Karl Barth über die Allmacht und die Hand Gottes (Das Glaubensbekenntnis der Kirche, 1943): „Gott ver­fügt über die Menschen, er regiert und leitet sie. Ebenso wie er der wahre Vater ist, ist er auch der, der die wahren Hände hat. Wir müssen uns hüten vor jenem idealistischen Spiritualismus, der uns sagen läßt: Gott ist zu sehr Geist, um Hände zu haben. Nein, er hat Hände, und zwar die wahren Hände (und keine Klauen wie die unsrigen …).“

Über die Allmacht und die Hand Gottes

Von Karl Barth

Zwischen Oktober 1940 und Januar 1943 hielt Karl Barth in Travers bzw. Neuchatel auf Französisch sechs Seminare über den ersten Teil von Calvins Katechismus, d.h. über dessen Erklärungen zum Apostolischen Glaubensbekenntnis. 1967 wurden sie auf Deutsch veröffentlicht. Daraus folgender Auszug zum ersten Glaubensartikel:

§ 23. Was verstehst du darunter, daß er „allmächtig“ ist? — Das soll nicht heißen, daß er die Macht hat, sie aber nicht mehr ausübt; sondern er hat alle Geschöpfe in seiner Hand und unter seiner Gewalt; er ordnet alles durch seine Vorsehung; er regiert die Welt mit seinem Willen und lenkt alles, was geschieht, nach seinem Wohlgefallen.

§ 24. Du willst also sagen: Gottes Allmacht ist nicht müßig, sondern sie wirkt immer weiter; seine Hand ist immer am Werk, und alles geschieht durch ihn oder mit seiner Erlaubnis und nach seiner Anordnung. — So ist es.

Beachten wir gleich, daß von der Allmacht Gottes erst dann gesprochen wird, nachdem von seiner Väterlichkeit die Rede war. Das bedeutet, daß diese Allmacht durch­aus keine abstrakte Idee ist wie die, die wir uns oft aus­denken: Gott „kann alles“. Man verfällt da in lächer­liche Rätselfragen, etwa: Kann Gott lügen? usw. Solches abgeschmackte Zeug hat seinen Ursprung in einem fal­schen Ausgangspunkt. Gottes Allmacht läßt sich nur erwä­gen in der Ausübung jener Allmacht, wie sie uns in Jesus Christus geoffenbart ist.

In Jesus Christus ist Gott verborgen, und da offenbart er sich. Das ist seine Allmacht. Er ist heilig, er erlaubt in seiner Heiligkeit nicht, daß die Kreatur vor ihm bestehen bleibt. Er läßt sterben und zur selben Zeit läßt er leben; er ist barmherzig und er straft. Selbst seine Offenbarung überläßt ihn nicht den Händen der Menschen, er bleibt frei.

In Jesus Christus steigt Gott in seinem erbarmungsvol­len Herzen aus der Ewigkeit herab, ehe die Welt geschaf­fen wurde. Er trägt alle Sünden, alles Unheil und sogar den Tod. Er wird in seinem Sohne leiden, und indem er in ihm alle unsere Sünden trägt, wird er sich selbst ver­herrlichen. Sieger durch das Kreuz — das ist seine Allmacht!

In Jesus Christus liebt der freie Gott das Geschöpf; der, der ganz in der Höhe ist, steigt ganz in die Tiefe herab, ohne doch aufzuhören, der Herr zu bleiben. Das ist immer noch seine Allmacht.

In Jesus Christus endlich hält der Gott, der der Richter und die Norm des Menschen ist, über uns Gericht und gleichzeitig begnadigt er uns in ihm. Das ist immer noch seine Allmacht.

Man sieht, Gottes Allmacht ist kein abstrakter Begriff, keine allmächtige Gewalt an sich, was eine verrückte und unordentliche Vorstellung ist. Sondern es ist eine kon­krete Aktion, Existenz und Erweisung von Allmacht.

„Er hat alle Geschöpfe in seiner Hand.“ Das ist immer noch keine Idee, sondern ein Ereignis. Der Ausdruck „Gottes Hände“ ist kein Anthropomorphismus. Gott ver­fügt über die Menschen, er regiert und leitet sie. Ebenso wie er der wahre Vater ist, ist er auch der, der die wahren Hände hat. Wir müssen uns hüten vor jenem idealistischen Spiritualismus, der uns sagen läßt: Gott ist zu sehr Geist, um Hände zu haben. Nein, er hat Hände, und zwar die wahren Hände (und keine Klauen wie die unsrigen…).

Schließlich, Gottes Allmacht ist wahrhaft all-mächtig. Wir haben nicht zu befürchten, daß es auf gleicher Stufe mit dem Reich Gottes andere Reiche gäbe, etwa das Reich des Teufels, das Regiment der Leidenschaften, die Bos­heit, mein schlechtes Benehmen, meine bösen Gedanken. Sicher, das alles existiert, aber nicht anders als Gott unter­geordnet.

So ist Gott dauernd am Werk, es gibt keine toten Zeiträume für Gott. Er hat es nicht nötig zu träumen und zu schlafen wie wir, noch sich in eine Roman- und Phan­tasiewelt zurückzuziehen.

Er ist immer der, der erlaubt und gebietet; und es ist so, wie es der Heidelberger Katechismus sagt (Fr. 26): „Ich weiß, daß Gott es tun kann, weil er allmächtig ist, und daß er’s tun will, weil er unser treuer Vater ist.“ Er wird für uns Sorge tragen und selbst das Böse in Gutes verwandeln, nicht als ob das Böse als solches gut wäre, aber durch Gottes Wirken wird das Böse verwen­det zum Guten.

Quelle: Karl Barth, Das Glaubensbekenntnis der Kirche. Erklärung des Symbolum Apostolicum nach dem Katechismus Calvins, aus dem Französischen übersetzt von Helmut Goes, Zürich: EVZ, 1967, S. 31-33.

Hier der Text als pdf.

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