In diesen Tagen vom 1. bis 3. November feiert der Ao Baptist Arogo Mungdang (ABAM), der Bund der baptistischen Kirchen der Ao, in Impur ganz groß 150 Jahre Christentum im nordostindischen Nagaland. Mit über 90 % Mitglieder in der Bevölkerung sind die Baptisten dort im wahrsten Sinne des Wortes „Volkskirche“. Die amerikanischen Missionare um Edward Winter und Mary Mead Clark werden entsprechend gefeiert. Eine Lektion wider den missionskritischen Paternalismus bei uns, den ich in meinem Buch „Mission als Namenszeugnis“ beschrieben habe:
Missionskritischer Paternalismus
Wird von europäischen Kritikern eine transkulturelle christliche Mission aufgrund ihrer unbestreitbaren Auswirkungen auf eine indigene Kultur generell infrage gestellt, so verrät solche Pauschalkritik einen eurozentristischen Paternalismus. Europäer maßen sich an, darüber zu urteilen, welche diätetischen Botschaften eine nichteuropäische Kultur erwerben darf und welche nicht, so als wüsste man im urbanen Mitteleuropa besser, was für das „Seelenleben“ von Menschen z.B. im Hochland von Irian Jaya (West-Papua) gut ist. Auch wenn für das eigene Negativurteil einzelne einheimische Stimmen angeführt werden mögen,[1] ist damit keinesfalls gesagt, dass deren Ablehnung christlicher Mission der eigenen Bevölkerungsmehrheit entspricht. Wo, wie im Falle der Naga, einer Gruppe von Bergstämmen in Nordostindien mit einer Vergangenheit als Kopfjäger, mehr als 90 % der Bevölkerung Christen sind, mag es durchaus einzelne Stimmen geben, die die „Christianisierung“ der eigenen tribalen Gesellschaft ablehnen.[2] Es wäre jedoch vermessen, daraus zu folgern, dass Naga sich als Opfer christlicher Mission sehen – ganz im Gegenteil. Innerhalb von drei Generationen ist durch eine weitgehend indigene Evangelisierung die baptistische Kirche ein integraler und für sie unverzichtbarer Bestandteil der eigenen Kultur geworden.[3] Folgerichtig steht dort die Kirche im wörtlichen Sinne mitten im Dorf. Ähnliches kann über die Toba Batak in Nordsumatra gesagt werden, für die das Christsein untrennbar zur eigenen indigenen Identität gehört: Toba Batak können sich kaum anders denn als Christen bezeichnen.[4] Wo substantielle Kritik an der eigenen Kirche geäußert wird, bezieht sich diese nicht etwa auf die christliche Botschaft, sondern auf die fremdkulturellen Einflüsse durch westliche Missionare, die Eingang in die eigene Kirchenordnung bzw. Kirchenzucht gefunden haben, wie beispielsweise die Prohibition von Alkohol.[5]
[1] Vgl. O. Nwakanma, Ewige Ruhe für Afrikas Götter? Konflikte zwischen Christentum und indigenen Religionen, Neue Zürcher Zeitung, Nr. 66, 20. März 2001, S. 65.
[2] Im Falle der Ao siehe P. van Ham, In den Bergen der Kopfjäger. Indiens wilder Nordosten, München 22006, 144-153.
[3] Zur Geschichte der indigenen Kirchen in Nordostindien siehe F.S. Downs, Christian Conversion Movements among the Hills Tribes of North-East India in the Nineteenth and Twentieth Centuries, in: G. A. Oddie (Hg.), Religions in South Asia. Religious Conversion and Revival Movements in South Asia in Medieval and Modern Times, New Delhi 21991, 155-174; bzw. Ders., History of Christianity in India 5/5: North East India in the Nineteenth and Twentieth Centuries, Bangalore 1992.
[4] Siehe P.B. Pedersen, Batak Blood and Protestant Soul. The Development of National Batak Churches in North Sumatra, Grand Rapids 1970.
[5] Im Falle der Naga waren es Missionare der American Baptist Mission, die im Geiste des nordamerikanischen Erweckungspredigers Charles G. Finney (1792-1875) die Abstinenz von Alkohol (insbesondere Reisbier) als Vorbedingung für eine Taufe einforderten. Kritisch wurden die kulturverändernden Einflüsse der baptistischen Mission unter den Naga von der britischen Kolonialverwaltung gesehen. Siehe J.P. Mills, The Ao Nagas, London 1926, 410-424. Vgl. außerdem Ch. von Fürer-Haimendorf, Die nackten Nagas. Dreizehn Monate unter Kopfjägern Indiens, Leipzig 41947, 69-75.
Quelle: Jochen Teuffel, Mission als Namenszeugnis, Tübingen: Mohr Siebeck, 2009, S. 96f.