tun und menschliches Bemühen, daß speziell die iustitia socialis aus sich nicht hinreicht, Menschenwürde und Menschenrechte zu sichern ohne das „neue Gesetz” der Liebe, die er ausdrücklich als die „proexistente Liebe” verstanden haben will:
„Mira forte aliquibus videbitur haec coniunctio inter iura hominis et caritatem novae legis! … Opposita est enim caritas Christiana iustitiae sociali, quae fundamentum praebet iuribus personarum hominarum. Et revera si caritas significat tantum motum cordis vel adiumentum exhibitum ex pura benevolentia, non potest congruere cum iuribus humanis. Sed hac interpretatio deformatio est amoris Christi Redemptoris. … Sic sensum genuinum charitatis ‚pro-existentis‘ iterum detegimus, humana iura in ea possunt et debent includi quasi ipso sacrificio paschali Christi“[81].
Die Betroffenheit vom pro-existenten Engagement des erhöhten Herrn engagiert zum pro-existenten Engagement, zu einem selbst-losen personalen Hypér, das mehr ist als der amor benevolentiae, hält die Soziallehre Johannes Paul II. für notwendig. Solch pro-existenter Einsatz kann letztlich erst – in und jenseits der iustitia socialis – Menschenwürde und Menschenrechte realisieren helfen.
IV. DAS PRAE-EXISTENTE GRÜNDEN DER PRO-EXISTENZ
Christologie und Trinität können nur im Zusammen bedacht werden. „Das christologische Bekenntnis (ist) gar nicht anders denn als trinitarisches Bekenntnis möglich. Mit dem trinitarischen Bekenntnis steht und fällt die Christologie und das Christsein“[82].
Die oben erwähnte 2. These von W. Kasper formuliert:
„Die anthropologische Bedeutung der Christologie, d. h. Jesu Christi ‚Sein für die anderen‘ ist in seinem ‚Sein in sich‘ begründet. Jesu Proexistenz setzt seine Praeexistenz voraus, wie umgekehrt der Sinn des Bekenntnisses zur Praeexistenz und d. h. zur immanenten Trinität nur dann verständlich und – im Sinn Newmans – realisierbar ist, wenn deren Bedeutung für uns erschlossen wird. Die Frage ‚ontologische oder funktionale Christologie‘ ist also eine falsche Alternative. Daraus ergibt sich die Aufgabe einer Neuintegration von Christologie und Soteriologie sowie von ökonomischer und immanenter Trinitätslehre“[83].
Vgl. auch K. Lehmann:
„Wenn man … den Blick auf das Ganze des Erlösungsgeschehens in Jesus Christus lenkt, dann werden auch gängige Antithesen wie ‚staurozentrische‘ und ‚inkarnatorische‘ Theologie der Erlösung gelockert und flexibel. Es wird dann deutlich, daß im heutigen Verständnis der Christologie bereits die Präexistenzaussagen und die Sendungsformeln nicht der Lust an der theologischen Spekulation, sondern einem grundlegende soteriologische Interesse entspringen“[84].
1. Im Selbstverständnis Jesu, der um seine besondere Nähe zu seinem Abba wußte und darin seine Existenz als exzeptionelles Reich Gottes-Geschick verstand (s. o. I, 2), deutet sich das Geheimnis seines Ursprungs an. Dieses legte sich weiter aus in den Sprüchen, die vom „Gekommensein“ Jesu und von seiner „Sendung” reden.
a) Nach Ostern expliziert sich dieses Geheimnis weiter in den „Dahingabe“-Formeln, in denen es der Vater ist, der „den Sohn” in Menschwerdung und Tod „(dahin)gibt“, undeutlich noch Mk 9, 31, deutlicher dann Gal 1, 4; Röm 4, 25; 8, 32; Joh 3, 16, ähnlich auch Hebr 2, 9, der ihn so „zur Sünde gemacht“ (2 Kor 5, 21) und zur „Sühne hingestellt“ (Röm 3, 25) hat.
b) Weiter wären zu bedenken die Wendungen, die von einer „Sendung des Sohnes in die Welt wissen (Gal 4, 4; Röm 8, 3 f: 1 Tim 3, 16; Joh 3, 16 f; 5, 23; 6, 57; 17, 18). Diese Sendung des Sohnes muß (systematisch) zusammengedacht werden mit der des Geistes durch den Vater (Gal 4, 6; Joh 14, 16. 18) und durch den Sohn (Lk 24, 49; Joh 15, 26; 16, 7).
2. Vor allem die betende Meditation hat hinter solchen „ökonomischen“ Trinitätsanspielungen[85] tiefer ein innergöttlich-trinitarisches Leben erschaut.
Nach E. Schillebeeckx [86] ist Jesu „menschliche Proexistenz … unter uns das Sakrament der Proexistenz oder Selbsthingabe des eigenen Wesens Gottes“, was freilich differenzierter und unmißverständlicher gesagt werden könnte. W. Kasper ist in seiner oben erwähnten 3. These[87]eine prägnante Formulierung gelungen, die es erlaubt, mit Hilfe des Proexistenz-Gedankens auch denkerisch von der ökomischen zur immanenten Trinität zu gelangen: „Aus dem in der Proexistenz Jesu Christi geoffenbarten trinitarischen Sein Gottes ergibt sich per analogiam eine Metaphysik der Liebe“, wobei er erklärend hinzufügt: „d. h. eine relationale Metaphysik, in deren Mitte nicht wie in der Antike die Kategorie der Substanz, sondern die der Person steht, für die die Liebe der Sinn des Seins ist. Eine solche relationale Metaphysik der Person kann das legitime Anliegen der neuzeitlichen anthropologischen Wende aufgreifen und zugleich kritisch überbieten, um so zu einer neuen Gesamtsicht der Wirklichkeit aus dem christlichen Glauben zu kommen. W. Löser hat obigen gedankenschweren Satz (auf seine vier Aussagen hin) zu interpretieren versucht:
„1) Gottes trinitarisches Sein Offenbart sich in der Proexistenz Jesu. ‚Proexistenz Jesu‘ – das bedeutet … das Leiden und Sterben Jesu Christi am Kreuz ‚für‘ die Vielen. In diesem Ereignis hat sich Gottes trinitarisches Sein geoffenbart … Jesu universale Proexistenz ist nicht denkbar ohne seine Praeexistenz (W. Kasper). Die Praeexistenz ist angerichtet auf die Proexistenz und gibt ihr ihre Vollmacht. Die Proexistenz ist das Geschehen, von dem her im Lichte des Osterereignisses die Praeexistenz sich erschließt … 2) Trinitätstheologie hat eine Metaphysik bei sich … Im katholischen Raum ist das Daß ihrer Unentbehrlichkeit … verhältnismäßig unbestritten. 3) W. Kasper … spricht von einer ’Metaphysik der Liebe’. Eine Metaphysik der Liebe wäre in der Tat die heute angemessene Alternativ zu der Gestalt von Metaphysik, die viele Jahrhunderte hindurch das abendländische Denken tief geprägt hat und gleichzeitig ein Seinsverständnis vorgibt, mit dem ein trinitarisches Gottesverständnis letztlich nicht vereinbar ist … In unserer Zeit hat vor allem Hans Urs von Balthasar die Möglichkeiten bereits wahrzunehmen versucht, die sich von einer Metaphysik der Liebe her für die Trinitätstheologie auftun … 4) Schließlich ist in dem zitierten Satz W. Kaspers noch die Rede von der Analogie. Er denkt dabei – das zeigt der Zusammenhang –an die Notwendigkeit, eine Differenz zwischen der Trinitätstheologie und der postulierten Metaphysik der Liebe offenzuhalten … Auf der theologischen Ebene bedarf es, wenn diesem Anliegen wirksam Rechnung getragen werden soll, des Festhaltens an einer anderen Differenz: an der Differenz zwischen dem ewigen Wesen und Leben des dreieinen Gottes (immanente Trinität) einerseits und dem dreieinen Heilshandeln Gottes (ökonomische Trinität) anderseits“[88].
a) Als Erscheinungsweise „der Güte und Menschenfreundlichkeit Gottes (Tit 3, 4) ist das pro-existente Verhalten Jesu in Leben und Sterben „Gleichnis“ und Analogie der Pro-Existenz Gottes, des „Immanuel“ (Mt 1, 23), d. h. des „Gott-mit-uns“. In der „Definition“ „Gott ist die Liebe“ (1 Joh 4, 8. 16) findet alles heilsgeschichtliche Erzählen von der Pro-Existenz Jesu und des Vaters ihren Höhepunkt: „Die Liebe Gottes wurde unter uns dadurch offenbart, daß Gott seinen einzigen Sohn in die Welt gesandt hat, damit wir durch ihn leben … darin besteht die Liebe, … daß er uns geliebt hat und seinen Sohn als Sühne für unsere Sünden gesandt hat“. (1 Joh 4, 8b. 9. 10b) „Er hat seinen eigenen Sohn nicht verschont, sondern ihn für uns alle hingegeben“. (Röm 8, 32) Er „hat für uns (Dativ!) eine Stadt erbaut“ (Hebr 11,16).
b) Gott ist also „Für-Sein“: „in der Selbstentäußerung zeigt er sein Gottsein“[89]. Besonders H. Urs von Balthasar findet „die Möglichkeit der sühnenden Pro-Existenz Jesu im innergöttlichen ‚Pro‘ (der ‚Stellvertretung‘) der Personen grundgelegt“[90]. Gottes Liebe wirkt die innertrinitarische processio des Sohnes aus dem Vater als liebendes Für-Sein und zugleich die missio dieses Für-Seins in die Welt. Des Vaters liebende Pro-Existenz wirkt die personale liebende Pro-Existenz Jesu als dessen ewiges Sohnsein, zugleich damit zeitlich in menschlicher Natur.
„Gottes Entäußerung (in Menschwerdung und Tod Jesu) hat ihre ontische Möglichkeit in Gottes ewiger Entäußerung seiner dreipersönlichen Hingabe“[91]. Oder, um es mit H. Mühlen zu sagen:
„Das Wesen des Wesens Gottes ist heilsgeschichtlich die Überlieferung bzw. Selbstüberlieferung. Hier zeigt sich Wirklich das göttliche eĩnai als agápē. Die trinitarische Struktur dieses Geschehens wird darin deutlich, daß der Vater der seinen Sohn Überliefernde ist, der Sohn der sich selbst Überliefernde und das Pneuma der im Vater und im Sohn streng identische Vorgang der Überlieferung selbst“[92].
„Wenn … Gott selbst sich als der Gott des Bundes und des Dialogs offenbart, dessen Name Für-uns- und Mit-uns-Sein bedeutet, dann ist die Relatio gegenüber der Substanz das Erste … Der Sinn von Sein ist also nicht in sich stehende Substanz, sondern sich selbst mitteilende Liebe“[93]. Und im Anschluß an J. Ratzinger kann W. Kasper sagen: „Weder antike Substanz noch neuzeitliches Subjekt sind das Letzte, sondern die Relation als Urkategorie des Wirklichen“[94]. „Die drei trinitarischen Personen sind … subsistente Relationen“[95]. So kann der dreifach subsistierende Gott verstanden werden als der dreieinig pro-existente Gott.
Abschließend dürfen wir darauf hinweisen: Pro-Existenz ist nicht nur ein „christologischer Grundbegriff“ (wie der Person-Begriff nicht nur grundlegend die Christologie bestimmt). Wir dürfen wiederholen: „Die tief genug verstandene ‚Proexistenz‘ Jesu scheint einen Sachverhalt auf leuchten zu lassen, der nicht nur mehreren dogmatischen Traktaten, sondern auch den meisten theologischen Disziplinen von einer tiefen Mitte her Licht geben kann“[96]. Die Proexistenz-Formel bietet sich (wie anders auch der Person-Begriff (als der entscheidende Grundbegriff auch der Trinitätslehre an (s. oben unter IV). Wir konnten nur andeuten, daß der Begriff formal auch Ekklesiologie und die Lehre vom Amt (s. oben unter III, 2a) sowie die theologische Ethik und Soziallehre (s. oben unter III, 2b) grundlegend bestimmen müßte. Als Formalaspekt aller theologischen Traktate und Disziplinen, darüber hinaus zur Verkündigung und Pastoral, vor allem als Mitte einer pro-existenten Spiritualität[97] dürfte die Proexistenzformel ihre Bedeutung-besonders für eine spezifische Theologie der Kirchen in der „zweiten Welt” und als Antwort auf den modernen Atheismus-bekommen.
Zu dieser Spiritualität noch ein Wort: Eine pro-existente Haltung gewinnen wir spirituell gewiß in einem ek-sistere hin auf „die anderen“ (und dann „das andere“), das aber im Hin auf den „Ganz-anderen”. Aber dieser „Ganz-andere” ist „für uns ek-sistent“ geworden eben in Jesus von Nazareth, in dessen Leben, Wirken und Tod uns das Liebesengagement Gottes trifft. In der Jesus-Begegnung werden wir also hineingehoben in dessen „Für-Sein für den Abba“ und zugleich in das „Für-Sein auf den je Nächsten“. Nicht eine Selbst-Entwerdung ins Nirvana führt in das Leben des dreieinigen Gottes, sondern immer die erneute Jesus-Begegnung in Gebet und Dienst am Nächsten zur Ehre des Vaters. – Christusbegegnung aber ist die Mitte alles spirituellen Lebens. Jede Zeit aber hat ihr eigenes Christusbild gehabt – das freilich keineswegs als eigenwilligen Entwurf. Wer aber ek-sistent seinen Ort und seine Situation „er-fährt“, wird in seinen Sehnsüchten und Fragen dem immer schon pro-existenten Christus begegnen, der ihm die Pro-Existenz Gottes aufleuchten läßt. Im Begegnis solcher Existenz-erfahrung wird dann deutlich, was es um den pro-existenten Christus ist, der mich in der Begegnung befähigt, selbst pro-existenz für Gott und den Nächsten zu werden.
Wenn nicht alle Zeichen trügen, geht die Menschheit in unseren Tagen ihrer schwersten Geschichtsstunde entgegen[98]. In dieser werden wir ohne alle Abstriche von dem Jesus erzählen müssen, der pro-existent alle unsere Not annahm, alle Sünden auf sich nahm, in seiner „Existenzstellvertretung“ uns hebend gegenwärtig wurde und allezeit bei uns ist im Heiligen Geist als die prae-existente Liebe Gottes.
Quelle: Analecta Cracoviensia 17 (1985), S. 345-372.
[1] Referat für das Symposion der Päpstlich-Theologischen Akademie in Kraków vom 27.-29.02.1984, hier, besonders in den Anmerkungen, erweitert. – Abkürzungen nach: Theologische Realenzyklopädie, Abkürzungsverzeichnis, Berlin und New York 1976 (mit Nachträgen zu S. Schwertner, IATG 1974).
[2] So der Titel des programmatischen Büchleins von H. Urs v. Balthasar (Einsiedeln 1983), dessen Einsichten die folgenden Ausführungen – direkt oder indirekt – viel verdanken.
[3] Vgl. Diak. 147–160, stark erweitert in: H. Schürmann, Jesu ureigener Tod (=JT), Freiburg-Basel-Wien (1975) 21976, 121-155.
[4] Vgl. K. Lehmann, „Er wurde für uns gekreuzigt“. Eine Skizze zur Neubesinnung in der Christologie, in: ThQ 163 (1983) 299-317, hier 306: die „vielgebrauchte Formel von der Pro-Existenz Jesu Christi“; H. U. v. Balthasar, Crucifirus etiam pro nobis, in: IkaZ 9 (1980) 26-35, hier 28: „… wie man heute schon technisch sagt, seiner Pro-Existenz (H. Schürmann)“; W. Breuning, Systematische Entfaltung der eschatologischen Aussagen, in: MySal V, Zürich 1976, 179-890, hier 789: „Heinz Schürmann hat dafür den Ausdruck von ‚aktiven Proexistenz‘ geprägt“.
[5] Vgl. nur H. U. v. Balthasar (3); W. Breuning (3. 6. 24); B. Franke (6); K. Lehmann (3. 31); W. Kasper (14. 17. 23. 48); X. Leon-Dufour (42); E. Schillebeeckx (65); R. Schnackenburg (26); W. Thüsing (41); H.-F. Weiß (46).
[6] Vgl. thematisch bes. Commissio Theologica Internationalis, Quaestiones selectae de Christologia (Sessio Plenaria 1979, Relatio Conclusiva), in: Greg. 61 (1980) 609-632, hier IV, B: Aspectus proexistentiae Jesu terrestris; IV, C: Redemptor eschatologicus (vgl. ebd. schon III, C; s. Anm. 76).
[7] Vgl. W. Breuning, Aktive Proexistenz. Die Vermittlung Jesu durch Jesus selbst, in: ThZ 83 (1974) 193-213, bes. 211 ff: „Aktive Proexistenz Jesu in ihrer Funktion für den Glauben an Jesus und als Verstehensprinzip der Christologie“; auch B. Franke, Proexistenz als christologischer Grundbegriff, (ungedr.) theol. Diplomarkeit, Innsbruck 1976.
[8] Vgl. P. Johannes Paul II., Ansprache an die Mitglieder der Int. Theol. Komm.: Diritti e dignità della persona umana nella odierna ricerca teologica (am 5. 10. 1983), in: OR vom 5.-6. Dez. 1983, 6: „In hoc verus sensus inventur illius pro-existentiae christianae, quam saepius Commissio vestra proposulit ut synthesim Redemptionis et vitae christianae“. (vgl. auch Anm. 19).
[9] Nachträglich finde ich den Term – in gesellschaftlichen Kontext – als Titel einer (postum herausgegebenen) Vortragssammlung von W. Schmauch (hrsg. v. H. Tseblin), Koexistenz? Proexistenz! (EZS 20), Hamburg 1964.
[10] Vgl. dagegen u. Anm. 62 und 63.
[11] Vgl. dazu H. Riesenfeld, Art. hypér, in: ThWNT VIII (1969) 510–518 (Lit., Nachträge ebd. X/2 [1979] 1287) (Freilich sind auch die Präpositionen perí, antí, diá zu befragen). Zur „Existenz Stellvertretung“ s. Anm. 68. – Vgl. auch die in Anm. 3 genannten Beiträge, ferner G. Delling. Die Entfaltung des „Deus pro nobis“ in Röm 8,31-39, in: SNTU 4 (1979) 76-97; ausführlich W. Popkes, Christus Traditus. Eine Untersuchung zum Begriff der Dahingabe im Neuen Testament (AThANT 49), Zürich-Stuttgart 1967.
[12] Siehe Anm. 65. – Freilich sind mir – abgesehen von dem dort genannten defizienten Versuch von E. Schillebeeckx – keine mißbräuchlichen Benutzungen des Begriffes Pro-Existenz“ begegnet; er ist wohl resistenter gegen theologische Entleerungen als der der „Solidarität“ (s. Anm. 9). Dieser versagt sich den ntl. Hyper-Aussagen der Sühne und Stellvertretung, während jener sie in der Tiefe in sich birgt. Den Grund dürfte W. Breuning, Schwerpunkt, angeben; s. Anm. 25); vgl. ders., Entfaltung (s. Anm. 3) 789: „Wir könnten (Jesu Verhalten) als totale Zuwendung bezeichnen…, ‚aktive Proexistenz‘. Daran ist wichtig, daß die Zuwendung Jesu eigene Tat ist, … gezielt gewollte Liebe. Daran ist weiter wichtig, daß diese Zuwendung ‚alles umfasst‘. Die Eucharistie ist das anschaulich realistische Zeichen, wie das auszulegen ist: Leib und Blut – die Totalität der Person. Daran ist aber vor allem auch die Macht wichtig…, die Vollmacht Jesu, mit seiner Vollmacht nicht nur als Beispiel-Gebender aufzurufen, sondern sich zu schenken … ‚Gott ist Liebe‘ bedeutet …: Gott ist die uns in Christus erschienene Liebe‘ (W. Thüsing), … daß in Jesus Christus Gottes Liebe wahrhaft verwirklicht ist“.
[13] K. Barth, Kirchliche Dogmatik IV/1, Zollikon-Zürich 1953, 232-238. 251-77.
[14] Vgl. D. Bonhoeffer, Widerstand und Ergebung (hrsg. v. E. Bethge), München 21071. – Vgl. dazu E. Feil, Die Theologie Dietrich Bonhoeffers. Hermeneutik-Christologie-Weltverständnis, München und Mainz 21971, bes. 209-213: Das „Für-andere-Dasein“ Jesu. (Erst in seinen letzten Briefen ersetzt B. das soteriologische „Pro nobis“; s. dazu ebd. 181-186 – christologisch vertieft durch das „Pro aliis“).
[15] Darauf macht der wichtige Vortrag aufmerksam, den W. Kasper vor der Internationalen Theologischen Kommission am 3. 8. 1981 in Rom hielt, vgl. (etwas gekürzt): Christologie und Anthropologie, in: ThQ 162 (1982) 202-221, vgl. bes. 220 (zusammenfassend und ausblickend) als Ergebnis dort seine drei „Thesen“, die „eher ein theologisches Forschungsprogramm“ sind; s. dazu in III, 2 und IV.
[16] Er kann die gesamte Theologie so weit bestimmen alle die Christologie das tut. – Wenn wir im folgenden gehäuft Autoren zu Wort kommen lassen, die den Begriff verwenden, dann tun wir das, um diesen umfassenden Verwendungsbereich in etwa aufzuweisen (vgl. z. B. die Äußerungen der in den Anm. 12, 13, 19 genannten Autoren).
[17] Vgl. den Überblick von E. Simons., Art. Existenz, in: SM(D) I (1967) 1304-1312.
[18] Dieses Personverständnis macht sich erstmalig auf den Weg bei Richard v. St. Viktor (= „intellectualis naturae incommunicabilis existentia“ (dazu W. Pannenberg, in: RGG II (1958) 231; M. Müller-A. Halder, Art. Person, in: SM(D) III (1969); W. Kasper, Der Gott Jesu Christi, Mainz 1982, 342 f (dort Belege). – Vgl. die Übersetzung und Herausgabe durch H. U. v. Balthasar: Richard von St. Viktor, Die Dreieinigkeit (Samml. Geistl. Meister 4), Einsiedeln 1980.
[19] Vgl. etwa J. B. Metz, Art. Freiheit, III. Theologisch, in: HThG I (1962) 403-414, bes. 410: „Freiheit ist das Wurzelvermögen des Menschen. Sie setzt in jener Tiefe des Menschen an, in der die einzelnen Vermögen (Erkennen, Wollen) und Dimensionen (Geist-Welt, Geschichte-Gesellschaft) seines Seins noch ungeschieden in einer ursprünglichen und ständig ganzen Einheit ineinander ruhen“.
[20] P. Johannes Paul II. in der in Anm. 7 genannten Ansprache.
[21] Vgl. unseren Aufsatz: „Das Gesetz des Christus“ (Gal 6, 3), in: Jesu ureigener Tod (s. Anm. 2) S. 66-96.
[22] Das „Suscipe“ des Hl. Ignatius nimmt diese „existentielle Freiheit“ geistesgeschichtlich vorweg, wenn es sie als Objekt der Verfügung Gottes („Nimm dir …“) und der eigenen Selbstaufgabe („… und nimm hin“) der Übergabe des „Verstandes“, des (kategorialen) „Willens“ (und des „Gedächtnisses“) vorordnet.
[23] H. U. v. Balthasar, Crucifixus (s. Anm. 3) 28.
[24] Vgl. auch W. Kasper, Jesus (s. Anm. 48), darin der Nachdr. (335-370), hier 347: Einmaligkeit und Universalität Jesu Christi (1974).
[25] Vgl. W. Breuning, Schwerpunkte heutiger Christologie, in: LS 28 (1977) 26-33, hier 31 f.
[26] Ders., ebd. 32.
[27] R. Schnackenburg, Der Ursprung der Christologie, in: Ders., Maßstab des Glaubens, Freiburg/Br. 1978, 37-61, hier 55.
[28] Vgl. H. Schürmann, Engagiert im Engagement Gottes. Besinnung auf die Mitte, in: GuL 50 (1977) 166-178.
[29] Vgl. H. Schürmann, Der Jüngerkreis Jesu als Zeichen für Israel (und als Urbild des Rätestandes) (1963), in: Ders., Ursprung und Gestalt, Düsseldorf 1970, 46-60.
[30] Vgl. R. Schäfer, Jesus und der Gottesglaube, Tübingen 1970; H. Braun, Spätjüdisch-häretischer und frühchristlicher Radikalismus I–II, Tübingen 21958.
[31] W. Breuning, Aktive Proexistenz (3. Anm. 6), hier 212; vgl. auch Ders., Schwerpunkte (s. Anm. 24) bes. 31 ff: „Der proexistente Sohn”.
[32] So K. Lehmann, Zur theologischen Rede über Tod und Auferstehung Jesu Christi, in: W. Kasper (Hrsg.), Christologische Schwerpunkte (Patmos-Paperback)., Düsseldorf 1980, 108-132, hier 111 f, mit Berufung auf unsern Anm. 2 genannten Beitrag; vgl. Ders., schon in: Jesus Christus unsere Hoffnung, Freiburg 1976, 117 ff.- Vgl. auch W. Breuning (s. o. zu Anm. 25).
[33] So K. Lehmann, „Er wurde für uns gekreuzigt“ (s. Anm. 3).
[34] Vgl. unsere Aufsatzsammlung: Gottes Reich – Jesu Geschick. Jesu Tod im Licht seiner Basileia-Verkündigung, Freiburg/Br. 1983 (= GR).
[35] Vgl. näherhin H. Schürmann, Jesu ureigenes Basileia-Verständnis (1682) in: GR (s. Anm. 33) 21-64, bes. 25-31. 41-41; vgl. schon Ders., Das Gebet des Herrn, Leipzig 61981 (= Freiburg 41981), 22-33. 54-77, bes. 70-75.
85 Vgl. etwa E. Arens, The ELTHON-Sayings in the Synoptic Tradition (OBO 10), Freiburg/Schw. u. Göttingen 1976.
[37] Vgl. Mk 9, 37 parr (12, 6 parr); Mt 15, 24; Lk 4, 18. 43.
[38] Vgl. unseren Beitrag: Jesu ureigenes Todesverständnis, in: GR (s. Anm. 33) 135–233, hier 200 f.
[39] Vgl. W. Schrage, Theologie und Christologie bei Paulus und Jesus auf dem Hintergrund der modernen Gottesfrage, in: EvTh 36 (1976) 121-154, hier 123; S. Ruager, Das Reich Gottes und die Person Jesu (ANTI 3), Frankfurt/M.-Bern-Cirencesiter/U.K. 1979; H. Merklein, Die Gottesherrschaft und die Person Jesu, in: Ders., Jesu Botschaft von der Gottesherrschaft. Eine Skizze (SBS 111), Stuttgart 1983, 145-152, hier 152 u.ö.
[40] B. Franke, Proexistenz (s. Anm. 6) 31.
[41] Vgl. ablehnen bes. A. Vögtle, Jesus von Nazareth, in: R. Kottje-B. Moeller (Hrsg.), Ökumenische Kirchengeschichte I, Mainz und München 1971, 296-341, und weiter differenzierend in seinen späteren Arbeiten; auch sein Schüler P. Fiedler, Jesus und die Sünder (BET 3), Frankfurt und Bern 1976.
[42] W. Breuning, Entfaltung (s. Anm. 3) 805 f, mit Hinweis auf unseren Versuch: Wie hat Jesus seinen Tod bestanden und verstanden? (1973), in: JT (S. Anm. 2) 16-65, hier 65; vgl. Ders., Das Weiterleben der Sache Jesu im nachösterlichen Herrenmahl (1970), ebd. 66-96. Der exegetischen und theologischen Vertiefung und Absicherung des Aufweises dienten die Beiträge in unserem nachfolgenden Sammelband; GR (s. Anm. 33); bes. H. H. Schürmann, Todesverständnis (s. Anm. 37) 185-223, hier bes. 205-210. – Als Echo auf die aufgeworfene Frage vgl. bes den Sammelband: K. Kerteige (Hrsg.), Der Tod Jesu (QD 74), Freiburg/Br. 1976 – Die Frage dürfte inzwischen grundsätzlich – bei allen offenen Fragen im einzelnen – positiv entschieden sein; vgl. L. Oberlinner, Todeserwartung und Todesgewißheit Jesu. Zum Problem einer historischen Begründung (SBB 10), Stuttgart 1980); vgl. W. Thüsing, Die Proexistenz Jesu – Sinnmitte der vorösterlichen keimhaften Passionstheologie, in: Ders, Die neutestamentlichen Theologie und Jesus Christus, I: Kriterien aufgrund der Rückfrage nach Jesus und des Glaubens an seine Auferweckung, Düsseldorf 1981, 110 ff; vgl. Ders., auch schon ebd. 93 f: „[Der Mensch für die anderen:] Proexistenz Jesu“; vgl. nun auch H. Merklein, Jesu Botschaft (s. Anm. 38), bes. 137-144, um nur einige Namen von Exegeten zu nennen, Die Systematiker sahen hier – von wenigen neueren Ausnahmen abgesehen – immer schon ein dogmatisches Postulat; vgl. die Beispiele in unsern Beitrag (s. Anm. 37): Jesu Todesverständnis 188 ff. Vgl. auch noch D. Wiederkehr, Glaube an Erlösung : Konzepte der Soteriologie vom Neuen Testament bis heute, Freiburg 1976, 415; „Die im Neuen Testament stark entwickelte theologische Interpretation des Todes Jesu (muß) zurückfragen, wie Jesus selbst auf seinen Tod zuging, ihn verstand und vollzog; alle nachherige Betrachtung mit Heilsbedeutung wäre ohne solche Rückfrage und ihre positive Beantwortung buchstäblich grund-los“.
[43] J. Gnilka, Wie urteilte Jesus über seinen Tod? in: K. Kertelge (Hrsg.), Der Tod Jesu (s. Anm. 41) 13-50.
[44] So X. Léon-Dufour, Als der Tod seinen Schrecken verlor (franz. 1979), Dtsch. Übers. Olten 1981, 100, und Anm. 235: „Unsere Interpretation stimmt im großen und ganzen mit der H. Schürmanns überein, der den treffenden Ausdruck von der Pro-Existenz Jesu geprägt hat“.
[45] Weil zu bedenken ist, daß in allen überkommenen soteriologischen Vorstellungen „die qualitative Differenz“ angesichts des „Ausmaßes des Erlösungswerkes“ des Todes Jesu „evident ist und nur ein schwacher Anknüpfungspunkt festgestellt werden kann.“, urteilt H. U. v. Balthasar, Das Selbstbewußtsein Jesu, in: IKaZ 8 (1979) 30-39, hier 34.
[46] So H.-F. Weiß, Rez. in: ThLz 108 (1983) 203.
43 Lateinischer Text in: Greg. 61 (1980) 609-632 (s. Anm. 5), hier 624 ff; Übers, nach HerKorr 36 (1981) 1412 f. – Vgl. schon H. Schürmann, Neutestamentliche Aspekte der Proexistenz des irdischen Jesus. Thesen, in: Wort und Leben 10 (DDR-Berlin 1980) 82 f.
[48] Vgl. W. Breuning, Aktive Proexistenz (s. Anm. 6) 211 ff.
[49] Vgl. dazu W. Kasper, Jesus der Christus [1974; 81978], hier zitiert nach der Liz.-Ausgabe Leipzig 1981 (ergänzt um: Aufsätze zur Christologie von W. Kasper 315-428), bes. 25 ff. 124 ff.
[50] So K. Lehmann, „Er wurde…” (s. Anm. 3) 306.
[51] W. Breuning, Schwerpunkte (s. 24) 32.
[52] H. U. v. Balthasar, Crucifixus (s. Anm. 3) 31; vgl. auch W. Kasper, Jesus (s. Anm. 48) 124 ff. 183-195.
[53] Ders., Das Selbstbewußtsein Jesu (s. Anm. 44) 38.
[54] Vgl. H. Schürmann, Das Weiterleben (s. Anm. 41) 66-86.
[55] E. Schillebeeckx, Jesus (s. Anm. 65) 276. – Zur Hermeneutik von E. Schillebeeckx und seine defiziente Deutung des Todes Jesu sowie des Abendmahls Jesu (als Solidaritätsbekundung) vgl. auch unsere o. (Anm. 11) und u. (Anm. 65) notierten Vorbehalte.
[56] Vgl. u. (unter III, 1b).
[57] Internationale Theologische Kommission, Ausgewählte Fragen (s. Anm. 46) 124 (zu IV, B, 4).
[58] So E. Käsemann. Das Problem des historischen Jesus (1934), in: Exegetische Versuche und Besinnungen I, Göttingen 61970, 187-214.
[59] Siehe unseren in Anm. 41 genannten Beitrag: Wie hat Jesus … 18 ff.
[60] W. Breuning, Aktive Proexistenz (s. Anm. 6) 18.
[61] Siehe o. (unter II, 1b).
[62] Vgl. H. Riesenfeld, (s. Anm. 10) 513 f.
32 Vgl. H. Urs. v. Balthasar, Das Selbstbewußtsein Jesu (s. Anm. 44) 35; Theodramatik III, Einsiedeln 1980, 247-262 (kritisch zur Darstellung der Erlösungslehre K. Rahners [ebd. 253-262 durch v. B.] nun N. Schwerdtfeger, Gnade und Welt [FThSt 103], Freiburg/Br. 182).
[64] K. Lehmann, „Er wurde …“ (s. Anm. 3) 306 f. – Ebd. S. 307 Anm. 19 nennt K. Lehman, neben E. Schillebeeckx auch noch andere Vertreter mit derartigen Reduktionen (Ch. Duquoc; H. Küng; H. Kessler); vgl. Ders., ebd. 311 Anm. 40, auch gegen G. Friedrich, Die Verkündigung des Todes Jesu im Neuen Testament (BThSt 6), Neukirchen-Vluyn 1982, bes. 143-145, 146. Vgl. zur Befürchtung eines möglichen Mißbrauchs der Pro-Existenz-Formel o. Anm 11.
[65] Vgl. Die Internationale Theologische Kommission, Ausgewählte Fragen (s. Anm. 46) 1(42 f (zu IV C).
[66] Schwerlich kann man mit E. Schillebeeckx, Jesus, Die Geschichte von einem Lebenden (holl. 1974). deutsch nach der holl. Aufl. 1975, Freiburg 1975, 282 f (diverse Nachauflagen), in solchen Ausführungen eine „kerygma- und dogmakritische Haltung” vermissen. Vgl. zu dessen „kritischer Interpretation“ unsere kritischen Vorbehalte in: GR (s. Anm. 33) 186 Anm. 8, und 188 Anm. 13. Schillebeeckx meint ebd. 183, „Die Proexistenz oder der Liebesdienst, der das ganze Leben Jesu war und (aufgrund historisch kritischer …Analyse) in seinem Tod offensichtlich zu einem Höhepunkt gekommen ist, läßt sich für uns dann vielleicht in einer anders nuancierten Artikulation wiedergeben als in der neutestamentlichen, durch vorgegebene kulturell-religiöse Begriffe, bedingten Interpretation“. Es ist aber doch schon ein Unterschied, ob uns fremdgewordene Begriffe gedeutet oder ob der unter ihnen verwahrte Sachverhalt weginterpretiert wird und die tradierten Begriffe aufgegeben werden. Siehe zur Frage schon Anm. 11 (54. 60 und 63).
[67] Zu den jüngsten Verstehensversuchen s. K. Lehmann, „Er wurde … (s. Anm. 3), 312 Anm. 42, und dessen eigene Ausführungen ebd. 311-314, die viel H. U. v. Balthasar verdanken, zu dessen Verständnis (und seiner Wirkgeschichte) ebd. 114 Anm. 52, Literaturnachweise gegeben werden.
[68] Unter IV. D, 8.
[69] Zu dieser Begriffsbildung von H. Gese, Sühne, in: Ders., Zur biblischen Theologie, München 1979 [31983] 85-106, vgl. nun dessen Schüler B. Janowski, Sühne als Heilsgeschehen (WMANT 55), Neukirchen-Vluyn 1982, 358: = „Errettung aus Todesverfallenheit, die Ermöglichung neuen Lebens durch ein bestimmtes Sühnehandeln (Gottes, eines interzessorischen Mittlers, durch die Gabe eines Lebensäquivalents)“.
[70] Trotz „Röm 6, 10 (der auferweckte Jesus lebt ‚Gott‘ [Dativ] bzw. ‚in Hin¬wendung zu Gott‘ oder ‚für Gott‘)“ und trotz seiner Formulierung „Der Mensch für Gott“ möchte W. Thüsing, Die neutestamentlichen Theologie (s: Anm 41) 93, Anm. 73, den Begriff „proexistent“ dem Sachverhalt „der Mensch für die anderen“ vorbehalten, obgleich auch nach ihm die Bezeichnung Jesu als des „Menschen für Gott“ mit der anderen: „der Mensch für die anderen“ auf das engste zusammengehört. Es dürfte jedoch Jesu horizontales und vertikales Engagement ein identischer Akt sein und seine „Proexistenz“ für Gott in der Proexistenz Gottes zu ihm innertrinitarisch gründen (s. u).
[71] So K. Lehmann, „Er wurde …” (s. Anm. 3) 311 f. Vgl. nun ausführlich P. Congar, Der Heilige Geist (franz. Paris 1979), Freiburg/Br. 1982, bes. 157-317.
[72] W. Kasper, Christologie und Anthropologie (s. Anm. 14) 213-220.
[73] Vgl. D. Bonhoeffers Skizze, in: Wilderstand und Ergebung (s. o. Anm. 8 415 f: „Kirche für andere“). Vgl. diesen Aspekt bei K. Lehmann, Signale der Zeit-Spuren des Heils, bes. 109-181, hier 135: „Sie ist nicht nur für anderen in einem ganz allgemeinen Sinne da, sondern um derer willen, die als verloren gelten“.
[74] W. Kasper, a. a. o. (s. Anm. 14) 220.
[75] Anm. des Autors: „So Johannes Paul II. in Deutschland. Hrsg. v. Sekretariat der Deutschen Bischofskonferenz. Bonn 1980, 204; vgl. W. Kasper, Die weltverwandelnde Kraft christlicher Liebe. Grundsatzüberlegungen zum Verhältnis Christentum und Gesellschaft, in: Liebe verwandelt die Welt. Mainz 1980, 25-52“.
[76] W. Kasper, ebd. 218 ff.
[77] Vgl. unseren Beitrag „Das Gesetz des Christus“ (Gal 6, 2) (s. Anm. 20) 97-120. Vgl. auch unsere (von der Internationale Theologischen Kommission Dezember 1974 in forma generica approbierten) Thesen: Die ‚Frage nach der Verbindlichkeit der neutestamentlichem Wertungen und Weisungen, in: J. Ratzinger (Hrsg.), Prinzipien christlicher Moral (Kriterien 137) Einsiedeln 1975, 9-39, bes. 18-21, ausführlicher: Haben die paulinischen Wertungen und Weisungen Modellcharakter? (1975), in: H. Schürmann, Orientierungen am Neuen Testament (Exegetische Aufsätze), Düsseldorf 1978, 89-115.
[78] Vgl. das in Anm. 5 und 46 genannte Arbeitspapier der Internationalen Theologischen Kommission III, C (deutsche Übersetzung 111), das hier an W. Kasper, Jesus der Christus (s. Anm. 48, hier 1. Aufl.) 288 f, erinnert.
[79] Vgl. unseren Beitrag „Der proexistente Christus“ (s. Anm. 2) 141 f, sowie den in Anm. 20 genannten.
[80] Zur gesellschaftlichen Relevanz des Proexistenzgedankens vgl. außer den in Anm. 77 .genannten Artikeln unsere Versuche: Der gesellschaftliche und gesellschaftskritische Dienst der Kirche und der Christen in eine säkularisierten Welt, in: H. Peukert (Hrsg.), Diskussion zur „Politischen Theologie“, Mainz 1969, 145-161; ferner: Ders., Das eschatologische Heil Gottes und die Weltverantwortung des Menschen, in: Internationale Theologische Kommission / K. Lehmann (Hrsg.), Theologie der Befreiung, Einsiedeln 1977, 45-78; weiterführend Ders., Christliche Weltverantwortung im Lichte des Neuen Testaments, in: Cath 34 (1980) 87-110.
[81] Vgl. die o. (Anm. 7) genannte Ansprache von P. Johannes Paul II. – In dieser Ansprache findet die theologische Menschenrechtsbegründung einen sprachlichen Ausdruck, der sachlich schon sonst in kirchlichen Dokumenten ans Licht drängt: wenn die Nächstenliebe, bes. als Liebe zu den Schwachen, christologisch begründet und die Gerechtigkeit ihr ein- und untergeordnet wird, weil die christliche Liebe „die radikale Forderung nach Gerechtigkeit ein(schließt), die Anerkennung der Würde und der Rechte des Nächsten. Die Gerechtigkeit aber erreicht ihre innere Fülle allein in der Liebe“ – so die Röm. Bischofssynode 1971 (hrsg. von der Deutschen Bischofskonferenz), Trier 1972, 71-1051. Vgl. auch Justitia et Pax, Die Kirche und die Menschenrechte (Entwicklung und Frieden, Dokumente, Berichte, Meinungen 5. hrsg. v. Ulrich Koch u.a.). München und Mainz 1976, bes. 22-27: Theologische Überlegungen. – Vgl. auch G. Filibeck (Hrsg). Die Menschenrechte, Texte von Johannes Paul II. (Oktober-Dezember 1979) (Päpstl. Kommission „Justitia et Pax“, Soziallehre von Johannes- Paul II. Nr. 7), Vatikanstadt 1982, Nr. 33: „Hilf ihnen, damit sie … eine gerechte, friedliche Gesellschaft im Zeichen der Liebe aufbauen, in der die Armen nicht geächtet sind und die Rechte aller, vor allem der Schwachen, respektiert werden“. (30. 9. 1979 in Knock), ferner Nr. 50: „Der volle Gebrauch der Freiheit ist die Liebe, jene Liebe vor allem, durch -die der Mensch sich ganz hingibt“. (5. 11. 79 an das Kardinalskollegium), d. h. doch sachlich schon: nicht der amor benevolentiae, sondern die pro-existente Liebe.
[82] Ders., Der Gott Jesu Christi (s. Anm. 17) 303. – Vgl. die trinitarischen Deutungsversuche von H. U. v. Balthasar, in: Theodramatik II, 2, Einsiedeln 1978, 463–489; III (s. Anm. 621) 295-395. 433-468, und immer erneut bis: Theodramatik IV, Einsiedeln 1983, passim. Vgl. dazu K. K. J. Tossou, Streben nach Vollendung. Zur Pneumatologie im Werk Hans Urs von Balthasars, Freiburg 1983, 193. 306-352 u. passim.
[83] W. Kasper, Christologie und Anthropologie (s. Anm. 17) 220.
[84] Vgl. K. Lehmann, „Er wurde …“ (s. Anm. 3) 310.
[85] Die Schrift redet eher van „Ausgängen“ des Sohnes (Joh 8, 42) und des Geistes (Joh 15, 26) als von „Hervorgängen“ (processiones). Nach W. Kasper, Der Gott Jesu Christi (s. Anm. 17) 340, verstand M. J. Scheeben, Mysterien des Christentums 88 f, mit Albertus Magnus unter processio ein ekstatisches Über-sich-hinaus-Gehen-und Sich-überschreiten, ein Außer-sich-Sein, wie es der Liebe eigen ist.
[86] E. Schillebeeckx, Jesu (s. Anm. 65) 595.
[87] W. Kasper, Christologie und Anthropologie (s. Anm. 14) 202-221, hier 220.
88 W. Löser, Trinitätstheologie heute – offene Fragen, in: K. Rahner (Hrsg.), Der eine und dreieine Gott, Freiburg 1983, 9-27, hier 14-19. – W. Löser weist mit Recht auf den von W. Kasper herausgestellten wichtigen Analogie-Gedanken hin: auf die „Notwendigkeit, eine Differenz zwischen der Trinitätstheologie und der postulierten Metaphysik der Liebe offenzuhalten”, auch die andere ,(Differenz zwischen dem ewigen Wesen und Leben des dreieinen Gottes (immanente Trinität) einerseits und dem dreieinen Heilshandeln Gottes »(ökonomische Trinität) andererseits’’ (ebd. 18).
[89] W. Kasper, Jesus der Christus (s. Anm. 48) J7.
[90] Vgl. so häufig, zuletzt in: Theodramatik, IV (s. Anm. 80), bes. ebd. 191–322, hier 220, mit Berufung auf unsern o. (in Anm. 33) genannten Sammelband 146 f.
[91] Vgl. schon – und so oder ähnlich seitdem häufig (s. Anm. 60) – H. U. v. Balthasar, Theologie der drei Tage, Einsiedeln 1969, 23; vgl. Ders. (letztlich im „Endspiel“), Theodramatik IV (s. Anm. 80) 173-222. Vgl. auch W. Kasper, Der Gott Jesu Christi (s. Anm. 17) 235-245: Kenosis-Christologie, meint hier (244) sagen zu können: „Die Liebe, die dem andern nicht etwas, sondern sich selbst schenkt, bedeutet in eben diesen Selbstmitteilung zugleich Selbstunterscheidung und Selbstbegrenzung. Der Liebende muß sich selbst zurücknehmen, weil es ihm nicht um sich selbst, sondern um den anderen geht. Noch mehr, der Liebende läßt sich vom anderen betreffen; en wird geradezu in seiner Liebe verletzlich. So gehören Liebe und Leiden zusammen. Das Leiden der Liebe ist jedoch nicht nur ein passives Betroffensein, sondern ein aktives Sich-Betreffen-Lassen. Weil Gott also die Liebe ist, kann er leiden und eben darin seine Göttlichkeit offenbaren“.
[92] H. Mühlen, Die Veränderlichkeit Gottes als Horizont einer zukünftigen Christologie, Münster 1961, 33 f. – Freilich macht H. Mühlen, ebd. 31, darauf aufmerksam, daß die „Dahingabe“ bzw. „Weggabe“ biblisch vom (ursprungslosen) Vater nicht ausgesagt wird.
[93] W. Kasper, Der Gott Jesu Christi (s. Anm. 17) 197 f. Vgl. Ders., Einmaligkeit (s. Anm. 23) 335-370, hier 347: „Der christliche Glaube bestimmt den Sinn von Sein als Liebe. Er geht aus von dem einmaligen Geschehen in Jesus Christus und erkennt in ihm die endgültige Bedeutung der Wirklichkeit insgesamt … Eine recht verstehende Seinschristologie … geht aus von dem, was die Mitte des Daseinsvollzugs Jesu Christi war, das Sein-für-die-anderen, universale Stellvertretung, Existenz als Proexistenz. Das bedeutet eine Umwertung der gesamten antiken Metaphysik, wie man sie sich radikaler nicht denken kann. Nun ist nicht mehr wie bei Aristoteles die in sich ruhende und seiende Substanz das Höchste, sondern das, was für Aristoteles das Schwächste Sein war, die Relation, das Für-die-andern-Sein, die sich selbst wegschenkende Liebe“.
[94] W. Kasper, Der Gott Jesu Christi (s. Anm. 17). 354; vgl. schon Ders., Einmaligkeit (s. Anm. 23), passim. Im Gefolge von H. U. v. Balthasar (s. Anm. 1) stellt W. Kasper neben den anthropologischen und kosmischen Ansatz der Tradition, zu Gott zu finden, einen dritten, der ausgeht von dem Bekenntnis „Gott ist die Liebe” (1 Joh 4, 8): „In diesem Satz ist beides eingeschlossen, daß diese Liebe Ereignis in Christus geworden ist und daß Gott eben in diesem Ereignis erwiesen hat, daß er ‚die Liebe ist‘“. (In: Glaube und Geschichte, Mainz 1970, bes. 30-32).
[95] W. Kasper, Der Gott Jesu Christi (s. Anm. 17) 376; vgl. schon Ders., Jesus der Christus (s. Anm. 48) 195-212.
[96] So in: Jesu ureigenes Todesverständnis (s. Anm. 3) 223. Vgl. zustimmend zitiert von N. Hoffman, Sühne. Zur Theologie der Stellvertretung (Sammlung Horizonte N. F. 20) 126 Anm. 325.
[97] B. Franke, Proexistenz (s. Anm. 6) bes. 58-88, versuchte, in der Proexistenz-Formel „Ansatzpunkte“ für eine „Spiritualität der Proexistenz“ aufzuweisen, wobei er an unseren o. (in Anm. 2) genannten Vortrag von 1972: Der proexistente Christus – die Mitte des Glaubens von morgen?, anknüpfte und (58-88) aus dem Bild des proexistenten Christus Impulse zu einer „Spiritualität der Dunkelheit“, zu einer „Spiritualität das Engagements“ und zu einer „Spiritualität des letzten Platzes“ aufwies – wobei die „Spiritualität der Dunkelheit“ ein „Mitleben der Verlassenheit des Herrn“ ist, „betroffen über die ‚herabsteigende‘ und sich ‚entleerende‘ Liebe Gottes, die ihn in Christus sucht in Leid und Sünde“ – eine „Kenosis-Frömmigkeit …, die existentiell die Gottesferne der Welt leidend durchsteht und siegend besteht” (vgl. unseren vorstehend genannten Beitrag, hier 150 ff).
[98] Das Programm der Gotteslehre von W. Kasper (s. Anm 17) ist eine „theologische Theologie” (28. 383), die „das Gottsein Gottes, seine Freiheit in der Liebe, ernst nimmt, die von Gott durch Jesus Christus im Heiligen Geist geschenkte Freiheit in der Liebe und zur Liebe und so die Menschlichkeit des Menschen in der Situation ihrer höchsten Bedrohtheit retten kann”.