Predigt über Genesis 16 (1.Mose 16,1-16)
Von Eberhard Jüngel
Es gibt Wörter, liebe Gemeinde, die auch rückwärts gelesen einen Sinn ergeben. Unter ihnen gibt es solche, die rückwärts gelesen dasselbe sagen wie von vorn gelesen: Otto zum Beispiel oder Anna oder das Adjektiv tot. Aber es gibt auch solche Wörter, die von hinten gelesen einen ganz anderen, einen neuen Sinn ergeben: Emma zum Beispiel oder Leben oder auch Gras. In einem bestimmten Alter spielen Kinder gern mit der Möglichkeit, solche doppeldeutigen Wörter zu entdecken.
Dasselbe Spiel kann man auch mit manchen Texten bzw. mit der in ihnen erzählten Geschichte spielen. Sie haben, auch wenn man sie von hinten her aufrollt, einen Sinn. Und manchmal verändert sich der Sinn der Geschichte, wenn man sie von ihrem Ende her zu verstehen sucht. Die alttestamentliche Erzählung von Hagar und Ismael ist eine solche Erzählung, die man deshalb tunlichst zweimal bedenkt: zuerst, wie üblich, mit dem Anfang anfangend, Schritt für Schritt vorwärtsgehend – um dann noch einmal, wenigstens kurz, vom Ende her auf das Ganze zurückzukommen.
Die Geschichte steht im 1. Buch Mose im 16. Kapitel.
Sara aber, die Frau Abrahams, hatte ihm keine Kinder geboren. Sie hatte aber eine ägyptische Magd die hieß Hagar. Und Sara sagte zu Abraham: „Siehe doch: Jahwe hat mir Kinder versagt. So geh doch zu meiner Magd, vielleicht kann ich durch sie ein Kind bekommen!“ Und Abraham hörte auf Sara … Und er ging zu Hagar, und sie wurde schwanger. Als sie aber merkte, daß sie schwanger geworden war, sah sie auf ihre Herrin herab.
Da sagte Sara zu Abraham: „Das Unrecht, das mir geschah, komme über Dich! Ich selber habe meine Magd in Deine Arme gelegt; doch da sie nun merkt, daß sie schwanger ist, sieht sie auf mich herab. Jahwe richte zwischen mir und Dir!“ Daraufhin sagte Abraham zu Sara: „Siehe: Deine Magd ist in Deiner Hand; mache mit ihr was Du für richtig hälst.“ Als Sara sie nun hart behandelte, entfloh sie von ihr.
Da begegnete ihr ein Bote Jahwes an der Wasserquelle in der Wüste, an der Quelle auf dem Weg nach Schur. Und er sagte: „Hagar, Magd Saras, wo kommst Du her und wohin willst Du?“ Und sie antwortete: „Vor Sara, meiner Herrin, bin ich auf der Flucht.“ Und der Bote Gottes sagte zu ihr: „Kehre zu Deiner Herrin zurück und beuge Dich unter ihre Gewalt!“ Und der Bote Gottes sagte zu ihr: Ich will Deinen Samen reichlich mehren, daß man ihn vor Menge nicht zählen kann.“ Und der Bote Gottes sagte zu ihr: „Siehe Du bist schwanger und wirst einen Sohn gebären und Du sollst ihn Ismael nennen; denn Jahwe hat auf Dein Flehen gehört. Er wird ein Mensch sein wie ein Wildesel: Seine Hand gegen alle und die Hand aller gegen ihn, und allen seinen Brüdern wird er sich vors Gesicht setzen.“
Und sie nannte den Namen des Gottes, der mit ihr geredet hatte: Du bist der Gott, der mich sieht. Denn sie sagte: „Wirklich: Gott habe ich gesehen, nachdem er mich sah!“ Deshalb nennt man die Quelle: Brunnen des Lebendigen, der mich sieht. Sie liegt zwischen Kades und Bered. Amen.
Liebe Gemeinde!
Jahrhundertelang hat man die Nase gerümpft, wenn diese Geschichte erzählt wurde. Doch was ist eigentlich anstößig an dieser Erzählung?
Daß von zwei starken Frauen die Rede ist? Bestimmt nicht! Heutzutage schon gar nicht.
Daß der Mann in dieser Geschichte seiner Frau ergeben ist, so sehr, daß er zu allem, was sie will, immer nur Ja sagt? Abraham als Softi? Ja, warum denn nicht! Warum soll Abraham nicht Ja und Amen zu dem sagen, was Sara will? Daran können allenfalls ausgesprochene Machos Anstoß nehmen. Und dieser Typ Mann kommt bekanntlich in unseren Gemeinden nicht vor.
Bleibt nur noch die Moral von der Geschichte, genauerhin: die Sexualmoral. Eine Frau überredet ihren Ehemann, mit der Hausangestellten in’s Bett zu gehen – wenn das nicht anstößig ist, was dann? Doch ich warne. Ich warne davor, das, was uns heute ungewöhnlich erscheint, sofort für anstößig zu erklären.
Ungewöhnlich ist die Geschichte in der Tat. Jedenfalls für uns. Daß eine kinderlose Frau ihren Mann veranlaßt, sich eine Nebenfrau zu nehmen, damit er auf diese Weise doch noch Vater und so auch sie zumindest indirekt Mutter wird – das ist für uns halbwegs gesittete Alteuropäer zweifellos ein ungewöhnlicher Vorgang. Doch andere Länder, andere Sitten! Und vor allem: andere Zeiten, andere Sitten!
Man muß also die damaligen Sitten kennen, um einigermaßen vorurteilsfrei hören zu können, was die Geschichte von Hagar zu sagen hat. Zumindest dreierlei muß man wissen.
Erstens: Damals, in der Zeit der Erzväter, war es durchaus Sitte, daß eine Frau eine Leibmagd mit in die Ehe brachte, über die sie souverän verfügen durfte. Selbst der Ehemann hatte nur begrenzte Verfügungsgewalt über sie. Er konnte sie nicht mit in sein Bett nehmen wie seine eigenen Sklavinnen, die er nach Lust und Laune zu seinen Konkubinen machen konnte. Doch die Leibmagd seiner Ehefrau stand ihm nicht zur Verfügung, mochte es ihn auch noch so sehr nach ihr gelüsten. Das war nicht nur bei den Vätern Israels, sondern im Orient weithin Brauch, Sitte und Recht. Sara hatte also eine starke Stellung. Und sie füllte sie aus. Sie war wirklich eine starke Frau.
Zweitens: Auch das war zur Zeit der Patriarchen ein weithin verbreiteter Rechtsbrauch, daß die Ehefrau bei anhaltender Kinderlosigkeit dem eigenen Ehemann ihre Leibmagd in die Arme legte, auf daß er mit ihr ein Kind zeuge. Gelang ihm das, dann mußte die Magd „auf den Knien“ der Herrin das Kind zur Welt bringen, so daß das Kind so angesehen wurde, als sei es aus dem Schoß der Herrin selbst hervorgegangen. Es war nun deren Kind. Hagars Kind würde dann Saras Kind sein. Hagar hatte also eine ausgesprochen schwache Stellung. Und sie war dennoch, wie sich zeigen wird, eine starke, eine ungewöhnlich starke Frau.
Schließlich unterscheidet auch dies die Zeit der alttestamentlichen Väter und Mütter von unserer Gegenwart, daß Kinderlosigkeit als soziale Schmach betrachtet wurde, unter der vor allem die Frau zu leiden hatte. Eine kinderlos bleibende Ehefrau verlor an gesellschaftlicher Achtung. Sie symbolisierte sozusagen die Verweigerung von Zukunft, die man im Kind und vor allem im Sohn garantiert sah. Die auf Dauer kinderlos bleibende Frau drohte an den Rand der Gesellschaft zu geraten. Ihre starke Stellung war stark gefährdet.
So war das – damals. Und zumindest so viel muß man wissen von dem, was damals Sitte, Brauch und Recht war, um die Erzählung von Hagar auch heute verstehen zu können.
Um Hagar vor allem geht es in dieser Geschichte: um die ägyptische Magd der Sara, die wiederum die rechtmäßige Ehefrau des Patriarchen Abraham war.
Der spielt in dieser Geschichte allerdings keine große Rolle. Ja, er spielt – wie ein gelehrter Kommentator sich ausdrückt – „zwischen diesen beiden starkknochigen Frauen eine etwas unglückliche Rolle“. Und das ist noch recht freundlich ausgedrückt. Der Patriarch erinnert ein wenig an jenen Familienvater, der seinem jungen Sohn erklären sollte, was ein Prinzgemahl ist, und dabei nicht nur Bemerkenswertes zu sagen hat, sondern auch Bemerkenswertes zu hören bekommt. Der Vater zum Sohn: „ein Prinzgemahl – weißt Du, das ist, wie wenn bei uns Mutter alles zu sagen hätte und ich nichts.“ Daraufhin der Sohn: „Vater, bei uns hast Du alles zu sagen. Aber Mutter sagt immer alles…“
Doch noch ist Abraham nicht Vater. Noch ist er kinderlos. Und das, obwohl Gott dem Patriarchen eine große Nachkommenschaft verheißen hatte. So zahlreich wie die Sterne am Himmel sollten seine Nachkommen sein (Gen. 15,5) – so die göttliche Verheißung. Aber derselbe Gott hat mir – so Sara zu Abraham – Kinder versagt. Und damit beginnt die Geschichte, die zunächst die Geschichte zweier starker Frauen ist.
Sara überredet Abraham, mit ihrer Leibmagd Hagar ein Kind zu zeugen, das dann jedoch nicht Hagars Kind, sondern – wie wir nun wissen – das Kind der Herrin, also Saras eigenes Kind sein würde. Sara macht Hagar sozusagen zur Leihmutter.
„Abraham hörte auf Sara. Und er ging hin zu Hagar. Und sie wurde schwanger.“ So, weit, so gut.
Am Anfang war wirklich alles gut. Sara meinte es gut. Abraham fand es gut. Und Hagar tat es gut. Hagar tat es überaus gut, Mutter zu werden. Abraham fand es ungemein gut, ein Kind zu zeugen. Und Sara meinte es mit sich selber nur zu gut. Hoffte sie doch, mit Hilfe der Leihmutter selber Mutter zu werden und ihre bedrohte soziale Geltung verteidigen zu können. Weiß Gott, in jeder Hinsicht ein guter Anfang!
Doch aus dem guten Anfang geht wenig Gutes hervor. Wir Moralisten meinen zwar, daß nur böse Taten böse Folgen haben können. Denn „das ist der Fluch der bösen Tat, daß sie fortzeugend immer Böses muß gebären“. Indessen, das Leben ist komplexer und komplizierter, als der Moralist denkt. Das Leben kennt durchaus auch so etwas wie den Fluch der guten Tat. Im wirklichen Leben kann aus einem guten Anfang ganz und gar nicht Gutes hervorgehen.
In unserer Geschichte ist das gleich zweimal der Fall. Hagar tut die Schwangerschaft so gut, daß sie, die Magd, auf die Stimme der Natur hört und den Stolz der werdenden Mutter nicht verbergen kann. Jetzt steht sie im Mittelpunkt – so sehr, daß sie auf ihre Herrin herabzusehen begann. Hagar wurde hochmütig. Doch Hochmut kommt vor dem Fall.
Die in ihrem eigenen Stolz gekränkte Sara zeigt ihre Stärke und stilisiert den Konflikt mit der Magd hoch zu einem Konflikt mit ihrem Mann. Sie beschuldigt ihn, den Hochmut der Magd begünstigt zu haben. Ja, sie zieht Gott selbst in diesen Konflikt hinein: er soll entscheiden zwischen ihr und dem angeblich schuldigen Abraham.
Dieser, offensichtlich auf den häuslichen Frieden bedacht, gibt nach und überläßt die zur Nebenfrau avancierte Magd wieder der Verfügung ihrer Herrin: „Siehe, sie ist in Deiner Hand, mach mit ihr, was Du für richtig hältst!“
Und das tut sie denn auch. Sara bedrückt und erniedrigt nun ihrerseits Hagar, die werdende Mutter – und das so sehr, daß diese die Situation schließlich für unerträglich hält. Ihre Stärke erträgt die Stärke der Anderen nicht. Ihr Stolz bäumt sich gegen den Stolz der Anderen auf. Sie entflieht der Hand ihrer Herrin, sie „emanzipiert“ sich. Sie flieht in die Freiheit.
Indessen, der Weg in die Freiheit ist konkret ein Weg in die Wüste. Und in der Wüste kann man, wenn man auf sich selbst gestellt ist, nicht überleben.
Wenn man Glück hat, findet man – wie Hagar – eine Wasserquelle. Aber die Wasserquelle macht eigentlich alles noch schlimmer. Denn sie gibt gerade nur soviel her, wie man braucht, um zu merken, was fehlt. Und nur zur leicht kann auch diese Quelle versiegen. Sie hilft für den Augenblick, aber nicht darüber hinaus. Hagar weiß das. Sie weiß, daß die Flucht in die Freiheit ihr eigenes Leben und das Leben des Kindes, das sie unter dem Herzen trägt, gefährdet. Die starke Frau beginnt zu flehen: nicht zu irgendeinem Menschen, aber zu Gott.
Halten wir inne, liebe Gemeinde, und blicken wir zurück! Am Anfang, als Sara ihr Geschick in die eigene Hand nahm und ihrem Ehemann die eigene Magd ins Bett legte, schien alles gut zu gehen. Sara meinte es gut. Abraham fand es gut. Und Hagar tat es gut. Doch nun droht der gute Anfang ein schlimmes Ende zu nehmen. Saras Plan, mit Hilfe der Leihmutter zu einem Kind zu kommen, droht durch ihre eigene Härte zu scheitern. Und die sich emanzipierende Hagar wird zu einer in jeder Hinsicht einsamen Frau. Niemand sieht sie, niemand hört sie, niemand spricht mit ihr. Der Weg in die Freiheit hat sie in eine wüste Einsamkeit geführt.
Auch so mancher von uns kennt das. So manche leidet darunter – sogar mitten in der christlichen Gemeinde: frei, aber unendlich einsam.
Wohl dem, dem dann – in welcher Gestalt auch immer! – eine Person begegnet, die man mit Fug und Recht Bote Gottes nennen kann. So wie der Hagar. Die Person verrät nicht, wer sie ist. Aber sie macht der Wüsten-Einsamkeit Hagars ein Ende.
Oft ist es nur eine schlichte Frage, mit der ein solcher Bote die menschliche Einsamkeit beendet. So wie bei Hagar: „Woher kommst Du? Wohin willst Du?“
Hagar hat wohlweißlich nur den ersten Teil der Frage, nur die Frage nach dem Woher beantwortet. Dann schweigt sie. Aber sie hört, hört auf die Stimme des unbekannten Fremden, sie hört und hört – bis ihr ein Licht aufgeht und sie erkennt, wer da in Wahrheit mit ihr redet.
Es braucht, liebe Gemeinde, oft einige Zeit, bis man erkennt, daß eine persönliche Anrede etwas anderes ist als die Fortsetzung des alltäglichen Geredes. Doch dann entdeckt man plötzlich, daß die Worte des Anderen Zukunft gewährende Wort sind: Worte, die aus der Wüste der Einsamkeit herausführen. So wie bei Hagar: „Du wirst einen Sohn gebären. Und Du sollst ihn Ismael nennen“. Als sie das hörte, wußte sie, daß sie Zukunft hat, Sara hin, Sara her. Wenn sie, Hagar dem Neugeborenen einen Namen geben kann, dann war sie mehr als eine Leihmutter. Dann würde das zur Welt kommende Kind ihr Sohn sein und bleiben.
Ismael – das heißt wörtlich übersetzt: Gott hört. Doch was ist das für ein Mensch, der auf den Namen Gott hört hört! Ein Mensch frei und wild wie ein Wildesel, der den natürlichen Kriegszustand aller gegen alle repräsentiert: „Seine Hand gegen alle, und die Hand aller gegen ihn“. Freiheit? Auf jeden Fall eine wilde Freiheit. Der alttestamentliche Erzähler kann seine Bewunderung für den durch Ismael repräsentierten stolzen Beduinen, der seinen Nacken unter kein Joch beugt, nicht verhehlen. Kein Zweifel, Ismael wird ein seiner trotzigen Mutter ebenbürtiger Sohn sein.
Doch Hagar gibt nicht nur ihrem Sohn, sie gibt auch ihrem Gott einen Namen und nennt ihn den Gott, der mich sieht. Und auch die Quelle erhält einen Namen, der noch einmal dasselbe sagt, nämlich: Brunnen des Lebendigen, der mich sieht.
Am Ende der Geschichte von Hagar stehen also drei Namen, der Name der Quelle, der Name ihres Sohnes und der Name ihres Gottes. Lassen wir die Quelle! Sie plaudert nur nach, was Hagar ohnehin schon gesagt hatte, nämlich ihr Gott soll EL-ROI heißen, also Gott sieht mich. Ihr Sohn aber soll Ismael heißen, also Gott hört.
Gott hört – Gott sieht mich! Wer diese beiden Namen am Ende der Geschichte im Ohr hat, der blickt auf die ganze Geschichte nun doch noch einmal ganz anders zurück. Am Anfang war davon ja nichts zu spüren, daß Gott hört und daß Gott sieht. Am Anfang hieß es nur, Gott habe Sara Kinder versagt. Doch am Ende heißt er gerade wegen dieser Geschichte so: Gott hört – Gott sieht mich. Bedenkt man die Geschichte Hagars von ihrem Ende her, dann stellt sich die Gewißheit ein, daß Gott auch dann sehr genau hört und sehr genau sieht, wenn wir nichts von ihm spüren oder wenn wir gar meinen, Gott sei uns abhanden gekommen. Ja, Gott hört und Gott sieht …
Die Kirche hat freilich nur zu oft Gottes Aufmerksamkeit für uns mit der scheinbaren Allgegenwart eines feindlichen Spions verwechselt und demgemäß damit gedroht, daß Gott alles sieht und alles hört. Und im Schlager hat man dann diese Drohung auch noch trivialisiert:
„und wenn im Fall des Falles
man sich im Dunkel versteckt.
Der liebe Gott sieht alles
und hat Dich längst entdeckt.“
Doch eine Kirche, die in diesem Sinne auf Gottes Auge und Gottes Ohr rekurriert, um Menschen einzuschüchtern oder ihnen zu drohen, ist nicht die wahre Kirche. Sie ist vielmehr eine ausgesprochen pfäffische Kirche.
Ich widerspreche einer solchen pfäffischen Kirche. Ich widerspreche ihr im Namen Hagars und ihres Gottes. Denn er ist ein Gott, der jedem und jeder von Euch, liebe Schwestern und Brüder, sehr genau zuhört. Aber er tut es, um zu erhören. Deshalb redet mit ihm! Redet auch dann mit ihm, wenn Ihr nichts von ihm spürt. Redet auch dann mit ihm, wenn er Euch abhanden zu kommen droht. Denn dessen könnt Ihr gewiß sein, dessen kann jede und jeder von Euch gewiß sein: Gott bleibt auch in weitester Ferne noch der Gott, der Dich hört und der Dich sieht. Und er sieht Dich gern, sehr gern sogar.
Ja, liebe Gemeinde, Gott sieht uns – weiß Gott merkwürdige Menschen – ausgesprochen gern. Er sieht uns sogar – wie jeder wahrhaft Liebende – noch lieber als sich selbst. Amen.
Gehalten zur Verleihung der Ehrendompredigerwürde am Sonntag, dem 16. November 2003 in der Oberpfarr- und Domkirche zu Berlin. Vom Seminar für Allgemeine Rhetorik der Universität Tübingen als Rede des Jahres 2003 gewählt.